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Zu dem Reichstage wurde nach dem Wunsche des Kaisers ein Prälat entsendet, der über Deutschlands Verhältnisse aus eigener Erfahrung unterrichtet und sonst der Richtung des Kaisers treu ergeben war: die kaiserliche Partei sette es durch, daß die Wahl auf den Kardinal Morone fiel45). Und dieser Morone hat wirklich auf dem Reichstage, mit seinem Collegen von Augsburg verbündet, dem Beschlusse des Religionsfriedens Schwierigkeiten entgegengestellt und auf die geistlichen Fürsten in römischem, oppositionellem Sinne gewirkt. Wir sahen eben, wie nach seiner plöglichen Abreise die Kraft dieses Widerstandes erlahmt war.

Das Conclave hatte die Anwesenheit der. Kardinäle in Rom erfordert. Nach einem Pontifikate so schwankender und unzuverlässiger Natur, wie dieser Julius gewesen, galt es einen ehrenwerthen, frommen und zuverlässigen Papst zu erheben. Nachdem Karl in großen und kleinen Dingen an dem Verhalten des eine Zeit lang ihm verbündeten Papstes zuletzt Aerger und Ansteß in steigendem Maaße erfahren, schritt auch diesmal die kaiserliche Partei zu der Wahl eines Mannes, den sie bei der letzten Papstwahl noch auf das Heftigste bekämpft hatte. Der alte Cardinal Cervino, dessen Legation am Conzile die kaiserliche Politik unausgesezt beleidigt, und den eine Zeit lang die Franzosen ganz zu den Ihrigen gezählt und als den Ihrigen befördert hatten, wurde gegen den Willen der Franzosen durch die Stimmen der kaiserlichen Partei erhoben: Papst Marcellus II. Nur wenige Tage waren dem alten Manne gegönnt. Sein aufrichtiges Streben nach einer Reform, das er in seinem ganzen Leben bethätigt, hatte nicht mehr die Zeit zum Heile der allgemeinen Kirche zu wirken. Er starb am 1. Mai. Und jezt erlitt die kaiserliche Politik in dem Conclave eine Niederlage, wie sie selten vorgekommen. Die Wahl fiel auf einen Kardinal, der aus einer Familie neapolitanischen Adels stammte, aber den Spaniern feindlich gesinnt und von der spanischen Regierung verfolgt war, der Zeit seines Lebens bei einer jeden Gelegenheit sich als den erbittertsten Gegner des spanischen Karl gezeigt hatte, der von der Uebernahme des ihm verliehenen Erzbisthumes von Neapel durch das entschiedene Veto des Kaisers fern gehalten wurde: Caraffa, an Jahren ein Greis, aber von leidenschaftlicher Gluth der Seele erfüllt, war das Haupt der strengeren Restaurationspartei mittelalterlicher Färbung. Und ihn, den Feind Habsburgs, wagten die Kardinäle zu wählen, troß der Exclusion des Kaisers, zum Theil von der französischen Politik bewogen,

45) Karl an Julius III. 30. März 1554. Lanz 3, 610. vgl. Anhang X. 1.

zum Theil von der Bewunderung seiner herben und kräftigen Frömmigkeit hingerissen46).

Papst Paul IV. nahm nun eine Zeit lang die Miene an, auch die kaiserliche Stellung berücksichtigen zu wollen und nur die religiösen Interessen zu verfolgen. Aber wenn er da seine Agenten am deutschen Reichstage zu systematischer Opposition gegen jedes Zugeständniß an die Keter anspornte, so durfte auch seiner politischen Gesinnung der Gedanke eine gewisse Befriedigung geben, daß er, den Religionsfrieden in Deutschland verhindernd, auch die Stellung der verhaßten Habsburger in Deutschland treffe: denn von jener Abwendung des Kaisers von Deutschland nahm man in Rom keine Notiz; hier galt noch immer Karl als der Herrscher von Deutschland und Ferdinand als das gefügige Werkzeug kaiserlicher Politik47).

Die Vertreter des Papstes in Deutschland boten nun, von dem Eifer des neuen Papstes getrieben, alle Mittel auf, durch Beeinflussung der gut katholischen Stände, der Bischöfe und des Königs das Zustan= dekommen des Friedens zu verhindern, zu erschweren, aufzuhalten. Und wenigstens haben sie dem Frieden Beschränkungen anzuhängen vermocht. In den Verhandlungen der Stände war man bald auf zwei Punkte gekommen, in welchen sich Differenzen zwischen Katholiken und Prote= stanten auch neben der gemeinsamen Neigung zum Frieden geltend machten. Denn es läßt sich begreifen, daß der katholischen Partei Alles darauf ankam, die Concessionen an die von der Kirche abgefallene Sekte möglichst einzuengen.

Einmal, die Protestanten hatten gewünscht, den Religionsfrieden auf alle Stände auszudehnen, d. h. nicht nur die Reichsstände, die Fürsten und Obrigkeiten der einzelnen Territorien, sondern auch ein jeder diesen Landesherren unterworfene Stand, ein jeder Deutsche sollte freie Wahl haben zwischen dem Bekenntniß der alten Kirche und der Augsburger Confession48).

Und dann, die Protestanten hatten gefordert, daß der Frieden gelten solle, zu welcher Zeit auch immer der Beitritt des Einzelnen zur Augsburger Confession erfolge. Wir sehen, das Programm der Protestanten war unbedingte, nicht verklausulirte Toleranz.

46) Die beiden Conclave hat Manrique de Lara in seinen Depeschen aus Rom sehr eingehend und lebendig behandelt: vgl. dazu die französischen Berichte bei Ribier II. 604-612

47) Anhang X. 6 und 13.

48) Anhang X. 2. 3. vgl. Bucholt 7, 180 f

Aber der Widerstand von katholischer Seite, die geschäftige Thätigkeit der römischen Nuntien bei dem römischen König und seinem Beichtvater erhob gegen diese beiden Forderungen einen ausführlich begründeten und hartnäckig festgehaltenen Widerspruch. Wie damals die Dinge lagen, hätte die Freigebung der Religion auch an die Unterthanen der Reichsstände den völligen Untergang des Katholizismus herbeigeführt;

so wenigstens war die Meinung der gleichzeitigen, auch der in Augsburg handelnden Personen49). Und in dieser Frage drang ihre Opposition durch. Die Protestanten gaben ihre Forderungen auf; in den Abschied wurde die Beschränkung der Religionsfreiheit auf die unmittelbaren Reichsstände den Katholiken nachgegeben.

Der zweite Einwurf führte zu heftigerer Debatte, ja, er hätte beinahe die ganze Friedensarbeit wieder rückgängig gemacht. Die katholische Partei, die durch den Religionsfrieden dem Umsichgreifen des Protestantismus eine Schranke zu bereiten hoffte, konnte und wollte nicht zulassen, daß die lutherische Lehre auch die geistlichen Fürstenthümer, die Säulen des Reiches, an sich ziehe. Nun gaben zwar bald die Protestanten zu, daß man nicht, dem Beispiele Preußens folgend, eine Säcularisation der geistlichen Stände beabsichtige, die Rücksicht auf den Adel und auf die jüngeren Prinzen der fürstlichen Häuser verbot dies, - aber die Ehre der Protestanten gestattete es nicht, daß ein geistlicher Fürst, weil er sich zu der Augsburger Confession bekennen wollte, seine Stelle verliere. Mit der größten Entschiedenheit hielten sie an dieser Auffassung fest; und da die katholischen Gegner nicht nachgaben, da auch König Ferdinand, vom Nuntius bearbeitet und angefeuert, sich nicht zur protestantischen Auffassung verstehen wollte, drohten sie den Reichstag abzubrechen, ja sie deuteten an, man werde mit Gewalt auch den unbeschränkten Frieden von den katholischen Widersachern zu erzwingen wissen 5o).

König Ferdinand befand sich da in der peinlichsten Lage. Wie sehr er auch von dem Bruder Rath und Hülfe nachsuchen mochte, Karl ließ sich zu Nichts mehr bewegen, als zu einer Ermahnung an die katholische Gesinnung seines Bruders und zu einer Verweisung an sein eigenes Gewissen. Ferdinand verfiel einmal auf den Ausweg, den

49) Die Berichte der Nuntien (Anhang X.) sind voll von solchen Erörterungen, wie sie überhaupt in lebendigster Weise den Leser mitten in die Hiße der Debatten versetzen.

50) Bucholt 7, 191. Ranke V. 289 f.

Reichstag ganz abzubrechen: indem er einstweilen den Passauer Stillstand in weiterer Geltung erhalte, dachte er die unausgetragenen. Punkte auf einen Reichstag zu verweisen, den er im nächsten Frühjahr berufen, und bei dem er den Kaiser zu persönlicher Erscheinung bewegen wollte. Aber Karl verweigerte entschieden diese geforderte Zusage, er erklärte, mit den Händeln des deutschen Reiches durchaus gar nicht sich zu befassen. Auch die Kurfürsten, an die Ferdinand sich mit dem Antrage der Prorogation gewendet, billigten seine Absichten nicht es blieb nichts übrig, als um jeden Preis zum Schlusse zu kommen 51).

Da hat noch einmal der römische Nuntius alle seine Beredsamkeit und alle seine Argumente zusammengenommen, Ferdinand vor weiterer Nachgiebigkeit an die Ketzer zu warnen. Aber die Noth der Lage wirkte auf den König mehr, als die Rede des italienischen Bischofs. Nachdem ihm der König erklärt, er könne den Religionsfrieden nicht länger verweigern, er werde aber so viel als möglich für die katholische Kirche zu retten suchen, verließ der Nuntius den Reichstag, bei dem Abschlusse des Friedens nicht gegenwärtig zu sein: hätte es sonst doch scheinen können, als ob der Vertreter des Papstthums einen Religionsfrieden billige 52)!

Kurfürst August von Sachsen ist wohl derjenige gewesen, der auf den Ausweg zuerst hingewiesen hat, aus der unlöslich scheinenden Differenz herauszukommen 53). Und nach einigen Verhandlungen fanden seine Vorschläge bei den Protestanten, bei König Ferdinand und zuletzt sogar bei den Katholiken Anklang. Den beschränkenden Zusaß, darin vereinigte man sich, der die Augsburger Confession von den geistlichen Gliedern des Reiches fernzuhalten bestimmt war, nahm Ferdinand in die Urkunde des Reichsabschiedes auf, aber mit der ausdrücklichen Erklärung, daß die protestantischen Stände demselben nicht zugestimmt: der Protest der Protestanten gegen den geistlichen Vorbehalt hat auf diese Weise in der Friedensurkunde selbst seinen Ausdruck gefunden; und die Protestanten durften sich als frei von der Verpflichtung betrachten, dem geistlichen Vorbehalte praktische Folgen zu geben. Und auch zu dieser Nachgiebigkeit verstanden sie sich nur, nachdem Ferdinand ihnen in einer besonderen Deklaration gegen den Willen der Katholischen die Versicherung

51) Ferdinand 9. und 30. Juli und 27. August. Lanz 3, 662. 668-678. 52) 2 nang X. 11. 12.

53) Ranke V. 302. Eine gründliche Monographie über diesen Kurfürsten, genau aus den Archivalien gearbeitet, müßte doch noch ein weithin treffendes Licht auch über diese Dinge verbreiten!

ausgestellt hatte, daß in diesen geistlichen Gebieten die protestantischen Unterthanen von den katholischen Landesherren in ihrer Religion nicht belästigt werden sollten 54).

Der Augsburger Religionsfriede, der am 25. September 1555 zu Stande gekommen ist, hat also noch nicht alle streitigen Fragen endgültig entschieden, aber trotz der Differenzen und trotz der recht wesentlichen Differenzen hat man, die zwingende Nothwendigkeit eines Friedens anerkennend, den Frieden abgeschlossen.

Das wesentliche Endergebniß aus Allem ist also ein Religionsfriede auf der Basis gegenseitiger Toleranz, ein Ereigniß, das die Nation aus sich selbst erreicht und der katholischen Politik ihres spanischen Kaisers abgezwungen hat.

Nach dem Siege Karl's über die protestantische Partei war dieser Sieg der Nation über den Widerstand des Kaisers ein großes und Herrliches Resultat. Wenn man damals noch nicht alle Fragen zu erledigen vermocht, wenn man noch manche Streitpunkte offen gelassen, so durfte man der Folgezeit es überlassen, auch diese in billiger Weise zu lösen. Nachdem das Fundament der Toleranz in unserer Nation gelegt war, konnte es die Aufgabe der folgenden Generationen werden, auf diesem Grunde weiter zu bauen und das anerkannte Axiom zu seinen praktischen Folgerungen zu entwickeln.

54) vgl. meine Erörterung in der Hist. Zeitschrift VII. 360-364, (bes. auch Note 13).

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