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der einzelnen Lande zu der römischen Curie nach festen Prinzipien neu ordnen.

Den Sinn erfüllt mit so weitaussehenden Plänen trat Karl die Reise nach Deutschland an: auf dem Augsburger Reichstage sollte er es jetzt erproben, was seine Politik und seine Kraft zur Beilegung des Religionshaders in Deutschland vermöge.

Die Stellung, die er, der Kaiser, selbst zu der Bewegung in Deutschland eingenommen, ist innerlich fest, auch in dem Wandel der politischen Verhältnisse unwandelbar fest geblieben. An keiner Stelle hat es sich für Karl darum gehandelt, über die Bedeutung oder die Berechtigung einer neuen Lehre nachzusinnen; Karl'ist nicht in der Lage gewesen, jemals Gründe und Gegengründe abwägend eine Entscheidung zu treffen zwischen dem Alten und dem Neuen; es ist auch eigentlich niemals Karl's Meinung gewesen, im Streite der neuen und der alten Religionspartei einen Schiedsspruch zu thun; nein, die Seele dieses Fürsten ist ganz erfüllt von dem religiösen Glauben seiner Ahnen, er hat in Spanien des spanischen Volkes katholischen Geist und Glauben mit vollen Zügen in sich aufgenommen. Weder die Autorität der Kirche noch das von ihr gelehrte Dogma sind für ihn durch die Erörterungen der deutschen Reformatoren erschüttert worden; und wenn er in Deutschland jetzt über religiöse Dinge verhandeln und die Theologen beider Theile immer und immer wieder über die controversen Fragen debattiren läßt, ja, wenn er dabei auch einmal Ton und Miene eines Richters über den Parteien anzunehmen für gut befindet: so ist das alles im Grunde seiner Seele nicht so gemeint gewesen, so zielt er damit ganz allein auf die Protestanten, seine Gegner: wie er selbst mit Herz und Seele für den Einen Theil schon Partei ergriffen, so bedeutet auch Vermittelung und Versöhnung der Gegensäße in seinem Munde nur Unterwerfung der Neuerer unter das Gebot der alten Kirche und Zurückführung der Kezer in den Schooß der Alleinseligmachenden.

Den Kaiser begleitete als päpstlicher Legat nach Deutschland der Cardinal Campeggio, der Kaiserlichste von allen dem Kaiser ergebenen Cardinälen 4), derselbe, der 1524 allen seinen Einfluß geltend gemacht, den Papst von dem Bruch mit dem Kaiser abzuhalten, und in dessen

4) Il s'est toujours monstré plus grant impérial que tous les autres aux conclaves et affaires qui sont escheuz sagt eine Cardinalsliste bei Capefigue Francois I. p. 248.

Gutachten wir ohne Zweifel die Intentionen der kaiserlichen Politik selbst ausgedrückt finden 5). Schon auf der Reise hatte er dem Kaiser nachdrückliche, wohlmotivirte Vorstellungen gemacht, auf welche Weise die beabsichtigte,,Reduktion der Keßer" am einfachsten und sichersten geschehen könne: das Ziel fest im Auge, daß die Einheit der Kirche jetzt hergestellt werden müsse, solle Karl anfangs die weicheren Gemüther durch Güte zu gewinnen suchen, aus den hartnäckig widerstrebenden aber Einzelne mit Härte strafen und so sich den Weg durch eine geschickte persönliche BeHandlung der Frage zu den allgemeineren Anordnungen eröffnen. Erst wenn durch solche Verhandlungen auf dem Reichstage der Boden wohl vorbereitet sei, erst dann wünschte Campeggio auch weitere Maßregeln: eine unnachsichtige Beobachtung des Wormser Ediktes, eine strenge Aufsicht über alle Prediger, über die Geistlichkeit und die Mönchsorden, eine scharfe Censur des Bücherdruckes, eine allgemeine Einführung der Inquisition im Reiche. Zuletzt, meinte er, werde es doch wohl dahin kommen, daß man mit Waffengewalt,,,mit Eisen und mit Feuer", die Ketzer überziehen müsse; aber seine ganze Erörterung ging dahin, zunächst in diesem Augenblicke dem Kaiser jene zweiseitige Weise der Politik für den Reichstag zu empfehlen, und gleichzeitig ihn zu dem Entschlusse zu treiben, daß er mit den katholischen Ständen die weiteren. endgültigen Schritte unter der Hand schon vorbereiten lasse.

Und in der That, die Ideen der kaiserlichen Politik ebensowohl als die Erwartungen des päpstlichen Hofes waren auf einen guten Erfolg solcher Rathschläge gerichtet, Rathschläge, die von dem Standpunkt dieser kaiserlich-päpstlichen Anschauung aus ganz sachgemäß erscheinen mußten. Wenn der Wille des Kaisers den Ständen erst fest und besrimmt erklärt sei, dann würden von den Protestanten die Einen — so wagte man zu hoffen - durch gelindes Zureden, durch Freundlichkeiten und Belohnungen, durch alle die Einflüsse eines geschickt, freigebig, überlegt auftretenden Fürsten sich gewinnen lassen, und wer etwa dem Worte seines Kaisers noch widerstrebe, den dachte man leicht strafen und vernichten zu können 6).

5) Siehe dieselben im Anhang 1. 1. 2. Ranke hat aus römischer Copie dieses Stück schon gekannt.

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6) Zu allemfrüher Bekannten über den Augsburger Reichstag ist in den Berichten Campeggios jezt noch vortreffliches Material hinzugekommen (Lämmers p. 63) Vgl. damit die von Heine edirten Briefe des kaiserlichen Beichtvaters ; man thut übrigens gut, auch die Ausgabe derselben in der Coleccion de documentos ineditos noch zu Heine hinzuzunehmen. (Bd. XIV.)

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Diese Berechnung des Kaisers und seiner Räthe, diese schlaue und feine Politik, die einstens den spanischen Aufstand rasch nieder geworfen und die Spanier alle dem Hofe und dem Dienste Karls fügsam ge= macht hatte, sie ist auf dem Reichstag von Augsburg an der festen Ueberzeugung der „Kezer“ zu Schanden geworden: ein religiöses Gefühl bei den Neuerern hatte der politische Rechenmeister nicht mit in Rechnung gestellt, auf Glaubensmuth und Glaubenseifer bei dem protestantischen Gegner hatte der katholische Herrscher nicht zu stoßen gedacht: an der festen religiösen Ueberzeugung jener protestirenden Fürsten, die mit entschlossenem Sinn ihre Glaubenslehre - die Augsburgische Confession - dem Kaiser überreichten, ist dieser erste Versuch der kaiserlichen Politik gescheitert.

Von allen Seiten kam man zu der schon vorher besprochenen Idee ein allgemeines Conzil zu berufen; und so ließ Karl den officiellen Antrag auf eine solche Berufung jetzt in Rom stellen. Allein während diese Frage den Papste und den Kardinälen ernstliches Nachdenken und wiederholte Berathungen erregte, eröffneten der Kaiser und der Legat in Augsburg rührig und eifrig mit den Gegnern Verhandlungen, sie Schritt für Schritt von ihrem Bekenntniß abzubringen. Karl drang persönlich in den Landgrafen von Hessen; dem Kurfürsten von Sachsen drohte des Kaisers Ungnade und des Stammesvetters Feindschaft. Der Legat aber ließ sich sogar zu Besprechung und Briefwechsel mit dem theologischen Führer der Protestanten, dem friedfertigen und gebildeten Melanchthon herbei): und als der katholischen Theologen Widerlegung des protestantischen Bekenntnisses vorgetragen und von den Reformirten nicht gebilligt war, da trat man sogar zu Debatten und Berathungen über die controversen Fragen der Lehre zusammen: man schien dabei sich einen Moment in den dogmatischen Fragen sehr nahe zu kommen, von römischer Seite machte man Miene, im Einzelnen, vielleicht in der kirchlichen Praxis das Eine oder das Andere, zuzugestehen, zuletzt aber verschlugen sich alle diese Aussichten, und die kirchliche Spaltung - das ist das Resultat aller Verhandlungen blieb auf dem gütlichen Weg einer theologischen Besprechung nicht mehr zu heilen. Freilich dem Conzil konnte der Papst unmöglich offen widersprechen: wenn er auch jeden andern Ausweg vorgezogen hätte,

7) Im Corpus Ref. II. 169, 172, 174, 247. Vgl. Campeggios Depesche bei Lämmers p. 43, 52, 55 (auch ib. p. 231) und Pallavicinos Mittheilungen 111. 4. § 3).

so mußte er doch sich mit widerstrebendem Sinne zu diesem Schritte entschließen 8). Des Papstes bedingte Zustimmung eröffnete Karl seinen Ständen und forderte die Neuerer auf, einstweilen sich dem Gebote der Kirche zu fügen und des Kaisers, des Papstes, der ganzen Christenheit Urtheil zu erwarten. Aber es gelang ihm nicht, die Protestanten zu vorläufiger Unterwerfung zu bewegen: auf dem Boden ihrer dargelegten Lehre verharrend wiesen sie alles Weitere ab. Und das schien nun allen den Räthen Recht zu geben, die bei Karl auf energischere und strengere Haltung schon lange gedrängt hatten. Sofort bemühte sich Campeggio dem katholischen Kaiser es eindringlich vorzustellen, wie hier allein die Gewalt, eine strenge und entschiedene Durchführung des Reichsgesetzes von 1521, eine mächtige That gegen die Rebellen an Kaiser und Gott das einzige Mittel sei, das zum Ziele treffe. Er schien den Kaiser davon überzeugt zu haben, es fand eine Berathung mit den eifrigeren katholischen Ständen Statt, wie man mit Gewalt die Einheit der Kirche durchsetzen und aufrechthalten könne 9): es ward auch im kaiserlichen Staatsrath die Frage vielfach und gründlich erörtert 10) und zulegt entschied man sich doch dahin, daß in diesem Augenblick ein Gewaltschritt, wie etwa die Festsetzung der protestantischen Häupter 11) zu gewagt und zu gefährlich sei, daß auch für den Winter von den unvorbereiteten nicht ausreichend gerüsteten Fürsten noch Nichts unternommen werden könne, daß aber im Frühjahr des nächsten Jahres, wenn bis dahin Drohung mit Güte vereint noch Nichts gefruchtet, der Krieg des Kaisers und des katholischen Theiles gegen die rebellischen und ungläubigen Fürsten und Städte beginnen solle.

So endete der Augsburger Tag mit dem Bruche des deutschen Reiches in zwei feindliche Lager: während die Protestanten, die bei dieser scharfen Wendung des Reichtages eilig Augsburg verließen, zum Schuß gegen das drohende Unwetter des kaiserlichen Zornes, zur Vertheidigung ihres Glaubens und ihrer Religion den Bund zu Schmalkalden schlossen und fest auf ihrer Verneinung des kaiserlichen Willens beharrten, nahm Karl ebenfalls Maßregeln vor, seine Stellung zu festigen: es gelang ihm, die Wahl des Erzherzoges Ferdinand zum römischen Könige, auch trotz des sächsischen Protestes, zu Stande zu bringen, und eine Vereinigung aller Katholiken

8) Interessant sind Lo ay sa's Mittheilungen vom 31. Juli bei Heine p. 359. 9) Dep. vom 23. September, bei Lämmers p. 57.

10),,Articuli aliqui notati quomodo et qualiter Caesar rebelles in fide punire possit im Anhang. I. 3.

11) Vgl. darüber Karl an Ferdinand vom 13. Juni 1531 bei Lanz I. 481.

in Deutschland diese Wahl zu schirmen und die Rechte der allein im Reiche anerkannten Kirche zu schützen ward emsig vorbereitet 12). Nach Rom aber legte es Karl ausführlicher dar 13), wie jezt allein das oft geforderte allgemeine Conzil der abendländischen Kirche eine Heilung der deutschen Schäden bringen könne, das Conzil, das nicht nur den Lutheranern wirksam begegnen sollte, sondern das auch die katholischen Deutschen laut und dringlich gefordert hatten. Während Karl die Gewalt gegen die Protestanten dabei doch durchaus nicht ausgeschlossen wissen, im Gegentheil zu dem Protestantenkrieg sich nur besser vorbereiten wollte, während er schon aus Italien vom Papste Truppen herbeizuziehen gedachte 14): entschloß man in Rom sich nach einigem Zögern auf die Conzilfrage einzugehen, freilich nach Farnese's Rathschlag nur in solcher Weise 15), daß vorher die Zustimmung aller europäischen Mächte eingeholt und die Bedingungen des Zusammentritts durch die europäische Diplomatie vorher erst geordnet werden sollten: damit war die Möglichkeit angedeutet, wie man der ungern und widerwillig gegebenen Zusage wieder zu entschlüpfen meinte; die Hoffnung blieb rege, daß in so schwierigen Verhältnissen der Kaiser, wenn ihn nur der Papst in außerordentlichem Maße unterstützen wollte, doch zuletzt lieber zur Gewaltthat gegen die Protestanten greifen werde 16).

Wenn so am Ende des Jahres 1530 die große Frage, ob ein Conzil oder ein Krieg oder Beides zugleich die deutsche Reformation bändigen solle, noch in der Schwebe gehalten wurde, so konnte die Entscheidung in dieser Alternative für die kaiserliche Politik nur aus der gesammten Lage, aus der großen Anschauung aller politischen Verhältnisse von Europa erfolgen. Was hatte aber dem Kaiser die Möglichkeit verschafft, sich der Kirchenfrage Deutschlands überhaupt anzunehmen, was hatte die Grundlage, die Vorbedingung abgegeben für seine Politik von 1529 und 1530? Nichts Anderes als der Friede mit Frankreich. Und in der That, Waffenruhe und Freundschaft mit dem französischen Rivalen ist für Karl V. stets die unerläßliche Voraussehung einer Thätigkeit in den deutschen Dingen gewesen.

Schon in den Verhandlungen über den Frieden ven Cambray war die Idee ausgesprochen worden, daß die beiden Rivalen um die

12) Gutachten in Lanz, Staatspapiere 57.

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13) Cueva's Sendung im Oktober 1530 bei Heine p. 525 533.

14) Campeggio am 11. November bei Lämmers p. 63.

15) Loaysa vom 30. November bei Heine 390 ff.

16) Darauf zielt Campeggio's Rathschlag. (Lämmers p. 64-66.)

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