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Und in der That, es kann keinem Zweifel unterliegen: Karl's Entschluß zum Kriege ist ernstlich nicht mehr in's Wanken gebracht. In allen Schreiben an den Sohn in Spanien spricht er es aus, daß er in Regensburg noch einmal eine letzte kurze Berathung mit dem Bruder vorhabe und nach katholischer und nach protestantischer Seite hin Unterhandlungen führen wolle, um in möglichst günstiger Weise und unter möglichst günstigen Umständen den Feldzug von Regensburg aus zu eröffnen 13).

Es kam dem Kaiser vor Allem darauf an, und dies ist der Gesichtspunkt gewesen, aus welchem er in jenem Jahre von dem Wormser bis zum Regensburger Reichstage sein Verhalten geregelt hat, es kam ihm darauf an, zu dem Kriege nicht nur Finanzen und Soldaten in gehöriger Anzahl und Ordnung nach Deutschland zu schaffen, sondern auch aus Deutschland selbst sich Verbündete zu gewinnen. Und wir gestehen, es verdient unsere Bewunderung, wie inmitten aller Schwierigkeiten dieser Kaiser und sein Minister Granvella von den deutschen Fürsten Einen nach dem Andern unter seine Fahnen eingereiht hat.

Schon oft hatte der Schmalkaldener Bund eine wesentliche Stüße seiner Erfolge in einem Bündniß mit den überaus eifrig katholischen Herzogen von Bayern gefunden. Zuleht nach jenem für Deutschland so bedrohlichen Friedensschlusse von Cresph waren im Oktober 1544 aufs Neue die Verhandlungen zwischen Hessen und Bahern lebhafter hin- und hergegangen. Im Juli 1545 war man sich sehr nahe ge= kommen, und sehr nahe stand der Abschluß dieses antikaiserlichen Bundes in diesem Sommer 1545 in Aussicht 14). Da zerriß des Kaisers rasche Dazwischenkunft die angeknüpften Fäden. In vertraulicher Sendung ließ er zuerst dem baherischen Herzoge die Solidarität ihres katholischen Interesses vorstellen, und beauftragte dann den Cardinalbischof Otto von Augsburg mit den weiteren Verhandlungen am bayerischen Hofe: bald nachher in dem Winter traten in den Niederlanden auch die Bedingungen deutlicher hervor, unter welchen der Herzog die bisher befolgte Politik der Opposition gegen Habsburg aufgeben und des Kaisers katholische Pläne jezt auch durch seine katholische Thätigkeit rückhaltlos unterstützen wollte. Die Aussicht auf den Erwerb des Herzogthumes von Neuburg, das ja das baherische Territorium in er

13) Anhang IV. 1–9.

14) Darüber gibt Andeutungen aus den bayrischen Akten Stumpf, Bayern's politische Geschichte p. 264 f. und 268 ff.

wünschter Weise arrondiren mußte, wurde Herzog Wilhelm gezeigt und zugleich die früher nicht berücksichtigten Ansprüche des Herzogs auf die pfälzische Kurwürde nicht nur anerkannt, sondern auch bald zu verwirklichen zugesagt. Auf diese Präliminarien hin gelangten Kaiser und Herzog auf dem Reichstag in Regensburg am 2. Juni 1546 zum Abschluß. In demselben Monat noch ward durch die Ehe des baherischen Erbprinzen Albrecht mit einer Tochter Ferdinands der Bund gekräftigt. So wurde für des Kaisers Kriegspläne der Herzog von Bayern als Verbündeter gewonnen. Auf Bayern und die Cardinäle von Trident und von Augsburg durfte der Kaiser jezt unbedingt zählen 15).

Auch unter den jüngeren, thatenlustigen und kriegsmuthigen protestantischen Fürsten gelang es dem Kaiser sich Genossen für seine Waffenthaten zu sammeln. Des brandenburgischen Kurfürsten jüngeren Bruder, den Markgrafen Hans von Küstrin, einen der eifrigsten und glaubensfestesten Protestanten, gewannen die kaiserlichen Diplomaten : auf einen Kriegszug bedacht und in militärischen Gefühlen lebend, hat Hans zulezt mit der Versicherung des Kaisers, er werde ihn in seiner Religion nicht stören, sein protestantisches Gewissen getröstet 16).

Noch ein ähnlicher Fang gelang in demselben Hause der Brandenburger. Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Culmbach war ein wilder, rauflustiger Geselle, eine stürmische Natur von wenig Ueberlegung und wenig Ueberzeugung. Da in seiner Jugend ihm Kurfürst Johann Friedrich und Landgraf Philipp zu Vormündern bestellt ge= wesen waren, fehlte es dem Heranwachsenden nicht an Gelegenheit zu Zwist und Beschwerden wider diese Häupter des protestantischen Bundes. Die Spannung wuchs bald zu erbitterter Gereiztheit, bei Albrecht zu wüthenden Rachegedanken über die ihm vermeintlich von ihnen zu= gefügte Unbill. Und so war es ein Leichtes, ihn zu dem Werkzeuge der kaiserlichen Pläne gegen jene Fürsten zu machen. Schon im Winter war es bekannt, daß er in die Dienste des Kaisers getreten ; man erzählte sich, der Kriegsherr werde Albrechts Schaaren gegen Köln verwenden; und wenn dieser Angriff auf Köln auch unterblieb, so war es doch zweifellos sicher, daß der Kaiser in dem jungen,

15) Vgl. Stumpf p. 270 ff.; die Denkschrift bei Lanz Staatspapiere p. 394 ff. und Rante D. G. IV. p. 307, der aus dem Brüsseler Archiv zuerst eine fichere Notiz über den Abschluß beigebracht.

16) Vgl. Rante IV. 319.

muthigen und raschen Fürsten, der bei allen Soldaten populär der Abgott deutscher Landsknechte zu werden verhieß, einen ergebenen und äußerst brauchbaren General gewonnen 17).

Alle diese Schachzüge, mit welchen in jener Winterszeit durch seine abwartende Haltung, durch den Aufschub des Krieges des Kaisers scharf rechnende Staatskunst den Erfolg des großen Feldzuges vorbereitet hatte, sie waren alle unbedeutend und wenig austragend im Vergleich zu dem großartigen Manöver, durch welches Karl sich den bedeutendsten und gefährlichsten unter allen protestantischen Fürsten zum Bundesgenossen gemacht hat. Der junge Herzog Moritz von Sachsen, wie sehr auch unsere theologische Geschichtschreibung an ihm Flecken aufzudecken bemüht sein mag, ist ohne allen Zweifel der politisch bedeutendste, ja der einzige politische Kopf unter allen deutschen Fürsten und Staatsmännern jener Zeit. Er war wohl selbst ein guter Protestant, wie alle die anderen seiner Standesgenossen; aber es kam ihm gar nicht darauf an, um eines politischen Vortheiles Willen auch einmal gegen seine protestantischen Glaubensgenossen; mit dem geschworenen Feind der Protestanten ein recht enges Bündniß einzugehen: die politischen Absichten und Tendenzen haben bei ihm immer den Ausschlag gegeben. Damals wähnte der Kaiser den Ehrgeiz des jungen Fürsten zu durchschauen und glaubte in ihm ein gefügiges Werkzeug für seine deutschen Pläne zu halten: er hoffte, auch diesen Herzog von Sachsen ausnußen und beliebig gängeln zu können, wie alle jene anderen Fürsten. Aber da hatte er doch den Grund des Verhaltens, das Herzog Moritz 1546 beobachtete, nicht richtig gewürdigt: und daß die spanische Staatskunst diesen Herzog Moriz nicht völlig erkannt und, ihn unterschäßend, völlig auf ihn gezählt hat, dieser Eine Fehler in dem genau berechneten Systeme Karl's hat alle anderen Erfolge des Kaisers wieder zu Nichte gemacht: Herzog Morit' einsichtige und die Chancen der europäischen Verwickelungen richtig benußende Politik hat des Kaisers Triumph von 1548 in die schmähliche Niederlage von 1552 verwandelt.

In engen und kleinen Verhältnissen aufgewachsen, hatte Herzog Moriß von früh auf Reibungen und Zerwürfnisse in lokalen und territorialen Fragen mit dem mächtigeren Nachbar, dem Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen, durchgemacht. In seiner bescheidenen Stellung auf die Ausnugung auch der kleinsten Vortheile angewiesen, durfte er

17) Voigt, Markgraf Albrecht Alkibiades bef. I. p. 105 ff.

sich keine der großen Parteien im Reiche verfeinden. Wie er daher 1542 schon den Eintritt in den Schmalkaldener Bund troß seines aufrichtigen protestantischen Bekenntnisses ablehnte, gewann man am kaiserlichen Hofe bald die Meinung, in ihm ein Gegengewicht gegen die Schmalkaldener und den Punkt zu finden, in welchem die Hebel gegen des protestantischen Bundes Machterweiterung anzusetzen seien. Granvella vor Allem faßte bestimmt und klar diese Aufgabe für die deutsche Politik seines Herrn in's Auge. Mit dem vertrauten Rathgeber des Herzogs, mit Christoph von Carlowig, trat er in freundlichen Verkehr und wußte durch geschickte Schmeichelei, durch eine auch im Kleinen genau berechnete Weise des Verfahrens in Morig die Hoffnung zu erregen, daß in einem Anschluß an Karl ihm die herrlichsten Aussichten auf Erwerb von Macht und Einfluß blühen würden. Aber wie sehr auch Moritz solche Wünsche und Erwartungen hegen mochte, es kennzeichnet sehr genau den Charakter und die Bedeutung seiner Politik, daß er nicht in übermäßigem Eifer selbst sich zu Diensten erbot und selbst auf die Belohnungen für diese Dienste antrug, sondern daß er durch abwartendes Zurückhalten und durch ein mit Zuversicht und Bewußtsein geführtes Spiel, mit beiden Parteien unterhandelnd, den Preis seiner endlichen Entscheidung für eine der Parteien zu steigern wußte. Während er auf der einen Seite mit Landgraf Philipp, seinem Schwiegervater, an jener Idee des großen protestantischen Bundes, dem die deutschen Protestanten und die nordischen Mächte und der englische König beitreten, und den Frankreich unterstüßen sollte, unablässig arbeitete, unterhielt er auch durch Carlowitz den Verkehr mit Granvella und dem Kaiser. Die protestanische Liga kam, wie bekannt, durch der Schmalkaldener politisches Ungeschick, vor Allem durch JoHann Friedrich's pedantisch-theologischen Eigensinn nicht zu Stande. Dafür aber gerieth der Bund zwischen dem Kaiser und Moriz auf eine für beide Theile erfreuliche Weise. Nach manchem Briefwechsel und manchen Sendungen, die im Einzelnen hier nicht zu verfolgen sind, reiste Herzog Morig und das war das Unglückssignal für die Protestanten an den Reichstag zu Regensburg, persönlich mit Karl und Ferdinand und Granvella die Sache zu ordnen. Und dort gelangten Karl und Moritz zu der Uebereinkunft über den Krieg, den Moriß unterstüßen, und über den Preis, den Karl ihm dafür zahlen sollte: es gab dabei der Kaiser auch ihm eine Zusage, daß die Religion der Protestanten bis zu weiterer Vergleichung“ nicht angefochten werden würde; aber daß das allgemeine Conzil eine

solche Vergleichung schaffen solle, darüber einigten sich doch die beiden Fürsten 18).

So war im Juni 1546 alles das glücklich zu Stande gebracht, was den Kaiser im vorigen Jahre zum einstweiligen Aufschub des Krieges bewogen hatte. Die militärischen Dispositionen waren getroffen, Geldmittel waren wenigstens für die nächsten Monate zur Hand, die protestantischen Gegner waren an energischen, umfassenden Gegenrüstungen glücklich gehindert, und dem Kaiser aus den deutschen Katholiken und den deutschen Protestanten Bundesgenossen beigebracht.

Am 9. Juni unterzeichnete der Kaiser die Capitulation mit dem Papste, die ihn zu dem Religionskriege gegen die deutschen Protestanten verpflichtete. Mit dem unterzeichneten Vertrage reiste der Cardinal von Trident nach Rom; und am 22. Juni verkündete der Papst dem versammelten Collegium der Cardinäle den gelungenen Abschluß des großen Werkes 19).

In Regensburg berieth der Kaiser noch einmal mit Ferdinand und dem Herzog von Bayern die zunächst vorzunehmenden Maßregeln. Gleichzeitig aber, als ob nichts Außerordentliches im Werke sei und als ob er wieder in gewohnter Weise die üblichen Fragen mit den Ständen erörtern wollte, begann er die Verhandlungen des Reichstages. Die beiden Parteien verharrten dabei in ihrer früheren Stellung. Und erst als es laut wurde, daß der Kaiser in Deutschland Truppen werbe und aus den Niederlanden und Italien Heeresmassen heranbefohlen habe, sahen die Protestanten, was beabsichtigt war. Sie fragten an bei dem Kaiser, was jene militärischen Maßregeln be= zweckten, und erhielten nur die allgemeine, unbestimmte Antwort, es sei auf Züchtigung einiger widerspänstigen und ungehorsamen Stände abgesehen.

Und in der That, darauf war der ganze Plan des Kaisers gestellt nicht über die religiöse Frage den Krieg zu eröffnen, sondern die feind, lichen Häupter des Schmalkaldener Bundes wegen politischen Unge

18) Auch hier liegt eine treffliche Monographie zu Grunde: von Langenn Moris, Herzog und Kurfürst von Sachsen. Die Akten über die Verhandlung mit dem Kaiser sind mitgetheilt Bd. II. p. 229, 231, 234, 244 ff. 254, 256. 259; vgl. die langen Erörterungen über die religiöse Frage bei Ranke VI. 348 -364; zuletzt wurde am 20. Júni abgeschlossen, bei v. Langenn II. p. 265 und 266. Einige neue, aber nicht erhebliche Details hat dazu später noch Langenn Christoph von Carlowit p. 127-140 beigebracht.

19) Vega's Depesche vom 23. Juni 1546. (Sim.)

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