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Widerspruche gegen sein Interim ruhig zuzusehen. Durch Unterhandlung und durch Drohung brachte er von den oberländischen Städten alle mächtigeren bald zu der Annahme des Interims. Schon im Juli konnte er triumphirend dem Sohne melden, wie er täglich mehr · Ausficht gewinne, durch Gottes Hand unterstüßt, dieses Interim durchzusetzen 20) Und er selbst war sich der Mittel sehr klar bewußt, die ihm dies Resultat ergeben mußten: in den mächtigeren Städten sollte eine Verfassungsänderung durch kaiserliches Machtgebot eingeführt werden; alle widerspenstigen oder glaubenstreuen Prediger der protestantischen Kirche sollten abgeseßt, verjagt und verfolgt werden: und allen diesen Maßregeln sollte Nachdruck und Bestand durch spanische Besagungen verschafft werden; es war überhaupt beschlossen, das obere Deutschland mit spanischen Soldaten so zu überschwemmen, daß alle wichtigen Plätze in der Hand des Kaisers sicher seien21).

Es ist nicht unsere Absicht, hier die Geschichte des kaiserlichen Interims im Einzelnen zu verfolgen oder alle Gewaltakte aufzuzählen, durch die der Kaiser seinem Willen Anerkennung verschafft hat. && steht uns fest, daß sein Machtgebot im ganzen Deutschland damals durchgegriffen und daß an allen Stellen man die Schwere des kaiserlichen Armes gefühlt hat. Aber dies Bild hat auch seine Kehrseite. Es gab wohl kein Territorium im deutschen Reiche, in welchem nicht Unlust und Unwille, Abneigung und Haß gegen diese kaiserliche Regierung von Tag zu Tag gewachsen wäre. In der Tiefe der Nation gährte das Gefühl gegen diese Tyrannei des spanischen Herrschers; und die Bewegung, die man an Einer Stelle gering achten konnte, sie griff bald über alle Theile des Reiches um sich und wurde zu einem bedenklichen Sturme. Das Resultat dieser zwangsweisen Einführung des Interims, dieser siegreichen Politik des Kaisers ist zuletzt nur das Eine und allgemeine Gefühl gewesen, daß keine Partei durch den Kaiser zu= frieden gestellt war. Wir berührten es schon, daß die Conzessionen des Interims bei allen strengeren Katholiken nicht Eingang fanden, wir finden Spuren davon, daß man von auswärts diese katholische Oppo= sition gegen das Interim zu nähren suchte 22). Und auch bei den Pro

20) Anhang IV. 22. 23.

21) Anhang IV. 24.

22) Bapst Paul hatte den Braunschweiger Herzog dazu ermuntert und den Nuncius Santa Croce zu geheimen Verhandlungen mit Bayern instruirt. Raynald 1549. §. 4 und Pallavicino X. 16. §. 3.

testanten war die Einführung nichts weiter als eine Annahme der äußerlichen Formel, während der Sinn überall sich gegen den Zwang empörte.

Nachdem der Kaiser im Süden von Deutschland die Ausführung seiner Maßregeln selbst überwacht hatte, ging er nach den Niederlanden und überließ Norddeutschland sich selbst. Hier aber in den norddeutschen Städten fand das Interim gar keinen Anklang; ja, eine Reihe derselben lehnte es geradezu ab: in wenigen Monaten entbrannte dort ein Feuer des Aufstandes, das nicht leicht zu löschen war. Magdeburg „die Kanzlei Gottes" wurde der Hort des Protestantismus, wurde der Mittelpunkt aller norddeutschen Oppositionen.

Allerdings was sich hier in der Stille vorbereitete, trat sobald noch nicht in die Erscheinung. Die Fehden der Kaiserlichen gegen diese ,,Rebellen" blieben einstweilen auf jene nördlichen Bezirke beschränkt; aber dem Auge eines schärfer beobachtenden Staatsmannes konnte es schon damals nicht entgehen, daß hier eine jede europäische Combination einen Punkt finden werde, an den sie eine gefährlichere Verschwörung gegen den Kaiser anknüpfen konnte 23). Im Rathe des Kaisers beachtete man damals diese lokale Opposition wenig, man lebte der Hoffnung, sie leicht ersticken zu können; man trug sich mit größeren, weiteren Plänen, man hielt dafür, daß der Moment gekommen, in welchem man für die Dauer der Habsburgischen Monarchie arbeiten könne.

Es bezeichnet diesen Kaiser, daß er die Mühen seines Lebens fruchtbar machen wollte über seinen Tod hinaus. Er selbst hatte doch die Ideen seiner Universalmonarchie von den Vätern geerbt. Des Habsburgischen Großvaters Ideen zu verwirklichen, hatte er doch alle Kräfte seiner Reiche und seines Lebens verwendet; und so war auch für die dauernde Größe seines Hauses zu arbeiten seinem Sinne eine Forderung, die nicht erst das Gefühl seiner Hinfälligkeit und seines nahenden Alters in ihm erregte, nein, mit der er seit lange schon vertraut war. Die Erziehung des einzigen ihm am Leben erhaltenen Sohnes, des Prinzen Philipp, ist von früh an in diesem Sinne geleitet worden, daß hier der Nachfolger und Erbe des Kaisers gebildet werde, der die Ideen des Vaters fortzusehen habe. Schon früh wurde dieser Prinz in die Staatsgeschäfte eingeführt, schon dem Sechszehnjährigen wurde die Verwaltung des spanischen Reiches anvertraut; schon mit dem heranwachsenden Jüngling unterhielt der Vater eine lebhafte,

23) Marillac bei Ranke VI. 488.

offen alle europäischen Fragen darlegende Correspondenz. Und diese Schule, die der spanische Prinz durchgemacht, hat bei ihm angeschlagen. Wie Philipp die politische Bühne betritt, ist er von denselben weit greifenden Tendenzen des Vaters beseelt gewesen.

Die europäische Macht dieser Habsburger beruhte auf den Kräften der spanischen Krone. Die realen Machtmittel hatte Spanien dem Kaiser geliefert, und nach den Ideen spanischer Geister hatte sich seine Politik entwickelt. Zu der spanischen Macht hatte er sich die entscheidenden Positionen in Italien errungen; - und daß dies Italien, mit Spanien vereint, die Grundlage seiner europäischen Bedeutung abgebe, dieser Gesichtspunkt hatte mehr und mehr auch den Rath des Kaisers beherrscht. Es war da kein Zweifel, daß Philipp als der spanische Erbe auch die italienischen Besitzungen überkommen müsse. Wie sich nun die Macht Karl's in den letzten Jahren kräftiger und allseitiger entwickelt hatte, trat bald der Plan hinzu, dem Sohne auch die Niederlande zu übergeben, dieselben Niederlande, deren künftige Bestimmung so lange als eine offene Frage behandelt war. Und in diesem Zusammenhange mußte sehr bald die weitere Frage entstehen, wie es mit der Zukunft Deutschlands gehalten werden solle. Der Titel eines deutschen Kaisers, der so wenig faktische Macht bedeutete, gab ja gerade den Anspruch auf die Leitung der europäischen Christenheit. Da mußte es nahe liegen, dem Sohne mit der faktischen Macht über Europa auch diesen Titel vererben zu wollen. Und noch ein Anderes. So lange Karl in Deutschland sich nur eines geringen Einflußes bemächtigt hatte, so lange ihn andere Bedürfnisse von Deutschland wegriefen, war es ein Gewinn und ein Vortheil für ihn, in Deutschland einen Vertreter zu haben, der seiner Politik treu und seinen Gebeten zuverlässig crgeben im Namen des Bruders Deutschland verwalte. Aber jetzt hatte auch dies Verhältniß sich geändert: wenn jetzt der Kaiser zum ersten Male eine wirkliche Macht in Deutschland entfaltet, wenn er jetzt die widerstrebenden Elemente mit nachhaltigem Gebote gebändigt, wenn er die kaiserliche Macht auf nicht erwartete Höhe gebracht hatte, so wäre es wahrlich ein Großes gewesen, diese kaiserliche Stellung in neuer geschlossener Machtfülle nicht auf denjenigen zu übertragen, der im ganzen Europa Karl's Rolle fortsetzen sollte. Wenn auch bisher König Ferdinand als der Nachfolger in der deutschen Kaiserwürde angesehen war, so läßt es sich doch leicht begreifen, daß jezt der Kaiser einen anderen Gedanken aufgegriffen hat. Ich glaube, so sehr lag das „spanische Successionsprojekt" innerhalb des natürlichen Ideenganges dieser kai

serlichen Politik, daß es uns Wunder nehmen müßte, wenn Karl niemals einen Versuch gemacht hätte, seinem Sohne, der seine politische Stellung in Europa erben sollte, auch die Vortheile der deutschen Kaiserwürde zu verschaffen.

Wir sahen, daß schon 1548 im Familienrathe der habsburgischen Geschwister alle diese Fragen einmal angeregt wurden. Man hatte sie damals nur vertagt, bis der Prinz selbst zur Stelle sei. Die Reise, die Prinz Philipp im Winter 1548 antrat, hatte in der That keinen anderen Zweck, als ihn den verschiedenen Ländern bekannt zu macheir und in die verschiedenen Aufgaben der kaiserlichen Regierung ihn einzuführen 24). Der Besit Italiens war ihm schon früher verliehen. Und als er nun durch Italien reiste, warf man die Frage auf, ob er sich nicht dort dem Volke sofort als künftigen Herrscher zeigen sollte. Aber der Kaiser hielt es für gerathener, diese Verleihung von Oberitalien an seinen Sohn noch nicht zur Schau zu stellen 25). Wenn in diesem Akte der Belehnung Philipps mit Mailand der Anfang einer Entfremdung von Reichsland gemacht war, so konnte diese egoistische Politik manchen Unmuth und Unwillen aufregen. Der Kaiser ordnete also an, daß Philipp nicht, wie Gonzaga es gewünscht, als Herr von Oberitalien erscheine und daß alle weitergreifenden Gedanken eines oberitalienischen Königreiches, dem man auch Piemont annectiren könnte, noch verborgen gehalten würden. Von Italien reiste der Prinz durchy Deutschland, von dem neuen Kurfürsten Moriß begrüßt und begleitet. Es

24) Man wußte damals allgemein in Europa diesen Zweck der Reise Philipps. (z. B. in Rom und in Venedig. Ribier II. 102. 142.).

25) Karl an Gonzaga (Oktober 1548) und noch detaillirter Granvella an Alba (vom 19. Oktober). Dize su md. que en ninguna manera convernia por agora pasando su altezza por Italia y Lombardia que se hiziesse cosa que divulgasse esta investidura; y ya de muchos dias lo havia su md. asi resoluto, y tanto mas se ha affirmado en esto por lo que el papa y franceses. han publicado en Alemania, Italia y cantones de Suyços que la venida del dicho principe era para hazerle rey de la dicha Italia y aun rey de Romonos; y si entrasse el dicho principe desde agora en possession del estado de Milan daria mas ocasion generalmente a todos de creer tal publicacion y para mover y tractar platicas desde luego para estorvar y impedir los santosdesseos de su md. y cosas particulares suyas y de su altezza; y con passarassi como de camino sin hazer mudança en lo de agora se tendrian tales divulgaciones por vanas, y despues llegando aca su altezza se mirara maduramente lo que mas converna. (Leg. 1199. fol. 126). Ueber die piemontesischen: Annexionsgelüfte, vgl. Gosellini 62 ff.

wurde Alles darauf angelegt, daß der Prinz in Deutschland sich Sympathien erwerbe26). Aber dieser Spanier bot auch nicht eine einzige Seite, an der ein Deutscher hätte Gefallen finden können: weder die persönliche Erscheinung noch das Verhalten des Prinzen trugen etwas dazu bei, jene Absichten zu fördern. In den Niederlanden endlich empfing Karl selbst seinen Sohn und suchte auch hier ihn auf alle Weise beliebt zu machen. Aber obgleich es gelang, von den Ständen durch den Druck der Kaisergewalt den Huldigungseid für den Prinzen zu erzwingen, so erwarb er auch hier sich in keiner Weise die Liebe und Zuneigung der Unterthanen: allenthalben blieb der Spanier diesen Nordländern ein Fremder27).

Auch die deutsche Frage trat, sich weiter entwickelnd, in ein neues Stadium ein. Wenn es in Europa ein offenbares Geheimniß war, was der Kaiser beabsichtigte, so trafen die Gerüchte des Bevorstehenden bald auch Ferdinands Chr. Da er in Augsburg mit dem Bruder sich geeinigt, einstweilen diese Frage ruhen zu lassen, und dafür versprochen, daß auch sein Sohn, der Erzherzog Maximilian keine Schritte zu seinen eigenen Gunsten versuchen werde, so fand er sich durch das, was er hörte, empfindlich verlegt. Man trug ihm zu, daß er die Kaiserwürde an Philipp cedirt habe, daß demnächst die Wahl Philipps geschehen solle, daß der Brandenburger Kurfürst schon Geld aufgenommen habe auf die Summe, die er als Preis für seine Stimme erwarte28). Ferdinand glaubte bei der vertrauten Schwester, der Regentin Maria, sich darüber Auskunft zu verschaffen, und Maria war in der Lage, ihn gewissermaßen zu beruhigen 29): es handele sich überhaupt nicht um seine Beseitigung, sondern um die Wahl seines Nachfolgers, aber einstweilen, bat sie, solle er Alles ruhen lassen, bis der Kaiser zu einem definitiven Entschlusse gekommen und ihm darüber Eröffnungen gemacht habe. In der That man schob es noch einmal hinaus, aber es mehrten sich die Anzeichen, daß Karl durchdringen wolle und werde. Unter den deutschen Fürsten drängten nicht undeutlich Einzelne darauf hin, daß Brandenburg und Sachsen dem Kaiser zu Willen sein sollten, da= durch die Befreiung des Landgrafen Philipp zu erkaufen. Und Morit war so geschickt, dem Kaiser seine Stimme in gewisser Weise verfügbar

26) Philipp verwendete sich damals zu Gunsten des Herzoges von Würtemberg, des Pfalzgrafen Ottheinrich, des Landgrafen von Hessen. (Simancas.)

27) Ribier II. 216-219.

28) Ferdinand an Marie. 29. März 1549. Bucholt IX, 727.

29) Marie an Ferdinand. Bucholtz IX. 728. Ferdinands Antwort. ebd. 729. Maurenbrecher, Karl V.

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