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kann auf die Darstellung des die Empfindung hervorrufenden Objekts gelegt werden; die ästhetische, interesselose Freude an dem Wahrgenommenen, an den Linien, Farben, Tönen, Gerüchen als Eigenschaften eines Objektes kann das einzige begleitende Gefühl sein. Die Empfindung ruft dann nur das ihr direkt zukommende Gefühl wach und diejenigen Gefühle, die durch die Vereinigung der Empfindungen zur geordneten Vorstellung hervorgerufen werden. Diese einfachen Gefühle sind ungleich zahlreicher als die sinnlichen Empfindungen und gestatten ein beständiges Fortschreiten aus dem einen zu dem andern innerhalb der Sphäre der einfachen Gefühle, während man bei einer sinnlichen Empfindung nur aus der einen Empfindung zu einem Gefühl oder von einer Empfindung zu einer andern, nur zufällig folgenden, fortschreiten kann. Solche einfachen Gefühle knüpfen sich auch an durchaus komplizierte psychische Gebilde, denen keine einzelne sinnliche Empfindung entspricht, sondern ein ganzer Komplex, während das an den Vorgang geknüpfte Gefühl einheitlich ist. So ist z. B. das Gefühl der Tonharmonie ebensogut ein einfaches Gefühl, als das an einen einzelnen Ton gebundene. Zwar sind mehrere Tonempfindungen nötig, um eine Tonharmonie hervorzubringen, so daß eine Mannigfaltigkeit der Empfindungen zu konstatieren ist; aber das Gefühl der Harmonie einer bestimmten Art sei es Dur oder Moll, ein verminderter oder übermäßiger Akkord unterscheidet sich so deutlich als ein einheitliches Gefühl von den einzelnen Gefühlen, die die sinnliche Empfindung eines bestimmten Tones hervorruft, daß wir erkennen, daß hier neben den Einzelgefühlen ein neues Gefühl von durchaus unzerlegbarer Einheit aufgetreten ist. Dieses Beispiel verdeutlicht den Unterschied zwischen Empfindung und Gefühl und läßt den unendlichen Reichtum und die Zusammensetzbarkeit der Gefühle und Gefühls

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resultanten ahnen. Dieses sinnliche Gefühl oder dieser Gefühlston der Empfindung ist also das zweite Element des Seelenlebens.

Seine Stärke hängt nicht nur von der Stärke der Empfindung ab, sondern auch von der Organisation des fühlenden Subjekts und so kann bei geringem Aufnahmevermögen der Sinne doch eine große Intensität des Gefühls bei der Aufnahme eines Sinneseindrucks vorhanden sein. Während Tennyson in Oenone sagt:

There lies a vale in Ida, lovelier
Than all the valleys of Ionian hills.

The swimming vapour slopes athwart the glen,
Puts forth an arm, and creeps from pine to pine,
And loiters, slowly drawn. On either hand
The lawns and meadow-ledges midway down
Hang rich in flowers, and far below them roars
The long brook falling thro' the clov'n ravine
In cataract after cataract to the sea.
Behind the valley topmost Gargarus

Stands up and takes the morning: but in front
The gorges, opening wide apart, reveal

Troas and Ilion's column'd citadel

The crown of Troas.

schildert Keats (Hyperion, Book I 1–14):

Deep in the shady sadness of a vale
Far sunken from the healthy breath of morn,
Far from the fiery noon, and eve's one star,
Sat gray-hair'd Saturn, quiet as a stone,
Still as the silence round about his lair;
Forest on forest hung about his head

Like cloud on cloud. No stir of air was there,

Not so much life as on a summer's day

Robs not one light seed from the feathered grass,
But where the dead leaf fell, there did it rest.
A stream went voiceless by, still deadened more
By reason of his fallen divinity

Spreading a shade: the Naiad 'mid her reeds
Press'd her cold finger closer to her lips.

Beiträge zur neueren Literaturgeschichte. I, 2.

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Die Vorstellung ist bei weitem nicht so klar und ins einzelne gehend, dagegen zeigt sich ein intensives Gefühl für die Stimmung des Gesamteindrucks. Die Empfindung wird sozusagen direkt, noch in ihrer Vereinzelung, ehe sie sich in größere Begriffszusammenhänge eingefügt hat, dichterisch verwertet kraft der ihr schon in ihrer Vereinzelung bei Keats zukommenden Gefühlsintensität.

Wir werden nun untersuchen, wie es Keats möglich. war, schon die einzelne Empfindung mit solcher Gefühlsintensität aufzufassen, und gehen nun dazu über, den

Gefühlston der Empfindung bei Keats

zu betrachten.

Das Auffallendste in der Keatsschen Dichtung ist der starke physiologische Einschlag. Nicht das Sinnliche, soweit es in der Aufnahme äußerer Eindrücke besteht, sondern das körperliche Element, die Empfindung eines inneren, physiologischen Zustandes ist es, was die Wärme und Intensität seiner Lyrik bewirkt. Deshalb sagt Brandes von ihm (Hauptströmungen S. 157): „Sollte ich seine Naturmalerei mit derjenigen Wordsworths vergleichen, so würde ich sagen: Dieser führt uns in die wirkliche Flora hinaus, aber bei Keats treten wir in ein Treibhaus: eine milde, feuchte Wärme strömt uns entgegen, bunte Blumen und safttriefende Früchte begegnen. unserem Auge, und schlanke Palmen, durch deren Zweige kein unsanfter Wind zu sausen vermag, bewegen nickend ihre langen, breiten Wedel." - Es ist eben der körperliche, nicht der psychische Teil der Empfindung allein, der sich in Keats' Gedichten ausspricht, daher die unglaubliche Wärme und Verfeinerung innerhalb der Sphäre der Empfindung und des mit ihr direkt verknüpften Gefühls selbst, ehe der Übergang der Empfindung in gedankliche Zusammenhänge stattgefunden hat. Alles Intel

lektuelle wird verschmäht, wenigstens nur in einer körperlichen Rückwirkung dargestellt. Die Empfindung fließt sozusagen von der äußeren Natur in den Dichter über und dies Wahrnehmen, nicht die Wahrnehmung, ist der Genuß, den die Natur bereitet. Sehen wir z. B., wie Keats die Waldeinsamkeit darstellt, Endymion I 79-88: Paths there were many,

Winding through palmy fern, and rushes fenny,
And ivy banks; all leading pleasantly

To a wide lawn, whence one could only see
Stems thronging all around between the swell
Of turf and slanting branches: who could tell
The freshness of the space of heaven above,
Edg'd round with dark tree tops? through which a dove
Would often beat its wings, and often too

A little cloud would move across the blue.

Wenn wir die Vorstellungen analysieren, die wir beim Lesen dieser Stelle in uns erzeugen, so finden wir nicht nur ein Bild dieses rasigen Waldplätzchens, sondern auch in irgend einer, vielleicht etwas abgeschwächten Form die Vorstellung unserer selbst in dieser Umgebung, den körperlichen Zauber dieser Waldeinsamkeit genießend. Hier ist verwirklicht, was Herder verlangt (Vom Gefühl des Schönen und Physiologie überhaupt, Suphansche Ausg. Bd. VIII, Studien und Entwürfe zur Plastik S. 99): „Der kühle Zephyr und der erwärmende Sonnenstrahl und der den Baum durchwehende Wind und der duftende Blumenteppich muß uns kühlen, uns erwärmen, uns durchrauschen; dann fühlen wir die Natur." So finden wir bei Keats einen förmlichen Hunger nach Eindrücken für alle Sinne: wechselnde Formen und Linien, Farbenpracht, Klänge und Töne, und daneben auch Eindrücke für die Sinne, die den Dichter sonst weniger beschäftigen, die aber wegen ihrer viel unmittelbareren Wirkung auf die physiologische Stimmung von Keats besonders bevorzugt werden, obgleich sie keine so

deutliche Vorstellung erlauben - Töne, Gerüche, Wärmeund Kälteempfindungen.

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Gleich das erste Gedicht in dem Bande von 1817, der kurze Endymion" mit der Anfangszeile: I stood tip-toe upon a little hill möge diese Behauptung rechtfertigen. Da heißt es z. B.:

There crept

A little noiseless noise among the leaves,

Born of the very sigh that silence heaves.

Wie unnachahmlich ist die physiologische Stimmung des Schweigens in der Natur, des leisen noiseless noise wiedergegeben! Und das Gefühl der Befreiung, das eine weite Aussicht gewährt:

There was wide wand'ring for the greediest eye,

To peer about upon variety:

Far round the horizon's crystal air to skim,

And trace the dwindled edgings of its brim;

To picture out the quaint, and curious bending
Of a fresh woodland alley, never ending;

Or by the bowery clefts, and leafy shelves,
Guess where the jaunty streams refresh themselves.
I gazed a while, and felt as light, and free

As though the fanning wings of Mercury

Had play'd upon my heels: I was light-hearted...

Dann das Aufgehen in der Natur, das völlige Einfühlen in dem Bilde:

And clumps of wood-bine taking the soft wind

Upon their summer thrones.

Das ist nicht die malerische Anschauung Wordsworths, sondern eine ganz eigene Intensität des sinnlichen Lebensgefühls, des Sichempfindens in allem, was die Natur den Sinnen darbietet. Dieselbe naive Beseelung läßt die Windungen der jungen Erbsenranken wie das Umhertasten der Kinder erscheinen:

Sweet peas with

... taper fingers catching at all things
To bind them all about with tiny rings.

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