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Einzelnen wußte man allerdings zu erheben: da meinte man etwa einen Eid von den Reuigen zu fordern, daß sie nach dem Rücktritte zur Kirche nicht aufs Neue in Keßerei verfallen wollten; da wies man wohl darauf hin, wie wünschenswerth eine öffentliche Zurücknahme ihrer Lehrbehauptungen durch die theologischen Häupter der protestantischen Sekten sein würde; da betonte man es wohl auch mit allem Nachdruck, wie gefährlich für den Bestand der ganzen Kirche das Beispiel verheiratheter Priester werden könne; aber nichts destoweniger war man im Allgemeinen damit einverstanden, daß in diesem Falle die Kirche eine ganz außergewöhnliche Milde beweisen solle: man rieth im Allgemeinen dem Papste zur Annahme der von dem Bischof von Fano eingegangenen Verpflichtung 16).

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Am 31. August hat wirklich der Papst und das Kollegium der Kardinäle solche Vollmachten auf die Bischöfe von Fano, von Verona, von Ferentino ausgestellt 16a) und damit dem kaiserlichen Willen einen Schritt entgegengethan. Und da jezt alle Aussicht auf eine enge Allianz mit König Heinrich von Frankreich in der augenblicklichen Constellation europäischer Verhältnisse geschwunden war, so schien es, als ob Papst Paul III. sich dem kaiserlichen System aufs Neue ange= schlossen habe 17).

Der Eindruck dieser neuen Nachgiebigkeit an den Kaiser war ein allgemein überraschender: die französischen Stimmen in Rom wußten zuerst nicht, sich zu diesem neuen Ereigniß zu stellen. Jener Antrag auf eine Prälatenversammlung in Rom, der man die Kirchenreformation überlassen wollte, verwirrte und bestürzte die Gemüther. Unerwartet wie diese Nachgiebigkeit des Kaisers an die schon öfter geäußerten Absichten des Papstes und der Legaten gekommen war, konnte sie ebenso wohl seinen durchgreifenden Ernst anzeigen, mit dem er sich der religiösen Frage annehmen wollte, als auch eine Maßregel sein, durch die er sich des Papstes zu vergewissern und in neuer Verbindung ihn zu benuten gedachte 18).

Wenn nur der Papst selbst offen sich angeschlossen und offen und aufrichtig bei dieser Annäherung an den Kaiser gehandelt hätte!

16) Raynaldus §. 67-71.

16 a) Le Plat. IV. 121 ff.

17) Der Kardinal von Coria schreibt, ihm habe der Papst geäußert: que tiene acortada la platica con francia y que esta como tabla limpia para que se pueda pintar de nuevo en ella (vom 25. September 1548).

18) du Bellay 14. September 1548. Ribier II. 159 ff.

Als er die Bulle vom 31. August vorbereitete, äußerte er einem seiner Vertrauten, er habe den Sinn des Kaisers wohl durchschaut: er sehe es wohl, wie Karl ihn betrügen wolle: mit jenen Zugeständnissen des Laienkelches und der Priesterehe werde Karl in Deutschland Alles ordnen können, und so werde er, der Papst, nachher um Piacenza bei dem allmächtigen Kaiser betteln müssen; aber, so sette er hinzu, er werde die Vollmachten schon so einzurichten wissen, daß bei dem Gebrauche derselben sich Gelegenheit ergebe, auch ihm zu diesem seinem persönlichen Wunsche zu verhelfen. 19).

In der That, wenn man damals meinte, man sei zu der Erledigung dieser Frage gelangt, so täuschte man sich gewaltig. Auch nachdem der Papst hier auf den Willen des Kaisers eingegangen, war er noch weit entfernt davon, den getroffenen Verabredungen aufrichtig praktische Folgen zu geben. In Rom bestanden an manchen Stellen noch immer die Bedenken gegen die Katholizität der Bewilligungen, es bestand noch immer die politische Abneigung gegen des Kaisers Machtstellung, es bestanden noch immer die französischen Einflüsterungen, die den Papst vom Kaiser fern zu halten suchten, es bestand noch immer die so verwickelte und so schwierige Streitfrage über Piacenza, über die allgemeine Lage Italiens: alle diese Punkte, die den Papst so lange vom Kaiser zurückgehalten, sie alle bestanden fort, ein förderliches Einvernehmen von Papst und Kaiser stets hemmend und aufhaltend.

Schon bei der Anweisung an jene Bischöfe über den Gebrauch ihrer Vollmachten hielt es der Papst für nothwendig, sie zu besonderer Behutsamkeit zu ermahnen, auf daß nicht seine Nachgiebigkeit zu Skandal und Zerstörung, anstatt zu Erbauung und Erneuerung der Kirche führe. Er deutete dabei seinen Wunsch an, daß sie so wenig wie möglich, und vor Allem so vorsichtig wie möglich von der Erlaubniß zur Priesterehe Gebrauch machen sollten 20). Wie nun diese Nuntien nach Deutschland famen, bemerkten sie sofort, daß in dem deutschen Volke wenig Theilnahme für ihre Aufgabe vorhanden sei: es erschien bei ihnen auch nicht ein einziger Mensch, der von ihnen eine Anwendung ihrer Vollmachten für sich, der einen päpstlichen Dispens zu seinem kirchlichen Verhalten

19) So erzählt Mendoza 27. August. Döllinger 155 und 156 (Auf S. 155 Zeile 14 v. u. ist ein Wort ausgefallen; es muß heißen: le dijo que V. M. andava por engañalle).

20) Diese Instruction gibt Laemmers 394 und 396. Aber auch hier mit der falschen Jahreszahl 1542.

nachgesucht hätte 21). Am kaiserlichen Hofe war die Hoffnung noch stets lebendig, daß man mit diesen Nuntien und mit dem Agenten der Farneses, welcher die Nuntien begleitete, alle Fragen zu beiderseitiger Zufriedenheit erledigen werde. Aber als man zu den Verhandlungen über die Ausführung der Concessionen im Einzelnen kam, stieß man auf bedeutende Schwierigkeiten. Zuerst wollten die Nuntien von der Uebertragung ihrer Befugnisse an deutsche Prälaten nichts wissen, und als Karl hierin sie zum Nachgeben gezwungen, bestanden sie auf der sofortigen Eröffnung der Reformberathungen in Rom. Aber Karl wollte, daß die Dispensation der deutschen Kirche den Reformconferen= zen in Rom vorangehen solle. Und eine recht scharfe Erörterung hatte der Kaiser noch mit dem Bischof von Fano zu bestehen, der jezt auch alle lutherischen Prediger abgeschafft wissen wollte; der Kaiser aber, dem die nachdrückliche Betonung seiner zum Besten der christlichen Religion geführten Kriege wiederholten Aerger erregt hatte, glaubte nicht eher Beseitigung alles kezerischen Treibens in Deutschland zusagen zu können, ehe nicht jene Concessionen des Interims ihre Heilkraft erprobt hätten 22).

Wir können uns überhaupt nicht des Eindruckes erwehren, als ob diese Bischöfe die ihnen vertraulich geäußerten Intentionen ihres Herrn recht geschickt auszuführen wußten: es wurden alle Schritte so einge= richtet, daß sich stets ein neuer Anstoß ergab; und an keiner Stelle zeigten die Deputirten Roms Ernst in der Ausführung der übernommenen Aufträge 23). Als sich endlich im Sommer der Jahres 1549 die Beziehungen zu dem Papste wieder trübten, als die italienische Frage wieder hart an den offenen Bruch von Kaiser und Papst hinführte, da bewies der Bischof von Fano dem Kaiser, wie sehr man es in der Gewalt habe, des Kaisers Politik in der kirchlichen Frage zu beherrschen. Er kam damals mit einer sehr katholischen, aber dem Kaiser sehr widerwärtigen Interpretation jener Concessionen heraus: er wollte die verHeiratheten Priester absolviren, aber nur dann, wenn sie ihre Frauen wegjagen wollten, und er wollte den Laien gerne den Kelch im Abendmahle reichen lassen, aber nur dann, wenn sie ein Bekenntniß ablegten, daß das Abendmahl auch unter Einer Gestalt ausreichend sei 24). Aller

§. 16.

21) Aus den Depeschen des Bischofes von Ferentino bei Pallavicino XI. 2,

22) Karl an Mendoza_26. Januar 1549. (Leg. 503. fol. 2.)

23) Vgl. die Mittheilungen Pallavicino's an der citirten Stelle. 24) Marillac 20. Juni 1549. Ribier II. 217.

Maurenbrecher, Karl V.

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Gewinn, den der Kaiser erzielt zu haben glaubte, wurde dadurch illusorisch: das Interim hatte also thatsächlich keine Unterstützung von Seiten des Papstthums gefunden.

So hatte der eine Punkt aus jenem Vergleiche von Augsburg sich wieder in Nichts aufgelöst: die Annäherung hatte wieder zur Entfremdung geführt; und auch in der anderen Vereinbarung über die Reformconferenzen in Rom kam man nicht zu einem praktischen Schlusse, auch hier war neuer Zwist und neue Feindschaft das Ende.

Sobald man praktisch die Bedeutung dieser Concession des Kaisers ins Auge faßte, zeigte sich die doppelte Seite, die sie bieten konnte: wäre auch der Papst von dem kirchlichen Eifer beseelt gewesen, den er vorgab, und der an dieser Stelle die Spanier beeinflußt hatte, so hätte man förderliche Früchte solcher Reformcommissionen erwarten können; aber die Berufung tridentinischer Theologen nach Rom in die Stadt des Papstes konnte jezt nur die Einleitung bedeuten zu der allmäligen Auflösung jenes Conziles; — und dies gerade war es, was diese Prälaten selbst und die kaiserliche Politik in Bedenken und Zögern verwickelte 25). Man sprach es geradezu aus, daß man gerne einzelne Geistliche nach Rom gesendet hätte, aber unter solchen Formen und solchen Verwahrungen, daß sie durchaus nicht als Vertreter ihrer Tridentiner Genossen ange= sehen werden könnten. Der Papst aber, als er endlich im Sommer 1549 mit diesen Dingen Ernst machte, berief vier Bischöfe aus Trident in zweideutigen, doppelsinnigen Formen: und da lag es nahe, daß sofort das alte Mißtrauen erwachte und zuzunehmen berechtigt schien.

König Heinrich sprach dann, als er merkte wie diese neue Spannung zwischen Kaiser und Papst Platz griff, die Bereitwilligkeit aus, französische Geistliche zu dem heiligen Werke der Reformation zu entsenden 26); und darauf gestüßt wagte der Papst, durch diese Berufung der kaiserlichen Geistlichkeit auf die Forderung des Kaisers in der Frage von Piacenza und Parma zu antworten. Und in Rom ging man noch weiter. Den richterlichen Schiedsspruch, den Paul sich über die Rechtsgültigkeit der streitenden Conzile vorbehalten, machte er Miene jezt ergehen zu lassen; und kein Mensch zweifelte, daß er für Bologna ausfallen werde. So hat auch der alte Papst noch am Ende seiner Tage mit einem geistlichen

25) Eine vortreffliche Zusammenstellung giebt das von diesen Tridentinern (vielleicht von Vargas) ausgegangene Aftenstück: Relacion de lo del concilio im Anhang VI.

26) Heinrich 16. Februar 1549. Ribier 2, 192.

Gewaltakt gegen den treuesten Sohn des Katholizismus gedroht, der doch auf allen Seiten für die Kirche gestritten 27).

In Trident wagte man nicht, die Verantwortung des Bruches auf sich zu nehmen; man befragte den Kaiser selbst, aber die Antwort war dem Sinne dieser Spanier genehm: Karl gebot ihnen, der päpstlichen Einladung nicht zu folgen. Und in Rom scheute man zulezt doch den letzten Schritt, der das Schisma herbeigeführt hätte; hier hieß man jetzt diese so gereizten Erörterungen schweigen und blieb ruhig.

Die Lage der Christenheit war eben nicht geeignet den Kaiser direkt in der geistlichen Frage zu verlegen: widerstrebend und ausweichend, durfte doch zuletzt das Papstthum nicht brechen.

Bei allen diesen Verhandlungen über die deutsche Kirchenfrage und über die allgemeine Kirchenreformation hatte es sich im Grunde der Dinge weit weniger um diese öffentlichen Angelegenheiten der Christenheit, als um die italienische Territorialpolitik gehandelt. Es hatte der Kaiser fortwährend Sorge getragen, die Farneses nicht ganz von sich zu entfernen. Mit dem Agenten der Farneses, Giulio Orsino, ließen sich die kaiserlichen Minister, der Kardinal von Trident, Granvella und Soto in ausführliche Erörterungen über die Rechtstitel ein, welche das Reich und welche die Kirche auf Piacenza haben könnten. Es dauerte nicht lange, und man zog auch in diese Erörterung den Rechtszustand von Parma hinein. In der höflichsten Weise von der Welt behandelte man den italienischen Diplomaten, und man erlangte es durch solche Freundlichkeiten, daß der römische Hof auf diese Frage von Parma einging. Lange zögerte die Antwort des Kaisers, und erst auf einer zweiten Reise Orsino's nach den Niederlanden im Sommer 1549 wurde der Sinn der kaiserlichen Politik dem päpstlichen Hofe klarer. Im Juni eröffnete Alba den Italienern das Resultat der rechtshistorischen Untersuchungen, wie man sie im Rathe des Kaisers verfolgt hatte: alle Ansprüche der Kirche auf Piacenza wurden als grundlos bezeichnet und dabei angedeutet, daß dieselbe Rechtslosigkeit auch auf den Besitz von Parma sich erstrecke. Und daraus zog dann der Kaiser den praktischen Schluß, daß man Piacenza ihm lassen und daß man Parma ihm übergeben solle. Seinem lieben Schwiegersohne Ottavio Farnese freilich bot er ,,nicht als Entschädigung, sondern als Gnadengeschenk", ein anderes Besißthum an, irgend einen Güterkomplex im Königreich Neapel, der

27) Pallavicino XI. 4: dazu giebt die angeführte Relation die kaiserlichen Gesichtspunkte; ähnlich ein Schreiben Karl's an Mendoza vom 5. October 1549.

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