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verweigert und ihre Reste wurden außerhalb der Stadt in ungeweihter Erde beigesezt. Für Brenz aber öffnete sich in demselben Jahr mit Billikan ein neuer, ausgedehnter Wirkungskreis, zu dem er durch seine zehnjährigen Studien und praktischen Leistungen in Heidelberg sich umfassend vorbereitet hatte; er ward im Sommer 1522, zu derselben Zeit, als die östreichische Regierung so grausam gegen die lutherische Lehre auftrat und viel mächtigere Städte ihre Prediger verjagten, vom Rath zu Schwäbisch - Hall auf die Empfehlung Johann Jsenmann's von Hall, der damals in Heidelberg studirte, zum Prediger berufen.

Zweiter Abschnitt.

Brenz's Berufung nach Schwäbisch-Hall. Erfle kirchliche Thätig= keit hier.

Es war eine That des Glaubens diese Berufung eines Predigers, der schon auf seiner akademischen Stelle in Heidelberg die Aufmerksamkeit und das Mißtrauen der Gegner der Reformation erregt hatte. Aber das Volk in Schwaben verlangte mit merkwürdiger Einhelligkeit Prediger. Schon in dem dem Beginn der Reformation vorangehenden Jahrzehent hatte sich in Hall Sebastian Brenneisen als Prediger Vertrauen erworben. Mit dem Beginn des 16. Jahrhunderts war das Patronat der Pfarr- Kirche zu St. Michael, der Hauptkirche zu Hall, nach langem Streit mit dem benachbarten Stift Comburg an die Stadt übergegangen. Ein Haller Bürgerssohn, Johann Isenmann (eigentlich Eisenmann, Eisenmenger), wurde 1514 zur Pfarrstelle dieser Kirche bestimmt, hatte aber erst seine Studien zu vollenden, die ihn nach Heidelberg und hier zur nähern Bekanntschaft mit Brenz führten, den er 1522 zum,,Prediger" empfahl, während er ein Jahr nachher die Stelle des Pfarrers neben Brenz antrat.

Als Brenz am 8. September 1522 seine Probepredigt hielt, gefiel er so gut, daß die Wahl einstimmig auf ihn fiel. So jung er auch noch war, der Anstand, die Würde seines Auftretens, der gediegene Inhalt seines Vortrags überwanden jedes Bedenken. Mit der Mäßigung und Ruhe, die unseren Reformator in den verschiedensten Lagen und Verhältnissen seines thätigen und bewegten Lebens auszeichneten, begann er seine kirchliche Wirksamkeit. Er las noch bis 1523 die Messe, doch mit der Erklärung, daß er sie nicht als Opfer betrachte. In seinen Predigten drang er auf das Wort Gottes, wandte sich an die innersten Bedürfnisse seiner Zuhörer und zeichnete ihnen in einfach herzlicher Sprache die dem gläubigen Gemüth durch das Evangelium zu Theil werdende Befriedigung, wie die ernsten Pflichten vor, die es seinen Bekennern auferlegt. Die Seligkeit beruhe auf dem rechten

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Glauben, wie Christus sagt: dein Glaube hat dich selig gemacht. Aber dieser Glaube müsse mit der Liebe verbunden sein. Es ist nit eine vollkommene Red, da man spricht: die Seligkeit stehe in dem, daß man den seligen Zusagungen Gottes glaube, wiewohl nichts ist, das den Menschen mehr fördert oder zeucht zu einem rechten christlichen Glauben, denn daß er der gnädigen Zusagung Gottes, uns in dem Sakrament verheißen, glaub, daß sie wahr sei; aber daß endlich die Seligkeit in demselben stehe, das laß ich bleiben. Vielmehr steht der recht christliche Glaub in einem innerlichen Vertrauen auf das ewige Gotteswort, das die Lieb ist, das der Vater niemand sendet, als denen, die Gott recht lieb handt, wie Christus spricht: wer mich lieb hat, der wird von meinem Vater liebgehabt." Brenz nennt dieß das innerliche Wort, im Gegensaß gegen den todten Buchstaben, die innerliche Ansprache, gegenüber dem vom Mund des Predigers ausgehenden Wort. „Gott will das Herz des Menschen haben und über alle Dinge von uns geliebt sein. Ist des Menschen Liebe recht auf Gott gerichtet, so sucht er auch in jeglichem Werk, wie gering es auch sei, Gott zu gefallen, und das ist der Glaube, davon Paulus spricht: der Gerechte lebt aus dem Glauben, und Christus : wer mein Gebot hält, der ists, der mich lieb hat. Aber sprichst du: Welcher Mensch vermag so zu leben und Gott zu lieben, daß er mög Vertrauen haben, daß seine Werke Gott gefallen? Mit seinen Werken kommt Keiner allerdings nicht dazu; das begehrt auch Gott nit, sondern er begehrt allein einen guten Willen, daß er bereit sei, zu aller Zeit und in all seinem Thun Gott zu gefallen. Dann beurtheilt Gott den Menschen nit nach seinen Werken, sondern nach seinem Willen und so der Mensch gewahr wird dieser großen Barmherzigkeit Gottes, da entspringt ihm ein herzliches Vertrauen in Gott und spricht: Herr, erbarme dich meiner! und Christus spricht: Sohn, habe Vertrauen, dir werden deine Sünden vergeben!"

Nachdem Brenz so durch die Verkündigung der Grundlehre des Evangeliums die Gemüther vorbereitet, griff er die Hauptirrthümer der herrschenden Kirchenlehre und Gebräuche offen an. In einer Predigt am Jakobustag 1553 erkennt er von den Heiligen an, daß die ältesten Lehrer uns deren Exempel mit Recht vorgehalten, aber nicht sowohl ihre Werke, Verdienst, unnöthige Wunder, als den von ihnen im Leben und Leiden erwiesenen standhaften Glauben. Statt dieß zu rühmen, habe man sie den Christen als Gott selbst hingehalten, auf sie sollen wir das Vertrauen sezen, als Nothhelfer und Vertreter vor Gott. Der Heiligendienst sei zur Abgötterei geworden, wir suchen an den Heiligen nicht das, was zu suchen wäre, sondern das, was sie selbst nicht begehrt. Die Heiligen gegen Krankheiten und dergl. ehren, ist nicht anders, denn ein zerspalten Gebet machen; auf der einen Seite beten wir: Dein Wille geschehe; auf der andern: liebe Heiligen, verhindert den Willen Gottes! So nun solcher Irrsal wird verworfen, so schreit der Haufe: soll man die Heiligen nicht ehren? Das ist nicht zu verwerfen,

was die Heiligen gelehrt oder wie sie dem Glauben ähnlich gelebt haben, aber all ihr Ehr ist allein Christi, und nit ihr selbst. Was sie haben, haben sie empfangen, und ein entlehnt Ding, wem mag es billiger zugeschrieben werden, denn dem Lehnherrn? Unsere größte Sorge soll die sein, nicht wie wir die abgestorbenen Heiligen bitten, sondern wie wir gleich ihnen Gott anhangen, in göttlichem Leben erhalten werden, welches geschieht durch's Gebet und den Geist Gottes, der in allen Gliedern wirkt, wiewohl vielerlei Gaben find. Der Geist vertritt uns, wo wir zu schwach wären. Die wahre Ehrerbietung der Heiligen besteht im Glauben und Hoffen. Dieweil aber diese zwei allein auf Gott gelegt werden sollen, begehren sie auch der Ehre nicht, sowenig sie auf Erden begehrt haben, daß man auf sie hoffe und vertrau. Du sagst: es sei bei Gott wie bei einem Fürsten; wolle einer bei dem sich um etwas bewerben, so müsse man sich ihm vorher zum Freund machen durch den Canzler. Bei Gott aber bedürfen wir keines Canzlers, denn den einigen, unsern Herrn Jesus Christus, der hat uns Gott schon zum Freund gemacht durch seinen Tod, daß wir allweg dürfen kecklich unerschrocken vor ihn treten. Vollbring den Willen Gottes, so hast du das ganze himmlische Heer geehrt, der Wille Gottes aber ist Glauben an Christum, in Christum glauben aber heißt das Kreuz auf sich nehmen und Christo nachfolgen. Weiter glaub und vertrau wie die Heiligen, so machst du den ganzen Himmel voll Freud. (Luk. 15.) Willt du recht wahrlich dem himmlischen Herrn zu Tanz schlagen, darfst du nit mit Wallen, Feiern, Opfern und dergl. pfeifen, sondern pfeif mit Besserung deines Lebens nach dem Willen Gottes, das verleih uns Gott!“

Hierauf trat Brenz dem Uebel näher an die Wurzel, indem er der heuchlerischen Geistlichkeit und der rein veräußerlichten Kirche die Larve abzog. Die,, falsch genannt Geistlichen" seien es, die die Leute mit ihrer Kirche, deren sie sich berühmen, verführen. Sie prangen fast sehr mit der äußerlichen christlichen Kirche und sprechen: dieß hat die Kirche angenommen, das hat sie verbannt und verworfen, das gebeut, das verbeut fie, wer anders rede, sei ein Kezer! Das sei aber nichts, denn lauter Gedicht. Was die Kirche annimmt oder verwirft, in dem ist nicht die Seligkeit. Warum? da es ist lauter Aeußerheit, davon Paulus spricht: alles Fleisch ist als Heu, gehört in Backofen. Will der Mensch ein Christ sein und selig werden, so muß er Christum, sein Leben und seine Lehre annehmen, dann hat er alles, das ihm nöthig zur Seligkeit. Hat aber nit die Kirche auch Christum, sein Leben und seine Lehre angenommen? Wie sagst du denn, es steh nit die Seligkeit in dem, das die Kirche angenommen? Ich antwort: Nein, die Kirche hat nit Christum und sein Leben angenommen, sonst hätt müssen die Kirche zuvorgewesen sein ehe sie Christum angenommen und das ist nicht möglich. Die Wahrheit ist, daß Juden und Heiden haben Christum, sein Leben und seine Lehren angenommen und sind dadurch Christen und nachfolgends die äußerliche christliche Kirche geworden, und hat die Kirche ihren

Ursprung von den frommen Christenmenschen, doch nit, daß die Menschen ihre Seligkeit haben von der äußerlichen Kirche und ihren läppischen und unnügen Geboten. Verflucht sei der Mensch, sagt Jeremias (17, 5.), der sein Vertrauen sezt in den Menschen und damit weicht von seinem Gott!“

In einer Predigt: „welches da sei die rechte, wahre, christliche Kirche," vom Jahr 1523, führt Brenz den Unterschied zwischen der sichtbaren und unsichtbaren Kirche auf den Begriff des Glaubens zurück, der selbst auf ein Unsichtbares gehe, Ebr. 11. Wenn man an eine, heilige christliche Kirche glaube, so sei das keine äußerliche Versammlung, sondern ein geistlicher Leib, allein mit den Augen des Glaubens begreiflich. Die Glieder dieses Leibs seien die Auserwählten. Da sei kein Unterschied der Zeit und der Stätten, du seist wo du wollst, nicht allein zu Rom, auch am Ende der Welt sei der Leib der Kirche. Lange vor den Aposteln seien schon Abraham, Jakob und die Propheten Glieder des einigen Leibs Christi gewesen. Du seist bekleidet mit grauen oder blauen Kleidern, bist du doch auserwählt, wenn du den wahren Glauben haft. Ja, wo am allermeisten Gepränge und äußerlich hoch Fürgeben, daselbst ist die Kirche am wenigsten, so Gott pflegt zu wohnen in den Verworfenen. Auch hat Christus wollen geboren werden zu Bethlehem, damit er beweise, seine Kirche sei unansehnlich. Daraus ist zu entnehmen, daß die rechte Kirche nit an diesem Ort ist, wo Papst, Bischöfe u. s. w. zusammenkommen, sie seien denn Christo durch den Glauben eingeleibt und seine Glieder worden, sondern allein die, die in dem Geist Gottes und in Wahrheit versammelt sind, sie seien Laien oder Priester, geistlich oder weltlich, dieweil es ein verborgener Leib ist und allein durch die Liebe offenbar wird. Das sind die Heiligen, wie sie Paulus 1. Cor. anredet, ob sie schon keinen bestimmten Tag zu feiern haben oder in dem Kalender nit beschrieben gefunden werden. Das ist die Kirch, die nit irren mag, weil sie durch den Geist Gottes allzeit regiert wird und sich in ihren Früchten bezeugt, freilich am wenigsten mit den genannten Geißtlichen, da sich die brüderliche Liebe am wenigsten bei ihnen sehen läßt. Christus hat seine Kirche nicht verlaffen und dieselbe einem andern befohlen, gleich als hätt er nit so große Lieb zu ihr, daß er sie selbst regiere. Er ist das Haupt und kein Mensch kann sein Statthalter sein. Matth. 16. ist Petrus allgemeiner Name, s. v. a. Bekenner des rechten Felsen; auf jeglichen solchen starken Glauben, nit auf den Papst, auch nit auf Paul und Petrus will ich meine Kirche bauen. Sie hätte fürwahr ein strohern Fundament, so sie auf St. Peter gebaut wäre, der sich ein Weibsbild ließ umstoßen, so er Christum verleugnet. Vielmehr weis't er selbst 1. B. 2, 8. auf Christum als den Felsen. Nun ist aber Christus nit allein das Fundament, sondern auch der einige Priester, der seine Kirche vor Gott vertritt. Durch Christus ist uns der Zugang zu Gott geöffnet. Was in unserm Haupt Christo ist, fließt von ihm auch uns zu, gleichwie in die menschlichen Glieder das menschliche Haupt seinen Einfluß hat. Wer

Christo, dem wahren Haupt und Priester durch den Glauben in der Taufe eingeleibt ist und den Geist Christi empfangen hat, derselb steht in einem ungetheilten Gut mit Christo, und weil sein Herr ein Haupt und König ist der Sünde, des Todes und der Hölle, so wird derselb Mensch auch ein König. Und weil sein Haupt ein Priester, wird er durch den Geist seines Haupts auch ein Priester, daß er mit seinem Gebet fröhlich vor Gott andrer Lente Sünde vertreten mag, und solchen Priestern, welches all wahre, rechte, gläubige Christen sind, ist der Schlüssel der Kirche verliehen worden, denn der Schlüssel der Kirche ist der heilige Geist, der allen gegeben ist, das unvertilgliche Zeichen, der character indelebilis, den sich bisher die Pfaffen allein zugeschrieben haben. Wer wahrlich und festiglich bekennt, das Petrus bekannt hat, demselben ist gegeben Gewalt zu binden und zu lösen. Glaubst du, so lös't du dich, glaubst du nit, so schleußt du dir selbst die Thür zu; Niemand kann dich absolviren, du habst denn vorhin dich selbst durch den Glauben gelöst. Und solches ist der Kirche Gewalt, durch den Glauben sich selbst entbinden und andern Mitgliedern anzeigen ihres Unglaubens halb, daher denn der Bann kommt, 1. Kor. 5, der allein eine Anzeige ist des innern Banns, damit jeder sich selbst vorhin verknüpft hat durch die Sünde des Mißglaubens. Darum kann kein Mensch den andern selig machen oder verdammen, sondern allein der rechte Glaube oder der Mißglaube.

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‚Was sind aber die jeßigen Priester? sie sollten der wahren Priester Diener sein und tragen ein zweifach Amt: predigen das Wort Gottes und die Sakramente reichen. Das sind die zwei wesentlichen Stücke eines Priesters und nit Platten, Kappen und Meßlesen, denn da Christus seine Jünger ausschickt, sagt er nit: gehet hin, scheeret euch, tragt Kappen u. f. w. sondern : tauft, predigt das Evangelium!“

Wir sehen, wie Brenz gemäß den von seinem hochverehrten Meister in Wittenberg schon in der Schrift:,,An den Adel deutscher Nation" und in der Freiheit eines Christenmenschen" 1520 entwickelten Grundsäßen das allgemeine christliche Priesterthum hervorhebt, aus der heiligen Schrift begründet und im Sakrament den Priestern, als Dienern der Gemeinde blos den Beruf einräumt, das Wort Christi, die Zusicherung der Gnade den Gläubigen vorzuhalten, „deines Gottes Wort und Botschaft, daß du von der Sünde los seist, dir zu bringen", wie Luther im Sermon von dem Saframent der Buße sagt; „das aber,“ fährt Luther fort, „kann so gut als der Papst und Bischof der geringste Priester, ja, wo ein Priester nicht ist, ebensoviel ein jeglich Christenmensch, ob es schon ein Weib oder Kind wäre. Denn welch Christenmensch zu dir sagen kann: dir vergiebt Gott deine Sünden in dem Namen Christi, und du das Wort kannst fahen mit festem Glauben, als sprech's Gott zu dir, so bist du gewiß in demselben Glauben absolvirt.“

Es ist unschwer zu begreifen, daß Brenz durch diese Predigten die allgemeinste Aufmerksamkeit erregte, Vieler Herzen dem reinen Schriftwort

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