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geben lassen, daß für die nächsten Regierungen immer ein Kaiser aus dem Hause Habsburg, sei es nun aus Karl's oder aus Ferdinand's Nachkommen, gewählt werde 4o). Er führte es nicht näher aus, wie er sich dieses Verhältniß dachte; aber das Beispiel, das diese Regierung der beiden Brüder den Deutschen bot, konnte vielleicht nachgeahmt werden: vielleicht konnte eine ähnliche Doppelregierung schon jetzt vorbereitet oder vielleicht auch ein Seniorat in dem Hause der Habsburger eingerichtet werden 41). Wir wissen, daß in Augsburg auch diese Successionsfrage von Deutschland unter den Brüdern besprochen worden ist, und es gewinnt für uns den Anschein, als ob damals Karl noch nicht über die Erhebung seines Sohnes, des Prinzen Philipp, zum Kaiser entschlossen gewesen sei 42). Karl glaubte damals, Philipps europäische Stellung auch durch eine andere Combination zu sichern : er ging auf die spanische Tradition einer näheren Verbindung zwi= schen Spanien und Italien zurück und wünschte, daß Philipp als Reichsvicar über Italien, als Vertreter und Inhaber der Kaisergewalt in Italien, als oberster Herr über alle italienischen Vasallenstaaten in der europäischen Politik auftreten könne, und es scheint, daß er dabei den Titel des Kaisers von Deutschland dem Erzherzoge Max bewahren wollte, den ohnehin die Deutschen als Kaiser sich wünschten.

Diese Idee fand bei Philipp wenig Anklang: vielleicht unter dem Einflusse des Herzogs von Alba, vielleicht auch aus eigenem Antriebe machte er auf die bedenklichen Folgen einer sofortigen Erhebung des Schwagers zum römischen Könige aufmerksam und bat, wenigstens die Beschlußfassung über diese, alle habsburgischen Interessen so nah berührende Frage bis zu seiner Ankunft am kaiserlichen Hofe aufzuschieben. Und in der That, Karl gab hierin dem Sohne nach. Karl und Ferdinand einigten sich einstweilen dahin, daß der Nachfolger

40) Ferdinand in dem citirten Schreiben vom 23. November 1546 Bucholt IX. S. 400.

41) Jener Vorschlag zur Reichsorganisation, den Ranke VI, S. 392 ff. mitgetheilt hat, empfiehlt ebenfalls die sofortige Wahl eines Nachfolgers für Ferdinand S. 396. Im Reiche redete man im Mai 1547 von einer solchen Einrichtung, daß immer der älteste von allen habsburgischen Prinzen Kaiser sein solle. Ribier II. S. 17.

42) Aus den Erörterungen in der Instruktion vom 18. Januar geht es deutlich hervor, daß Karl sich seinen Sohn nicht als deutschen Kaiser denkt. Vgl. be= sonders S. 275 und S. 277.

für Ferdinand erst nach genauerer und allseitiger Erörterung ausgewählt werden solle 43).

So ist diese Frage einstweilen schwebend geblieben. Aber in der Ferne hatte sich schon die kleine Wolke angezeigt, welche nach und nach anwachsend den furchtbarsten Sturm gegen Habsburgs Herrschaft in Deutschland entladen sollte. Wenn die Brüder in Frieden gelebt und in Eintracht die habsburgische Monarchie regiert hatten, so sind die Tendenzen ihrer Söhne, der beiden Vettern und Schwäger, zuerst auseinander gegangen und bald in scharfem Zuge aneinandergerathen.

Und es gab noch einen anderen Punkt, in welchem Ferdinands Interessen nicht die gewünschte Förderung beim Kaiser fanden. Auch Ferdinands Stellung in Deutschland war auf seinen habsburgischen Landbesig gestützt: mit den österreichischen Erblanden hatte er da lange Zeit auch das Herzogthum Würtemberg verbunden und damit einen festen Halt in Süddeutschland gehabt. Nachdem er aber das Land seinem Herzoge wieder hatte zurückgeben müssen, hatte sich ihm in dem Anschlusse Würtembergs an die Schmalkaldeher eine Möglichkeit eröffnet, wieder in den Besitz dieses Landes zu kommen. Unmuthig hatte er gesehen, wie Karl doch wieder mit dem Würtemberger sich vertragen. Statt einer direkten Uebergabe von Würtemberg in Folge des Feldzuges vom Dezember 1546 mußte Ferdinand den Rechtsweg betreten, um den eidbrüchigen Vasallen, den Herzog Ulrich, aus dem Besize seines Landes zu verdrängen. Es wurde dieser Prozeß auf dem Reichstage in Augsburg eröffnet, die Sache kam in solche Hände und nahm bald solche Wendung, daß die Freunde der würtembergischen Herzoge einen Verlust des Landes besorgten; aber der Spruch wurde dech hingehalten: es hieß wohl auch, daß der junge Herzog Christoph in dem Kaiser selbst einen gefunden habe: Alles blieb unentschieden für FerdiGerüchte im Reiche von Errichtung eines Herzog= thumes Schwaben zu Gunsten Maximilians oder einer territorialen. Abrundung des österreichischen Besites als Preis für seine Zustimmung zu dem spanischen Successionsprojekte, alle diese Gerüchte verhalfen

freundlichen Herrn nand 44). Alle die

43) Ueber den Briefwechsel zwischen dem jüngeren Granvella und dem Herzog von Alba berichtet dieser Granvella an Königin Maria 7. Mai 1548 bei Juste Vie de Marie de Hongrie S. 90 und 91. Wir bedauern, daß dieses so wichtige Schreiben noch nicht im Wortlaut publicirt ist. Ferdinand selbst kommt später im Juli 1550 andeutungsweise auf diese Vorgänge von 1548 zurück. Bucholt IX. 732. 44) Bucholz V. 546. Lanz II. 524. Heyd III. 497 ff.

ihm thatsächlich nicht zum Besitze Würtembergs und konnten ihm weder neue Freunde noch neue Macht in Deutschland einbringen 45).

Wir sehen, es blieb auch nach diesem Reichstage noch Unentschiedenes genug in den Verhältnissen von Deutschland. Auch dieser vom Kaiser beherrschte Reichstag in Augsburg hat noch nicht alle Fragen im Sinne des Kaisers erledigt, er hat die kaiserliche Monarchie über Deutschland noch nicht vollständig befestigt. Auch in Augsburg sind von dem Programme des Kaisers wesentliche Punkte noch nicht zur Ausführung gelangt: jene Idee, das deutsche Reich aus seiner alten Verfassung in die Form eines Bundes umzuändern, ist sofort bei dem Versuche der Verwirklichung gescheitert.

Aber was wollte Alles bedeuten gegen die Erfolge des Kaisers auf diesem selben Reichstage! Reichsgericht und Reichssteuern waren nach Karl's Willen geordnet, die Niederlande waren zu Einer Masse gesammelt, von allem Einflusse des Reiches losgelöst und waren dennoch von dem Schuße des Reiches umgeben worden. In allen Richtungen hatte der Kaiser in den Boden Wurzeln eingesenkt, die dort anschlagen und, von den Jahren begünstigt, zu erfreulichem Wachsthum aufschießen konnten. Es waren, mit einem Worte, alle Fragen der deutschen Politik nicht gelöst, aber in eine Richtung gebracht, die zu einer Lösung im Sinne des Kaisers hinführte.

Vor Allem in der religiösen Frage war ihm ein Großes geglückt: der Widerstand der deutschen Nation gegen die allgemeine Kirche war beseitigt, Deutschland war bereit, das Wort der Kirche zu hören, anzunehmen, zu befolgen; und bis dahin, daß die Kirche der ganzen Christenheit dieses lezte Wort der Entscheidung sprechen werde, bis dahin war eine Form aufgestellt, die alle Parteien annehmen konnten und angenommen hatten; in geschickter Berechnung der Verhältnisse waren den Protestanten faktische Concessionen gemacht, bei denen sie im Schooße der allgemeinen Kirche leben wollten. So war die religiöse Einigung der Nation durch den Willen des Kaisers angebahnt.

Es ergab sich für die kaiserliche Politik die Aufgabe, das Begonnene weiter zu führen; - und in doppelter Richtung mußte sie bemüht sein, das Errungene zu sichern und auszubauen.

In Deutschland mußte sie das Interim an allen Enden wirklich zur Geltung bringen, die Einführung und Ausführung desselben in

45) Nachrichten aus Deutschland vom 15. Mai 1547 Ribier II. 17. Marillac vom 29. Juli 1550 Ribier II. 283.

Deutschland bewachen, die Bande der Einheit, die sie gefertigt, enger unlöslicher zusammenziehen.

Und in ihrer Stellung zur allgemeinen Kirche erwuchs der kaiserlichen Politik das schwierige Problem, über jene Concessionen mit dem Papste sich zu benehmen und überhaupt die Einheit von Kaiser und Papst in allen großen Fragen aufrecht zu halten.

Wir verfolgen zunächst diese zweite Seite der kaiserlichen Politik.

13.

Das waren die Früchte, die auf dem Reichstage von Augsburg aus jener Liga von Kaiser und Papst erwachsen sind; aber es ist keine Frage, daß sie den Urhebern der Liga durchaus nicht zu Gefallen erblüht waren. Die päpstlichen Politiker hatten sicher nicht die Resultate gewollt, die ihre Politik hier erarbeitet oder doch befördert hatte. Ja, sobald der Bund seine ausgesprochenen Ziele zu erreichen die Aussicht gewonnen, haben sie, vor dem Erfolge scheu geworden, sich diesem Bunde wieder zu entziehen gesucht. Das Mißtrauen gegen den Verbündeten, das Mißbehagen über sein Glück, die Differenzen über die Benutzung des Sieges: Alles das hatte bald die freundlichen Gefühle zu einander überwuchert und erstickt.

Schon bei den ersten Erfolgen des Kaisers im Winter 1546 war inmitten der kaiserlich-päpstlichen Liga bei dem Papste die Idee erwacht, sich gegen diesen Kaiser in einer Allianz mit Frankreich Schuß zu verschaffen. Und wenn auch damals sich noch mannichfache Hindernisse dem Abschlusse eines solchen Bundes entgegengestellt hatten, so war der Ueberfall von Piacenza und die Ermordung des päpstlichen Sohnes sicher ein Ereigniß, das mit neuem Nachdruck auf diese ausgesetzte Idee hinweisen mußte: der Kardinal Guise, der in jenem Augenblick in Rom erschien, that das Seine dazu, aus dem Rachedurfte und dem belei digten Gefühle des Papstes für die französische Freundschaft Kapital zu machen. Im Winter 1547 auf 1548 schien endlich in allen diesen politischen Verwickelungen und in allen jenen conziliaren Provocationen, die man sich zwischen Kaiser und Papst gegenseitig zuwarf, genug Zündstoff angesammelt zu sein, aus dem ein neuer großer Krieg in Italien entbrennen mußte.

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