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Es ist in ihm eine seltsame Mischung weltlicher und religiöser Ideen. Der kennt den Kaiser schlecht, der in ihm nur den Eroberer und Ge-waltherrscher sehen will, und auch der hat die Eigenthümlichkeit seiner Natur nicht begriffen, der in ihm nur den religiösen Eiferer zu finden glaubt. Als sich dieser Kaiser zu dem letzten großen Schlage gegen Frankreich aufraffte, gönnte er dem Sohne einen Blick in seine Seele. Und diese Schreiben des Kaisers an den Sohn sind alle von einem gewissen schwermüthigen Gefühle angehaucht, einem gewissen Gefühle ernster Resignation, das durch alle politischen Anweisungen und durch alle politischen Kunststücke doch durchbricht! Er, der des Franzosen Rivalität niederzuhalten und niederzukämpfen hat, er sieht, daß gleichzeitig auf seine Schultern allein die Erhaltung der wahren Kirche gelegt ist. Durch alle die Windungen und Krümmungen seiner Politik, zu Papst und zu Protestanten, bleibt ihm das Ziel unverrückt vor Augen, die Kirche in alter Herrlichkeit herzustellen und in unbefleckter Reinheit aus den Händen des Protestantismus zu retten. Ich glaube, es ist ein durchaus unnützer Streit, darüber debattiren zu wollen, ob in diesen spanischen Königen Karl V. wie Philipp II. - das kirchliche Gefühl ihres Katholizismus oder die politische Tendenz ihrer europäischen Stellung das erste und treibende Grundmotiv abgegeben hat; bei ihnen war Beides innig in einander verwachsen: ihre Politik und ihre Religion ruhen auf demselben Grunde der Seele.

Karls Frömmigkeit hat da oft die Farbe des spanischen Fanatismus angenommen: den religiösen Uebungen seiner Kirche in devotester Weise zugethan, war er von dem glühendsten Hasse gegen jede Abweichung, jede Neuerung beseelt: wo er die Macht besaß, ist er mit den schärfsten Kezeredikten, mit Inquisition und Todesstrafe gegen die Kezer eingeschritten; noch am Abende seines Lebens hat sich die fast erlöschende Gluth seiner Seele neu belebt, als er Spuren der Keßerei in seiner Nähe entdeckt hatte. Und keinen Krieg hat Karl mit einer solchen persönlichen Wuth und Leidenschaft geführt, wie jenen Protestantenkrieg. gegen Sachsen und Hessen. Er selbst, gichtkrank und bleich wie der Tod, hat sich bei Mühlberg in den Kampf gestürzt, von Gott es erflehend, daß er seine Beleidiger selbst strafen wolle: er hat zuletzt den Sieg mit dem Worte gefeiert:,,Gott hat gesiegt."

In der That, die Vernichtung der deutschen Kezer war von Jahr zu Jahr mehr und mehr das Losungswort seiner Politik geworden. Wenn im Anfang dieser kaiserlichen Regierung die politischen Gesichtspunkte vorgewaltet, wenn er, in Spanien weilend, vielleicht die Bedeu

tung der deutschen Vorgänge unterschäßt hatte, so beherrschte nachher diese deutsche Aufgabe alle anderen Beziehungen der kaiserlichen Staatskunst. Schon 1538 hatte er im Kriege gegen Franz inne gehalten, um einen Versuch der Beibringung der deutschen Protestanten zu machen; und 1544 hat ohne allen Zweifel nur die Absicht eines deutschen Krieges ihn zu dem überraschenden Frieden von Cresph bewogen. Wie die kirchliche Neuerung sich auf allen Seiten ausgedehnt und sogar die heimischen Lande des Kaisers ergriffen hat, ist Karl mit Kezeredikten und Religionsmandaten auf die schärffte Weise allenthalben eingeschritten.

Aber wie seltsam muß uns doch dieses geistlich-politische Verhalten des spanischen Kaisers erscheinen, wenn wir Zweck und Mittel seiner Thätigkeit vergleichen.

Mit seinen politischen Tendenzen einer kaiserlichen Weltstellung hat Karl auf's Engste diese Erneuerung und Befestigung der mittelalterlichen Kirche an allen Stellen verbunden. Das leidet keinen Zweifel, daß in jenen Jahren dies wirklich das bewußte Ziel seiner Thätigkeit geworden. Aber wir beobachteten auch, in welcher Weise er dieses sein Ziel zu erreichen bemüht war: es waren doch nicht allein religiöse und kirchliche Mittel, nein, es waren auch die Waffen und Künste der Politik, die er für die religiösen Zwecke in Bewegung gesetzt hat.

Die kaiserliche Staatskunst hat die deutsche Protestantenfrage beHandelt wie jede andere politische Machtfrage.

Einmal hat sie durch listige und schlaue Anstalten alle Hindernisse aus ihrem Wege zu schaffen gesucht, hat sic selbst protestantische Gegner zu überlisten, zu betrügen gewußt: von den Protestanten Hülfe für politische Dinge zu erlangen, gab sie doppelsinnige Verheißungen eines Conzils, und von dem protestantischen Bunde einzelne Kräfte zu lösen, gab sie zweideutige Zusicherungen einer religiösen Toleranz; und in beiden Fällen war sie sich der Doppelsinnigkeit ihrer Aeußerungen wohl bewußt: ja sie rechnete darauf, den Gegner in einer solchen Formel zu überlisten, und die abgefallenen Protestanten in die Kirche zurückzuführen versuchte sie durch einen derartigen Betrug. Ich meine, wenig entsprach dieses politische System der Heiligkeit des religiösen Zweckes, den die Seele dieses Kaisers doch unabläßig verfolgt hat.

Ein ander Mal, als alle diplomatische Ueberlistung nichts gefruchtet, erhob sich die kaiserliche Macht zu einem bewaffneten Angriff auf die Protestanten; durch Heeresgewalt sollte jetzt die Reinheit und Einheit der Kirche gesichert werden. Und auch das ist ein Heilsweg, an deffen Nußen uns einiger Zweifel gestattet sein wird.

Und diesem Verhältnisse haben auch die Resultate dieser ganzen Regierung entsprochen.

Wie sehr auch Karl von dem Geiste dieser spanisch - katholischen Politik erfüllt sein und wie sehr auch seine Begeisterung sich zu dem Gedanken erheben mochte, die mittelalterliche Weltherrschaft in Kirche und in Staat herzustellen; wie sehr er auch zu diesen Zielen in selten erreichter Virtuosität alle Mittel seiner Staatskunst aufbieten mochte: es war doch unmöglich, ein solches Ziel mit solchen Mitteln auf solche Weise zu erreichen, - und an der Unmöglichkeit seines Grundgedankens haben alle Erfolge, die Karl im Einzelnen errungen, auch nichts zu ändern vermocht.

12.

Am ersten September 1547 eröffnete Karl den Reichstag in Augsburg. Seit jenem Wormser Tage von 1521, an welchem den neugewählten Kaiser die Begeisterung der Deutschen freudig empfangen und ihm die Möglichkeit gegeben hatte, des deutschen Reiches Verfassung mit dem Beifall der Nation neu zu gestalten, seit jenem Wormser Tage, an welchem der Kaiser seinen Weg von dem des Reiches getrennt hatte, war nicht wieder eine solche Versammlung zu Stande gekommen, auf der der Kaiser eine so überwiegende Macht besessen, wie er sie jezt in Augsburg entfalten konnte.

Nachdem er die Macht seiner Gegner in zwei Feldzügen zu Paaren getrieben, nachdem er auch die sich freiwillig Ergebenden zu einem Ge= horsam verpflichtet hatte, zu einer Unterwerfung unter seine neu zu errichtende Ordnung, gab es kaum irgend einen Widerstand im Reiche, der ihn ernstlich an der Neuordnung aller Verhältnisse hätte hindern können. So gewaltig war seit einem Jahre des Kaisers Stellung ge= worden. Mit allen katholischen Ständen war er verbündet, einen Theil der protestantischen Stände hatte er durch Separat-Verträge sich verpflichtet und die Anderen dieser Protestanten hatte er mit offener Gewaltthat sich unterworfen: da mußte sich ihm die beste Aussicht bieten, die religiöse Frage in Deutschland nach seinem Willen zu ordnen.

Dem Reichstage hatte der Kaiser die doppelte Aufgabe gesetzt, ebensowohl diese religiöse Ordnung für Deutschland zu erlassen als auch für die politische Neugestaltung des Reiches ein neues und sicheres. Fundament zu legen. Wir betrachten zunächst das Eine und dann das Andere.

In der Proposition ließ der Kaiser den Ständen vortragen, daß die religiöse Spaltung, die Alles Uebels Wurzel und Hauptursache ge=

wesen, jetzt auf christliche und gebührliche Wege" zum schleunigen Austrage gebracht werden müsse. Und von den Ständen erging darauf die Erklärung, daß sie alle die Nothwendigkeit einer Beilegung anerkannten, und alle die verschiedenen Gutachten der Kurfürsten, der Fürsten und der Städte kamen darin überein, daß durch ein christliches und gemeines Conzil am sichersten solche Ausgleichung stattfinden könne.

Es ergaben sich Differenzen nur in der Frage, wie dies Conzil gestaltet werden müsse, und ob das unter kaiserlich-päpstlicher Leitung begonnene Conzil italienischer und spanischer Geistlichen ein solches genannt werden könne, dem Deutschland sich zu unterwerfen habe. Die Kurfürsten glaubten, es genüge, wenn der Papst jenes Conzil nicht mehr leiten würde, und wenn tie proklamirten Artikel in den controversen Dogmen nicht als bindende Beschlüsse aufgefaßt würden. Die Städte forderten geradezu ein nicht päpstliches Conzil und ein Conzil, das nicht als Fortsetzung der Tridentiner Versammlung erscheine. Auf der anderen Seite drangen die Fürsten auf eine vorhergehende Unterwerfung der Protestanten unter das Conzil, das sie ihrerseits direct als Fortsetzung des Tridentinums bezeichneten; sie meinten dabei, dort über die früheren Beschlüsse noch einmal die Meinungsäußerung der Protestanten einzufordern1). Aus allen diesen Gutachten war das aber deutlich, daß eine Vereinigung aller Stände nicht gerade unüberwindliche Schwierigkeiten bieten werde2). So faßte auch der Kaiser die Sache auf. Er antwortete dem Reichstage, daß er gerne sich um ein solches Conzil, wie sie Alle es wünschten, bemühen wolle, daß er ihnen ein freies und genau an die Bestimmungen der Kirche sich haltendes Conzil verschaffen werde; er verlangte nur, daß die näheren Modalitäten, auf die es ja eigentlich wenig ankomme, seiner Bestimmung allein überlassen blieben. Bis zu der definitiven Ordnung durch dieses Conzil zeigte er zugleich den Ständen seinen Entschluß an, auf eine vorläufige Vereinbarung denken zu wollen und behielt sich nähere Eröffnungen darüber noch vor. Und dabei beruhigten sich auch die Stände; und wenn auch die lutherischen Städte ihre frühere Erklärung gegen die vorigjährigen Festsetzungen der Tridentiner Versammlung wieder

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1) Die kaiserliche Proposition und die Erklärungen der Kurfürsten, Fürsten und Städte sind mitgetheilt bei B. Sastrowens Herkommen, Geburt und Lebenslauf; herausgegeben von Mohnike. Bd. 2. p. 100-151.

2) So schreibt schon der savoyische Gesandte Graf Stroppiana am 9. September a. a. D. p. 149.

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