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sich stützen wollte; nein, es handelte sich in diesem Kampfe um weitere, allgemeinere Fragen: in dem markgräflichen Kriege machten die großen Parteigegensätze Miene aufeinander zu stoßer. An des Markgrafen Auftreten knüpften die Freunde des Friedens die Besorgniß an, daß er im ganzen Reiche die revolutionären Elemente in Bewegung setzen und einen allgemeinen Aufstand erregen werde, wie ihn Deutschland schon einmal 1525 gesehen. Und auch die weitere Meinung war allgemein verbreitet und allgemein geglaubt, daß nicht auf eigene Hand Albrecht in dieser Weise vorgehe, sondern daß der Kaiser ihn heimlich unterstüße. Die halben Erklärungen und die halben Maßregeln des Kaisers waren doch ganz darnach angethan, solchen Gerüchten Glauben zu verschaffen. Die Abneigung vor dem Treiben des Kaisers ward unterstüßt durch Einflüsterungen französischer Agenten: und so glaubte man überall Beweise zu sehen, wie der Kaiser diesen Markgrafen zum Kriege gegen Moritz aufheße und auch in dem geborenen Kurfürsten von Sachsen ein zweites Werkzeug bereit halte, nech weiter gegen Moritz vorzugehen 18). Wer aber unparteiisch und gewissenhaft die vorgebrachten Aeußerungen der Zeitgenossen und die von ihnen gegebenen Beweise überblickt, wird zu dem Schlusse kommen müssen, daß kein aktenmäßiger, unanfechtbarer Beweis für alle jene Parteibehauptungen vorliegt. Und nur so viel darf als bewiesen gelten: einmal, in dem Treffen bei Sievershausen hat man unter den Truppen Albrechts an einzelnen Stellen die burgundischen Feldzeichen erblickt 19), und dann, die Agenten des römischen Königs sind einer Geldsendung, von dem Brüsseler Hof an den Markgrafen gerichtet, auf der Spur gewesen 2o). Wie es sich aber auch mit dem Weiteren verhalten mag, die Annahme liegt nahe und ist jedenfalls wahrscheinlich, daß der Kaiser damals noch die kriegerischen Verwickelungen in Deutschland nicht ungern gesehen; wenigstens hat er keinen ernstlichen Versuch gemacht, sie zu beschwichtigen.

Der einzige Weg, auf dem man den Frieden gewinnen und sicherstellen konnte, war das Verfahren, das Moriz und Ferdinand gemeinsam verfolgt haben: da der Markgraf jede Vermittlung als eine Zustimmung zu seinen Prätentionen auslegte, da an seiner Hartnäckigkeit

18) Vgl. über Aeußerungen des Markgrafen Albrecht die Notizen bei Langenn I. 558. 564, die Behauptung von Arnold vita Mauricii (Menden II. 1240) und Rante V. 240.

19) Zeugenaussagen bei Voigt 2, 89.

20) Zafius bei Bucholtz 7, 543.

alle Compromisse scheiterten, so blieb den Friede suchenden Ständen des Reiches Nichts übrig, als ihn zur Ruhe zu zwingen.

Ein schnell geführter, kräftiger, allseitiger Schlag gegen Albrecht war die sicherste Straße zum Frieden. Die konservativen Elemente im Reiche, die den Passauer Vertrag begründet, und die der unruhigen Politik des spanischen Kaisers entgegenzutreten entschlossen waren, haben diese Aufgabe erkannt und auf sich genommen. Moritz und Ferdinand und der Heidelberger Bund haben sich die Hand zur Bekämpfung des Markgrafen gereicht.

Wenn auch der förmliche Abschluß der größeren Liga, die Kurfürst Morig erstrebte, im Mai 1553 noch nicht sicher gestellt war, so hatten sich doch Ferdinand und Moritz zu gegenseitiger Hülfe verpflichtet. Und so stieß denn auch jetzt ein Hülfsheer aus Böhmen zu den Schaaren des sächsischen Kurfürsten. Morig' und Ferdinands Vertreter erließen gemeinsam das Manifest gegen den Friedbrecher 21). Als da Albrecht sich von Franken nach Niedersachsen gewendet, den Herzog von Braunschweig zu überziehen, eilte das sächsisch-böhmische Heer dem alten Herzog Heinrich zu Hülfe: der entscheidende Kampf geschah am 9. Juli bei Sievershausen. Für Markgraf Albrecht war es eine förmliche Niederlage, aber die Sachsen hatten einen hohen Preis für ihren Sieg bezahlt: Moritz selbst war auf den Tod verwundet und verschied schon am 11. Juli.

Auch über diese Partei wurden Gerüchte ausgesprengt, die weitere und umfassendere Pläne von ihr aussagten. 22). Es hieß, Moritz und Ferdinand seien einig gewesen, nach einem Siege über den Markgrafen den eigentlichen Friedstörer selbst anzugreifen: sie seien bereit gewesen, von Niederdeutschland aus einen Zug nach den Niederlanden zu machen, dort Karl's Person und Herrschaft zu stürzen. Ja, man fügte hinzu, Kurfürst Moritz habe mit dem französischen Könige im Bunde gestanden. und mit französischer Hülfe eine totale Neuordnung aller Verhältnisse beabsichtigt. Aber auch hier reichen die muthmaßenden Aussagen der Zeitgenossen weiter, als die beglaubigte Geschichte der Akten uns führt. Es kann allerdings keinem Zweifel unterworfen werden, daß Morit jene Verbindung mit Frankreich, die ihm im vergangenen Jahre dem Sieg ermöglicht, auch nach dem Passauer Vertrage nicht abgebrochen.

21) 1. Juli 1553. Hortleder II. 1405.

22) Zasius berichtet von Granvella's und Fugger's dahingehenden Reden. Bucholz 7, 531. vgl. Karl's Meinung 26. August. Lanz 3, 583.

hatte 23). War es doch sein Interesse, die Errungenschaften von Passau nicht allein auf den guten Willen der kaiserlichen Politik aufzubauen, lag es ihm doch nahe, sich noch andere Garantien zu verschaffen.

Und

so finden wir denn, daß er gleichzeitig mit jenen Anträgen auf eine deutsche Liga auch die Beziehungen zu König Heinrich wieder lebhafter anknüpfte 24). Aber und ich glaube, wir dürfen diesen Umstand

mit Nachdruck betonen

trotz aller Verhandlungen, trok aller freundlichen und höflichen Redensarten, die er mit König Heinrich wechselte, ist er nicht zu einem Abschlusse mit Frankreich gelangt: im letzten entscheidenden Momente wußte gerade Moritz wieder einen Aufenthalt hervorzurufen und die französischen Agenten in wichtigthuender Weise auf spätere Zeiten zu vertrösten 25).

Ueberhaupt, das politische Verhalten des Kurfürsten Moritz in diesem lezten Stadium ist nicht leicht zu beurtheilen. Wie Morit verschlossen und in jedem Worte behutsam sich selten oder nie über seine weiteren Pläne, seine geheimen Absichten geäußert hat, so ist auch in den früheren Phasen seiner politischen Stellung es nicht eher möglich seine letzten Ziele zu erkennen, ehe nicht der Wille des Fürsten als vollendete Thatsache vorliegt. Und diesmal hat ihn doch der Tod weggerissen, bevor er seine verborgenen Gedanken zur Ausführung gebracht. Es ist daher gewagt, mehr als eine Vermuthung über das Ziel zu äußern, das Moritz nach dem Passauer Vertrag sich gesteckt hatte. Wir haben freilich gesehen, das alle seine Handlungen auf die Erhaltung des in Passau angebahnten Friedens gerichtet waren; wir wissen, daß auch über die Grenzen Deutschlands hinaus er den dänischen König zu einem Schutzbündniß für den Passauer Vertrag zu gewinnen und Dänemarks Garantie des deutschen Zustandes auch auf den Fall eines als bevorstehend angesehenen Todes des Kaisers sich zu sichern suchte 26); wir hören ferner, daß die französischen Agenten ihm selbst mit der Aussicht auf die römische Königswürde zu schmeicheln angewiesen waren 27): aber aus diesen Anzeigen getrauen wir uns doch nicht den Schluß

23) Archivalischer Nachweis bei Ranke V. 252 ff.

24) Ausführliche Akten darüber theilt Menden II. 1402 ff. mit: der dort vorkommende Sr. de Venneo wird wohl Marillac, evesque de Vienne sein.

25) Entscheidend dafür ist das Schreiben,Marillac's vom 3. Juli, (ebd. 1413), und Heinrichs II. vom 9. Juli (ebd. 1411).

26) Sendung des Prinzen August nach Dänemark 17. April 1553. Langenn I. 560.

27) Heinrich II. weist die Agenten an zu sehen, welcher Kurfürft Aussichten dazu biete, (13. Juni, 1403) und Marillac deutet dann auf Moriß (3. Juli, 1413).

zu verantworten, als habe Moritz selbst nach der deutschen Königekrone gestrebt. Mit König Ferdinand war er verbündet, mit dem Erben der deutschen Habsburger war er sogar befreundet; mit dem französischen Rivalen des Kaisers war er in eine geschickte und förderliche Verbindung getreten, die freilich ihn selbst noch zu Nichts verpflichtet hatte, in allen seinen Handlungen war er darauf gerichtet, den Passauer Stillstand in einen sicher garantirten Frieden zu verwandeln: das sind die Richtungen, die wir in seiner Politik am Ende seines Lebens aufdecken können. Ich meine aber, die Meinung ist berechtigt, noch weitere und größere Ziele bei Moritz vorauszusetzen: bei einem Fürsten, der mit glücklichem Wagniß im 25. Lebensjahre sich an die Spitze des mächtigsten Kurstaates aufzuschwingen gewußt, bei einem Fürsten, der mit ungeahnter und unerwarteter Gewandtheit im 31. Lebensjahre den allmächtigen Kaiser des Abendlandes, den Sieger über alle Rivalen, geschlagen und ihm im Augenblicke seines Triumphes das ganze Gebäude seines Lebens zertrümmert hat, bei einem solchen Fürsten ist gewiß die Vermuthung gerechtfertigt, daß er nicht bei dem Erzielten stehen zu bleiben gesonnen war. Wahrlich, dieser deutsche Fürst, einzig unter seinen deutschen Genossen, der, 32 Jahre alt, schon solche Triumphe erfochten, war ohne Zweifel geneigt und befähigt noch nach Größerem zu greifen. Und die deutsche Nation wäre gewiß, ich wage es hinzuzuseßen, unter diesem sächsischen Moriß nicht schlecht berathen und geleitet gewesen!

Nach dem Tode des Gegners, wenn auch besiegt und flüchtig, jubelte Markgraf Albrecht laut auf, daß ihm jezt freier Raum geschaffen sei, seine Gewaltthaten auszuführen. Aber der Jubel Albrechts war doch zu frühzeitig 28). Wenn er weiterstürmend die Gegner nach einander zu bezwingen gedachte, so mußte er bald finden, daß, in seinen Zuständen bedroht, das Reich auf allen Seiten sich erhob. Wir verfolgen hier nicht alle die Verhandlungen, welche wohlmeinende Fürsten zum Nußen Albrechts einleiteten; wir erzählen auch nicht die blutigen Niederlagen oder die momentanen Erfolge, die Albrechts Waffen erfahren: das Ende seines Auftretens war bald zu ersehen und traf ihn vernich= tend. Allenthalben im Reiche erhoben sich gegen ihn Fürsten und Stände; die Sache kam auf den Rechtsweg; das Kammergericht und der Kaiser schleuderten gegen den Landfriedensbrecher die Reichsacht. Auch die französische Hülfe, der er zuletzt sich in die Arme geworfen, konnte

28) Voigt 2, 109 ff.

ihn nicht mehr retten, er selbst entfloh zuleht aus dem Reiche. Diese Erhebung der territorialen Gewalten gegen Albrecht ist eine ganz allgemeine gewesen; auch wo man Sympathien für ihn hatte, galten sie doch nur seiner Person und seiner Verwandtschaft; sein Beginnen selbst fand nirgendwo Zustimmung: im Gegensaße zu ihm hat das Bedürfniß und der Ruf nach Frieden das ganze Deutschland erfüllt.

Die Wendung, die hier die Geschicke Deutschlands genommen, machte ihren Einfluß geltend auch auf den alternden Kaiser. Am Brüffeler Hofe waren im Sommer 1553 manche Stimmen laut geworden, die Ferdinand des Treubruches und verrätherischer Umtriebe gegen den Bruder beschuldigten. Und wahrhaftig, die letzten Ereignisse in Deutschland und die letzten Versuche Karl's, seine weiteren Pläne doch noch im Reiche vorwärts zu bringen, waren geeignet, wieder einmal die Brüder zu verstimmen und zu trennen: es läßt sich nicht läugnen, daß einen Augenblick sogar ein böser Bruch der beiden Linien des Hauses Habsburg nicht mehr unwahrscheinlich schien. Aber der Schlachttag von Sievershausen führte die Versöhnung herbei. Jezt hielten Ferdinand und Max es für nothwendig, bei dem Bruder ihr Verhalten in den letzten Unruhen zu erklären und jene üblen Gerüchte als böswillige Verläumdungen zu bezeichnen. Und der Kaiser seinerseits nahm die ihm gemachten Erklärungen an; er versicherte den Bruder seiner Freundschaft, er sagte, niemals den Reden seiner Minister Glauben geschenkt zu haben 29).

Und in der That, während Ferdinand in Deutschland seine Autorität durch energisches Auftreten gegen den Markgrafen, durch Beilegung der territorialen Differenzen, durch Erneuerung und Befestigung des Bündnisses mit der sächsischen Kur auf zuverlässige Grundlagen zu stüßen bemüht war, hat auch Karl die Frage beseitigt, welche die Entfremdung der habsburgischen Brüder hervorgerufen und stets erweitert hatte. Die Politik des spanischen Kaiserthums über Europa ist in diesem Sommer 1553, fast in denselben Tagen, in welchen die blutige Entscheidung bei Sievershausen fiel, in eine neue Phase getreten. Es hat sich ihr damals die Aussicht eröffnet, England in ihre Combinationen aufzunehmen. Und in dem neuen Ideenkreise, dem man sich jetzt hingab, durfte die Succession des spanischen Erben im deutschen Reiche als überflüssig, vielleicht als lästig erscheinen. Sobald daher

29) Ferdinand 17. August und Karl 26. August 1553. Lanz 3, 580. 583. Vgl. auch den Anhang IX 1. 2. 3.

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