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steigertem Zorne bestand auf der ausdrücklichen Erklärung, daß er den Vertrag vollständig erfüllt habe, daß alle weiteren Bewilligungen von ihm als eine neue Gunst erbeten würden20). Aber alle diese schon so früh erwachsenen Zwistigkeiten sollten bald noch ganz andere Nahrung erhalten: es ergab sich ein wunderbarer Fall: alle Fortschritte, die Karls Waffen in Deutschland machten, trugen nur dazu bei, die Mißstimmung im Papste zu erhöhen. Es ward dem kaiserlichen Gesandten wenigstens aus allen Aeußerungen am päpstlichen Hofe klar, das gerade der Erfolg des kaiserlich-päpstlichen Bundes dem Papste immer widerwärtiger werde. Und auch der Kaiser überzeugte sich je länger, je mehr, daß der Papst zwar bereitwillig den Vertrag unterzeichnet habe, zur Ausführung aber nur säumig komme21).

Als endlich im November es einem jeden Auge sicher schien, daß der Protestanten Heer den kaiserlichen Schaaren nicht Stand halten könne und daß der Kaiser von Tag zu Tag mehr Aussichten gewinne, sein Endziel in Deutschland zu erreichen, da war die Frage für Kaiser und Papst in den Brennpunkt der Entscheidung gekommen. Wenn Karl dem sich auflösenden und auf Norddeutschland zurückziehenden Heere mit Kraft und Nachdruck nachzuziehen im Stande war, so bot sich ihm die Gelegenheit, den Krieg rasch und zweifellos zu beenden. Aber gerade um jene Zeit lief der Vertrag mit dem Papste ab. Wird da der Papst gestatten, daß auch über die sechs Monate hinaus, auf die er sich verpflichtet, Ottavio's Heer den kaiserlichen Fahnen diene, und wird er aus den bisherigen Resultaten der Liga die Aufforderung entnehmen, für die weitere Verfolgung und Beendigung der Sache mit dem Kaiser vereint zu bleiben? Oder ist der Papst nicht im Stande, das Glück seines Alliirten zu ertragen?

Wenn Karl aus dem bisherigen Gange des Krieges für sich die Hoffnung eines endlichen Gelingens schöpfte, so sah er sich doch zugleich in der Lage, neue Geldmittel zu dieser Fortsetzung des Krieges zu be

20) Vega's Depeschen aus dem Oktober 1546: z. B. am 16. October: el papa esta todavia en que se aclarasse sy el havia cumplido o faltado en la capitulacion y que averiguado que cumplia como pensava se le pidiesse por gracia y no por obligacion, no faltaria de satisfazer a V. M.

21) Vega am 12. Dezember 1546: pienso que satisfara a lo que se le pide, aunque no esta nada contento y de manera que no han podido disimular a lo menos los suyos el prospero successo de lo de hasta aqui de V. M. ni quieren acabar de confesar la flaqueza de los enemigos. Vgl. Karl's Aeußerung vom 29. Oktober im Anhang V. 7. ·

dürfen. Woher aber sollte er sie anders erlangen, als aus derselben spanischen Kirche, die bis dahin ihm geholfen? So entschloß er sich damals zu einer umfassenden Maßregel von weitreichender Bedeutung. Auch dieser gut katholische König von Spanien glaubte, in dem Drange der Umstände und für eine heilige Sache in den geheiligten Besitz der Kirche eingreifen zu dürfen. Und diesmal bestand er nicht nur auf jenen 500,000 Dukaten, sondern ganz allgemein in allen Reichen und Staaten, ohne ein einziges auszunehmen, von allen Kirchen und Klöstern forderte er die Hälfte ihres Besizes an Gold und Silber und Werthgegenständen und von den kirchlichen Genossenschaften die Hälfte ihres jährlichen Einkommens. Eine so allgemeine und so uneingeschränkte Maßregel hatte Francisco de Toledo, eingim kanonischen Rechte wohlbewanderter und in den Discussionen am Conzile geübter Cleriker, gemeinschaftlich mit dem Beichtvater des Kaisers ersonnen, und Toledo ward auch mit der Durchführung seiner Idee in Rom beauftragt. Freilich, wenn der Papst hartnäckig sich sträubte, verhehlte man es sich nicht, daß wohl auch ohne den Willen des Papstes diese Säkularisation geschehen müsse. Die Heiligkeit seines Zweckes hat bei diesen Theologen auch einen solchen Schritt gerechtfertigt22).

Solche Anträge aber erschreckten die römische Curie gewaltig; in der damaligen Stimmung war der Papst weit entfernt, darauf einzugehen.

In solcher Weise hat sich bis dahin des Kaisers Politik im deutschen Kriege entwickelt. Den durch die militärische Geschicklichkeit errungenen Vortheil war er gewillt, in seine Consequenzen hinein zu verfolgen. Und wenn ihm gleich der Boden der päpstlichen Liga und die Unterstüßung der italienischen Kräfte in's Wanken gerieth, er hat dennoch nicht abgelassen, den Papst auf die Wichtigkeit des Momentes hinweisend, von ihm Unterstüßung in großartigem und ausreichendem Maaßstabe zu verlangen. Aber der Papst blieb nicht in dem kaiserlichen Bunde. Wie er Schwierigkeiten in der Ausführung der Capitulation gemacht, und wie er auch das Conzil nicht nach der Anschauung der kaiserlichen Politik lenkte, so fand er bald auch Wege, an dem siegreichen Kaiser vorbei der Opposition die Hand zu reichen. Denn das liegt auf der Hand, Opposition mußte allenthalben der Fortschritt des Kaisers in Deutschland erregen.

22) Karl an Philipp vom 28. November 1546 im Anhang IV. 13. Wie ernst es damit gemeint war, zeigt die gleichzeitig erlaffene Ordre an den Vice-König von Neapel, die ich deshalb auch mittheilen zu müssen glaubte im Anhang IV. 14. Daß Toledo und Soto die Urheber des Planes gewesen, spricht Karl aus an F. de Toledo 28. Nov.

Zunächst hatten schon im Sommer 1546 die Venetianer in Rom Schritte gethan, den Papst von der Unterstützung des Kaisers abzuwarten, und den päpstlichen Truppen den Durchzug durch venetianisches Gebiet verweigern zu wollen erklärt. Auf englische Einwirkung und auf Intriguen eines lutheranischen Agenten wurde die Gerüchte zurückgeführt, die sich über eine venetianische Liga mit den auswärtigen Gegnern Karls und den Protestanten verbreiteten, ja es hieß, daß die Lutheraner der Signoria die Abtretung des ganzen Tirol in Aussicht gestellt und um Verbindung des venetianischen Heeres mit den füddeutschen Protestanten gebeten hatten. Als alle diese Nachrichten dem Kaiser bekannt wurden, erhielt Mendoza die Ordre, in Venedig selbst Gegenmaßregeln zu treffen. Und seinem energischen Auftreten war es zu danken, daß Alles als ein Mißverständniß erklärt und daß von Venedig Frieden gehalten wurde 23).

Wenn so die politischen Umtriebe in Venedig noch rechtzeitig erstickt wurden, so konnte eine Bewegung in der Schweiz, die zu Gunsten der Protestanten geschah, gefährlicher werden. Hatte doch der Papft den Schweizern es offen erklärt, daß es bei dem deutschen Kriege sich um die Religion der Protestanten handle. Und wie heftig auch der Kaiser bei dem Papste darüber Beschwerde führte24), so gelang es ihm nicht, den Eindruck der päpstlichen Breven zu verwischen. In der Schweiz fanden die Gesuche der Protestanten, und vor Allem die Gesuche des französischen Königs manchen Anklang. Viele Anstrengungen kostete es den kaiserlichen Statthalter Gonzaga, ehe er die Schweizer zur Neutralität bewogen 25).

Worauf es bei Allem ankam, die Stellung zu Frankreich ward jezt wieder schwieriger: die alten Tendenzen Franz' I., die schon so oft den Ausbruch des Protestantenkrieges aufgehalten hatten, sie wurden auch jetzt am Abende seines Lebens in ihm wieder lebendig.

Nachdem in dem Frieden von Crespy Karl dem franzöfifchen Königshause eines der streitigen Länder abtreten zu wollen verheißen, war es sein ganzes Bestreben gewesen, die schnelle Entscheidung in der ihm gelassenen Alternative zu vermeiden und möglichst lange Zeit bis zur Erklärung seines Willens zu gewinnen26).

23) Karl an Mendoza v. 12. Juli. der Signoria vom 26. Juli und Karl

Mendoza an Karl vom 30. Juli, Schreiben an Mendoza vom 12. September (Sim.

Leg. 642. fol. 119 und 130 und Leg. 1318 fol. 116, 118, 119.

24) Vgl. Anhang V. 3.

25) Gonzaga's Schreiben aus dem November (Sim. Leg. 1192. fol. 90. ff.) 26) P. d'ét. III. p. 67, 76, 78.

Der Tod des Herzogs von Orleans befreite den Kaiser von dieser Verpflichtung. Hin und her verhandelte man dann über die Bedingungen, unter denen der Friede erhalten und eine engere Allianz befestigt wer den könnte. Aber man kam nicht recht vorwärts in diesen Verhandlungen. Nur die Neutralität der französischen Krone in den deutschen Angelegenheiten blieb für den Anfang gesichert. Aber auch die protestantischen Bemühungen bei Franz und bei Heinrich von England, Frieden zu vermitteln und sich die Unterstützung beider Kronen zu verschaffen, blieben lange Zeit ohne Erfolg. Erst nach dem französisch-englischen Friedensschlusse, im Juli 1546, gewann Franz freie Hand, auf Deutschland seine Thätigkeit zu richten. Es ist klar, daß bei jedem Fortschritt des Kaisers seine Spannung wachsen mußte.

Wir sind leider nicht genau darüber unterrichtet, wie weit es zwischen dem französischen König und den deutschen Protestanten zum Abschluß gekommen. Von Gerüchten freilich und Befürchtungen einer solchen Allianz hören wir die kaiserlichen Minister an allen Stellen reden27). Ja der Cardinal Farnese durfte im Vertrauen dem kaiserlichen Gesandten die freundschaftliche Mittheilung machen, daß die Protestanten dem französischen Könige die Kaiserkrone angeboten hätten 28). Aber wie dem auch sein mag, die französische Politik ließ in den lezten Monaten des Jahres 1546 es weder an diplomatischen Vorbereitungen noch an kriegerischen Rüstungen fehlen. Auch auf italienischem Boden finden wir die Spuren ihrer Thätigkeit: den florentinischen Flüchtling Strezzi unterstützte sie mit Geld und Waffen, und mit dem mißmuthigen Sohne des Papstes knüpfte sie neue Verbindungen an29).

Es war das letzte Moment, das zu der allgemeinen Gereiztheit dieser päpstlichen Familie gegen den Kaiser hinzukam. Wie den Farneses die Aussicht auf Anerkennung ihrer fürstlichen Bestrebungen dahinschwand

27) Eine der interessantesten Mittheilungen machte damals St. Maurice, der kaiserliche Gesandte in Frankreich. Er hatte durch die Königin Leonor erfahren, daß der französische Admiral über eine geheime Verabredung zwischen England und Frankreich und den Protestanten geredet; aber etwas Bestimmtes bringt er doch nicht heraus. (Dep. v. 4. Juli 1546 in Arch. de l'empire.)

28) Depesche Mendoza's vom 22. November 1546 (Sim.). Ob sich das wohl auf die Verhandlungen zwischen Christoph von Würtemberg und dem Dauphin im Oktober 1546 bezieht? (Pfister p. 177.)

29) Nach einer Depesche des Nuntius vom 25. November Affò p. 127, 128. Auch Mendoza's Depeschen enthalten Notizen darüber. Interessant ist die Weifung Karl's an Mendoza vom 14. November, er solle den Versuch machen, des Strozzi habhaft zu werden (echar mano!).

und wie sie in den Fragen der allgemeinen Politik nicht in der Einigung mit dem Kaiser zu verharren vermochten, da bot ihnen Frankreich die Hand, in französischer Allianz ihre Ziele zu erreichen und in die allgemeine Opposition gegen des Kaisers katholische Politik einzutreten.

So kam das merkwürdige Schauspiel zu Stande, daß der Papst noch im Bunde mit dem Kaiser, den er zu gemeinsamer Bekämpfung der deutschen Kezer geschlossen, den Mächten die Hand reichte, welche diese Ketzer gegen den Kaiser aufrecht zu erhalten strebten.

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