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einigung zum Heile der Kirche. In der Schrift selbst, die ziemlich genau dem Gedankengang der zu bekämpfenden Abhandlung folgt, wird zuerst an die Uneinigkeit der Gegner -- Karlstadt, Zwingli, Dekolampad — unter sich, in der Hauptsache, der Erklärung der Einseßungsworte, als sehr ungünstiges Präjudiz gegen das Ganze erinnert und sodann Verwahrung eingelegt sowol gegen die Ableitung der eigenen Lehre aus der Scholastik, namentlich des Lombarden, als gegen die Zusammenwerfung derselben mit der papistischen Lehre und Uebung (p. 156 f.). Allerdings sei mit der lezteren das Sakrament für mehr zu halten, als für ein bloßes Symbol: denn ein solches gewähre nicht den Trost der Sündenvergebung und Stärkung des Glaubens. Dazu müsse sich mit dem Mahle das Wort Christi verbinden. Dieses aber sei - gegen Defolampads Wunderscheu - als Gottes Wort in der That ein Wunder, in dem Sinn wie Paulus sagt: das Evangelium sei eine Kraft Gottes, selig zu machen u. s. w. und wie auch Christi Worte nie blos Zeichen und Sinnbilder der Beseligung, sondern stets von wunderbaren Wohlthaten und Segnungen begleitet gewesen seien. So bringt uns nun sein Wort wirklich seinen Leib und sein Blut; habe aber das Wort die Energie, uns den leiblichen Leib Christi für sich zu bringen, so werde es diese Kraft auch behalten, wenn es zu Brod und Kelch tritt, bringt es doch zu diesen (in diese) nur was es an sich enthält (p. 158 — 162).

Sofort werden Dekolampads patristische Beweise mit der ausschließlichen Auctorität der heil. Schrift zurückgewiesen, übrigens doch auch der symbolischen Auffassung Tertullians die Realisten Chrysostomus, Augustin, Theophylaft gegenübergestellt (p. 162–164). Es folgt die exegetische Beweisführung (p. 164—176), die freilich gegen die hermeneutischen Grundsäße des biblischen Theologen, als welcher Dekolampad heute mehr und mehr anerkannt wird, merklich zurücksteht. Es wird zugegeben, daß in der Schrift da und dort das Wort „ist“ tropisch gebraucht sei, doch nur in Gleichnissen und Traumdeutungen, oder wenn Paulus da, wo er Christum den Fels (von dem die Israeliten tranken) nennt, ausdrücklich den Tropus selbst kennzeichnet, durch die Bezeichnung des Felsen als eines geistigen. Ebenso, wenn Christus zu Maria sage: Weib, das ist dein Sohn. In den Einsegungsworten dagegen sei die tropische Erklärung durch den auf den realen Leib gehenden Zusag: welcher für euch gegeben wird, abgeschnitten. Die Taube bei Jesu Taufe, die feurigen Zungen am Pfingstfest und Aehnliches seien freilich nur Offenbarungssymbole gewesen, von ihnen sage aber auch die Schrift nicht: sie waren der heilige Geist. Im Uebrigen wird eine weitere Ausdehnung tropischer Erklärung durch den Fehlschluß lächerlich gemacht: der Rabe ist schwarz, also auch der Schwan; Absalon war schön, also auch der homerische Thersites — das heißt: was an einem Ort ist, muß überall sein. Gebe man bei den Einsegungsworten zu, das Brot sei nur ein Zeichen des Leibs: wer bürge dafür, daß nicht z. B. an den Stellen, wo Jesus der

geliebte Sohn Gottes heißt, auch eine tropische Deutung geltend gemacht werde? Es sei zu fürchten, daß durch solche Erklärungen der äußere Christus, das äußere Wort allmälig abgeschafft werden. Schon höre man fragen: Was gilt das äußere Wort Gottes? sollen uns Buchstaben, Sylben helfen? So werde man bald auch fragen: Was ist der äußere Christus, was ist der Mensch, das bloße Fleisch? Der Teufel mache jezt aus dem Leibe Christi ein bloßes Zeichen, bald werde er aus dem Frieden ein Zeichen des Friedens, aus Christus ein Phantom, Zeichen und Spiegel machen.

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Auf den Einwurf Dekolampads: Christus habe gesagt: das thut zu meinem Gedächtniß, Erinnerung aber seße den Gegenstand, an welchen man fich erinnere, als abwesend voraus, und auch die Zeichen, Brod und Wein, fönnen nur einen abwesenden Gegenstand bezeichnen, erwiedern die Syngrammatisten, die hiermit die mehr dogmatische Ausführung am Anfang der Schrift allmälig wieder aufnehmen: jene Symbole bei der Taufe Jesu, am Pfingstfest sollten ja auch den bezeichneten Gegenstand nicht als abwesend, fondern gerade als gegenwärtig darstellen, eben die Gegenwart des heiligen Geistes anzeigen. So hat auch der Glaube – denn nur dem Uugläubigen ist Gott fern Gott, und wenn er das Fleisch und Blut Christi genießet, dieses gegenwärtig. Er erhält aber diese Wohlthat durch das Wort, wie unsund das ist der dogmatische Hauptgedanke der Schrift (p. 160, 176, 177, 180) alle Wohlthaten und Gaben Gottes durch das Wort Gottes geoffenbart, vor Augen gelegt, zu Theil werden. So hatten die Apostel von Christus, ob er gleich allein Urheber der Sündenvergebung ist, den Auftrag erhalten, sie allen zu verkündigen, und wenn er schon zur Rechten Gottes erhöht war, wurde diese Wohlthat auf sein Wort durch fie Vielen zu Theil: wie sollte nicht, was bei der Sündenvergebung geschieht, auch bei Leib und Blut Christi geschehen? Denn nur durch sie wird uns ja jene zu Theil, weil ohne Blut keine Reinigung, ohne Gegenwart des Bluts keine Wirkung.

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So haben wir also nicht das Wort allein, sondern durch dasselbe auch die Gegenwart des Leibes und Blutes. Wie ist aber diese möglich und denkbar? Der Glaube, erwiedern die Symgrammatisten, hat Manches anzunehmen, was das logische Begreifen übersteigt, wie die Wahrheit: daß die Sünden nicht mehr Sünden sein sollen, der Tod nicht mehr Tod. Wirst du etwa, weil Aristoteles nicht daran glauben würde, wenn du ihm sagtest: Christus sei das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt, auch nicht daran glauben? So bei dem heiligen Abendmahl. Wenn auch die Vernunft es nicht begreift, daß das Brod der Leib Christi sei, der Glaube hält es doch fest, weil es ihm das Wort Gottes geoffenbart hat (p. 176-180).

Muß aber, möchte einer einwenden, wenn ihr einen „,leiblichen Leib“ (p. 160) im Brod lehrt, Christus nicht immer wieder auf's Neue zu uns fominen? So wenig, antworten Jene, als Christus, der für uns Gefreuzigte und Auferstandene, deshalb für jeden Einzelnen immer wieder die Kren

zesstrafe erdulden, wieder auferstehen muß. Auch verliert Christus durch die fortgehende Austheilung seines Leibes und Blutes an uns so wenig, als der= jenige, welcher seine Lehre mittheilt, so Vielen er sie auch eröffnet, dadurch aufhört, im Befize derselben zu sein. Wenn das Brod gegessen, verdaut und aus unserem Körper wieder ausgeschieden ist: so sind dagegen die Eigenschaften des Leibes Christi ganz andere; so wenig das Wort verzehrt werden kann, so wenig der Leib Christi, der im Wort uns mitgetheilt wird. Wie das Wort des Herrn in Ewigkeit bleibt, so ist und bleibt,,der dem Wort befohlene Leib". Das Brod selbst wird als Brod gegessen und nur dieses empfangen die Ungläubigen, den Leib aber empfängt, wer gläubig das Wort Gottes empfängt: das ist mein Leib. Was man ißt, geht in den Magen, was man glaubt, in den Geist; der leibliche Leib wird nur geistig gegessen. Wenn man sagt:/ Leib und Blut wird mit dem Fleisch gegeffen, von Händen und Zähnen ergriffen und verzehrt, so ist es nur uneigentlich geredet, vom Brod übertragen.

Daraus, daß die gläubigen Väter des alten Bundes das Abendmahl nicht hatten, folge nicht, daß dieses unnüß ist. Jene genossen den Leib und das Blut Chrifti geistig; wir aber genießen seinen Leib und trinken sein Blut, indem wir durch das Brod in die Gemeinschaft mit seinem Leibe treten, doch so, daß das, was wir brechen, zermalmen, effen, Substanz des Brodes bleibt, Brod ist, der Leib Christi aber, das wahrhaft Belebende, uns durch das Wort zu Theil wird.

Aber Christus schied ja von uns und sigt nun zur Rechten Gottes? Wohl; aber ist damit auch die Vergebung der Sünden, die Heiligung, der heil. Geist von uns geschieden? dann wären wir noch in Sünde und Verdammniß! Er hat seine Segnungen vielmehr uns erhalten, und wie den heil. Geist im Wort, so theilt er uns fort und fort durch dasselbe Mittel seinen Leib und sein Blut mit. So wenig es einer neuen Ankunft Christi auf Erden bedarf, damit er sich uns im Wort mittheilt, so wenig im Leib und Blut. Er bleibt der eine, ungetheilte, zur Rechten des Vaters erhöhte Hohepriester; es bleibt ein Leib, der durch das Wort im Brod vielen Genießenden mitgetheilt wird, es bleibt seine menschliche Natur, wenn wir sie auch nicht mehr sinnlich wahrnehmen, sondern uns nur geistig mit ihm verbinden, ihn geistig genießen können. Doch mit diesem Leib und Blut, so schließen die Verfasser, suchen wir nichts Fleischliches, sondern himmlische Güter uns anzueignen, die Vergebung der Sünden und unsere Heiligung (p. 180—197).

Das Syngramma hatte das Schicksal der meisten Schriften von ähnlicher Veranlassung und Tendenz. Es erwarb sich den Beifall Derjenigen, die mit den Verfaffern in der Lehre von der realen Gegenwart Christi im Abendmahl übereinstimmten und wurde besonders von Luther, der das Büch lein selbst überseßen wollte, als ihm aber Andere zuvorkamen, wenigstens zwei von Wittenberg aus 1526 nach einander erscheinende deutsche Ueberseßungen, die eine von Agricola, die andere wahrscheinlich von Bugenhagen, mit Vor

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reden begleitete, ebenso von Melanchthon lebhaft gerühmt. Bei den Gegnern hatte es keinen andern Erfolg, als daß sie nun noch fester auf ihrer Ansicht beharrten und, Zwingli voran, über gar Vieles, über jugendliche Dreistigkeit, Ruhmsucht, Lieblosigkeit, Unverstand, Heillosigkeit der Schlüsse, Craßheit und Rohheit der Vorstellungen, Aberglauben und dergleichen mehr sich beflagten Vorwürfe, die noch in neuester Zeit mehr als billig wiederholt worden sind. Es ist wahr: der Ton der Schrift läßt heute Manches zu wünschen übrig. Aber, um gerecht zu sein, vergesse man auch nicht das Herausfordernde, das in der Art, wie Dekolampad die Sache öffentlich anregte, lag (s. o.), die Aufmerksamkeit, mit der die Schwaben ihre Schrift dem Gegner zunächst nur privatim mittheilten; man beachte, wie das Verhältniß, in welchem die Schüler und jüngeren Freunde allerdings zu dem Lehrer und ,,Vater" standen, theils in der Streitschrift selbst, theils in anderen gleichzeitigen Aeußerungen, wie in dem oben angeführten Brief von Brenz an Bucer mit tiefer Pietät berücksichtigt wird und wie durch das Ganze der Wunsch und die frohe Aussicht der Vereinigung mit dem hochgeachteten Gegner durchflingt; man erwäge endlich den polemischen Geist und Ton jener ganzen Zeit, dessen Einfluß auf Mund und Feder sich selbst der milde Dekolampad im Antisyngramma, wovon sogleich die Rede sein wird, nicht zu entziehen vermochte.

Was aber den Inhalt der Schrift betrifft, so springt zuvörderst die Uebereinstimmung der Verfasser mit Luther, der in der Schrift „Wider die himmlischen Propheten" (1525) sich bereits deutlich ausgesprochen hatte, in mehreren Hauptpunkten in die Augen. So in der Theorie vom Wort Gottes im Abendmahl, wofür Luthers bekannte Säße zu vergleichen: „Das Wort, das Wort, das Wort, hörest du Lügengeist auch? Das Wort thut's, nicht zum Kreuz, zum Sacrament oder Evangelium muß ich laufen, da finde ich das Wort, das mir die am Kreuz erworbene Vergebung austheilt, schenkt, darbeut und gibt"— ebenso in der Begründung der Nothwendigkeit der Gegenwart des Leibs im Abendmahl, welche freilich bei Luther viel bestimmter hervortritt: „,Christus hat die Erwerbung (der Sündenvergebung am Kreuze) um der Austheilung willen gethan und in die Austheilung geleget. Mir (als Einzelnem) wird das Blut Christi vergoffen, wenn mir's ausgetheilt und zugetheilt wird, daß es für mich vergossen sei, welches noch täglich gehet und gehen muß. Aber wenn nun der Leib eben nur durch das Wort, also vorherrschend auf ethisch psychologischem Weg, im Gegensatz zu dem geheimnißvoll magischen Inwohnen nach Luther, zu uns kommen soll, weil das Wort überhaupt es ist, das die Gaben Gottes und Christi, deren eine der Leib im Abendmahle ist, uns vorhält, vor Augen stellt und dadurch mittheilt *), wenn ferner Alles so sehr vom Glauben abhängig ge

*) Man beachte hier die Vorsicht mit der z. B. das lutherische nonne in hoc verbum corpus et sanguinem suum conclusit? p. 160 durch ein

macht und in den geistigen Genuß gesezt wird, daß in auffallendem Anklang an reformirte Säße z. B. p. 176 über Joh. 6. gesagt wird: Leib und Blut müssen gegenwärtig sein, um gegessen und getrunken oder, wenn du lieber willst, um geglaubt werden zu können; denn Gott selbst essen, das heißt glauben kann, nur wem Gott gegenwärtig ist; für die Gottlosen und Ungläubigen ist er abwesend, daher sie Gott auch nicht essen, das heißt nicht an Gott glauben; oder anderswo: nur was wir essen, geht in den Magen, was wir glauben, in den Geist (p. 188); geistig wie das Evangelium muß der Leib Christi genossen werden (p. 191): wenn wir an dies und Aehnliches uns erinnern, fragen wir mit Recht, ob damit noch eine natürliche Gegenwart des wahrhaftigen „,leiblichen“ Leibes im Abendmahl besteht, ob es da gelingen kann, mehr als einen ideell im Wort uns zugeeigneten Leib, also mit Luther den realen, im Wort mystisch immanenten Leib zu behaupten? Die Verfasser des Syngramma wollten das leßtere; aber der Mangel fester hermeneutischer Grundsäße, der überhaupt den ganzen Abendmahlsstreit mit hervorgerufen und so nachhaltig verwickelt hat, die Verwerfung alles Rationellen, das doch immer wieder sich einschleichen mußte, ihre Doppelstellung zum mittelalterlichen Dogma, das sie zumal anzog und abstieß, die Pietät gegen den Schweizer bei aller Abhängigkeit von Luther das alles führte fie in ein unverkennbares Schwanken, das ihnen wenigstens vorläufig, ebensowohl den festen Stand in einem der beiden Lager, als auch die Fähigkeit, zwischen den Parteien wahrhaft zu vermitteln, benahm und die Ungnade, in die es fast allenthalben fiel, immerhin theilweise begründet. Wie bald und wie entschieden freilich die Zeit sie in das reine Lutherthum trieb, werden wir unten sehen.

Rasch loderte, wie Billican am 26. November 1525 schrieb, der Funke, der sich entzündete, zum lichten Feuerbrand auf. Bald sahen sich die Schweizer von neuer Seite angegriffen. Noch im October 1525 fündigte Theobald Billican in Nördlingen seinem „Vater“ und Lehrer Dekolampad, wenn auch in mildester Weise, seine Abweichung an; und als er im November ähnlich an Urbanus Rhegius in Augsburg schrieb, veröffentlichte dieser den nichtssagenden Brief nebst seiner gleich unbedeutenden Antwort im December durch den Druck. Und, um von den bittern Ausfällen gegen Zwingli und Dekolampad von Seiten der Altgläubigen, wie des greisen Rechtslehrers und Humanisten in Freiburg, Ulrich Zasius und mehrerer englischer und französischer Theologen nicht weiter zu reden, müssen wir als Verfasser eigener Schriften gegen die Schweizer außer Luther (zunächst mit seinem heftig polternden Brief an die Reutlinger, Januar 1526) und Bugenhagen noch Bilibald Pirkheimer in Nürnberg, Andreas Osiander

beigesettes absit verbo invidia limitirt oder p. 182 durch das unbestimmte corpus verbo commendatum ausgedrückt wird.

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