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Katholizismus, aber unter den Verhältnissen der damaligen Lage war doch das Mögliche erreicht, was mit protestantischen Verbündeten zur Unterwerfung des protestantischen Glaubens geschehen konnte. Die Staatskunst des Kaisers schien in ihrer politischen Behandlung der religiösen Frage damals einen Sieg erfochten zu haben. Aber weit schwieriger war gewiß die Aufgabe, den Sieg zu befestigen, die Protestauten bei jenem Interim festzuhalten, ihnen einen erneuerten Abfall unmöglich zu machen.

Es war nothwendig, in Rom dieses Interim von dem Haupte der Kirche billigen zu lassen. Als der Kaiser es dem Legaten Sfondrato mitgetheilt hatte, ließ der Papst es dem Urtheile auch jener Bologneser Prälatenversammlung vorlegen20). In Rom, wie in Bologna äußerten fich die Stimmen der Geistlichkeit in ziemlich übereinstimmendem Spruche. An den Lehren des Dogma's hatte man im Grunde Nichts und nur an den Ausdrücken hie und da eine Unklarheit oder Zweideutigkeit auszuseßen, aber jene Bewilligungen der Priesterehe, des Laienkelches, der Fastenerleichterung war man durchaus nicht gesinnt, so ohne weiteres von einem weltlichen Kaiser, sich octrohiren zu lassen. Man ließ sich auf breite und weitschweifige Gegenerörterungen gegen diese Punkte ein und kam zu dem Schlusse, daß diese Theile des Interim mit einer Keßerei sehr auffallende Aehnlichkeit hätten.

So war die Meinung der theologisch-gesinnten Geistlichkeit. Die Entscheidungen des Papstes aber waren noch von anderen Rücksichten beeinflußt. Der Hader der Farneses mit dem Kaiser über Piacenza war noch nicht geschlichtet, war noch nicht aus jenen endlosen, sich in ewigem Einerlei bewegenden Deductionen und Gegendeductionen herausgekommen. Dieselben Agenten, welche die geistliche Frage behandelten, hatten auch stets den Auftrag, den Farneses Piacenza oder einen Ersatz für Piacenza zu erwirken. Der Kaiser aber gab noch keine endgültige Entscheidung und hielt noch immer die Frage in derselben Ungewißheit. Die französischen Anerbietungen wollten in ihren Einzelnheiten ebenfalls noch nicht recht klar und sicher werden. So schwebte der päpstliche Wille noch im Ungewissen, ob und wie weit er in der geistlichen Frage den Willen des Kaisers erfüllen folle 21). Wenn er einen Schritt in der vom Kaiser gewollten Richtung gethan, waren sofort die fran

20) Raynaldus §. 51. 54.

21) du Bellay vom 16. April bei Ribier II. 130 ff. Mendoza vom 9. April und 7. Mai. Döllinger 144 ff.

zösischen Cardinäle und die französischen Agenten bei der Hand, ihn vor allzugroßer Nachgiebigkeit an den Kaiser zu warnen: und so kam es, daß er, obwohl mit dem Kaiser über diese Fragen in Verhandlung begriffen, doch unter der Hand die Katholiken in Deutschland gegen das Interim aufhezen ließ.

Diese verschiedenen Einflüsse am päpstlichen Hofe wie die M einung jener starren Geistlichen bewegen endlich auch den Papst, trek der Zusagen, die er dem Kaiser in Betreff jener Legaten gegeben, zuleßt doch mit der Absendung derselben zu zögern und dann einen einfachen Nuntius nach Deutschland zu entsenden, der selbst keine Resolution mitnahm, der aber mit der Anzeige betraut war, man werde eine solche Resolution demnächst in Rom fassen 22). Als dieser Nuncius Santa Croce in Augsburg anlangte, erhielt er erst Audienz nach geschehener Publikation des Interim. Allen den Verhandlungen, die zwischen Kaiser und Papst über die zu machenden Concessionen schwebten, hatte der Kaiser selbständig ein Ende gemacht. Wie er vom Papste allgemein die Zusage solcher Concessionen erhalten hatte, eine Zusage, die weiter zu bestimmen und zu erläutern man eben noch verhandelte, da ist er zu jener Handlung vorgegangen, die schon den Schein der erlangten Mitwirkung des Papstes an sich trug.

Aber auch nach dem in Deutschland erzielten Abschluß blieb der Kaiser bei der Meinung, sich von Rom aus das Geschehene bestätigen zu lassen. Wenn er am Reichstage auch ein Religionsedikt erlassen, so wollte er doch für diejenigen Punkte, welche praktische Folgen für die deutsche Kirche haben mußten, Gutheißung des Papstes und päpstliche Befehle zur Ausführung beibringen. Es sollten ebensowohl die Bischöfe von Deutschland ermächtigt werden, verheirathete Priester anzustellen, als den ihrer Obhut anvertrauten Gemeinden das Abendmahl unter beiderlei Gestalt auszutheilen. Zur Einrichtung dieser Dinge verlangte der Kaiser in Rom Vollmacht und Auftrag an die deutsche Geistlichkeit.

Und noch ein weiterer Punkt, den das Interim nicht berührte, kam hier zur Sprache. Nachdem der Kaiser bei dem Beginne des Reichstages auch von einer gesetzlichen Regelung der so vielfach verwickelten und so äußerst schwierigen Frage der geistlichen Güter geredet und nachdem die deutschen Stände ihrerseits diesen Punkt wiederholt zur Sprache gebracht hatten, verlangte Karl jezt auch vom Papste, daß er

22) Instruktion für Santa Croce bei Lämmers 393. (28. April 1548): auffallend ist es, daß der Herausgeber fie in das Jahr 1542 verwiesen hat.

einige Prälaten designire und bevollmächtige, mit ihm gemeinschaftlich einen Vergleich über die Verwendung des geistlichen Gutes zu treffen 23).

Wir sehen, die Politik Karl's ist auch nach der Publikation jenes Religionsediktes bemüht gewesen, alle einzelnen Maßregeln, die man zur Ordnung der deutschen Kirchenfrage für nothwendig halten konnte, in Uebereinstimmung mit der geistlichen Auctorität der Kirche endgültig zu ordnen: er war nur dem sich hinschleppenden Uebereinkommen mit der Kurie selbständig zuvorgekommen, durch die Noth der Zeitverhältnisse, wie er glaubte, vollständig gerechtfertigt. Und auch die weitere Maßregel, die er ins Leben rief, meinte er im Drange der Noth von Deutschland begründen zu können: den katholischen Ständen von DeutschLand theilte er den Entwurf einer „Reformation“ der Geistlichkeit mit, wie er sie für dringend geboten hielt. Ohne hierin durch kaiserlichen Machtspruch der Kirche befehlen zu wollen, wünschte er doch die allgemeine Reform der gesammten Kirche durch diese deutschen Besserungsversuche vorzubereiten und zu beeilen. Als ächt katholischer Kaiser glaubte er sich zu Rath und Zuspruch berechtigt 23a).

Hand in Hand mit diesen Verhandlungen des Reichstages über die Religionsfrage gingen die Debatten über eine Neugestaltung der politischen Ordnung von Deutschland. Auch an sie Hand anzulegen, war dem Kaiser Macht und Möglichkeit gegeben. Wie nur in den Los gefügten Machtverhältnissen des Reiches die religiöse Bewegung den Anlaß gefunden, sich in jener Weise zu entwickeln, wie nur der Mangel obrigkeitlicher Gewalt im Reiche die Festsetzung religiöser Ordnungen gegen Willen und Streben des Kaisers möglich gemacht hatte, so durfte er sich der Hoffnung hingeben, mit der religiösen Annäherung zugleich eine neue Kräftigung seiner Monarchie durchzusetzen. Ein politischer Kopf, der die deutschen Zustände genau untersuchend beurtheilte, mußte es bald einsehen, daß die religiöse Frage von der politischen nicht getrennt werden konnte. Aus den Prämissen der faktischen Zustände in Deutschland, wie sie im Beginne dieser Regierung ge= worden waren, konnte sich nur dieser Eine und einfache Schluß ergeben:

23) Formular der vom Kaiser für die Legaten gewünschten Vollmacht bei Raynaldus. §. 45. Vgl. Mendoza bei Döllinger 151 f.

23a) Reformationsentwurf des Kaisers bei Le Plat III. 73 ff. In dem Formular, das Karl in Rom vorlegte, handelte der 9. Punkt auch von der facultas pro reformando mores cleri.

ein jeder Fortschritt der Reformation in Deutschland war ein Sieg des Partikularismus über die Monarchie, ein jeder Sieg dieser habsburgischen Monarchie über die trennenden Fürstengewalten war ein Verlust für die Reformation.

Als im Sommer des Jahres 1546 Kaiser Karl die Unhaltbarkeit der Zustände in Deutschland erkannte, hatte er in Regensburg, ehe er zum Kriege aufbrach, mit König Ferdinand über eine Reichsreform sich beredet. Die Einsicht mußte ihnen da leicht werden, daß von einer eigentlichen Gewalt des Kaisers als Haupt des Reiches jetzt nicht mehr geredet werden könnte: in einem Momente, in dem sich der mächtigsten Fürsten zwei mit den Waffen gegen die Obrigkeit erhoben und den Kaiser in einen gefährlichen Krieg verwickelten, in diesem Momente war wahrlich die obrigkeitliche Auctorität des Kaisers ein Nichts. So gingen die habsburgischen Brüder denn auch von der Erwägung aus, daß erst neue Grundlagen zu schaffen seien, auf die man die Macht des Kaisers im Reiche neu stützen müsse.

Wir sind leider nicht im Stande, den Organisationsplan des Kaisers als ein Ganzes, in allen seinen Einzelheiten geordnet, vorzulegen. Die actenmäßige Kenntniß dieser Dinge reicht noch nicht vollständig aus. Aber ich glaube, über alle wesentlichen Richtungen und Absichten der kaiserlichen Verfassungspläne darf uns kein Zweifel bleiben. Fassen wir kurz das Wesentliche zusammen.

Zunächst kam es darauf an, in die Hand des Kaisers eine faktische Macht zu legen. Ausreichendes Geld war das Erste, das beschafft werden mußte. Nun sahen wir schon, wie der Kaiser damals bemüht war, von den sich unterwerfenden Ständen sich starke Contributionen zu verschaffen; und das reichte für den Moment hin. Und auch für die Zukunft solche Mittel in Bereitschaft zu sehen, brachte man die Einrichtung einer „ordentlichen Reichsrente" zur Unterhaltung des Kammergerichtes und zur Exekution seiner Urtheile in Anregung 24). Man hat es dabei nicht ausgesprochen, aus welchen Mitteln diese Rente beschafft werden sollte. Aber wenn auch auf einzelnen Versammlungen und nachher auf dem Augsburger Reichstage der Kaiser mit einzelnen Ständen diese Frage einer Geldbeisteuer verhandeln ließ, so gab es doch im Reiche selbst noch eine bereitliegende Gütermasse, die zu dem gemeinen Besten vielleicht angegriffen werden durfte; es sind die unzähligen

24) Ferdinand vom 23. November 1546 bei Bucholtz IX. p. 399. Vgl. Karls Instruction vom 18. Januar 1548 in P. d'Etat. 3. p. 275.

Güter und Besitthümer der Kirche, die in den einzelnen Territorien sehr oft zum Nußen des Landesherrn und des landesherrlichen Regimentes eingezogen waren; und sollte da der Gedanke nicht nahe liegen, auch einmal für das Reichsganze eine solche allgemeinere Einziehung zu versuchen? In der That, die öffentliche Meinung war darauf vorbereitet25), daß eine größere Confiscation von Kirchengut vorgenommen werden würde. Wir finden, daß damals auch schon Pläne und Entwürfe in Umlauf kamen, welche sogar soweit gingen von der Geistlichkeit den Verzicht auf die Hälfte ihres jährlichen Einkommens zu verlangen: zum Besten des römischen Kaisers, dessen Vorfahren und Vorgänger ja die Kirche so reich ausgestattet hätten, dürfe man ein solches Ansinnen stellen 26). Und der Kaiser selbst, der schon von dem spanischen Kirchengut so Manches eingezogen und zuletzt auch dort größere Maßregeln vorbereitet hatte, behielt sich seinen Ständen gegenüber ausdrücklich vor, über die geistlichen Güter noch weitere Ordnung geben zu wollen. Aber noch weit entschiedener griff die kaiserliche Politik eine andere Möglichkeit auf, zu einer stets fließenden Quelle deutscher Geldbewilligungen zu kommen und zur Ausführung ihrer Befehle eine stets bereite Heeresmacht sich zu verschaffen: es wurde ein Plan vorgebracht, der eine Umgestaltung des ganzen Deutschland ins Auge faßte, der an frühere gegebene Verhältnisse sich anlehnend doch ein wesentlich Neues schaffen mußte.

Wenn auch die Macht des Kaiserthumes im Reiche geschwunden. war, so hatte der Träger der Kaiserkrone doch noch immer in dem Einflusse, den er auf die süddeutschen Länder üben konnte, ein Mittel seiner Reichsregierung gefunden. Es war der schwäbische Bund, durch den sich die Habsburger diesen Einfluß in Deutschland verschafft hatten. Und als dieser Bund in den Unruhen der reformatorischen Bewegungen und der Würtembergischen Streitigkeiten auseinander gefallen war, blieb die habsburgische Politik keinen Augenblick unthätig, einen solchen Bund

25) Der französische Gesandte, de Fresse, der bei den deutschen Protestanten sich aufhielt, erzählt, daß Karl solche Confiscation des Kirchengutes mit dem Kurfürsten von der Pfalz schon besprochen habe. Die (nicht datirte) Depesche desselben ist überhaupt sehr interessant. Ribier I. 603–606.

26) Ranke VI. p. 392 ff. theilt einen solchen Entwurf mit. Ich möchte nicht glauben, daß derselbe am kaiserlichen Hofe entstanden, da er auch von der allgemeinen Einführung der Priesterehe für Papst, Cardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe 2c. redet. Aber in allen anderen Punkten trifft er recht wohl die Gesichtspunkte, von benen die faiserliche Reichsreform ausging.

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