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erklären, wie Kardinal Otto von Augsburg; da mochten auch wohl einzelne Fürsten, die bei dem Frieden verloren hatten, den Wunsch hegen, das Verlorene wieder einzubringen: Herzog Heinrich von Braunschweig, der alte Kämpfer des Katholizismus gegen die Schmalkaldener, dürstete nach Rache an seinen alten Feinden und suchte sich von der in Passau ihm auferlegten Bedingung einer Amnestie seines Landadels zu befreien: Herzog Johann Friedrich von Sachsen, der eifrige Bekenner und Beschüßer des Protestantismus, konnte nicht vergessen, daß er der geborene Kurfürst“ von Sachsen gewesen, er hätte gerne trog des gemeinsamen Glaubens dem Kurfürsten Morig die Usurpation von 1546 mit gleicher Münze belohnt. Aber alle diese Elemente, die möglicher Weise sich dem Kaiser zu einer Friedstörung darboten, waren doch nur vereinzelt, in sich widerstrebend: es hätte schwer gehalten, mit ihnen einen nachdrücklichen Schlag gegen den Statusquo zu führen. Wenn bald die Nation von solchen Ideen des Kaisers erfuhr, wenn hier und da Vermuthungen auftauchten, als habe der Kaiser bei dem Widerspruche solcher Personen gegen den Frieden seine Hand im Spiele, so hat doch dies Benehmen nur dazu geholfen, den spanischen Karl mehr und mehr von der deutschen Nation zu entfremden.

Wenn Karl in Deutschland irgend Etwas ausrichten wollte, das die Zustände nach dem Passauer Vertrage wieder hätte umwerfen können, so war das Nächste und Dringendste für ihn, den Einfluß der franzöfischen Macht auf Deutschland zu brechen. Es wurde auch schon im August 1552 dem Kaiser klar, daß er vor allen anderen Schritten sich gegen König Heinrich wenden müsse; so beschloß er den Zug nach Lothringen, so uuternahm er die Belagerung von Mez.

Aber wie gewaltig war die Macht des Kaisers auf allen Punkten in diesem Sommer erschüttert! Wie gewaltig waren die Fortschritte, die in diesem Sommer Heinrichs Waffen an allen Enden gemacht! Nicht nur, daß er Lothringen und jene Bisthümer in seine Hand ges bracht, nicht nur, daß er die habsburgischen Niederlande mit gefährlichem Angriffe bedrohte, nicht nur daß sein Alliirter, der Türke, vom Often her die habsburgischen Lande angefallen und in augenscheinliche Gefahr versezt hatte, nein, auch in Italien hatte der Kaiser keine Vortheile von jenem im Frühjahre geschlossenen Stillstande gezogen: auch hier waren die französischen Heere vom Glücke begleitet, auch hier schwankte die spanische Herrschaft über Italien in ihren Fundamenten. Ein glücklicher Handstreich setzte die Franzosen in den Besitz von Siena; der piemontesische Feldzug Gonzaga's nahm eine unglückliche Wendung; selbst

Neapel hatte von Mittelitalien aus, — der Besitz von Siena bot dazu die Möglichkeit, und gleichzeitig von der combinirten Flotte der Türken und Franzosen Angriffe zu bestehen 1). So war der Kaiser seines Rückhaltes in Italien nicht sicher, ja Italien forderte in besonders hohem Maße Aufmerksamkeit und Thätigkeit, Schuß und Hülfe von der kaiserlichen Regierung. Und wie da die Anklagen gegen die bisherige Leitung der italienischen Angelegenheiten durch Gonzaga und Mendoza immer lauter sich erhoben, kam zu den äußeren Angriffen noch diese innere Verwirrung unter den kaiserlichen Politikern hinzu. Die Toledos sezten es durch, daß zuerst Mendoza und dann auch Gonzaga aus Italien entfernt wurden, daß die Leitung der italienischen Geschäfte immer mehr in andere Hände kam. Wir begreifen, wie diese Parteiungen unter den kaiserlichen Ministern nicht gerade geeignet waren, dem äußeren Auftreten gegen französische und italienische Feinde eine bessere Haltung zu geben. So kam es, daß auch in Italien Karl's Macht in jenen Jahren immermehr in Rückschritt und in Verfall gerieth.2)

Es ist nicht die Absicht der gegenwärtigen Darstellung alle Abwandlungen weiter zu verfolgen, die Karl's europäische Politik unter dem Einflusse der äußeren Kriege und unter dem Drucke der neuen, mit Prinz Philipp in Spanien emporkommenden Partei erfahren hat: wie seit dem Passauer Vertrage die große Politik des Kaisers sich mehr und mehr von Deutschland abgewendet hat, beschränken wir uns darauf, die Gestaltung der deutschen Verhältnisse bis zum endlichen Frieden zu verfolgen und das Verhalten des Kaisers zu dieser friedlichen Strömung von Deutschland zu beobachten.

Die Majorität der Fürsten, die einen Frieden anf allen Gebieten. für Deutschland anstrebte, schloß sich seit dem Passauer Vertrage immer

1) Ribier II. 378 ff. Charrière II. 201 ff.

2) Ich werde in anderem Zusammenhange auf diese Parteikämpfe zurückzukommen haben und behalte mir die näheren Details deshalb vor. Aus den zahl= reichen mir vorliegenden Akten gebe ich hier nur einige Notizen. Mendoza wurde schon am 20. August 1552 abberufen, und fiel vollständig in Ungnade. Was Gonzaga angeht, so nehmen in demselben Sommer die Klagen über seine Ungeschicklichkeit, sein Mißgeschick, seine Verschwendung u. f. w. überhand, es kommt damals schon zu Untersuchungen gegen ihn, zu diplomatisch-militärischen Commissionen vom kaiserlichen Hose in das italienische Lager. Während Karl im November 1553 sich schon nach einem Nachfolger für diesen Posten umsieht, wird Gonzaga aber erst am 16. Januar 1554 abberufen, und auch jetzt noch unter freundlichem Vorwande: man glaubte seine Persönlichkeit stets schonen zu müssen.

compacter zusammen; sie hatte ja einen vortrefflichen Rechtsboden, den sie verfocht: es galt ihr den Passauer Vertrag in allen seinen Bestim mungen aufrecht zu erhalten, die bestehenden Zustände schüßend, nicht mehr neue Veränderungen verlangend. Und sie hatte, einen vortrefflichen Führer bei diesem Bestreben, den thatkräftigen und gewandten Kurfürsten von Sachsen. Es war jetzt nicht mehr ein Parteibund, der die Toleranz für den Protestantismus zu seiner Losung gemacht, wie der Schmalkaldener gewesen, es waren jezt nicht mehr unbestimmte Verheißungen, zweideutige Bewilligungen des Kaisers, auf die man fußte, wie es im Speierer Abschiede von 1544 geschehen, es waren jezt nicht mehr theologische Fürsten, fromme und redliche Männer, aber ungeübte und ungeschickte Politiker, die diese Forderung der Toleranz aufstellten, wie es die Häupter des Schmalkaldener Bundes 1546 ge= than: nein, jetzt war es die Majorität des Reiches, die das Programm der Schmalkaldener Partei vertrat, jetzt war es ein festes, klares, unzweideutiges Gesetz, was früher nur Wunsch und Verheißung gewesen, jetzt war es ein umsichtiger, entschlossener, politisch- organisirter Kopf, der die Partei des religiösen Friedens zu leiten unternommen.

Und gegen diese allgemeine Richtung auf den Frieden arbeitete Kaiser Karl noch eine Zeit lang, in vereinzelten Schlägen und Stößen seine Kräfte versuchend. Wie seine Gesundheit immer zweifelhafter wurde, wie seine politische Spannkraft und Thätigkeit immer mehr erlahmte, wie andere außerdeutsche Aufgaben ihn immer mehr von Deutschland abzogen, so war auch diese seine Opposition gegen den Frieden nicht nachhaltig, nicht energisch, nicht kräftig, nicht nach der alten Weise, mit der er schon einmal die Nation bezwungen. Und in der That, Nichts lähmte ihn dabei mehr, als die Differenz der Meinungen mit dem Bruder. Während Karl es Ferdinand niemals verborgen hatte, daß er nur ungern in den Passauer Stillstand gewilligt und daß er jede Möglichkeit zu benutzen gedenke, sich den Verpflichtungen dieses Vertrages wieder zu entziehen, hatte Ferdinand kein Hehl daraus gemacht, daß er den Frieden für nöthig halte, und daß er alle Kräfte aufbieten werde, den Passauer Vertrag zu schüßen und zu vertheidigen.

Schon wenige Wochen nach der Unterzeichnung des Vertrages hatte Karl geäußert, wenn Morig nicht pünktlich und genau alle einzelnen Stipulationen erfülle, werde auch er sich nicht mehr für gebunden erachten, werde er sofort die erste Gelegenheit ergreifen, nach seiner

eigenen Anschauung in Deutschland eine andere Ordnung zu schaffen 3). Und als nun Herzog Heinrich von Braunschweig gegen die ihm auferlegten Bedingungen reclamirte, als dort im deutschen Norden sich Reste des Heeres der verbündeten Fürsten zusammenfanden, als dort eine lokale Fehde auszubrechen drohte, die einen Theil der Passauer Bestimmungen zerriß, da meinte Karl diesen Anlaß schon gefunden zu haben, aus dem er den Vertrag zu verwerfen berechtigt wäre4). Mansfeld's Truppenwerbungen waren gewiß ausdrücklich gegen die Friedensordnung, aber Karl that Nichts zur Beilegung der Wirren, er unterstützte sogar heimlich den Braunschweiger Herzog, den Riß in den Passauer Vertrag zu erweitern. Und da jetzt ihm Geldmittel aus Spanien geschickt wurdens), verdoppelte sich sein Eifer, die ungern gegebenen Zugeständnisse des Passauer Vertrages auf irgend eine Weise wieder zurückzunehmen. Ja, die Neigungen des Kaisers hatten bald Gelegenheit in noch grellerem Lichte hervorzutreten.

Der Kulmbacher Markgraf, der den Passauer Vertrag nicht anerkannt hatte und nun auf eigene Faust einen Raubkrieg zu führen unternahm, war in die rheinischen Bisthümer eingefallen und hatte sich von Trier aus der französischen Grenze genähert. Wie er in franzö sischem Bunde gestanden, war es auch jetzt seine Absicht, sich mit dem französischen Heere zu verbinden und als General französisch-deutscher Heerhaufen die begonnene Arbeit des Plünderns und Mordbrennens fortzusetzen. Aber es gab Mißhelligkeiten zwischen den französischen Staatsmännern und diesem deutschen Markgrafen. Als da nun der Kaiser mit seinen Heere heranrückte, befand Albrecht sich einen Moment in peinlicher Lage: der Kaiser hatte die schärfsten Mandate gegen sein Treiben erlassen, er hatte die Raubverträge, die Albrecht von Würzburg, Bamberg, Nürnberg erpreßt, von Reichswegen kassirt; und auf der andern Seite war Albrecht mit den Franzosen durchaus noch nicht handelseinig geworden, er glaubte Grund zu Mißtrauen und Klagen zu haben. Da versuchte der kaiserliche Feldherr, der Herzog von Alba, diese augenblickliche Mißstimmung Albrechts auszubeuten, ihn auf die Seite des Kaisers zu ziehen. Und in der That, das Unerwartete gelang. Statt dem Franzosen gegen den Kaiser zu dienen, stürzte sich Albrecht mit kriegerischem Ungestüm auf die Haufen der

3) Karl 1. September. Lanz 3, 483.

4) 17. Oktober 1552. 12. Januar 1553. ebd. 501. 530.

5) Am 18. September dankte Karl dem Sohne für die durch Manrique überbrachte Summe von 500,000 Dukaten.

Franzosen; mit neuem militärischem Lorbeer geschmückt, konnte er sich dem Kaiser im Lager vor Metz vorstellen). Der Preis, den Karl für diese Hülfe zahlte, war allerdings nicht aus dem eigenen Besitz geschöpft, aber er war ein ungeheuerer. Wir reden hier von derjenigen Maßregel, die Karls Namen und Andenken bei der Nation am gründlichsten ruinirt hat. Die Kassation der fränkischen Verträge Albrechts wurde hier kassirt, in förmlicher und feierlicher Weise bestätigte der Kaiser den Raub Albrechts an den fränkischen Ständen. Wenn der Kaiser sich an seine Vertrauten über diesen Vorgang äußerte, so war die einzige Entschuldigung, die er vorzubringen wußte, daß nicht freier Wille und Wahl, daß nur die Noth seiner Lage vor den Franzesen ihn zu diesem Schritte bewegen habe 7). Aber es war eine Maßregel, und darüber äußern sich einstimmig die Zeitgenossen und einstimmig die Geschichtschreibung, die den gesammten Rechtszustand von Deutschland in Frage stellte, die es aller Welt ins Bewußtsein rief, wie dieser Kaiser keine Rücksicht auf Frieden und Ruhe in Deutschland zu nehmen. gewillt war, wie er nur seine eigenen egoistischen Interessen berechnete.

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In dem Markgrafen hatte der Kaiser ein Werkzeug gefunden, wie er es wünschen konnte, einen bei den Soldaten beliebten General, der auf die bestehenden Besitzverhältnisse nicht achtete, der Niemanden zu schonen gewohnt war, der gerne für einen lockenden Preis jedes Wagniß auszuführen übernahm; und wenn auch die Niederlage vor Mezz ihm noch nicht gestatten wollte, sich offen gegen den Passauer Vertrag zu erklären, so gab ihm doch der Hader Albrechts mit den fränkischen Ständen die Möglichkeit an die Hand, in jedem Augenblicke ein ver zehrendes Feuer im Herzen Deutschlands anzublasen.

In diesem Winter machte Karl überhaupt noch einmal Versuche, das deutsche Reich aufs Neue seiner Politik zu unterwerfen. Nicht nur diesen wüsten Krieger suchte er an sich zu ketten, er hegte auch die Absicht, von den jungen und rührigen Fürsten im Reiche die bedeutenderen in seine Dienste zu nehmen. Markgraf Hans war, wie wir oben sahen, schon wieder gewonnen; dem jungen Herzoge Christoph von Würtemberg war Karl nicht abgeneigt, ja er wollte ihn und seinen Better, den Herzog Albrecht von Bayern, in seinen Kriegsrath auf

6) Ueber Alles, was mit Albrecht Alcibiades zusammenhängt, haben wir die gründliche, durch und durch genaue, auf archivalischem Grundbaue beruhende Arbeit Voigt's, der auch nur an wenigen Stellen einer Vorliebe für seinen Helden Einfluß gestattet hat.

7) 13. November 1552. Lanz 3, 513.

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