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nehmen, er wünschte, daß diese deutschen Fürsten ihn in den französischen Feldzug begleiteten. Und schon sofort nach Ferdinands Vorstellungen in Villach hatte der Kaiser geglaubt, den sich häufenden Reichsbeschwerden gegenüber in irgend einer Weise den Deutschen ge= fällig zu sein; er hatte die Idee ausgesprochen, zu der Regierung des deutschen Reiches für die laufenden Geschäfte einen Staatsrath aus Deutschen einzusetzen, eine Idee, die von Ferdinand auf jede Weise gebilligt und die überall mit Beifall begrüßt wurde. Aber nun dauerte es wieder Monate lang, che der Kaiser zum Entschlusse kommen konnte, welche Räthe in diesen deutschen Staatsrath zu berufen seien. Ja, über die Besetzung der Präsidentenstelle gingen sofort die Meinungen der Brüder auseinander: Karl wollte den Kardinal von Trident, Madrucci, der ihm ganz unbedingt ergeben war, der aber als halber Italiener nicht recht geeignet schien, einem nationalen Staatsrathe von Deutschen zu präsidiren; Ferdinand zog den Kurfürsten von Mainz vor; aber zu dieser Wahl konnte sich Karl nicht entschließen. Die ganze Idee gelangte so nicht zur Ausführung 8). Und noch einmal hatte der Kaiser einen Anlauf genommen, sein Projekt der spanischen Succession troß alles Vorgefallenen durchzusetzen. Wie er immer kränklicher und unlustiger zu Geschäften wurde, brachte er noch einmal an verschiedenen Stellen im Reiche die Wahl Philipps von Spanien zum römischen Könige in Anregung 9). Wir sind nicht unterrichtet darüber, wie man im Einzelnen diese Anträge beantwortete, aber im Ganzen leidet es doch keinen Zweifel, daß Karl mit diesen neuen Schritten Nichts förderte. Ueberhaupt, man könnte nicht sagen, daß alle jene Versuche, weiteren Boden bei den Fürsten zu fassen, irgend etwas gefruchtet hätten: die tiefe Abneigung gegen diesen spanischen Karl, welche zuletzt die maßgebenden Kreise der Nation erfaßt hatte, war ganz allgemein verbreitet, sie konnte wahrlich aus den Vorgängen in Franken, die des Kaisers Politik in diesem Winter veranlaßte, nur neue Nahrung gewinnen; der Haß gegen den Kaiser, der seine kaiserliche Autorität zu so unverantwortlicher Friedstörung mißbrauchte, drang immer tiefer und fester in die Gesinnung der Deutschen; und dagegen wollten doch die schwachen Versuche, um die Gunst der Deutschen zu werben, sicher nicht viel besagen!

8) Lanz 3, 402. 438, 566.

9) Werbung des Markgrafen Hans in Berlin; im Januar 1553, Ranke V. 241 und Böcklins Werbung in Würtemberg. 26. Januar 1553. Pfister 213.

Es war natürlich, daß die Fürsten, die den Passauer Vertrag erkämpft und besiegelt hatten, sich fester zusammenschlossen, gegen die Störer des Friedens und gegen die ränkevolle Politik des Kaisers dies Friedenswerk zu schüßen. König Ferdinand und Kurfürst Morit sind es gewesen, welche diese Rolle der ersten Friedensbewahrer mit Bewußtsein auf sich genommen haben. Allerdings stand für Morit der Besit seiner Kur auf dem Spiele: der durch ihn verdrängte Herzog Johann Friedrich war zulezt bei dem Kaiser beliebt geworden, und die kaiserliche Politik machte kein Hehl daraus, daß sie den treuen und festen Sinn des Herzoges dem treulosen Charakter des Kurfürsten vorziehe 10). Man meinte, daß über kurz oder lang der Kaiser, an Morit sich rächend, die Kurlande und die Kurwürde wieder an Johann Friedrich verleihen werde. Aber wenn auch die Neigung des Kaisers zu einer solchen Wendung vorhanden war, so wagte er doch nicht offen herauszutreten und zu offener That zu schreiten. Und Ferdinand suchte, so viel an ihm lag, diesem Schritte vorzubeugen; mit großer Offenheit, im entschiedensten Tone gab er dem Bruder die Versicherung, daß er mit Moritz in fester Allianz stehe, daß er fest entschlossen sei, gegen einen jeden Angriff seinen Alliirten, den Kurfürsten Moritz von Sachsen, zu vertheidigen 11). Diese Erklärungen verfehlten ihres Eindruckes am Brüsseler Hofe nicht: vorsichtig hielt Karl an sich. Wie hätte er gegen den Sieger und alle seine Freunde von Passau zu einem so offenen Angriffe zu schreiten die Mittel gehabt?

Diese Allianz von Morig und Ferdinand, die auf die Erhaltung des Statusquo und auf den allgemeinen Frieden von Deutschland gerichtet war, sollte bald Proben ihrer Wirksamkeit ablegen. Aus dem ungarischen Kriege zurückgekehrt, den er zu Gunsten Ferdinands nicht gerade mit großen Erfolgen, aber doch nicht unglücklich geführt, hatte Moriz die Errichtung eines norddeutschen Fürstenbundes beantragt, in dem sich die norddeutschen Territorien zu gegenseitigem Schuße gegen innere und äußere Feinde vereinigen sollten. Während es Ferdinands Wunsch war, diesen Bund zu fördern und ihm für seine böhmischen Lande selbst beizutreten, betrachtete Karl sofort diese Idee mit ungünstigem Auge; er erhob allerlei Bedenken und machte allerlei Schwierigkeiten, und zulezt, als schon eine Bundesversammlung nach Eger angesetzt war, verlangte er Aufschub des Abschlusses, und wirklich brachte er es dahin,

10) Lanz 3, 517. 534. 563.

11) Ebd. 506. 519.

daß ein förmlicher Bund in Eger nicht zu Stande fam, wenn auch Ferdinand und Moritz sich gegenseitig für verpflichtet und verbündet hielten 12).

Durch diese Bestrebungen von Morig und Ferdinand auf einen größeren, vorzugsweise norddeutschen Fürstenbund durchaus conservativen Charakters sah Karl sich in einer eigenen Idee berührt und vielleicht behindert. Der alten habsburgischen Tradition nachgehend, wollte damals auch Karl den 1534 aus einander gefallenen und nur zu einem Scheinleben kurze Zeit erwachten schwäbischen Bund jetzt erneuern. Er hoffte damit wieder ein Mittel zur Herrschaft über den deutschen Süden in seine Hand zu bringen. Aber obwohl er den Herzog Christoph zu einem solchen Bunde verpflichtet hatte, und obwohl er auch wiederholte Versuche bei den anderen Ständen Süddeutschlands nicht scheute, gelang ihm doch auf der angesezten Berathung in Memmingen seine Absicht nicht 13). Das größte Hinderniß fanden Karl's Agenten in dem von den süddeutschen Fürsten schon abgeschlossenen Fürstenbunde, der ohne des Kaisers Mitwirkung und Einwilligung aufgerichtet, den wühlenden Umtrieben des Kaisers durchaus nicht als Werkzeug dienen wollte, ja der sogar den Charakter der Opposition gegen Karl durchaus nicht verläugnete.

Die gleiche Tendenz, die Ferdinand und Merig beseelte, trieb auch von den füddeutschen Fürsten die selbständigeren, die Glieder jener in Passau aufgetretenen Mittelpartei zu ähnlichen Maßregeln 14). Während von des Kaisers Billigung und Bestätigung seines Unrechtes immer mehr entzündet, Markgraf Albrecht mit Gewalt, und mit einer Gewalt fürchterlicher Art, die fränkischen Stände überzog und alle Verhältnisse dort über den Haufen zu werfen drohte, fanden hier sich die conservativen Fürsten veranlaßt, gemeinsame Schritte zur Erhaltung.

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12) Ebd. 525 ff. 535. 539. 566. 563. 575. Ueber die Verhandlung in Eger vgl. Bucholz 7, 124: die Anmerkung Ranke's (V. 247) ist gewiß richtig, daß ein Bund nicht abgeschlossen worden ist; aber aus den folgenden Ereignissen geht doch hervor, daß man sich über die wesentlichen Fragen im Einvernehmen_befunden hat; und es steht auch fest, daß Ferdinand sich dem Kurfürsten von Sachsen, dem egerischen Bunde gemäß zur Hülfe verpflichtet gehalten hat (8. September, an August. Bucholt 7, 134.)

13) Lanz 3, 562 f. vgl. die genauere Abhandlung von Stumpf Diplomatische Geschichte des heidelberger Fürstenvereines, in der Zeitschrift für Bayern 1817. Bd. 2. S. 137 ff. 265 ff.

14) Die angeführte Abhandlung Stumpf's und Zasins' Berichte. Bucholz 7, 540 ff.

des Friedens und zur Sicherung ihres ererbten Besizes zu thun. Nachdem im Februar 1553 die Fürsten sich in Wimpfen über die Tendenz der nothwendigen Maßregeln ausgesprochen und geeinigt hatten, konnte man im März auf einer erweiterten Versammlung in Heidelberg diesen füddeutschen Fürstenverein schließen. Der Heidelberger Bund nahm gleich Anfangs in den deutschen Fragen eine vortreffliche Position. Die Urkunde des Bundes wurde auf die Vertheidigung des Besizes gestellt, es wurde gemeinsame Abwehr einer jeden. Störung angeordnet. Aber die Absichten der Fürsten, die in dieser Formel sich verbanden, faßten auch weiterhin Deutschlands Lage ins Auge: den Kern des Uebels, das in Deutschland wuchere, glaubten sie zu treffen, wenn sie die Entfernung des spanischen Einflusses auf die Regierung der deutschen Nation als ihr Ziel hinstellten; und den spanischen Philipp ausschließend, wünschten sie den ihnen sympathischen Erzherzog Max in die Geschäfte des Reiches eingeführt zu sehen. Aber ebenso, wie sie die spanische Politik des Kaisers verabscheuten, ebenso sehr wiesen sie die Einmischung des Franzosen in Deutschlands Angelegenheiten zurück. Ja, wir hören davon reden, daß sie auch einen Reichskrieg gegen den Franzosen als möglich bezeichnet hätten, wenn dafür der Vorzug der deutschen vor der spanischen Linie des Hauses Habsburg gesichert werde 15). Und in der dringenden AngeLegenheit des Augenblickes riethen die Heidelberger Bundesfürsten ebenfalls Mäßigung und friedliche Beilegung des Zwistes an: sie nahmen eine Vermittelung zwischen Markgraf Albrecht und den fränkischen Bischöfen in die Hand. Es war eigentlich ein einfaches Auskunftsmittel, das sich ihnen bot. Wenn die Bischöfe für die Beseitigung der ihnen einstens abgezwungenen Verträge eine Abschlagssumme anboten, so hießen die Vermittler in Heidelberg einen solchen Vorschlag äußerst willkommen; aber Markgraf Albrecht wollte keinen Buchstaben von seinen Verträgen aufgeben, er bestand darauf, daß man die Bischöfe zur Erfüllung derselben anhalte, er wollte keine andere Vermittelung anerkennen. Und da dürfen wir uns nicht wundern, daß die Vermittler alle auf die Seite der Bischöfe traten 16). Markgraf Albrecht, der

15) Solche Dinge hörte der englische Gesandte am Brüsseler Hofe; wie es scheint, sogar von dem Sekretär des Kurfürsten von der Pfalz (dem bekannten Hubertus Leodius); vgl. die Depeschen vom 20. Februar 1553 bei Lodge Illustrations I. 147 ff. Die Tendenz des Bundes gegen Spanien ist aber auch sonst außer allem Zweifel.

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16) Voigt II. 36. ff.

dies Compromiß so schnöde abwies, fand sich zuletzt von allen Anderen isolirt. Auch der Kaiser hielt es damals für gerathen, den Markgrafen zur Ruhe und zu einer friedlichen Ausgleichung mit seinem Gegner zu ermahnen; die Vorstellungen Ferdinands brachten es sogar zu Wege, daß Karl selbst noch einmal die Vermittlung in die Hand nehmen wollte. Nach dem Fehlschlagen der Heidelberger Verhandlungen fand unter kaiserlicher Autorität im Mai noch einmal ein Vergleichsversuch in Frankfurt Statt. Aber die Verhandlung stieß auch hier auf dieselben Schwierigkeiten, ja es kam hier für alle Betheiligten zu Tage, wie tief der Kaiser selbst in diese Händel verwickelt sei: der Widerspruch seiner Kassation und seiner nachherigen Ratification derselben Verträge, den man offen erblickte, bewog die Fürsten zu der Anfrage bei dem Kaiser, welchen der beiden Akte er jetzt anerkenne. Der Kaiser fand sich nun nicht veranlaßt, diese Frage einfach zu beantworten; er legte den Kurfürsten und Fürsten in langer Erzählung den Thatbestand auseinander, er betonte dabei, daß er gleich Anfangs geglaubt und gewünscht habe, Albrecht werde die Verträge selbst nicht buchstäblich ausführen, sondern sich mit irgend einem billigen Vergleiche zufrieden geben wollen; ausdrücklich die neuen Gewaltschritte Albrechts mißbilligend, rieth er schließlich dringend zu einer Beilegung des Zwistes 17). Aber Alles half nichts, Markgraf Albrecht blieb hartnäckig auf seiner Forderung; mit verwüstenden Feuer überzog er seine Gegner.

Jetzt war die deutsche Frage auf die Spitze gestellt: jetzt mußte es sich zeigen, ob die Friedensordnungen des Reiches und die Friedenstendenzen der Fürsten stark genug seien, das Reich vor dem wüsten Treiben dieses kleinen Fürsten zu schüßen: ein schrecklicher Bürgerkrieg drohte sich im Herzen von Deutschland zu entzünden.

Wenn die deutsche Nation dem Kurfürsten Morit den Passauer Vertrag und die Anbahnung des allgemeinen Friedens verdankt hatte, so glaubte sich Morig vor allen Andern berufen, das gewonnene Werk zu schützen. Kurfürst Moritz war in der That der Mann, sich selbst in die Bresche zu stellen, um seiner Nation den Frieden zu erhalten.

Es war nicht nur eine blutige Fehde zweier deutschen Fürsten über territoriale Fragen, welche des Markgrafen Treiben angefacht hatte, es war nicht nur ein Kampf um jene fränkischen Bisthümer, gegen die Albrecht sich gerichtet, es war nicht nur eine Verflechtung dieser fränkischen mit den Braunschweiger Irrungen, auf die Albrecht

17) Ebd. 60 ff. Karl 17. Juni. Langenn II. 354. Maurenbrecher, Karl V.

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