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testanten in Deutschland zur Wiederannahme der alten Religion zu zwingen, so war in der That für den Protestantenkrieg des Kaisers auch nur die Neutralität der französischen Krone schon eine gewaltige Unterstüßung: schon durch die Neutralität Frankreichs gewann der Kaiser die Möglichkeit, seine Pläne in Deutschland auszuführen.

Es hatte sich ihm schon wieder einmal und dies Mal mit zwingender Gewalt die Idee und die Absicht erhoben, auf jeden Fall und um jeden Preis dem deutschen Protestantismus ein Ende zu machen.

Henry II. (Arch. cur. de l'hist. de Fr.) deutet auf Abmachungen gegen die Protestanten hin, und eine Verschärfung der kaiserlich - königlichen Stellung gegen den Papst in Folge dieses Friedens läßt sich wohl nicht nachweisen.

4.

Das as Verfahren Karl's gegen die Protestanten in Deutschland ist in seinem ganzen Verlaufe der verschiedensten Deutung unterworfen gewesen. Eine Politik, die nicht immer sich in gerader Linie bewegt, die bald einen Schritt den Neuerern entgegen gethan, bald wieder in ihre ablehnende und feindliche Haltung sich zurückgezogen, eine Politik, die von dem Vorhaben des bewaffneten Anfalles zu den Versuchen einer Ausgleichung der Gegensäge übergegangen; eine solche Politik konnte den Zeitgenossen nicht anders als in zweifelhaftem, schwankendem Lichte erscheinen: allgemein hat man den Vorwurf der Treulosigkeit und Unredlichkeit gegen den mächtigen Kaiser erhoben.

Ich meine, es hat auch den Schwankungen dieser Politik ein festes Prinzip zu Grunde gelegen: sobald einmal der spanische Herrscher von Deutschland der Bedeutung dieser deutschen Händel sich bewußt geworden, hat er eine feste, eine unbeweglich feste Stellung zu ihnen ergriffen.

Fest katholisch ist stets der Sinn Karl's gewesen; und in dem festen Gefühle dieses alten, durch die Jahrhunderte des Mittelalters geheiligten Katholizismus hat er sich die Aufgabe gestellt, die Spaltung in der deutschen Kirche zu heilen, d. H. die abgewichenen Protestanten wieder beizubringen in den Schooß der Einen allgemeinen Kirche.

Allerdings verschiedene Wege konnte es geben, diese Aufgabe zu lösen. Auch diese kirchliche Frage, die über die Religion der deutschen Nation entscheiden sollte, auch sie behandelte der Staatsrath des Kaisers, wie alle anderen Fragen der Politik, die ihm unterlagen: kein Mittel ward da als unberechtigt abgewiesen, das Aussicht bot, das ge= wollte Endziel zu erreichen; und kein Mittel der Politik, weder Ueber

redung noch Bestechung, weder Ueberlistung noch Bewältigung, weder diplomatische Kunstgriffe noch militärische Maßregeln, blieb auch in der religiösen Frage unbenutzt. Und es kam hinzu, daß dieser Habsburger nicht der deutschen Nation König allein gewesen, daß die Stellung an der Spitze der christlichen Welt ihm Verpflichtungen und Aufgaben brachte noch anderer Natur, daß endlich er Rücksichten auf die Großmächte des ganzen Europa zu nehmen hatte.

Die Ahnen von Habsburg-Burgund und die Erblasser von Spanien vererbten ihm beide den Krieg mit der französischen Krone; aber des französischen Franz aufstrebende Macht niederzuhalten, war schon an sich ein gewaltiger Kampf, der alle Kräfte der habsburgischen und spanischen Stellung in Anspruch nahm.

Des Osmanen Angriff auf die Christenheit erschütterte in bedenklichster Weise die Reste des mittelalterlichen Weltreiches; aber auch diesen Angriff abzuwehren, war vorzugsweise auf Karl's Schultern gelegt.

Die Grundlagen, die die katholischen Könige der spanischen Herrschaft über Italien gelegt, die Verfügung und Leitung über das Papstthum, die sie als eine Lebensbedingung für Spanies Großmacht angebahnt, auch sie wiesen den Enkel auf Eroberung und Behauptung des italienischen Bodens hin. Aber in welche Weiterungen verstrickten ihn nicht diese italiänischen und päpstlichen Händel!

Alle diese Beziehungen aber und alle diese Aufgaben verwickeln und verwirren die Fäden der Politik im Rathe des Kaisers; sie sind die Faktoren, die seine Stellung auch zu den Protestanten bestimmt Haben. Nicht ein mathematisch sicherer und fester Punkt ist es gewesen, von dem aus der Kaiser die deutschen Verhältnisse überschauen konnte, nein, die verwickelten Verhältnisse seiner Stellung an der Spize einer Weltmacht verschieben und verändern ihm in jedem Augenblicke den Ausgangspunkt in der Verwirklichung seines großen und Einen Gedankens.

Durch die französischen, türkischen und italienischen Verhältnisse genöthigt, hat Karl auch jene Schritte den deutschen Protestanten entgegen gethan, die von seiner Nachgiebigkeit Beweis ablegen konnten, die durch Annäherung an den Standpunkt des Gegners eine Versöhnung zu erhandeln suchten. Aber wie ist im Grunde doch ein jeder dieser Schritte von einer wirklichen Vermittelung der Gegensäte entfernt! Was einst des Kaisers Lehrer auf dem päpstlichen Stuhle laut verkündet, daß die Mißbräuche in Leben und Verfahren der Kirche einer ernstlichen und

gründlichen Reformation bedürften, was nachher Spaniens Theologen in Trident mit allem Eifer und ganzer Schärfe verfochten und erstrebten, das ist auch Karl's Ueberzeugung gewesen. Einer solchen Reformation der Kirche hat auch seine Politik den Boden zu bereiten und Unterstüßung zu leihen keinen Anstand gefunden. Aber eine Aenderung in dem Dogma, eine Neugestaltung des kirchlichen Lebens, wie man sie in Deutschland verlangte, und wie für Deutschland sie ein Bedürfniß geworden, — schon der Gedanke einer so gearteten Reformation war ihm ein Gräuel.

Auch in allen den Verhandlungen und den Vergleichen mit den deutschen Protestanten ist in dem Kaiser die Idee lebendig geblieben, daß es noch einen anderen Weg zur Erledigung aller Schwierigkeiten gebe, daß er in anderer Weise weit leichter seine Aufgabe lösen könne, daß er zuletzt doch zu jenem anderen Verfahren werde greifen müssen. Die Unterwerfung Deutschlands unter die päpstliche Kirche und unter die spanische Herrschaft ist immer und unverrückt das Ziel Karl's geblieben.

Ein überlegender und vorsichtiger Politiker wie Karl ist aber von einer Liebhaberei an unnöthigen Gewaltschritten gewiß niemals verblendet: zuerst mußte er diplomatische und friedliche Mittel zur Bezwingung des Protestantismus versuchen und zwar wiederholt versuchen; und erst als diese wiederholten Versuche sich nußlos erwiesen, als in den Verwicklungen der europäischen Verhältnisse und unter dem Einfluß der Religionsverhandlungen die Protestanten ihre Zahl, ihre Macht, ihren Einfluß immer mehr ausdehnten, erst da hat er es unwiderruflich entschieden, daß er die Protestanten mit Krieg überziehen wolle.

Wenn schon zur Zeit des Madrider Friedens die Befürchtung eines solchen Krieges einmal aufgestiegen war; wenn in den Verhandlungen nach dem Augsburger Reichstag schon einmal in nächster Nähe der katholische Angriff auf die Protestanten gedroht hatte, so hatten damals die Verwicklungen mit dem Papste und dem französischen Könige die Hand des Kaisers von dem Schwertgriff wieder zurückgezogen. Jetzt aber nach dem erneuerten Frieden mit Frankreich war Alles danach angethan, der Wille des Kaisers und die europäische Lage, daß es diesmal Ernst, furchtbarer Ernst mit dem Kriegsgedanken gegen die Widerspänstigen werden sollte.

In der That, es wäre ein Wunder zu nennen, wenn dieser Kaiser diesen Protestanten gegenüber zu einem Kriege zu schreiten für immer vermieden hätte.

Die Protestanten nahmen in Deutschland nach dem Ausgang des Regensburger Reichstages eine gewaltige Stellung ein, sie konnten es sich nicht verbergen, von welcher Wichtigkeit für seine ganze Lage dem Kaiser ein gutes Vernehmen, ein Frieden mit ihnen geworden: sie ergriffen dann auch den nächsten Anlaß, den raschen und eifrigen Herzog von Braunschweig für seine katholische Gesinnung und sein entschiedenes Auftreten gegen die Reformation eigenmächtig zu züchtigen; ja, sie wagten es offen zu erklären, daß sie ungünstigen Sprüchen des Kammergerichtes nicht mehr gehorchen würden. Und trotz alledem mußte Kaiser Karl in der großen Gefahr, in die ihn 1543 die O8manen auf der einen, und die Franzosen auf der anderen Seite brachten, sich ihnen freundlich und geneigt erweisen. Nachdem er so den deutschen Verbündeten des Königs, den Herzog von Cleve, mit gewaltigen Schlägen in seine Arme zu treiben vermocht hatte, erlangte er auf dem Reichstage zu Speier im Jahre 1544 von den Deutschen bereitwillig erneuerte Hülfe gegen die Türken und gegen den französischen Reichsfeind. Den Protestanten hatte er freilich einen hohen Preis dafür zahlen müssen. Während er einstweilen die Rechtsgleichheit von Protestanten und Katholiken im Reiche anerkannte, verhieß er ihnen mit aller Bestimmtheit die Berufung eines gemeinen, freien, christlichen Conzils," und für den Fall, daß dies Conzil verhindert werden sollte, sagte er für Deutschland eine Ordnung der ganzen religiösen und kirchlichen Frage durch einen deutschen Reichstag des nächsten Jahres zu 1). Dieser Abschied des Speierer Reichstages hat aber die äußerste Grenze der kaiserlichen Nachgiebigkeit berührt, ja er hat sie fast überschritten.

In der ganzen katholischen Welt ward das Staunen und Entsetzen über diese That Karl's rege. Gegen das Versprechen einer religiösen Ordnung auch ohne Conzil, allein durch den deutschen Reichstag, donnerte sofort des Papstes Zorn und Eifer. Aber war es des Kaisers Schuld und Fehler, der ihn den von ihm stets gehaßten „Ketern“ nahe gebracht? Mit schneidender Schärfe und treffender Entrüstung hat er dem Papst zu entgegnen gewagt und deutlich bezeichnet, wen nach seiner Ansicht der größte Vorwurf treffen müsse 2). Und ich glaube

1) Vgl. Ranke D. G. IV. 240 ff.

2) In seiner Antwort auf des Papstes Breve (vom 24. August 1544. Pallavicino V. Cap. 6.) erörtert der Kaiser (A. v. Simancas): su md. nunca ha sido ny dada causa alguna a los inconvenientes acaecidos en la christiandad, sino

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