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die englische Krone dem Prinzen Philipp gesichert war, ließ Kaiser Karl das deutsche Successionsprojekt fallen, das ihn mit dem Bruder überworfen hatte.

Und da die Tendenzen des Heidelberger Fürstenbundes ganz besonders sich gegen die Regierung Deutschlands durch einen spanischen Thronerben und durch spanische Minister gerichtet und erklärt hatten, hielt Karl es für angemessen, direct diesen Fürsten die Mittheilung zu machen, daß er von der römischen Königswahl Philipps abstehen wollte. Ja, die kaiserlichen Minister, besonders Granvella, gingen seweit, diesen Deutschen mit frecher Stirne die Behauptung aufzustellen, es sei niemals eine solche Idee gefaßt gewesen, sie hätten niemals von diesen Dingen gehört, Behauptungen, über deren Unverschämtheit der Kurfürst von der Pfalz laut lachte, auf die Originale der kaiserlichen Schreiben über diese Sache in seiner Canzlei verweisend 30). Auch dem Bruder gab Karl seine Meinungsänderung zu erkennen, er fügte hinzu, daß er den Absichten Ferdinand's und May' nicht weiter im Wege stehen wolle 31).

So kamen nach und nach die deutschen Angelegenheiten wieder in die Hand des römischen Königs: es bahnte sich nach und nach das alte Verhältniß wieder an, das alle die früheren Jahre bestanden, während welcher Karl in Spanien residirt hatte. Anfangs zwar mußte Ferdinand wohl noch einen selbständigen Entschluß bei dem Kaiser entschuldigen, aber es machte sich allmälig von selbst, daß der Kaiser immer weniger Einfluß in Deutschland ausübte.

Noch in den Händeln Albrechts von Kulmbach geschah es, daß König Ferdinand selbst in den Heidelberger Bund eintrat und auf diese Weise die Fürsten enger an seine deutsch-österreichische Regierung fettete 32). Der Heidelberger Bund wurde so ein treffliches Mittel, den deutschen Süden zu beruhigen und auch dem habsburgischen Könige wieder Einfluß auf Süddeutschland zu verschaffen. Die Versuche freilich, die man im Herbste 1553 wieder aufnahm, nach dem Gedanken des verstorbenen Morit jene sächsische Liga zu gründen, führten auf der

30) Zafius 4. September 1553. Bucholt 7, 533 vgl. Karl's Aeußerungen darüber bei Lanz 3, 624.

31) 9. Dezember 1553 (so scheint es nach Lanz 3, 599) sicher aber am 3. Februar 1554. ebd. 605 ff.

32) Stumpf a. a. D. Ferdinands Erklärungen an Karl vom 29. Dezember 1553. Lanz 3, 596.

Versammlung zu Zeiß doch nicht zu einem befriedigenden Resultate33). Aber auch ohne den Bund ordneten sich die norddeutschen Verhältnisse. Nachdem der Kaiser dem Antrage Johann Friedrichs, ihn nach Morig' Tode mit der sächsischen Kür zu belehnen, nicht Folge geleistet, sondern die Succession des Kurfürsten August anerkannt hatte, brachte Ferdinand's Vermittlung im Februar 1554 eine Aussöhnung der rivalisirenden Vettern zu Wege. Und Ferdinand selbst hielt an der Verbindung mit August unerschütterlich fest.

Mochten da auch französische Agenten noch einmal Deutschland aufzuregen oder die Antipathien gegen Habsburg zu entzünden versuchen, es gelang ihnen an feiner Stelle im Reiche 34). Ueberall lehnten Deutschlands Fürsten ein französisches Bündniß ab; den bedrohten Grenzlanden verhießen die Verbündeten im Reiche Schuß und Beistand gegen den Franzosen: es war keine Aussicht gegeben, daß aufs Neue Deutschlands Ruhe gestört werden könnte 35).

Und so gewann die Hoffnung immer günstigeren Boden, daß der Stillstand von 1552 sich in einen definitiven Reichsfrieden verwandeln lasse. Schon im März 1553, als die neuen Unruhen begonnen hatten, war Ferdinand's Gutachten dahin gerichtet, daß der in Passau versprochene Reichstag bald zusammenkommen müsse; aber eingedenk jener Schwierigkeiten, die der Kaiser gegen einen Religionsfrieden noch in Villach ihm geltend gemacht hatte, legte Ferdinand allen Nachdruck darauf, daß dieser Reichstag ernstliche Schritte zur Beilegung der religiösen Streitigkeiten vornehmen müsse 36). Und diese Mahnung hat Ferdinand bei einem jeden Anlasse dem Bruder wiederholt.

Zwar erließ Karl wiederholter Weise Berufungsschreiben für einen Reichstag 37), zwar sprach er den Wunsch aus, auch noch den lezten Schritt zur Ordnung des Reiches zu thun; aber niemals war er dabei bereit, von seiner Seite die Bedenken fahren zu lassen, die er gegen re

33) Berichte der kaiserlichen Deputirten aus Zeit. bei Lanz 3, 589-595. 34) Sofort nach Moriz' Tode hatten französische Agenten in Deutschland Versuche gemacht; Menden II. 1434 ff. Dann hatte man sogar mit Max_anzuknüpfen gemeint (Ribier 2, 507), aber wir haben nicht den geringsten Beweis dafür, daß Max darauf eingegangen wäre. Vgl. auch Barthold Dentschland und die Hugenotten. I. 142.

35) Bucholz 7, 155.

36) 3. März 1553. Lanz 3, 554.

37) Zuerst nach Ulm angesagt, dann nach Augsburg verlegt, und seit Frühjahr 1554 immer hinausgeschoben.

ligiöse Concessionen gefaßt hatte. Der Zusammentritt des Reichstages fand demnach Schwierigkeiten, troß der Berufung des Kaisers. Und Ferdinand glaubte dem Kaiser es vorstellen zu müssen, daß dieser Reichstag, dessen die Nation so dringend bedürfe, nicht ohne ein Entgegenkommen des Kaisers an die Friedensforderungen der Deutschen, nicht ohne ein Entgegenkommen auch auf religiösem Gebiete denkbar wäre. Ferdinand äußerte zuleßt das Verlangen und bestand nachdrücklich darauf, daß Karl ihm wenigstens in vertraulicher Weise mittheile, wie weit er in der Frage des Religionsfriedens nachzugeben im Stande sei: es sei bedenklich, was man vom kaiserlichen Hofe in dieser Beziehung höre; hätten doch die kaiserlichen Minister laut geäußert, Karl denke nicht daran, den Passauer Vertrag zu halten, dessen so unerträgliche Bedingungen Ferdinand ihm abgezwungen habe 38). Durch solche und ähnliche Erörterungen ist es zulezt dahin gekommen, daß Karl, im Tiefsten verlegt über den Gang der deutschen Ereignisse und nicht mehr gesonnen, den Kampf gegen die deutsche Nation aufs Neue aufzunehmen, sich ganz von Deutschland abgewendet hat. Er gab Ferdinand unbedingte, unbeschränkte Vollmacht, über Deutschland zu schalten und auf dem nächsten Reichstage auch die religiöse Frage zu ordnen, wie seine eigene Ehre und Gewissen ihn heiße. Er meinte, Ferdinand solle den Reichstag lenken, nicht als Vertreter des Kaisers, sondern aus eigener Macht und Befugniß als römischer König; er wünschte alle Verantwortung von sich auf Ferdinand abzuwälzen; er wollte, daß Ferdinand selbständig entscheide, ohne mit Berichten und Anfragen ihn zu belästigen. Und Karl nahm keinen Anstand, dem Bruder das Motiv dieser Handlungsweise zu enthüllen: es geschehe allein aus Rücksicht auf den Religionspunkt, so schrieb der Kaiser, über den er dieselben Scrupel habe, die er ja Ferdinand so genau und vollständig mündlich, und zuletzt noch bei ihrer Besprechung in Villach, auseinandergesetzt habe 39). Der römische König nahm diese Aufgabe auf sich: die schwere Bürde seiner Verantwortlichkeit erkennend, beschloß er doch den Reichstag zu führen 40). Wenn er dabei noch den geheimen Gedanken haben mechte, Karl werde ihn dennoch mit seinem Rathe nicht verlassen, so mußte das ihm in Augsburg bald klar werden, daß Karl sich nicht mehr zu einem Gutachten verstehen wollte. Wie oft auch Ferdinand noch eine Entscheidung in den streitigen Verhandlungen von ihm forderte, so verharrte

38) Lanz 3, 600.

39) Karl 8. Juni 1554. ebd. 622.

40) 24. Juni. ebd. 629.

Karl vollständig in der einmal ergriffenen Position, in die Gestaltung der deutschen Verhältnisse nicht mehr einzugreifen. Die Bürde der Weltherrschaft drückte den Alternden schwer, und schon war in ihm der Entschluß gereift, auf die Kaiserkrone ganz zu verzichten.

Am 22. Dezember 1554 traf endlich König Ferdinand in Augsburg ein; aber erst am 5. Februar 1555 war es ihm möglich, den Reichstag in der üblichen Weise vor den Gesandten der meisten Stände,

es waren nur wenige Fürsten persönlich erschienen, zu eröffnen.

Der Reichstag, der in der Geschichte unserer Nation und in der Entwickelung des modernen Geistes Epoche gemacht hat, hatte vornehmlich zwei Aufgaben zu lösen: die Sicherung des Reiches gegen so ungeregelte und so wüste Störungen des Landfriedens, wie Markgraf Albrecht sie in den letzten Jahren ausgeführt hatte, und die Beendigung des langen religiösen Zwistes, zu dem Luthers Reformation den Anstoß gegeben. Die Forderung der Protestanten in letterer Beziehung war eine einfache Wiederholung jener Grundsäße, die Kurfürst Morit in Passau vertreten, und über die sich jene Passauer Versammlung vollständig geeinigt hatte 1). Man wollte den Gedanken an die Vereini gung aller Deutschen in der Religion nicht aufgeben, man hielt fest an der Idee der Einheit der christlichen Kirche, man wollte durch ein allgemeines oder ein national-deutsches Conzil oder auch durch Religionsgespräche die schwebenden Differenzen der Religion wieder ausgleichen; aber der Friedensstand sollte nicht mehr abhängig sein von dieser immerhin ungewissen Möglichkeit einer Wiedervereinigung: auch wenn die Ausgleichung nicht erfolge, hieß es, müsse der Frieden für Katholiken und Lutheraner gelten.

Und was das Wesentlichste für das Schicksal dieser protestantischen Forderungen war, König Ferdinand hatte schon einmal in Passau die Nothwendigkeit dieses Reichsgesetzes religiöser Toleranz zugegeben. Wir finden in der That, daß man bei den Verhandlungen kaum einen ernstlichen Widerstand dagegen erhoben oder aufrecht erhalten hat. Die geistlichen Fürsten glaubten wohl einmal irgend eine Klausel in den Friedenstractat bringen zu sollen, durch die sie ihr Gewissen der Kirche gegenüber gewahrt hätten; aber sie setzten diese Meinung keineswegs durch. König Ferdinand selbst machte allen seinen Einfluß geltend, sie von dieser Idee abzubringen. Zuletzt blieb Kardinal Otto von Augs

41) Darlegung des Kurfürsten August (in italienischer Uebersetzung) in P. d'état IV. 371 ff.

burg mit seinem Proteste gegen den Frieden allein42). Als er und der päpstliche Legat Ende März von Augsburg wegeilten, und als der norddeutsche Bund der hessischen, fächsischen, brandenburgischen Fürsten eine dringende Mahnung nach Augsburg erlassen, den Abschluß des religiösen Friedens zu beschleunigen43), da ergriffen die Friedenstendenzen alle Stände des Reichstages mit überwältigender Macht und beseitigten nach und nach alle Schwierigkeiten, die sich bei der Durchführung des Prinzipes im Einzelnen erhoben.

Wenn in dieser Weise die katholische Politik des spanischen Herrschers ihre katholischen Arbeiten in der deutschen Nation aufgegeben und einer Idee der Toleranz den Kampfplatz geräumt hatte, einer Idee, die dem innersten Wesen dieses spanischen Katholizismus widerstrebte, so hat doch die geistliche Macht der allgemeinen Kirche noch nicht ihren Widerstand gegen religiöse Toleranz aufgegeben. Zuletzt sezte auch das Papstthum noch einmal seine Mittel in Bewegung, den Religionsfrieden zu hindern.

Nachdem zur Befriedigung des Papstes das Tridentiner Conzil ebensowohl an den inneren Schwierigkeiten als durch das Eindringen äußerer Gefahren sich aufgelöst hatte, machte Julius III., von den strengeren Kardinälen berathen, noch einige Versuche einer Reformation der Kirche von oben herab. Aber seine Conferenzen und seine Commissionen brachten kein nennenswerthes Resultat zu Tage44). Und wenn in dieser Zeit die englische Kirche der Einheit des Katholizismus wieder unterworfen wurde, so hatte dazu des Papstes Verhalten wenig beigetragen. Es war dies Ereigniß doch durch eine Combination katholischer Stimmungen in England mit den persönlichen Sympathien der neuen Königin Maria herbeigeführt, vor Allem aber durch das so energische wie besonnene Eingreifen der kaiserlichen Staatskunst entschieden worden. Als man nun ́ in Deutschland den Reichstag zur Beseitigung der religiösen Wirren ansagte, faßte die sanguinische Auffassung römischer Politiker die Hoffnung, neben England auch Deutschland wieder in den Schooß der Kirche zurückführen zu können, eine Hoffnung, bei welcher man die thatsächlichen Verhältnisse in Deutschland völlig verkannt hat.

42) Bucholz 7, 178 ff.

43) Lehmann de pace publica 116. vgl. Karl 10. April bei Lanz 3, 649. 44) Ueber diese römische Papstgeschichte war ich im Stande, sehr ausführliche. Akten zu benutzen; hier ist es nicht möglich, ihren Inhalt zu erschöpfen und muß dies wie manches Andere aus der Geschichte der Jahre 1553-1555 der späteren Darstellung vorbehalten bleiben.

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