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erreichten weder die Freilassung des Gefangenen, noch brachten sie Karl dazu, einen Endtermin der Gefangenschaft festzusetzen. Was waren diese deutschen Fürsten alle in den Augen des Kaisers anderes als willenlose Werkzeuge für seine politischen Zwecke, als untergeordnete Diener seines Willens? Der Kaiser hat einen Ton angeschlagen, der auf die Selbständigkeit, auf die Rechte, auf die Wünsche der Fürsten keine Rücksicht zn nehmen geneigt war. Die kaiserliche Regierung Karl's verfolgte ja andere, höhere Plane als eine Regierung Deutschlands, nach den Wünschen oder in Uebereinstimmung mit den deutschen Landesfürsten eingerichtet.

Hat vielleicht Karl auf die Bedürfnisse und Wünsche der deutschen Nation als eines Ganzen geachtet? Hat er vielleicht die territorialen Regierungen verlegt, um ein nationales Reich über alle Einzelstaaten aufzurichten?

Nein, die Idee des spanischen Karl war, die deutschen Ländermassen in das europäische System einzufügen, das seine universalen Tendenzen vorbereiten sollte. So verband er die stammverwandten Niederlande mit dem Reiche, in einer solchen Weise, die diesen seinen Erblanden allen, dem Reiche keinen Nutzen zuwandte: der Augsburger Vertrag verfolgte nur den Zweck, den Schuß Deutschlands für jene Niederlande zu sichern; ein jeder Angriff auf die habsburgische Herrschaft in den Niederlanden mußte einen deutschen Reichskrieg nach sich ziehen.

Und auch mit Italien kam das Reich in eine engere BeziehungAber auch hier sollten die deutschen Kräfte nur zum Schuße habsburgischer Herrschaft auf italienischem Boden benugt werden. Wie der Habsburger in jenen Jahren immer deutlicher und immer rücksichtsloser auf die völlige Unterwerfung aller italienischen Staaten hinar= beitete, konnte ihm der Schuß dieser seiner italienischen Besißungen durch das deutsche Reich nur erwünscht sein.

Oder wäre etwa jene Verbindung, in die Karl die spanische Krone mit Deutschland bringen wollte, ein Gewinn für die Nation gewesen? Zwei völlig fremde und einander in jeder Beziehung antipathische Nationen unter dieselbe Herrschaft zu bringen, war ein Projekt, das gewiß nicht auf das Heil jener Nationen gerichtet, das auch gewiß nicht gerade von hoher staatsmännischer Eingebung zeugte.

Wir sehen, die Politik des siegreichen Kaisers hat bei dieser Regierung über Deutschland nur ihre eigenen Absichten verfolgt. Sie hat nur den Tendenzen ihres Universalreiches gehuldigt, und die nationalen Elemente

ihrer verschiedenen Staaten zu jenem Luftschlosse europäischer Kaisergewalt aufzubrauchen gewußt. Der Sieg über die protestantische Opposition hat ihr nur dazu gedient, auch die deutschen Kräfte für jene europäischen Combinationen zu verwenden.

Mit der deutschen Nation ist Karl's Politik ganz besonders in der religiösen Frage zusammengestoßen. Alle Akte seiner Willkür, alle Maaßregeln seiner habsburgischen Interessenpolitik haben nicht in solchem Maaße die Nation erregt, wie sein kaiserliches Religionsedikt sie verletzt hat.

Es war ein Triumph der diplomatischen Geschicklichkeit dieser spanischen Staatsmänner, daß sie eine Formel zu Stande gebracht, die in gewissem Sinne Elemente beider Religionsparteien aufgenommen hat. Aber diese Erfolge des Diplomatisirens in religiösen Dingen waren wahrlich nicht angethan, tiefere Bedürfnisse zu befriedigen. Ein jeder Bekenner der katholischen Kirche hatte doch so Manches an diesem Edikte auszusetzen: der strengeren Meinung mußte es nicht allein undeutlich, unbestimmt, zweideutig erscheinen; vor Allem konnte es nicht allgemeine Billigung finden, weil es ja nicht von dem rechtmäßigen Organe der Kirche ausgegangen war. Diese Seite, die für manchen Protestanten eine Empfehlung des Interims war 2), mußte dem Katholiken als ein Eingriff kaiserlicher Machthoheit in die Rechte der Kirche erscheinen. Und dann hatte das Interim durch kaiserliches Gebot den Lutheranern in äußerlichen Dingen Concessionen gemacht, Conceffionen, die weit genug gingen, ernste Katholiken zurückzuschrecken, und die nicht ausreichten, den Protestanten die kaiserliche Staatsreligion als die ihre erscheinen zu lassen. Troß aller dieser Einwände und Hindernisse hatte aber Karl's Festigkeit und Machtentwickelung den Protestanten dies Interim auferlegt: freilich mit Zwang, aber doch allgemein war das Interim in protestantischen Landen eingeführt: protestantische Fürsten und protestantische Theologen hatten dem Drucke der kaiserlichen Regierung nachgegeben. Aber das Volk selbst hat an keiner Stelle Begeisterung oder Befriedigung, nein allenthalben nur Unlust und Unmuth gezeigt. Man hat sich den Formen dieser angeordneten Religion anbequemt, aber man hat nirgendwo im Inneren diese Lehre angenommen. Auch unter der Religionsübung des Interims hat der protestantische Geist in der Majorität der Nation fortgelebt.

2) So machte diesen antipäpstlichen Ursprung des Interims Joachim von Brandenburg bei Moritz geltend. (17. November 1548 bei Langenn I. 404.)

Allerdings noch einen weiteren Schritt in ihrer Religionspolitik hatte die kaiserliche Regierung gewonnen. Auch auf dem zweiten Reichstage von Augsburg waren die religiösen Maßregeln des Kaisers vom Erfolge gekrönt. Wenn vor zwei Jahren Deutschland sich einem allgemeinen Conzile zu unterwerfen bereit gewesen war, so hatten jezt die Protestanten erklären müssen, daß sie jenes Conzil in Trident besuchen wollten. Auch hier war man also von der unbestimmteren Form zu der bestimmten Unterwerfung unter ein Conzil vorgeschritten, dessen Charakter schon damals aller Welt bekannt war. Die mächtigeren der protestantischen Stände hatten wohl geglaubt, besondere Vorbehalte hinzuzufügen, sich besondere Bedingungen für die conziliare Verhandlung auszumachen; aber der Kaiser that schon darin genug, wenn er seinen Deutschen freies und sicheres Geleit verhieß und ihnen die Zusicherung ertheilte, daß in Trident die katholischen Prälaten den protestantischen Vorträgen ruhiges Gehör schenken würden ; - wir wissen schon, von welchem Geiste wahrer Nachgiebigkeit dieser Spanier dabei beseelt war3)!

Aber als jetzt diese Zusicherungen des Kaisers an die Protestanten im Reiche bekannt wurden, da hat sich der Protestantismus in underänderter Lebendigkeit gerührt und zum Streite gegen die katholische Lehre gerüstet. Alle die protestantischen Confessionen und Gutachten und Bedenken, die man damals für die protestantischen Deputationen zum Tridentinum vorbereitete, sie alle zeigen auch nicht die geringste Spur irgend eines Einflusses, den die Lehre des Interims auf die Meinungen der Protestanten ausgeübt haben könnte. Es war der alte Protestantismus, wie er vor den Maßregeln Karl's gelebt hatte, der hier aufs Neue seine Schwingen regte: das Interim hat an der Religion der Deutschen nichts geändert, die kaiserliche Religionsverordnung, der oftroyirte Glaube ist an dem Geiste der Nation spurlos vorüber gegangen.

Wir sehen, auch unter der ruhigen Oberfläche dieser deutschen Nation wogte und kochte der nationale Geist in unruhiger Gährung; es bedurfte nur eines Anstoßes, und ein gewaltiges Unwetter mußte sich in vernichtenden Schlägen gegen die Kaiserregierung der beiden Augsburger Reichstage entladen. Die Elemente der Opposition, die auch unter dieser Gewaltregierung fortdauerten, haben sich erst langsam geregt, dann sich immer weiter verbreitet und immer besser zu

3) Anhang VIII. 1. Vgl. oben S. 230.

sammengefügt, sie haben zuletzt in einem Bündniß deutscher Stände den Ausbruch einer antikaiserlichen Rebellion herbeigeführt. *)

Schon im Oktober 1548 hatten sich einzelne Fürsten zu diesem Widerstande gegen den Kaiser zusammengefunden. Markgraf Hans von Brandenburg-Küstrin, ein rühriger und offenherziger protestantischer Fürst, hatte des Kaisers Absichten in der Behandlung der Deutschen durchschaut. Da er einst gegen die Schmalkaldener dem Kaiser gedient hatte, auf des Kaisers Versprechungen religiöser Toleranz gegen feine Verbündeten bauend, so hatte ihn der drohende Befehl des Kaisers, das Interim anzunehmen, auf das Tiefste verletzt. Und da hatte er sich mit den jungen Landgrafen von Hessen, den Söhnen des überlisteten Kämpfers der protestantische Sache, bald darüber verstanden, wie man dem Interim und dem kaiserlichen Zwange entgegen arbeiten könne. Auf die norddeutschen Städte, auf den Stammesvertreter, den Herzog. Albrecht von Preußen, war besonders sein Auge gerichtet. Dieser Brandenburgische Markgraf war unablässig thätig, alle norddeutschen Stände zu einem Schußbündniß gegen die kaiserliche Religionspolitik zu vereinigen; aber man sah es ein, daß man erst einen festen Punkt gewinnen müsse, an den die norddeutsche Opposition sich anlehnen könne. Man hat da einmal an eine Allianz mit England gedacht, das unter Somersets Leitung sich ganz der Reformation in die Arme geworfen. Aber der Lordprotector war in die französischen Händel verwickelt, einer kaiserlichen Allianz bedürftig; und überhaupt waren die Zustände in dem Inselreiche zu schwankender Natur, als daß man feste, Allianzen hätte wagen können. Man hat dann auch von einer französischen Unterstützung gerebet. Aber zunächst war König Heinrich noch nicht zum Schlage gegen den Kaiser bereit, auch der neue Bruch zwischen Karl und Heinrich bedurfte erst längerer Vorbereitung. Man hat dann auch nach weiteren Allianzen in Deutschland sich umgesehen, und schon damals den Beistand des neuen Kurfürsten Moritz ge= sucht. Es fanden schon damals einzelne Unterhandlungen mit Moriz Statt. Aber Moritz selbst schwankte noch; und das Mißtrauen der Protestanten gegen den Sieger über Johann Friedrich war noch zu lebendig. und zu erregt, als daß man sich hätte einigen können. Es blieb den protestantischen Elementen im nördlichen Deutschland zunächst Nichts

4) Für das Folgende beziehe ich mich außer den älteren Werken von Langenn und von Rommel ganz besonders auf die vortreffliche Darstellung von J. Voigt, Der Fürstenbund gegen Kaiser Karl V., in Raumers historischem Taschenbuch.

1857.

übrig als sich selbst zu verbünden. Im Februar 1550 beschlossen denn auch die beiden Brandenburger und die Mecklenburger, sich gegen einen jeden Angriff, woher er auch komme, mit vereinten Kräften zu vertheidigen. Und als diesen norddeutschen Bewegungen gegenüber des Kaisers Mandate immer dringender und immer drohender ergingen, da sannen auch diese Fürsten immer eifriger auf Mittel zu ihrem Schuße. Aber Alles, was sie redeten und planten, war nur auf die Vertheidigung ihrer Stellung und Religion gemeint: sie waren entschlossen, in keiner Weise selbst eine Entscheidung herauszufordern oder dem Kaiser entgegen zu gehen, sie wollten ruhig abwarten, bis Kaiser Karl sie selbst in ihrer Religion bedrohen werde.

In derselben Zeit, als die kaiserliche Politik jenen Augsburger Reichstag vorbereitete, suchten jene beiden Fürsten, Markgraf Hans und Herzog Albrecht, diesen protestantischen Bund zu stärken. War es doch ganz unzweifelhaft für alle Protestanten, was dieser Reichstag den Norddeutschen bringen werde; war es doch klar, daß man Gehorsam gegen die Reichsgesetze und gegen das Interim fordern werde, daß man also die Rebellen und ihren Mittelpunkt, das halsstarrige Magdeburg, zur Rechenschaft zu ziehen gedenke. Die norddeutschen Fürsten fühlten unter diesen Umständen keine Veranlassung, den Reichstag zu besuchen; sie dachten einen Fürstenkongreß zu veranlassen, dort gemeinsame Gegenmaßregeln gegen einen Angriff des Kaisers zu berathen. Aber das Mißtrauen des Markgrafen Hans, des glaubenstreuen Protestanten, gegen den Kurfürsten Moritz, den Bekenner des Interims, war noch so stark, daß es eine jede Gemeinsamkeit politischen Verhaltens einstweilen noch ausschloß.

In des Kurfürsten Moritz Haltung hat sich in jenen Tagen vor dem Zusammentritte des Augsburger Reichstages eine Wendung leise bemerkbar gemacht. Alle seine Vorstellungen für den hessischen Schwiegervater waren vom Kaiser schroff abgewiesen; und auch die Bekanntschaft, die er mit dem spanischen Prinzen Philipp gemacht, hatte ihn wenig gefördert. Vorsichtig, wie er immer zu Werke ging, hatte er mit dem Kurfürsten Joachim von Brandenburg sich im Mai 1550 über die zunächst einzunehmende Haltung besprochen; waren sie doch beide in der Hessischen Frage gleichmäßig compromittirt; und so ertheilten sie auch dem kaiserlichen Agenten ihrerseits den Bescheid, den Reichstag nicht besuchen zu können, ehe sie nicht über die Freilassung Philipps von Hessen versichert seien. Und was diese Antwort bedeutete, konnte die freundliche Zusammenkunft darthun, die schon im Juni 1550 Moritz

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