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erreichen. Und in der That, in großartiger Weise ging Karl jezt auf diese Ideen ein: eine Politik des Friedens nach allen Seiten ist 1538 seine Losung geworden.

Schon im Jahre 1536 mußte es dem einsichtigen Beobachter klar sein, daß kein Friede in Europa von Dauer sein werde, so lange das Herzogthum Mailand unter spanischer Botmäßigkeit stehe: so sehr hatte Franz den Besit von Mailand zum Angelpunkte aller seiner politischen Bewegungen gemacht. Und in den Verhandlungen, die dem Kriege von 1536 vorausgegangen waren, schien auch Karl dies eingesehen zu haben; er hielt es damals für möglich, Mailand abzutreten, und nur über die Bedingungen dieser Abtretung, über die Sicherheiten für des Kaisers Stellung, über die Garantien der Selbständigkeit eines französischen Prinzen in Mailand war weitläufig verhandelt worden. Es war das in der That eine schwierige Aufgabe, dabei die Forderungen des Kaisers und die Wünsche des Königs in derselben Lösung der Frage zu vereinigen. Man hatte wohl allerlei Projekte erörtert, ob man etwa den Papst oder einen der Farneses mit der vorläufigen Regierung betrauen solle, oder ob des Kaisers Schwager, der Infant Don Luis von Portugal einen geeigneten Regenten abgeben könne; aber zulezt kam man doch stets auf einen französischen Prinzen zurück. Wenn nun der Kaiser schon vor dem Kriege zu derartigen Concessionen bereit ge= wesen war, wenn er im Interesse des allgemeinen Friedens, zum Wohle der ganzen Christenheit dem französischen Königshause irgend ein Gebiet abtreten zu wollen erklärt hatte, so schien dadurch eigentlich der Anlaß zum Schlagen stets geringer zu werden, und zum wenigsten ein ergiebiger Boden für eine Verhandlung zwischen den Gegnern gege= ben. Es war des Papstes Verdienst, diesem Gedanken Eingang zu verschaffen: er bewog den Kaiser und den König, einstweilen von der nähern Gestaltung der Bedingungen eines dauernden Friedens abzusehen und sich allein an jene ganz allgemeinen Voraussetzungen zu hal= ten; und auf einer solchen allgemeinen Basis brachte er den Waffenstillstand von Nizza zu Stande 1). Man vereinigte sich dahin, daß einstweilen über die italienischen Besizverhältnisse nicht weiter Krieg geführt werden solle, daß man vielmehr auf das Allgemeine seinen Sinn richten und in den zu einer Entscheidung drängenden gemeinsamen

1) Außer der Relation Tiepolos über den Kongreß in Nizza vgl. Karl's Erklärungen an Maria (bei Lanz II. 284) und an Ferdinand. (Lämmers p. 191.)

Fragen des ganzen Abendlandes in Eintracht vorgehen wolle, daß zur Besiegelung dieser Uebereinkunft man über Ehen zwischen den beiden Herrscherfamilien und über die gemeinsame Ausstattung ber einzelnen Paare noch weiter verhandeln werde. Wenn jemals, so hat in jenen Tagen die allgemeine Lage der Christenheit zu ernsten Bedenken Anlaß gegeben und die europäischen Herrscher zu reiflichem Nachdenken gezwungen.

Angelockt durch des Franzosen Erbietungen hatte der Türke einen neuen Angriff auf christliche Gebiete gemacht: mit den französischen Kräften verbündet hatte er sogar Italien angefallen und dann auch die venetianischen Besitzungen im Mittelmeer überzogen, kurz der Ungläubigen Macht war allenthalben in siegreichem Fortschritt. Dem entgegen hatten dann die italienischen Mächte zu einem Schutzbündniß untereinander gegriffen; auch der Papst konnte sich endlich nicht weigern, auf der Spanier Vorstellungen zu hören, es nahm da Alles die Wendung, als ob er seine Neutralität im europäischen Kriege dem Türkenfreunde gegenüber werde aufgeben müssen. Des Spaniers Sinn, von mittelalterlichen Erinnerungen an seine glorreichen Kämpfe mit dem Islam erfüllt, wurde auch in Kaiser Karl lebendig: immer unruhiger, immer eifriger drängte es ihn, einen gewaltigen Zug gegen diesen Erbfeind zu führen. Und das hat ihn dann einem Frieden mit Frankreich stets geneigter gemacht.

Auch im Innern der Christenheit, wie manches trübe Zeichen war sichtbar geworden, seit die italienische Frage auf's Neue zum Kriege geführt hatte! Das von Papst und Kaiser berufene Conzil, das so allseitig verlangte, war von den deutschen Protestanten als ungenügend abgewiesen, die Protestanten in Deutschland hatten sich in ihrer Stellung nur immer mehr befestigt, ja eine der Großmächte des Abend= Landes, England, war von der Einheit der Kirche abgefallen und näherte sich in bedenklicher Weise den Protestanten; in Deutschland aber, das, wie es damals schien, des Kaisers Politik aufgegeben', drohte der katholischen Fürsten Eifer den Ausbruch eines Bürgerkrieges: in solcher Lage der Dinge konnte der Kaiser unmöglich sich der Erwägung verschließen, daß ihn seine allgemeine Stellung zum Einschreiten in die protestantischen Händel im Schooße der Christenheit verpflichte. Die allgemeinen Fragen Europa's nach Innen und nach Außen zu lösen, war gewiß eine höhere, eine kaiserlichere Aufgabe, als den italienischen Besitz gegen Frankreichs Eroberungslust zu vertheidigen.

Kaiser Karl V. hat die Eigenschaft eines großen Fürsten besessen,

die Bedeutung solcher allgemeinen Aufgaben einzusehen, und dieser Einsicht hat er auch seine persönliche Kriegslust unterzuordnen gewußt 2). Und wie er einer einmal ergriffenen Tendenz sich ganz und lebhaft hinzugeben pflegte, so war er auch jetzt eine Zeit lang von dem Gefühle des Friedens, der Freundschaft, der Einheit mit Frankreich zu hohen, weitfliegenden Plänen erhoben.

In persönlicher Zusammenkunft zu Aiguesmortes beschlossen die Monarchen, ihrer Politik diese gemeinsame Richtung zu geben; und sofort noch im Herbst 1538 wurden die Verhandlungen eröffnet, die allen alten Hader für immer beseitigen und die Gemeinsamkeit der Politik fest besiegeln sollten 3). Während man einstweilen noch das Einzelne der Abmachungen in bindender Weise festzusehen behutsam umging, fanden die Minister in der allgemeinen Geneigtheit und den freundlichen Gesinnungen beider Monarchen die sicherste Garantie dieser Lage. In Spanien war Granvella ganz besonders thätig für die Dauer dieses Zustandes: er wünschte, daß Franz und Karl noch einmal persönlich sich sähen und sprächen, sei es im Süden, wenn Karl in den Türkenkrieg ziehe, sei es im Norden, wenn er nach den Niederlanden eile, in Deutschland eine bessere Ordnung zu schaffen. Ja wenn die allgemeine Monarchie der katholischen Christenheit stets das Ideal der kaiserlichen Politik gewesen, so durfte man sich wohl in dem Gedanken begeistern, daß eine Vereinigung des habsburgischen und des französischen Besizes in Einer Familie das Ziel sein müsse, auf das man seinen Lauf zu richten habe 4).

Und was dieser Einigung von Karl und Franz zu einer großen gemeinsamen Politik noch höhere Bedeutung gab, auch den Papst hatte Karl in jenem Augenblick für seine Ziele gewonnen. Waren doch Paul und sein Sohn Pier Luigi vornehmlich bemüht gewesen, jenen Stillstand im Kriege zu erwirken; an ihrer Zustimmung und Mitwirkung durften daher die alliirten Mächte nicht zweifeln. Auch den Absichten der Farneses, ein selbständiges Fürstenthum sich in Italien zu gründen, waren ja diese allgemeinen Verhältnisse recht hold geworden; dem Herzoge von Castro hatte Karl schon Novara und dazu eine hohe Pension

2) Daß Karl persönlich der Abtretung Mailands entgegen und persönlich zum Kriege geneigt war, folgt aus dem Gutachten von 1536 (Lanz II. 266.)

3) Ueber Alles das geben die Depeschen der französischen Gesandten aus Spanien Auskunft. Bei Ribier Lettres et memoires d'estat I. 264, 291 u.s.f. 4) Vgl. Granvella's Aeußerungen bei Ribier I. 262.

geschenkt; jezt aber richteten sie noch bestimmter auf Mailand ihr Verlangen, oder sie redeten dem Kaiser auch wohl einmal von Siena oder von Florenz;5) und zulegt, als des Pier Luigi Sohn, Ottavio Farnese, mit der unehelichen Tochter des Kaisers, Margarethe, verheirathet wurde, da fand es keinen Anstand, daß der Papst dem Herzoge von Urbino einen Krieg erregte und sich von ihm für den Enkel das Herzogthum Camerino abtreten ließ. Wenn nun auch die Ideen und Wünsche dieser päpstlichen Nepoten weit über diese geringen Anfänge fürstlicher Macht hinausgingen, so war doch alle Aussicht vorhanden, daß Kaiser Karl, dessen Schwiegerfohn ja der Erbe der Farneses war, einer Machterweiterung der Familie nicht entgegen sein werde: durch Freundlichkeiten und Gunstbeweise an den Papst und sein Haus konnte er für die allgemeinen Aufgaben und Zielpunkte seiner kaiserlichen Politik auch den Beistand des Papstthumes zu gewinnen hoffen.

Auf diese Weise hat seit dem Sommer des Jahres 1538 der Kaiser seine Aufgabe zu lösen gesucht: in Frieden und Freundschaft mit dem Rivalen hat er sich auch die Hülfe des Papstes Paul's III. erworben.

Es waren aber diese Mächte dahin übereingekommen, einen groBen Feldzug zu Wasser und zu Land gegen den Türken zu eröffnen, auf der anderen Seite aber auch die deutsche und englische Frage ge= meinsam zu erledigen. Da schien eine Zeit lang ein Krieg gegen England beabsichtigt, die Krone dem wankelmüthigen, erregbaren Heinrich zu nehmen und den Katholizismus gegen des englischen Königs Willen in England herzustellen, — und gerade des Papstes Wunsch wäre ein solcher Zug gegen England gewesen. Aber Karl entschied nach einiger Zeit, daß die Ordnung der deutschen Dinge dem englischen Unterneh= men vorangehen müsse 6). In dieser deutschen Frage war durch die Wendung von Nizza und ihre Folgen auch eine neue Politik eingeleitet worden. Mit Umsicht und Entschlossenheit Verhandlungen einzugehen, hatten die Herrscher beschlossen, Verhandlungen mit den Protestanten, die sie zur Rückkehr in den Katholizismus auf dem Wege der Güte und des Friedens führen sollten.

Wir sahen, wie doppelsinnig und wie wenig entschieden sich des

5) Das Einzelne enthalten die Depeschen Grignan's aus Rom (bei Ribier I.) Daß Pallavicino diese Absichten der Farneses in Abrede stellt, ist ebenso wenig beweiskräftig, als es nicht auffält.

6) Juni 1539 (Quirini Epistolae Poli. II. praef. 287).

Kaisers Politik zu der deutschen Frage in den letzten Jahren gestaltet hatte: auf der einen Seite war Karl bemüht gewesen, den Frieden durch kluge Zugeständnisse aufrecht zu erhalten und den Protestanten einstweilen thatsächliche Sicherung ihrer Lage zu gewähren, und auf der andern Seite hatte sein Gesandter in Deutschland die schroffe Unversöhnlichkeit der bestehenden Gegensäte offen zum Ausdruck gebracht und alle katholischen Elemente zu einem festen Bunde gesammelt. Welches war der eigentliche Sinn der kaiserlichen Politik? Ich finde, sie hat beide Seiten des Verhältnisses zu gleicher Zeit gepflegt: wie sie damals unter den Verwickelungen der europäischen Lage nur auf eine augenblickliche Erhaltung der bestehenden Zustände in Deutschland bedacht sein konnte, so hat sie ebensowohl sich die Möglichkeit einer gütlichen Verhandlung mit den Protestanten offen zu halten als die Waffen zu dem großen schon früher beabsichtigten Schlage in Bereitschaft zu setzen. gewußt. Das Bündniß der katholischen Stände wurde vom Kaiser gutgeheißen'); in Rom wurde versucht, den Papst zum Beitritt, zur Beisteuer für diese katholischen Bundeszwecke zu bewegen; aber zugleich wurde der Ausbruch eines Krieges der feindlichen Bündnisse in Deutschland verhindert; ja, mit frischem Muthe ging man auf Besprechungen, Erörterungen, Verhandlungen mit den Protestanten ein. Der Kaiser und der König hatten sich in Aiguesmortes darüber geeinigt, daß man mit den Führern der Protestanten in Verhandlungen eintreten und den Versuch machen solle, ob nicht auch durch eine offene Verständigung unter Betheiligung und Leitung des Papstes die Ausgleichung alles kirchlichen Streites herbeigeführt werden könnes). Und in Deutschland schienen die Wünsche Vieler einem solchen Versuche entgegen zu kommen.

In den Tagen, in welchen der Nürnberger und Schmalkaldener Bund dem Beginn eines deutschen Bürger- und Religionskrieges zuzueilen schienen, nahm der Kurfürst von Brandenburg es auf sich, den Zusammenstoß der beiden Parteien zu verhindern und durch Verhandlungen mit beiden Theilen den Friedstand zu erhalten. Man ging auf beiden Seiten in seine Meinung ein: man sette zur ersten Besprechung. einen Tag nach Frankfurt a. M. an. In Folge der Verabredungen von Nizza erschien dort auch ein Vertreter der römischen Curie, der

7) Bucholt IX. p. 377. Wichtig scheint mir auch das zu sein, daß Held der Urheber des Bündnisses noch im Jahre 1539 als kaiserlicher Minister neben dem Erzbischofe von Lund in Deutschland thätig auftritt.

8) Karl an Ferdinand 18. Juni 1538 (Lämmers p. 191.)

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