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Herrschaft Europa's sich einmüthig vertragen, in friedlichem Bunde sich vereinigen, durch Familienverbindung zu Einem Ganzen sich zusammenschließen sollten. Als Franz nun wirklich des Kaisers Schwester, Leonor, die Wittwe von Portugal, ehelichte, gewann am französischen Hofe eine den Habsburgern befreundete Richtung der Politik festeren Halt; und auch in Karl's Rath gab es Stimmen, die auf die französische Allianz die Zukunft seiner politischen Schöpfung gründen wollten. Die Erzherzogin Margarethe hatte laut dafür sich ausgesprochen 17), und in der nächsten Umgebung des Kaisers konnte Granvella als Organ dieser Anschauung gelten 18). Allerdings, Karl selbst hatte sich dieser Idee doch nicht hinzugeben vermocht, als ob ein Bund mit dem französischen Könige möglich sein könnte, er hatte sogar bald nach dem französischen Verzicht auf italienischen Besitz wieder an der Wahrhaftigkeit des Königs gezweifelt und mißtrauisch seine Schritte be= obachtet 19). Allein trotzdem wurde über die kaiserlich-französische Allianz als eine feste Basis des europäischen Friedens zwischen Brüssel und Paris lebhaft verhandelt. Die Projekte und Pläne, die man gefaßt hatte, haben zuletzt sich doch alle als eitel und nichtig erwiesen: schon im April 1531 ist das Resultat klar gestellt, daß man zu dem ge= suchten Ziele nicht gelangen werde, und daß die kaiserlich - französischen Entwürfe für die europäische Ordnung verwirklicht zu werden wenig Aussicht behalten.

Wenn in diesem diplomatischen Schachspiel der Sieger von 1529 nach und nach die Vortheile seiner Stellung verloren, wenn ihm 1531 schon wieder Verwickelungen der bedenklichsten Natur auf allen Seiten drohten: wie hätte er da noch an den Kriegsgedanken für Deutschland festhalten können? in Erwartung eines drohenden Türkenzuges, im Ange= sicht der mehr als zweideutigen Haltung Frankreichs, wie mußte da Karl seine Forderungen in Deutschland herabstimmen!

Er, der die Protestanten in seine Auffassung der kirchlichen Dinge hineinzuzwingen oder sie mit kriegerischem Schlage heimzusuchen beabsichtigt hatte, er war jetzt zufrieden, sich gegen einen Angriff von ihrer Seite sicher zu stellen, er war bemüht, den Friedstand im Reiche zu erhalten, er glaubte viel zu erreichen, wenn er die auf allen Seiten

17) So am 2. Oktober 1529 (Lanz I. 346) ähnlich einen Tag vor ihrem Tode, am 30. November 1530 (ib. 408).

18) Vgl. z. B. Papiers d'etat II. 132. 248.

19) Vgl. Karl's Aeußerungen bei Lanz I. 352 и. 369.

mächtig vordringende neue Lehre zum Stehen gebracht 20). Sogar den Religionskrieg in der Schweiz, wie lebhaft auch die Sympathien ́ für die Sache der Kirche sein mochten, mußte er zuletzt doch ungenutzt vorbeigehen lassen. Und nachdem König Franz, auf des Papstes Meinung. eingehend, durch seine Einwürfe und Erörterungen dem Kaiser gezeigt, wie wenig er das allgemeine Conzil des Abendlandes wünschte, nachdem auch der Papst immer mehr seiner Hinneigung zu dem französischen Interesse nachgegeben: da bezwang sich auch der Kaiser durch Mittelspersonen auf Besprechungen mit den Lutheranern einzugehen, da sagte er es zu, in dem rechtlichen Verfahren des Reichsgerichtes gegen die Usurpatoren der kirchlichen Güter inne zu halten, da war er bereit, den Deutschen einen vorläufigen Frieden auf Grundlage des Statusquo zu gewähren. Und nicht einmal das war leicht zu erreichen. Die Fürsten des Schmalkaldener Bundes erkannten recht wohl die Bedeutung ihrer Stellung, sie weigerten sich lange, auf ein solches Abkommen einzugehen, und erst nach einer langwierigen, oft abgebrochenen, immer aber neu angeknüpften Unterhandlung gelang es, sie zu der Uebereinkunft zu bewegen, die den Namen des Nürnberger Religionsfriedens trägt. Nachdem zwei Jahre hindurch die großen Mächte des europäischen Lebens über Conzil und Ordnung Europa's verhandelt, war das Ergebniß aller ihrer Sendungen und Noten, das Produkt aller ihrer diplomatischen Pläne und Gegenpläne eine theilweise Anerkennung der so glühend gehaßten Keßerei, eine papierne Schanze gegen den Fortschritt der Neuerung in Deutschland.

Das Jahr 1532 brachte den erneuerten Angriff der Türken auf Ungarn und die Grenze des Reiches; dem Türkenkriege sah Franz unthätig zu, schadenfroh und kalt die Aufforderung Karl's zur Hülfe ablehnend 21). Und nachdem der Habsburger sich hier eben der Ungläubigen erwehrt, drängte wieder alles zu dem Ausbruch eines Krieges zwischen den alten Rivalen. Mochte auch der Kaiser, der durch Italien die Rückreise in seine spanischen Länder angetreten, in Bologna mit dem Papste und den italischen Staaten eine italische Defensivliga schließen, mochte er auch noch einmal alle Mittel der Ueberredung an den Papst verschwenden: des französischen Rückhaltes sicher, war der Papst nicht zu einem ernstlichen, aufrichtig gemeinten Beschluß des Conziles zu bewegen, ja, wenn einmal im Colleg der Cardinäle sich die 20) Karl an Ferdinand 3. April (Lanz I. 430) und an Bonvalot 2. Mai (P. d'ét. I. 533.)

21) Mission Balançon's in Frankreich P. d'ét. I. 601 ff.

Wagschale zu Gunsten der kaiserlichen Forderungen neigte, wußte Cle= mens immer wieder die Sache unentschieden zu halten, und zuletzt die Bedingung der vorherigen Eintracht aller Mächte auf's Neue vorzubringen 22). Und noch zu weiteren gefährlicheren Schritten gelangte der französische König in dieser Allianz mit dem Papste: mit den Elementen der Opposition in Deutschland, mit den Schmalkaldener Bundesfürsten trat er in Verbindung; und wenn auch Franz einstweilen den offenen direkten Bruch mit Karl hier zu vermeiden suchte, so unterließ er es doch keinen Moment, die Grundlagen des kaiserlichen Ansehens in Deutschland zu untergraben. Aber in den deutschen Unruhen von 1534, die sich der französischen Unterstützung erfreuten, vermochte das Nachgeben Ferdinand's, der sich in den Verlust Würtembergs zu fügen hatte, den Frieden zwischen den Parteien im Reiche noch einmal herzustellen. Allerdings in dieser Lage konnte es den kaiserlichen Ministern nicht verborgen bleiben, daß man einem neuen Kriege mit Frankreich mehr und mehr zutreibe. Die Autorität des Kaisers in Deutschland tief erschüttert, die politische Macht des Kaisers auf eine völlige Passivität zurückgeführt, der Papst, der stets unsicher gewesen, jetzt dem französischen Einfluß vollständig unterworfen, England dem definitiven Bruch mit der Kirche und der spanischen Macht ausgesetzt, die Türken und ihre Corsaren im Mittelmeer mächtig und siegreich vorwärts schreitend: diese Lage der Dinge mußte es doch dem Kaiser empfehlen, alles eben Mögliche von seiner Seite zu versuchen, um nur den Bruch mit dem Frankenreich, der Seele jener Oppositionen, zu vermeiden. Und in der That, der Kaiser that viel und bot Großes an, wenn Franz sich friedlich mit ihm einigen wollte 23); nur das Eine konnte er nicht ge= währen, und gerade auf dies Eine hatte Franz allen seinen Willen gerichtet: es durfte Karl den Franzosen in Italien nicht Fuß fassen lassen, aber hartnäckiger als je hielt Franz auf's Neue daran fest, daß auch ihm ein Stück italienischen Bodens gebühre. So verhandelte man Monate lang, ohne sich einer Verständigung auch nur zu nähern. Franz aber rüstete sich rührig und entschlossen zu dem großen Angriffskrieg auf Karl's italienisches Reich. Der allerchristlichste König knüpfte sogar mit den Türken eine Verbindung an 24), er ließ einen combinirten

22) Interessante Mittheilungen aus Depeschen des französischen Gesandten in Rom giebt Ranke D. G. III. 355.

23) Die Verhandlungen in Pap. d'état II. p. 102. 120. 136 ff. 205 f.

24) Instruction vom 11. Februar 1535 bei Charrière Négociations de la France dans le Levant I. 255.

Angriffsplan vorlegen, er reizte die türkischen Corsaren zum Üeberfall auf die spanischen Plätze im Mittelmeer. Das aber hat Karl in die Nothwendigkeit versetzt, erst diesen Gegner abzuwehren: das Festwurzeln türkischer Macht an einer der spanischen Seemacht gefährlichen Stelle zu hindern, machte er 1535 den Zug nach Tunis - jene Expedition glänzender und strahlender Waffenthat, die ihn so recht in dem Lichte des katholischen Königs, des Kaisers der Christenheit erscheinen ließ. Gehobenen Gefühles und in dem Bewußtsein dieses Sieges über den Ungläubigen, den Erbfeind der Christen, kam Karl nach Italien, dort die Huldigung seiner Provinzen entgegenzunehmen und mit dem neuen Papste, dem Römer Farnese, Italiens Angelegenheiten zu ordnen. Er traf in Italien auf Neuerungen, die Franz mit rascher That zu be= nußen wußte.

Den Verbündeten des Kaisers, den Herzog von Savoyen, griff damals Franz an; in wenigen Schlägen hatte er ihn seines Landes beraubt; Savoyen und Piemont sollten ihm den Weg nach Mailand eröffnen und ihm ein Pfand sein, für das er den so sehnlich erstrebten Besiß der Lombardei eintauschen konnte. Denn als im Oktober 1535 der Besizer Mailands, Herzog Sforza, ohne Kinder gestorben, hatte sich ihm wieder eine neue Gelegenheit geboten, die Forderung auf Uebergabe des erledigten Herzogthumes zu erheben. Wirklich hatte man über diese Frage jest wieder mit erneuerter Lebendigkeit verhandelt, die kaiserliche Politik selbst machte einmal Miene, unter gewissen Bedingungen an einen der französischen Prinzen eine solche Uebergabe Mailands geschehen zu lassen; nur wollte man ebensowohl die Selb= ständigkeit dieser Regierung gegenüber dem französischen Reiche sichergestellt wissen, als auch von Franz eine aufrichtige und zuverlässige Unterstützung in den allgemeinen Fragen sich ausbedingen. Der Kaiser hatte zunächst die Entscheidung hinausgeschoben, ohne jemals ganz in den Verhandlungen abzubrechen. Allein während er wohl dem dritten Sohne des Königs, der noch ledig war, eine solche Concession gewähren konnte, hielt ihn doch Alles ab, das Gleiche dem zweiten Sohne, dem Herzoge von Orleans, der mit einer Italienerin verheirathet war, zu bewilligen. Und darüber vermochten sich des Kaisers und des Königs Interessen nicht in's Einvernehmen zu sehen. Als nun von Süditalien aus Karl sich Rom näherte, kam er immer sicherer zur Entscheidung, daß ein direkter Krieg mit Franz auch imh jetzt unvermeidlich geworden 25):

25) Vgl. Granvella's Memoire in Pap. d'état II. 445.

in Rom selbst, in der Mitte der Cardinäle, in Gegenwart des Papstes erfolgte endlich der Bruch, den des Kaisers gereizte Heftigkeit und aufbrausende Leidenschaft in merkwürdiger Scene der erstaunten Welt persönlich zu verkünden für gut hielt. Es ward ter Angriff gleichzeitig vom Süden und von den Niederlanden aus gegen Frankreich beschlossen.

Weitab von Deutschland, der Reformation in Deutschland, den protestantischen Fürsten Deutschlands hatte so den katholischen Kaiser der Strom der europäischen Politik gerissen: weit entfernt das Programm von 1529 zur Ausführung zu bringen, mußte er es ruhig ansehen, es schweigend geschehen lassen, daß sich die Neuerung im deutschen Reiche immer mehr befestigte, daß die Landesfürsten sich eng anschließend an die geistlichen Lehrer des Volkes ihre Macht im Einzelnen immer mehr erhöhten, daß in den Angelegenheiten des Reiches der Habsburger Einfluß immer mehr dahinschwand. Freilich, inmitten der revolutionären Stürme von 1534 verschloß man sich am spanischen Hofe nicht der Einsicht 26), wie leicht man wieder die Deutschen sich gewinnen könnte, wenn man nur auf das Treiben der Neuerer eingehen wollte; aber nur im Falle der äußersten Noth, des äußersten Zwanges hielt man es für möglich zu solchem Schritte greifen zu dürfen der katholische Sinn dieser Staatsmänner sträubte sich doch aus allen Kräften gegen eine jede prinzipielle und dauernde Concession. Auch in Allem, was man den Protestanten nachgegeben und geopfert, gab es eine Grenze, und da war ein augenblickliches Zulassen, eine zeitweilige Enthaltung von der katholischen Offensivpolitik schon ein ganz. gewaltiges Geschenk zu nennen. Des Erzherzog Ferdinand bedrängte und schwache Lage machte es allerdings nöthig, den Nürnberger Frieden auf's Neue zu bestätigen: nachdem er Sachsens Anerkennung seiner römischen Königskrone erlangt, mußte er neue Versicherungen seiner friedlichen Haltung ausstellen, mußte er es geschehen lassen, daß der Schmalkaldener Bund seine Zahl und Macht erweitere und erhöhe. Und sogar Karl gab 27), als er gegen Frankreich aufbrach, die Erklärung, daß er den Friedstand im Reiche zu erhalten und die Spaltung nur durch friedliche Mittel auszugleichen wünsche. In der That, es hatte den Anschein, als ob das Conzil, das allseitig angerufene und angestrebte Conzil jetzt in die Wirklichkeit treten sollte: auch darüber hatte Karl in Rom eine Einigung mit dem neuen Papste erzielt.

26) Interessante Aeußerung Karl's in Dep. vom 18. Juni 1534 (Pap. d'état II. 122).

27) 7. Juli 1536 bei Neudecker Urkunden 244.

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