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des Sturmes beachtet hätte: dem Sachsenfürsten grollte er freilich schon lange, er hatte es gefühlt, wie grade durch Morit sein Successionsplan gescheitert, er bewegte schon lange Gedanken der Rache im Herzen. Aber auch er suchte einstweilen noch mit freundlicher Miene in üblicher Weise der Verhandlung den Gegner sicherer zu berücken; und so lud er jetzt die bittenden Fürsten zu einer gemeinsamen Besprechung nach Innsbruck ein. Da aber, im November, unterwarf endlich Morit Magdeburg, ein Ereigniß, das ganz geeignet war, in die deutsche Lage wieder Klarheit zu bringen. Mehr als ein Jahr hatte der sächsische Kurfürst Magdeburg belagert, hatte er mit dieser Stadt verhandelt, hatte er auch sich der Vermittelung der ihm neu verbündeten Fürsten bedient. Und wenn im Grunde die Stadt nur dieselbe Sache vertheidigte, für die Moritz aufzustehen jezt im Begriffe war, so war der Krieg, den er vor Magdeburg führte, ein grausames, blutiges Spiel gewesen; jetzt endlich erst ließ er die Maske fallen, die Stadt kapitulirte sich Moritz ergebend, und Moritz stellte völlig beruhigende Versicherungen über seine Absichten aus. Aber er entließ das Heer nicht, wie er gesollt hätte; unter allerlei Vorwänden behielt er die Krieger um sich, dem kaiserlichen Hofe zum Erstaunen, zur Besorgniß; und dennoch wußte er auch jetzt noch einmal ein paar Monate den lezten Schritt zurückzuhalten, er blieb mit dem kaiserlichen Hofe auch jetzt noch in freundlicher Verbindung.

Die Ansicht bedarf heute keiner Widerlegung mehr, als ob der alte Kaiser in rückhaltlosem, uneingeschränktem Vertrauen auf Morit gerechnet, und als ob die Empörung des Sachsenfürsten wie ein Bliz aus heiterem Himmel den vertrauensseligen Kaiser überrascht hätte: die Liebe Karl's zu Moriz und der schwarze Undank, mit dem Morit dieser Liebe gelohnt habe, eignen sich vortrefflich zu melodramatischer Verarbeitung; der geschichtlichen Wahrheit entsprechen diese Dinge durchaus nicht. Wenn schon in den letzten Jahren italienische und französische Diplomaten ziemlich genau über den Stand der Verhand lungen des sächsischen Kurfürsten mit den auswärtigen Mächten unterrichtet waren 2), so müßte es geradezu ein Wunder genannt werden, wenn die kaiserlichen Räthe allein von diesen Dingen nichts gewußt oder gesehen hätten. Wie man aber auch am kaiserlichen Hofe darüber geurtheilt haben mag, jedenfalls in der Zeit, als Moritz mit den Franzosen zum

2) Pap. d'état III. 455. (Sept. 1550). 576 (August 1551) 612 (Januar 1552) vgl. Ranke V. 184.

Abschluß kam, waren die kaiserlichen Politiker genau von dem drohenden Gewitter unterrichtet. Und auch hier besprach man Gegenmaßregeln, die den durch kaiserliche Gnade groß gezogenen Sachsen von der Machthöhe hinabstürzen sollten: man kam auf die sehr naheliegende Idee, den gefangenen Herzog Johann Friedrich gegen Moritz zu gebrauchen,,,deu Bären“ loszulassen 3).“ Wie dem Widerstande des Kurfürsten gegen die weiteren Pläne seines Wohlthäters schon einmal durch diese Drohung, den Groll des Stammesvetters gegen seine Kurwürde zu erregen und zu gebrauchen, begegnet werden sollte, so schien die kaiserliche Politik jezt diese frühere Absicht verwirklichen zu wollen. Nachdem daher Kurfürst Moriz dem Kaiser angezeigt hatte, er werde sich nächstens in Innsbruck einfinden, mit ihm selbst die Lage zu bereden, so, glauben wir, war es eine wohlangebrachte Vorsicht von ihm, zuletzt Ausflüchte zu suchen, nicht zu erscheinen; am kaiserlichen Hofe hätte ihm sicher nichts Angenehmes gedroht 4). Morit kehrte unterwegs wieder um, er machte kein Hehl daraus, daß auch er mit seinen deutschen Verbündeten jezt zu den Waffen greifen werde.

Des spanischen Kaisers Politik, die einstens so meisterhaft den protestantischen Bund mit genau und richtig berechneten Schachzügen mattgesetzt hatte, sie hat in diesen ersten Monaten des Jahres 1552 nicht mit der früheren Einsicht die Verhältnisse durchschaut; sie hat diesen Aufstand dem Schmalkaldener Kriege gleich geachtet, sie hat nicht bedacht, daß diesmal nicht allein protestantischer Glaubensmuth, nein, auch politische Virtuosität den Rath der Gegner leite, mit Einem Worte, sie hat sich in dem jungen Kurfürsten von Sachsen verrechnet. Karl selbst glaubte diesen Gegner mit Verhandlungen zu täuschen, wie er so oft die Deutschen getäuscht, er wähnte ihn zum Aufschube des entscheidenden Krieges veranlassen zu können, er dachte nicht daran, daß auch Moritz genau dasselbe Spiel gegen ihn, den politischen Meister, spielen könnte, mit dem er Moris, wie einstens die Schmalkaldener, niederzuwerfen beabsichtigte: hier ist der große politische Künstler durch dieselben Künste, auf die er für seine Sache vertraute, selbst völlig geschlagen

worden.

Im März 1552 brach König Heinrich gegen die deutschen Grenzlande auf, in prunkendem Manifeste der Welt verkündend, daß er

3) Maria an Karl 5. Oktober 1551. Lanz 3,78. Vgl. über die früheren Gedanken Karl's Lanz Staatsp. 477 und Anhang VII. 4. 5.

4) Dies erklärt z. B. Maximilian ausdrücklich. Lanz 3, 97.

Deutschlands Freiheit gegen den Kaiser Karl zu vertheidigen übernommen habe. Und in demselben März kamen auch die Heereshaufen der Hessen, des Sachsen, des Kulmbachers ins Feld. Auch diese Fürsten gaben ein Manifest an die deutsche Nation, in welchem sie Ursache und Ziele des Aufstandes offen aussprachen: die deutsche Nation sehne sich nach Religionsvergleichung und Religionsfrieden, alle kaiserlichen Bemühungen auf ein Conzil und auf gewaltsame Exekution der neuen Religionsedikte aber hätten nur beigetragen den Zwiespalt zu vermehren; wider Recht und Billigkeit halte der Kaiser den edlen Landgrafen von Hessen gefangen; um ihn zu retten seien diese Fürsten entschlossen, auch das Aeußerste zu wagen. Zuleht berührten sie noch die allgemeinen Beschwerden der deutschen Nation gegen die kaiserliche Regierung: fremde Räthe leiteten die Angelegenheiten des deutschen Reiches und fremde Truppen überschwemmten das deutsche Land: in allen Dingen seien die Rechte der deutschen Nation durch den Kaiser gekränkt und verlegt.

Dies Manifest der verbündeten Fürsten warf den letzten Funken in die Nation, aller Orten wurde die zurückgehaltene Unzufriedenheit gegen den Kaiser laut, aller Orten fanden die Tendenzen dieser Rebellion bereitwillig Eingang. Die Heere der Aufständischen wendeten sich zunächst nach Süddeutschland, sie beabsichtigten dort des Kaisers Macht aufzuheben, sie strebten, den Kaiser selbst zu fangen.

Die größte Gefahr lag in diesem Augenblicke für den Kaiser darin, daß er nirgendwo auf einen sicheren Beistand, auf eine sichere Hülfe zählen konnte: seine Finanzen waren völlig erschöpft, es war ihm weder ein Heer zur Hand, noch hatte er die Mittel, ein solches rasch anzuwerben. Und was das Betrübendste für ihn war, auch seines Bruders Unterstüßung war ihm nicht zweifellos sicher. König Ferdinands Haltung, die in diesen letzten Jahren schon mehr als einmal Zweifel und Aerger in dem Kaiser erregt hatte, war in diesen letzten Tagen noch verdächtiger geworden. Als der Kaiser bei ihm angefragt, was er von den verdächtigen Nachrichten, die aus Sachsen einliefen, halte, hatte Ferdinand in kühlem, unfreundlichem Tone geantwortet, er wisse Nichts davon, der Kaiser möge sich an seine Commissare in Sachsen wenden, die ja aus eigener Anschauung den besten Bescheid ertheilen könnten 5). Und wenn Karl mit dieser trockenen Antwort des Bruders alle die Freundschaftsbeweise zusammenhielt, die Ferdinand und May mit Morit

5) Ferdinand 2. Dezember 1551. Lanz 3, 85.

und August wechselten, so war gewiß der Gedanke bei ihm gerechtfertigt, daß Ferdinand im Geheimen von den Tendenzen des Aufstandes unterrichtet, und über seine eigene Stellung von Moritz versichert sei 6). Die Spaltung, die das spanische Successionsprojekt unter die Brüder gebracht hatte, konnte in der That den Kaiser beunruhigen: es lag zu nahe, daß Ferdinand in gewisser Beziehung mit den antispanischen Tendenzen des Aufstandes sympathisirte. Aber wie sehr auch immer Ferdinands Haltung dem Bruder verdächtig geworden, so war Karl doch nicht in der Lage, bei seinen Maßregeln den Bruder zu umgehen: es blieb dem Kaiser Nichts übrig, als trotz des geheimen Verdachtes sich an den Bruder zu wenden und von ihm Rath und Beistand gegen den Aufstand nachzusuchen 7).

Auch Ferdinands eigenthümliche Stellung gestattete ihm nicht, sich völlig von dem Bruder zu trennen. Gleich in diesen Tagen nahm er die Haltung an, die er bis zu dem Ende dieser Verwicklungen, ja bis zum Abschiede des Bruders aus Deutschland beibehalten hat: er versuchte zwischen den protestantischen Fürsten und dem katholischen Kaiser die Rolle des Vermittlers zu spielen. Das Interesse des Hauses Habsburg hat auch diesen König Ferdinand geleitet; aber nicht für die spanischen Prinzen, sondern für die österreichischen Erzherzoge das das deutsche Kaiserthum zu retten, den nicht zu vermeidenden Forderungen der Protestanten sich anzubequemen und die Majorität der deutschen Fürsten um sich und sein Haus zu vereinigen: das sind die Gesichtspunkte gewesen, die dieses deutschen Habsburgers Haltung in den folgenden Jahren bestimmt haben. Aus ihnen hat sich folgerecht die Tendenz entwickelt, den Friedstand in Deutschland auch um einen hohen Preis aufrechtzuhalten und die militärischen Kräfte der Nation nach Osten auf Ungarn gegen den Türken zu wenden. Alle diese Motive bewogen gleich jetzt, im März 1552, Ferdinand eine Vermittlung zwischen dem Kaiser und den Fürsten anzubahnen.

Karl selbst sah es ein, daß in jenem Augenblicke er nicht zur Gewalt schreiten könne. Wenn unzweifelhaft auch ein bewaffnetes, selbstvertrauendes, energisches Einschreiten gegen die Sachsen und Hessen ihm als die angemessenste Antwort auf ihre Beschwerden erschienen, so verhehlte er es sich doch nicht, daß im Augenblicke seine Kräfte nicht hinreichten, mit Gewalt vorzugehen. Er entschloß sich für den

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6) Karl's geheime Instruktion für de Rye. 3. März 1552. Lanz 3, 107. 7) Sendung de Rye's. ebd. 3, 98 ff.

Augenblick mit Kurfürst Morig in Verhandlungen zu treten und zu versuchen, ob es ihm nicht gelinge den Bund der Fürsten zu zertheilen: den Kulmbacher Markgrafen glaubte er für eine Summe Geldes kaufen zu können, dem Kurfürsten Moritz wollte er die Freilassung des hef= sischen Schwiegervaters gewähren; und wie er in richtiger Erkenntniß der Dinge in der französischen Macht den eigentlichen Kern seiner Gegner erblickte, meinte er durch solche Verhandlungen die Fürsten von Frankreich wieder abzuziehen. Aber bei allen Conzessionen stand ihm das Eine unwandelbar fest, daß er in der religiösen Frage nicht einen einzigen Schritt von der eingenommenen Stellung abgehen könne; an der Autorität des Conziles, an der Gültigkeit der Reichstagsschlüsse, durch die sich die Protestanten dem Conzile unterworfen, an der einstweiligen Verbindlichkeit seines Interims wollte er keinen Zweifel dulden 8). Und während er nach diesen Grundzügen den Bruder zur Verhandlung mit Morig bevollmächtigte, machte er selbst und machten seine Agenten bei den anderen Kurfürsten und Fürsten des Reiches, die jenes Manifest der Rebellion nicht unterzeichnet hatten, Versuche, sie auf seine Seite zu bringen, von der Majorität des Reiches sich unbedingte Hülfe zu sichern, für den Fall, daß die Verhandlungen mit Morit nicht zur Ausgleichung führten. Den eigentlichen Sinn des Kaisers bezeichnete es genau, daß diese, Vorbereitungen für den eventuellen Krieg ihn weit mehr beschäftigt haben, als alle diplomatische Thätigkeit seines Bruders. Auch an seinen Sohn wendete er sich in dieser Lage mit der recht dringenden Aufforderung, aus Spanien Geld und Soldaten herbeizu schaffen. Die ganze Lage des Kaisers gegen die Italiener und gegen die Deutschen hing eben von dem Einen Umstande ab, ob ihm ausreichende Geldmittel zur Hand sein würden, ein Heer gegen seine Feinde zusammenzubringen. Und da klingt es nicht gerade sehr friedlich, wênn der Kaiser erklärte, auch neben der spanischen Beisteuer alle seine Mittel in Sicilien, in Neapel, in den Niederlanden aufs höchste anzuspannen, um von diesen Ländern möglichst viel Geld für seine kriegerischen Rüstungen herauszubringen, ja hier sogar Krondomänen veräußern zu wollen 9).

8) Schreiben an Maria 7. März, an Ferdinand 11 März 1552. ebd. 3, 112, 114 ff.

9) Die Instruktion für Don Juan Manrique de Lara zur Mittheilung an Philipp (Döllinger 182 ff.) gibt eine gute Uebersicht über diese Lage: aus dem dort nicht abgedruckten Theile fügen wir noch ergänzend hinzu, die furchtbare Höhe der Noth Karl's zu erweisen aunque sabe Dios lo que siento ver

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