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mit Wilhelm von Hessen in Salza hatte. Aus dem Gespräche der beiden Fürsten erwuchs Moriz das Gefühl, „daß die Sachen wohl ständen,“ daß man Hoffnung schöpfen dürfe auf eine Besserung der deutschen Lage. Das Verständniß zwischen den Hessen und dem Kurfürsten Moritz ist schon in Salza eingeleitet worden, wie vertrauensvoll auch immer der Sachse mit dem Kaiser nachher noch gehandelt hat.

Moritz wußte auch damals so geschickt seine Stellung zwischen Kaiser und Fürstenopposition zu nehmen, daß endlich Karl ihm die Exekution der Reichsacht gegen jene norddeutschen Protestanten und ihr Centrum Magdeburg übertrug. Der Kurfürst erschien selbst vor Magdeburg; und da Markgraf Hans mit seinem ganzen protestantischen Eifer entschlossen und bestrebt war, Magdeburg vor den Kaiserlichen zu bewahren, so drohte ein Zusammenstoß zwischen diesem antikaiserlichen Fürstenbunde und dem zweideutigen Sachsenfürsten. Es kam eine gewaltige Aufregung unter diese deutschen Fürsten. Des Kaisers Räthe triumphirten hohnlachend, wie sich hier der Eine gegen den Anderen aufzureiben im Begriffe stehe. Die deutschen Patrioten klagten schmerzlich über Morit' ehrgeizige Verblendung. Da gab Moritz an den Herzog von Preußen die Erklärung ab, daß er nicht der Magdeburger Religionsfreiheit bedrängen wolle, aber daß er entschlossen sei, ihnen die protestantische Religion zusichernd, in allen anderen politischen Dingen sie zur vollständigsten Unterwerfung zu zwingen. Und auch vor Magdeburg fanden Vergleichshandlungen Statt. Der Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg eröffnete sich an Morit; und ihm gab Moritz die feierliche Versicherung, wenn man das Mißtrauen gegen. ihn, den Kurfürsten von Sachsen, auf protestantischer Seite ganz fallen lassen wolle, werde sich Alles zum Heile Deutschlands ordnen lassen3). Es schien nun allen einsichtigen Köpfen, daß der protestantische Vertheidigungsbund durchaus und unumgänglich den Zutritt von Morig zur gemeinsamen Sache ermöglichen müsse; eine Vereinigung aller dieser deutschen Elemente zu einem einzigen Bunde schien dann erreichbar und schien auch in der Natur der Lage mit zwingender Nothwendigkeit angedeutet zu sein.

Die französische Politik hatte es schon im Sommer 1550 erkannt, wo der Schwerpunkt der deutschen Erhebung gegen den Kaiser zu suchen sei®). Es waren nicht jene norddeutschen Fürstenkräfte, nicht jene städtischen

5) Voigt 92-96.

6) Marillac bei Langenn I. 428 und auch in Ribier II. 219. Maurenbrecher Karl V.

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Vereinigungen, auf die man sicher hätte zählen können; der Schmalkaldener Krieg hatte doch die Mängel und die Gefahren dieser deutschen Politiker deutlich zu Tage gebracht. Aber des Kurfürsten Moriz Stellung und Charakter war ganz dazu angethan, mit besserem Erfolge eine Erhebung der deutschen Protestanten zu leiten. Wie er im Februar 1551 in Dresden mit dem Markgrafen Hans die Lage der Protestanten besprach, brachte er sofort die Oppositionsgelüste der Protestanten einen bedeutenden Schritt vorwärts auf der Bahn politischen Handelns 7). Morit und Hans einigten sich jest, treu an der Augsburger Confession fest zu halten, alle katholisirenden Religionsedikte der spanischen Kaiserpolitik verwerfend. Sie kamen überein, daß alle Protestanten sich zu einem festen Bunde verpflichten sollten, in gemeinsamer Handlung die Religion eines Jeden zu schützen; sie sezten dabei auch fest, daß endlich Landgraf Philipp und Herzog Johann Friedrich befreit werden müßten, und wenn es auch mit Gewalt vom Kaiser zu erzwingen sei. Aber der weiter blickende Geist des sächsischen Kurfürsten hielt es für nothwendig, ehe er mit dem Kaiser breche, sich der protestantischen Bundesgenossen zu versichern: hielt doch der Kaiser in der Person seines erbittertsten Feindes ein Werkzeug in der Hand, das die Kurwürde Moriz ebenso nehmen konnte, als Moritz es Johann Friedrich gethan; und Moriz kannte den Kaiser genau genug, um den begründeten Argwohn zu hegen, daß bei der ersten Handlung Sachsens, die nicht völlig nach dem Sinne der Spanier ausfalle, auch gegen ihn dieser Angriff des Rivalen durch den Kaiser begünstigt und hervorgerufen werden würde. Da mußten die protestantischen Bundesfürsten dem neuen Kurfürsten erst eine Zusicherung schaffen, daß der Bund ihn in seiner Kur auch gegen den alten Kurfürsten vertheidigen wolle: Markgraf Hans nahm es auf sich, die sächsischen Vettern zu versöhnen.

Und wenn die deutschen Fürsten zur Unterstüßung ihrer Erhebung immer nach Frankreich ausgeschaut und alle die Zeit auch mit Frankreich lebhaft verhandelt hatten, so war es doch unschwer zu sehen, daß der französische Hof nicht ohne Gegenleistung dem deutschen Protestantismus Hülfe leisten werde. Man mußte also sich darüber klar sein, was man dem Franzosen etwa zugestehen könne, ehe man sich mit ihm einlasse. Auch darauf hat Kurfürst Moritz die Aufmerksamkeit gerichtet, daß man vielleicht dem König Heinrich Vortheile in Aussicht zu stellen genöthigt sein werde. Ueberhaupt, während Markgraf Hans stets den Gesichts

7) Voigt 110 ff.

Die Akten selbst bei Langenn II. 321–325.

punkt festhielt, daß nur die Religion und die bestehenden Zustände gegen die Gewaltschritte des Kaisers zu schüßen seien, während er beharrlich bei der Behauptung verharrte, daß der ganze Fürstenbund nur auf Defensive gemeint sei, verbarg es sich Kurfürst Morit keinen Augenblick, wie unpraktisch, wie unnütz, wie resultatlos das Beharren auf der Defensive sein werde. Wenn es doch immer ein Zeichen eines unpolitischen Kopfes ist, gegen eine große Politik sich nur vertheidigen und dem Gegner die Wahl des Momentes zum Angriff überlassen zu wollen, so wäre in der damaligen Lage es eine unverantwortliche Verblendung gewesen, diesem Kaiser Karl, der keinen Umstand außer Acht ließ und alle Dinge zu seinen Zwecken zu verwenden wußte, eine völlig freie Wahl des Zeitpunktes zum Angriffe zu gönnen. Und in der That, als in einer erweiterten Fürstenversammlung in Torgau diese Frage zur Berathung gestellt wurde, kam man zu dem zu dem gemeinsamen Schlusse,,,daß die Defensive sich leicht in eine Offensive verwandeln werde 8)."

Moritz meinte alle Chancen der europäischen Lage benutzen zu müssen. Wenn in Ungarn ein Türkenangriff drohte, so wollte er auch durch einen französischen Angriff auf des Kaisers Stellung in den Niederlanden denselben unterstüßen lassen: das sollte den Deutschen Luft schaffen, zu derselben Zeit sich gegen des Kaisers Gewaltherrschaft zu erheben. Wie richtig und wie fein Moritz die allgemeine Lage be= rechnet hat, ergibt sich uns noch aus einem anderen Zuge. Die Spannung in der Familie der Habsburger war ihm nicht entgangen; und wenn er in dem letzten Jahre sich enger und enger an Ferdinand und an Max angeschlossen hatte, durfte er hoffen, in der nächsten Umgebung des Kaisers Combinationen anzutreffen, die einer deutschen Erhebung günstig waren. Wir finden, daß er an Erzherzog Max im December 1550 in vertrauensvoller Weise sich äußerte: in jenen Verhandlungen der habsburgischen Familie hat May an dem sächsischen Agenten einen Rückhalt gefunden; und endlich hat Kurfürst Moriz seine protestantischen Verbündeten ausdrücklich verpflichtet, bei der beabsichtigten Erhebung gegen Karl Nichts gegen Ferdinand und Max vorzunehmen 9).

So hat Kurfürst Moritz nach und nach die Elemente zusammenge= bracht, die ihn gegen den Kaiser schüßen konnten, die ihm eine protestan

8) Voigt 123.

9) Lang enn I. 458 ff. besonders 460 und 467.

tische Gestaltung Deutschlands nach seinem Sinne möglich machten. Aber wie hätte der sich getäuscht, der von diesem scharf urtheilenden Politiker eine plötzliche Wendung erwartet oder eine plötzliche Erklärung gegen den Kaiser verlangt hätte! Der Kurfürst Moritz hielt an sich: er unterhandelte gleichzeitig mit dem norddeutschen Fürstenbunde und dem französischen Hofe, gleichzeitig aber auch mit der kaiserlichen Regierung. Auch jetzt wußte er ein ähnliches Verfahren zu beobachten, wie es ihm 1546 so wohl gelungen und so reiche Früchte gebracht hatte. Während er damals mit dem Kaiser verbündet war, hatte er noch mit dem Hessen verhandelt, die Schmalkaldener hingehalten, die sächsischen Lande in Sicherheit gewiegt, und dann plötzlich hereinbrechend die Entscheidung des Krieges gegen die Protestanten gegeben. So verfuhr er auch jetzt. Auch jetzt sandte er Boten auf Boten, Schreiben auf Schreiben an den kaiserlichen Hof, für des Hessen Freilassung sich zu verwenden und den Vergleich mit den Magdeburgern bei dem Kaiser zu vermitteln. Aber auch jetzt war er längst schon mit den protestantischen Gegnern des Kaisers einig geworden, den Kaiser empfindlich zu fassen. Auch jetzt wußte er, sich mäßigend und sich selbst beherrschend, auf den richtigen Moment zu warten, in welchem man am geeignetsten losschlagen könne. Die Verhandlungen nach Frankreich, die im Mai von der Gesammtheit dieser protestantischen Fürsten aufgenommen waren, mußten erst zu einem Abschluß geführt haben, ehe man den entscheidenden Schritt wagen konnte. Es war ja vornehmlich die Verbindung der deutschen Rebellion mit dem französischen Angriffe, von der man den Sieg über die spanische Politik des Kaisers erhofft hat.

Wenn im Schmalkaldener Kriege die deutsche Opposition es nicht verstanden hatte, alle europäischen Elemente gegen den Kaiser zu benußen, so war jest Kurfürst Morit, durch die früheren Vorgänge gewitzigt, ganz besonders darum bemüht, sich europäische Allianzen gegen den Kaiser zu verschaffen. Der Kaiser konnte die Deutschen allein wohl zügeln, aber, mit den europäischen Feinden Habsburgs verbündet, mußten die Deutschen die Oberhand gewinnen. Es lag nahe, daß sie vor Allem auf des Habsburgischen 'Erbfeindes, des Franzosenköniges Hülfe rechneten.

Schon an verschiedenen Stellen unserer Darstellung haben wir es bemerkt, wie König Heinrich II., von der alten Feindschaft beseelt, auf Gelegenheit spähte, Karls Uebermacht zu brechen. Aber in einem jeden Falle hatten sich bisher die Verhältnisse immer wieder so gewendet, daß er doch zuletzt den Krieg nicht wagen durfte. So bieten diese ersten

Jahre Heinrichs II. uns ein buntes Spiel von kaiserlichen Allianzprojekten und antikaiserlichen Intriguen. Während man mit dem Kaiser über eine mögliche Ausgleichung aller Differenzpunkte handelte, bemühte man sich gleichzeitig, Verbündete zu einem Kriege gegen den Kaiser zu er werben. Zwischen Karl und Heinrich gab es vornehmlich Einen Punkt, der in allen Verhandlungen auftauchte und an dem jeder Vertrag scheitern mußte, die piemontesische Frage. Karl konnte nicht und wollte nicht Piemont in französischen Händen lassen, und Heinrich war ebensowenig im Stande, diese Basis für seine italienischen Pläne aufzugeben. Und so mußten alle Friedensversuche der Diplomatie immer wieder zuletzt zu erneuertem Hader hinführen.

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Da hatten eine Zeitlang die schottischen Verwicklungen den französischen König so sehr in Anspruch genommen, daß er die Neutralität des Kaisers schon als einen Gewinn anzusehen geneigt war. Und wie um dieselbe Zeit Heinrich wieder ein engeres Verständniß mit dem alten Papste Paul eingegangen, knüpften die Engländer in ihrem Kriege gegen Schottland und Frankreich sehr dringende Beziehungen mit dem Kaiser an: in den Sommermonaten des Jahres 1549 war wirklich der Abschluß eines kaiserlich-englischen Bündnisses sehr nahe gerückt 11). Die Engländer schmeichelten sich mit der Hoffnung und ließen sich von den kaiserlichen Ministern durch die Aussicht aufregen, daß schon im nächsten Jahre Karl selbst einen Angriff auf Frankreich erheben werde. Aber diese Combination war in sich doch ein Unding. In einem Augenblicke, in dem der Kaiser den deutschen Protestantismus niedergeschlagen und Deutschland mit starker Hand unter seinen katholischen Willen gebeugt hatte, in einem solchen Augenblicke wäre es ein seltsames Schauspiel gewesen, eine Allianz mit dieser exclusiv protestantischen Regierung Somerset's einzugehen, eine Allianz, gegen Frankreich und den Papst gerichtet. Freilich der Sturz Somerset's erweckte dann für eine kurze Weile die Hoffnung bei dem Kaiser, daß in dem Staatsrathe von England katholische Tendenzen vorwalten würden 12); aber auch Warwick's Regierung befolgte dieselben religiösen Tendenzen eines eifrigen Protestantismus, die Somerset an's Ruder gebracht hatte. Und Warwick war bald bestrebt, sich mit Frankreich zu vergleichen. Der im März 1550

11) Calendar p. 36. 39. 41. ff. Vgl. Tytler I. 190 und Marillac's Depesche vom Juli 1549 bei Ribier II. 270.

12) Vgl. Froude Bd. V. 157 ff. und die Notiz bei Ranke Engl. Gesch. I. 237.

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