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die Staatsmänner, die seine Jugend lenkten, waren der Verhältnisse doch damals schon Meister geworden, und auch die deutsche Wahl, eine dornige Aufgabe, hatten sie trotz aller Hindernisse durchzusetzen gewußt, ja gerade in diesen Verhandlungen hatten sie ein leidlich gutes Verhältniß zum Papste Leo X., dem eleganten und feinen Medici, gewonnen und dem zuwählenden Kaiser noch eine engere päpstliche Allianz vorbereitet.

Die Auftritte in Wittenberg hatten indessen den Charakter eines localen Streites sehr bald verloren, sie waren sehr bald zur allgemeinen Sache geworden; und als erst der kühne Mönch von Wittenberg in Leipzig offen mit der bestehenden Kirche gebrochen, und als ihm der Bann der Kirche diesen Bruch gelohnt hatte, da schaarten sich um ihn alle die lebhaften, unruhigen Geister, die das deutsche Reich und die deutsche Kirche erneuern wollten, alle die Feinde der kleinen Fürsten und der geistlichen Herren, Alle, die zu Frankfurt jubelnd des Habsburgers Wahl begrüßt hatten.

Wie nun aus Spanien der erwählte Kaiser herankam, von freudiger Begeisterung des Volkes empfangen, ward auf dem Reichstag zu Worms die Frage, die uralte, immer aufs Neue der deutschen Geschichte gegebene Frage, wieder einmal zur Entscheidung gestellt: will der Herr= scher, der die deutsche Krone trägt, dem Wohle Deutschlands dienen, nur der Nation sein Denken widmend, oder will er seinen eigenen Interessen nachgehen, fremden Impulsen gehorchend, die nicht in der Nation ihren Ursprung gehabt?

Es kann für die historische Betrachtung heute keinem Zweifel unterliegen: die Bewegung, die damals an einer Stelle auf dem kirchlichen Gebiet zum Ausbruch gelangt ist, sie hatte die ganze Nation ergriffen, sie war eine mächtige, aus der Tiefe des Bedürfnisses hervorgestiegene Forderung jener Zeit. Unter die vorsichtige und kräftige Leitung eines wahrhaft deutschen Kaisers gestellt, mußte sie zu erfreulichen Früchten gelangen. Aber der von der Nation freudig begrüßte Kaiser Karl hatte keine Veranlassung, die Frage von dieser nationaldeutschen Seite zu betrachten, ihn lockten politische Aufgaben und Ziele weit anderer Natur. Es beschäftigte ihn damals lebhaft der Gedanke, die ihm unbequeme französische Macht zu entkräften und Italien wieder ganz unter seinen kaiserlichen Einfluß zu bringen. Und mit noch stürmischerer Lebhaftigkeit erfüllte den König Franz das Verlangen, dem glücklichen Rivalen, der im Wettkampf um die Kaiserkrone gefiegt, den errungenen Siegespreis zu verkürzen: es drängte eben damals Alles auf den Ausbruch des

französisch-kaiserlichen Krieges hin. Wenn dabei die Freundschaft des römischen Papstes für den spanischen König und deutschen Kaiser ein Gut höchsten Werthes wurde, so war auch die kaiserliche Diplomatie aus allen Kräften bemüht, den Bund zwischen Kaiser und Papst sich als die Basis ihres Erfolges zu sichern. Freilich, auch aus den kirchlichen Unruhen in Deutschland ließ sich dafür Nutzen ziehen, sie waren ein ganz geeignetes Mittel, den nöthigen Druck auf den zögernden Papst zu üben, — und vielleicht vermochte auch die spanische Anschauung der Sache Luthers eine gefällige Seite abzugewinnen.

Nicht genug können wir es betonen, daß jene Periode den allge= meinsten Verfall der Kirchenzucht im ganzen Europa gesehen: aus allen Kulturvölkern des Abendlandes ist ein Ruf der Klage über die kirchlichen Zustände aufgestiegen, allenthalben in den Nationen der Christenheit hat sich ein reineres religiöses Gefühl zu neuem Leben geregt. Auch Spanien, das Land des eifrigsten und glühendsten Katholizismus, hat an dieser Entwickelung seinen Antheil gehabt, aber hier in dem abgeschlossenen kräftig regierten Reiche der „, katholischen Könige" hatte der religiöse Eifer der Staatsgewalt schon den Anfang zu einer Besse= rung von der Geistlichkeit erzwungen: von ernstem und strengem Geiste beseelt haben dieselben Fürsten, welche die Inquisition gegen die Abweichenden und Verdächtigen im Glauben aufgerichtet, auch die Geist= lichkeit mit starkem Arm der Zucht und Disciplin nach ihrem Sinne unterworfen. Von der spanischen Kirche ist dann ein Strom strenger und herber, einseitig aber nachhaltig wirkender Religiosität ausgegangen, der auch auf die anderen romanischen Völker, vor allen auf Italien, einen bleibenden Einfluß ausgeübt, der zu der Neubelebung des religiösen Lebens in der katholischen Kirche den ersten Anstoß gegeben, der die ersten Keime dieser katholischen Restauration des sechszehnten Jahrhunderts in Italien gepflanzt hat.

Und Männer solcher Geistesrichtung haben den jungen Fürsten von Spanien auch auf den Wormser Reichstag begleitet. Wenn seine Diplomaten die Sache des deutschen Mönches in politischem Sinne an dem päpstlichen Hofe verwendet wissen wollten, so hat der spanische Beichtvater versucht, ob nicht Luther, in dessen Schriften und Reden der Spanier so manches berechtigte Element anerkennen mußte, auch zu einer Besserung und Hebung der deutschen Geistlichkeit dienen konnte und wollte 1).

1) Des Pontanus' Bericht über Glapion's Eröffnungen bei Seckendorf I. pag. 143 f.

Vergeblich war der Schritt: es blieb dem spanischen Eiferer, der einer dogmatischen Neuerung entgegen war und des Papstes Hoheit unangefochten erhalten wollte, nichts übrig, als den neuernden Mönch unschädlich zu machen. Als damals auch die Politik des Papstes offener und rückhaltloser sich dem kaiserlichen Bunde anzuschließen Miene machte, als des Papstes Vertreter in Worms alle Mittel seiner Thätigkeit in Bewegung setzte, da gelangten Karl und Leo bald zu einer Uebereinkunft in allen europäischen Fragen, einer Uebereinkunft, als deren erstes Opfer Luther fallen, als deren erste Frucht das Wormser Edikt reifen sollte. Damit hat Karl seine Stellung zu der religiösen Bewegung ergriffen: es ist damit ausgesprochen, daß der Kaiser festhalten will an dem System der Kirche, wie es bis dahin gegolten, daß er die Neuerung der Deutschen nicht anerkennt, daß er die neue Lehre und die neuen Lehrer ächten und strafen wird. Und dieser kaiserliche Wille wurde in Worms als Reichsgesetz verkündet: zu dem geistlichen Bannfluch kam in Worms die Acht von Kaiser und Reich hinzu.

Immerhin mag man es bedauern und es als ein nationales Unglück für Deutschlands Entwickelung beklagen, daß der Kaiser so schroff die Reformbewegung von sich abgewiesen, daß er sie nicht zu führen, nicht auf mäßiger Bahn zu halten, nicht im Einvernehmen mit den kirchlichen Autoritäten zu lenken verstanden; aber ich meine, ein Fürst wie Kaiser Karl, der die verschiedengeartetsten Elemente unter Einer Herrschaft zusammenhielt, dessen wesentliche Stärke nicht in dem vielgespaltenen Deutschland, nicht in den auf ihre Freiheiten eifersüchtigen Niederlanden beruhte, sondern der bei seinen allgemeinen Plänen vornehmlich auf Spaniens Kräfte und Schäße rechnen mußte ein solcher Fürst konnte nicht der deutschen Nation Wohlergehen zu dem alleinigen Leitstern seines Handelns machen. Nimmermehr aber hätte der Spanier eine solche Neuerung gebilligt oder geduldet, auf die in Deutschland Alles mit Ungestüm hindrängte; und der Sohn der spanischen Juana, der Enkel der katholischen Könige hat in seinem eigenen Innern die Verwandtschaft mit spanischer Anschauung und Denkweise niemals verkannt oder verläugnet: die Religion des deutschen Kaisers Karl ist immer eine von spanischen Vorstellungen und Ideen gesättigte, von spanischen Gefühlen und Impulsen belebte gewesen: wie seine Gewissensräthe und geistlichen Leiter stets Spanier waren, so ist der Kaiser selbst zuletzt in einem spanischen Kloster von dieser Welt geschieden.

Und im Jahre 1521 lag auch für den spanischen König von Deutschland durchaus kein Grund vor, eine Tiefe und Weite der Re

formation anzunehmen, wie die folgende Entwickelung fie uns gezeigt hat. War doch auch die spanische Halbinsel eine Zeitlang von dem gewaltigsten Aufstand durchtobt, war doch auch dort das Fundament der habsburgischen Herrschaft einen Augenblick ins Wanken gerathen, aber die Regierung hatte bald, sogar in Abwesenheit des Königs, durch ihre kalte Berechnung menschlicher Leidenschaften die Aufständigen zu besiegen gewußt. Wenn derartige Botschaften aus Spanien den Kaiser in Deutschland erreichten, mußte dann nicht die Hoffnung in ihm erwachen, auch der deutschen Unruhen Herr und Meister zu werden, in gleicher Weise den deutschen Reformer und den spanischen Comunero zu zügeln? Wahrlich, auch der kaiserlichen Staatsmänner wohldurchdachte Politik hat erst einer Lehrzeit bedurft, ehe sie den weiten Abstand zwischen der deutschen und der spanischen Bewegung begriffen.

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Nachdem nun damals in Worms die Neuerung durch das Reichsgesetz zurückgewiesen war, hat dies Gesetz zunächst doch keine Ausführung in Deutschland gefunden. Wie den Kaiser die Noth des spanischen Aufstandes aus Deutschland wegrief, blieb es den deutschen Fürsten und dem deutschen Reichsregiment, jenem Scheinwesen einer Centralgewalt, überlassen, was ein Jeder aus dem Reichsbeschluß folgern wollte. Und da nahmen die Dinge bald eine andere Wendung, als sie Kaiser und Papst beabsichtigt hatten. Allenthalben verbreitete sich die Lehre, wie sie Luther auffaßte, allenthalben standen ihm neue Genossen auf, allenthalben fanden sich einflußreiche Herren und bald auch mächtige Fürsten für die Sache der Kirchenreformation. In derselben Zeit, in der in der offenbarsten Mißachtung des Wormser Ediktes die lutherische Lehre nach und nach in allen Territorien Deutschlands Fuß faßte, war der Kaiser in Spanien mit dem französischen Kriege vollauf beschäftigt. Und von Spanien aus mußte er doch der Deutschen in manchen Dingen schonen: wenn er des Reiches Beistand zum Kriege gegen den Erbfeind anrufen wollte, konnte er nicht mit Strafen gegen die Säumigen einschreiten, nicht mit Gewalt gegen die Verächter seines Ediktes auftreten. So zwangen den Kaiser die Verhältnisse seiner auswärtigen Politik zur ruhigen Duldung der Vorgänge, die er in tiefster Seele verabscheuete.

Es kam die Gelegenheit, bei der es sich zeigen mußte, ob die alte Kirche zu einer ernstlichen Reform der Geistlichkeit, wie man es in Spanien stets behauptet hatte, geneigt, ob sie einer tief einschneidenden Aenderung fähig sei. Papst Leo starb am 1. December 1521. Auf den italienischen Humanisten und schlauen Politiker folgte jezt der alte Lehrer des Kaisers, der sittenreine aber pedantische, der gutgesinnte

und eifrige, aber schwächliche und unpraktische Papst Hadrian VI. Wenn seine bedächtige Gewissenhaftigkeit schon auf politischem Gebiete seinem kaiserlichen Zögling sofort ernstliche Ungelegenheiten bereitete, wenn er die allgemeine Neutralität und Unparteilichkeit des Stuhles Petri als sein politisches Programm aufstellend nur langsam und schwer zur Theilnahme an der vom Kaiser gewollten Offensive gegen Frankreich bewogen werden konnte, so schadete auch seine Offenherzigkeit und Wahrhaftigkeit auf kirchlicher Seite der Sache dieser Kirche. Seinem deutschen Nuntius ertheilte er Instructionen, die alle Schwächen und Blößen in den kirchlichen Zuständen ungescheut aufbeckten und von päpstlicher Seite eine eingreifende Besserung und Heilung zusagten, aber der deutsche Reichstag von 1523, der mehr und mehr von den reformatorischen Tendenzen erfüllt war, antwortete auf dies Sündenbekenntniß des römischen Papstes laut und vernehmlich mit der Forderung eines allge= meinen freien und christlichen Conziles: dort auf dem Conzil erst sollten die Lehrstreitigkeiten entschieden und neue kirchliche Anordnungen getroffen werden, an eine Durchführung des Wormser Ediktes, dies war das Resultat des Nürnberger Tages, dachte man in Deutschland nicht.

Als nun den Wechselfällen des französischen Krieges entgegen auch dieser Papst von dem Kaiser zur engeren Verbindung genöthigt, und als Karl's fester katholischer Sinn den deutschen Forderungen und Be= schlüssen sein Machtwort entgegengestellt, da starb Papst Hadrian und die kaiserliche Politik hatte aufs Neue die Stürme eines Conclave zu bestehen; es gelang ihr mit dem ganzen Aufgebot ihrer Kräfte, diesmal den eigentlich gewollten Candidaten durchzusetzen, den Cardinalnepoten Leos Giulio de Medici: er nannte sich Papst Clemens VII.

Selten hat ein Mensch die von ihm gehegten Erwartungen in solchem Maße getäuscht. Medici, ein Mann der feineren humanistischen. Bildung, hatte in dem Rufe gestanden, Leos Pontifikat durchaus selbst= ständig und in confequentem Sinne geleitet zu haben, die Seele jener glänzenden und erfolgreichen Regierung gewesen zu sein. Da er bisher des Kaisers und Spaniens Sache auf das Lebhafteste vertreten, und da er seine Erhöhung vor allem dem kaiserlichen Worte verdankte, so glaubte man allgemein der kaiserlich-päpstlichen Allianz den festesten Be= stand weissagen zu dürfen. Wie verschieden erscheint da der Papst Clemens von dem Cardinal Medici: die Leitung der päpstlichen Politik gerieth in seiner Hand in beständiges Schwanken und Zittern; zuerst wenig, dann mehr und mehr entfernte sie sich vom kaiserlichen Willen, sie ist nachher vollständig im französischen Lager gelandet. Allein des

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