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Nahrung auch den Armen zu Hülf mögen kommen, Sprüche 3.: Armuth und Reichthum gib mir nit, laß mich aber mein bescheiden Theil hinwegnehmen. Ich bitt aber auch um das Wort Gottes und Evangelion, das da ist der Seel Nahrung u. f. w. Die 6. Bitte beschließt in sich das 6., 8., 9., 10. Gebot u. f. w.

Obwohl die Wechselbeziehung von Bitten und Geboten nicht selten sinnreich ist und offenbar auf der Idee beruht, das, was im Gesez als Gebot erscheint, im Gebet als ein Gut zu erlangen und zu besigen (Palmer, Katechetik S. 306), so hat Brenz, als bald darauf Luthers Katechismen erschienen, dieselbe verlassen, dagegen die Voranstellung von Taufe und Glauben beibehalten, während Luther bekanntlich mit den zehn Geboten beginnt.

Brenz's beide Katechismen von 1527 oder 1528 wurden schon im Jahre 1529 von Vincentius Obsopöus lateinisch herausgegeben. Er selbst arbeitete sie schon 1536 wesentlich um und sprach sich über seine früheren katechetischen Arbeiten nicht auf's Günstigste aus. Doch auch in der unvollkommenen Gestalt entsprachen sie dem Bedürfniß, in Haus, Schule und Kirche das heranwachsende Géschlecht in den christlichen Grundlehren zu unterrichten, auf's Anerkennenswertheste, namentlich sind die Schriftstellen meist sehr passend gewählt und richt selten geistreich ausgelegt, und so kann auch von ihnen gerühmt werden, was Ranke vom Luther'schen von 1529 so schön sagt: daß er hinter einer leichten Hülle den Kern der Wahrheit berge, der dem Weisesten der Weisen genug thut.

Fünfter Abschnitt.

Brenz's Antheil an dem Abendmahlsstreit. Das schwäbische Syngramma. Weitere Verhandlungen bis zum Marburger Gespräch. 1525-1529.

Haben wir im Bisherigen ausschließlich die praktische Thätigkeit unseres Reformators kennen gelernt, so sehen wir nun, wie er inmitten derselben auch Kraft und Muße fand, an den gelehrten Kämpfen der Zeit rüstigen und erfolgreichen Antheil zu nehmen. Brenz's vielseitige amtliche, feelsorgerliche und kirchenordnende Thätigkeit war getragen von der gründlichsten wissenschaftlichen Durchbildung. Die noch so hoch gesteigerten Ansprüche, die sein unmittelbarer Beruf an ihn machte, hielten ihn nicht ab, den gelehrten Forschungen und Studien, vorzugsweise exegetischen und patristischen, fich mit aller Sorgfalt und Umsicht zu widmen. Er entsprach, wie Wenige, dem Bild, das der Apostel Paulus (Tit. 1, 9.) von einem Bischof entwirft, daß er „festhalte an dem Wort, das gewiß ist und der Lehre gemäß, daß er mächtig sei, beides, in der gesunden Lehre zu bestärken und die Widersprecher zu widerlegen.“

In demselben Jahr 1525, in welchem der wenn auch nur mittelbar mit

der Reformation zusammenhängende Bauernaufstand diese selbst in Gefahr brachte, entspannen sich im Schooße der jungen Kirche Kämpfe anderer Art, die mit den Waffen des Geistes geführt nur um so nachhaltigere Störungen hervorriefen und leider heute noch nicht allerwärts ausgekämpft sind, die Streitigkeiten über die Lehre vom heiligen Abendmahl. Es ist nicht nur die hervorragende Stellung unseres Brenz auch auf diesem Felde, was uns etwas länger bei der zum Theil unerquicklichen Angelegenheit verweilen heißt: die höchsten und wichtigsten Aufgaben unserer evangelischen Kirche müssen, wenn anders diese ihren geschichtlichen Ruf nicht verkennen will, dort anknüpfen, wo ihre Väter, nach kurzem Wirken in engem Zeitraum vom Schauplag abgerufen, hochwichtige Fragen theilweise offen gelassen haben.

Schon das 14. und 15. Jahrhundert sah die „Vorläufer der Reformation“, einen Wickliffe, Huß, Wessel u. A. an den kirchlichen Lehren von der wesentlichen Verwandlung des Brots und Weins im Abendmahl in den Leib und das Blut Christi (Transsubstantiation) und von dem Recht oder gar der Pflicht der Kirche, den Laien den Kelch im Abendmahl zu entziehen, mit allem Eifer rütteln. Gegen Beides und noch mehr gegen das Meßopfer, als eine das Opfer Christi beeinträchtigende Abgötterei, wandte sich sofort auch die Opposition der Reformatoren, zunächst Luthers 1520 in der Schrift „von der babylonischen Gefangenschaft“; und die Abschaffung der Messe und Aus-' theilung des Abendmahls nach der ursprünglichen Feier waren die ersten kirchlichen Thaten der neuen Aera (f. auch oben Abschnitt II. und IV.). Doch fühlte Luther hinsichtlich der Lehre vom Abendmahl anfänglich so wenig ein Bedürfniß dogmatischer Reinigung, daß erst Karlstadt, der begeisterte aber einseitige, weil nur zerstörende Anhänger der Reformation, mit seinem Sturm und Drang auch auf diesem Boden ihn in die Schranken rief. Die Läugnung der Gegenwart des Leibes Christi im Abendmahl nämlich, welche Karlstadt ,in consequenter Weiterentwicklung seiner idealistischen und schwärmerischen Richtung übrigens mit unglücklicher Verdrehung der Einsegungsworte, seit dem Herbste 1524 mit nebenbuhlerischem Eifer wider den „hinter dem Buschhaltenden" Luther in Süddeutschland, nicht ohne bedeutenden Erfolg, verbreitete *)," festigte mit einem Male Luthers bis dahin schwankende Ansicht. (,,Wider die himmlischen Propheten" Anfang 1525.) Schon war aber auch der freieren Richtung ein mächtigerer Vorkämpfer mit einem tüchtigen Geleite erstanden. Ulrich Zwingli gab seiner bis dahin mit Vorsicht und fast nur privatim, meist in Freundesbriefen vorgetragenen Ansicht durch den gleichzeitigen Druck seines unterm 16. November 1524 an den befreundeten Reutlinger Prediger Matthäus Alber gerichteten Schreibens **) und des Com

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*) C. Th. Keim in der für diesen ganzen Abschnitt wichtigen Abhandlung : Die Stellung der schwäbischen Kirchen zur zwinglisch-lutherischen Spaltung. Tüb. theol. Jahrbb. 1854. 1855.

**) Abgedruckt bei Pfaff acta et scripta publ. eccl. Wirtemb. p. 9 sqq.

mentars über die wahre und falsche Religion" allgemeine Verbreitung (März 1525). Ihm ist das Abendmahl nach Joh. 6 nur ein unkörperlicher, geistiger Genuß durch den Glauben, da das Fleisch nichts nüße; ein Symbol derer, die glauben, daß durch Christus die Sünden getilgt sind und die dafür danksagen; die Einsegungsworte sagen: das bedeutet meinen Leib, und Paulus versteht unter der „Gemeinschaft des Leibes Christi“ die Gemeinschaft mit den Brüdern. Während diese Auffassung von dem Collegen Luthers, Johann Bugenhagen, in einer nicht bedeutenden Gegenschrift bekämpft, von Bucer und Capito in Straßburg getheilt wurde: fand dieselbe in dem gelehrten Johannes Dekolampad in Basel ihren ersten wissenschaftlichen Vertreter. Dieser ließ im September 1525 seine Schrift „über die wahre Erklärung der Worte des Herrn: das ist mein Leib, nach Anleitung der ältesten kirchlichen Schriftsteller "*) erscheinen und widmete die lateinisch ge= schriebene, übrigens alsbald von L. Hezer verdeutschte Schrift mit einer vertrauensvollen Zueignung, welche zeigt, wie viel ihm daran lag, daß gerade sie nicht an ihm irre würden, „seinen geliebten Brüdern in Christus, den christlichen Predigern in Schwaben.“ Mit großem Aufwand von Gelehrsamfeit und Scharfsinn wird hier durch gute und schlechte philosophische und exegetische Beweise die Unstatthaftigkeit des den Sakramenten beigelegten wunderbaren mysteriösen Charakters, und dagegen die Nothwendigkeit einer tropischen Erklärung der Einsegungsworte (am liebsten Leib gleich Figur des Leibes) aufgedeckt; mit gutem Grund wird hiebei das echt protestantische Princip aller Schriftauslegung geltend gemacht in dem Canon: „Die Schrift darf nicht so ausgelegt werden, daß ein unpassender Sinn herauskommt, weil die Aussprüche Gottes geläutert sind wie Gold und Silber, denen nichts Unechtes beigemischt bleibt. Es ist auch darauf zu sehen, was der Zusammenhang der Rede erfordert, damit er nicht hinkend und lose erscheine; denn der heilige Geist bleibt sich selbst gleich und erlaubt sich keine verworrene Rede. Außerdem muß Schrift mit Schrift verglichen werden, auf daß sie nicht mit einander zu streiten scheinen." Wenn aber sofort die Bedeutung des Sakraments zwar in das geistliche Genießen des Fleisches Christi, in das gläubige Bewegen und Ueberdenken der Wohlthaten Christi gesezt, jedoch alsbald der Tod Christi zum bloßen Symbol herabgewürdigt und das Wort, das der Ausdruck dieses erhabenen Zeichens ist, für durchaus genügend erklärt wird, die Seele zu erlaben und zu sättigen: so schwindet offenbar der Boden, worin das Sakrament und seine objective Bedeutung wurzelt, völlig, wobei das Zugeständniß, daß die Sakramente als Bekenntnißacte zur Bewährung des Glaubens und Förderung der brüderlichen Liebe und überdieß zum Nußen des Nächsten, nicht oder weniger Gläubigen, nämlich zu seiner Beschämung, Anfeuerung u. s. w. gereichen, nur wenig befriedigen

*) Bei Pfaff 1. c. p. 41 sqq.

fann*). Nimmt man hinzu, daß der Ton der Schrift nicht durchweg „nur die edle, mit der Wahrheit auch ernstlich Frieden suchende Persönlichkeit des Verfassers" herausscheinen läßt, sondern auch andrerseits wieder die Andersdenkenden durch heftige Vorwürfe und Zusammenwerfung ihrer Ansicht mit der mittelalterlichen Lehre und Uebung entschieden herausfordert, so erklärt sich die ungünstige, vielfach feindselige Aufnahme, welche das als Friedensblatt ausgesandte Schreiben fand, zur Genüge. Und doch nur mit Widerstreben mögen es die, welchen es gewidmet war, Brenz und seine Genoffen im nördlichen Schwaben und in Franken, als Fehdehandschuh aufgenommen haben. Kam es doch von einem Manne, der mit der edelsten Begeisterung sich der Sache des Evangeliums gewidmet hatte, der um seines Charakters wie um seiner Gelehrsamkeit willen des allgemeinsten Ansehens genoß; einem Manne, dem zumal fie selbst von ihren akademischen Jahren her großentheils, wie außer Brenz noch Schnepf, Lachmann, Jsenmann, zum innigsten Danke sich verpflichtet fühlten, den in alter Anhänglichkeit Brenz erst noch im Sommer zuvor, da er in Basel sich unsicher und darob mißstimmt fühlte, zu sich nach Hall eingeladen hatte **). Und wie viel hing gerade daran, wie die Schwaben Dekolampads Schrift aufnehmen würden, für die Sache der Reformation überhaupt! Schien doch, und scheint heute noch das südwestliche Deutschland dazu berufen, zwischen dem Protestantismus des mittleren und nördlichen Deutschlands und dem der stammverwandten Schweiz zu vermitteln. Wirklich fehlte es auch nicht an Männern, welche diesen Beruf erkannten und ihm zu dienen bestrebt waren. Aber wie haltungslos waren die Versuche eines Bucer und Capito, deren Ruf zum Frieden und zur Einigkeit überallhin fort und fort erscholl; wie bald war aus dem Crailsheimer Pfarrer Adam Weiß, der mit Zwingli wie mit Brenz in Verkehr stand, ein,,deci= dirter Lutheraner“ geworden! Die Zeiten, welche das Neue in der Weltgeschichte durch ihre Helden schaffen, sind nicht dazu angethan ihre unausbleiblichen Gegensäge auch zu vermitteln; das erfordert neue Kräfte, neue Mittel. Es ist bemerkenswerth, wie Brenz eben damals, da er schon an der Erwiderung gegen Dekolampad schrieb, von dem längst befreundeten Bucer noch einmal dringend zum Frieden ermahnt wurde ***). Er wies ihn und seine Genossen hin auf das Verdienst Dekolampads, des apostolischen Mannes, um ihre ganze Bildung, pries ihn und Zwingli als ausgezeichnete Rüstzeuge unter Schweiß und Arbeit, wie sie kaum einer in Deutschland trage, nannte ihre Bekämpfung, selbst im Fall ihres Irrthums, einen Abbruch an der Herrlichkeit Christi und mahnte sie, am Geist der Schrift, den er selbst ihnen — freilich eben als die bildliche Auffassung darzulegen suchte, zu

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*) Vgl. Herzogs Urtheil im Leben Oekolampads 1, 322 ff. **) Brief vom 28. Juni 1524, bei Herzog, Oekolampad 2, 283. ***) f. Apologia Buceri fol. 3-9. 27.

lernen, daß Dekolampad keinen Finger breit von der Regel der Frömmigkeit gewichen, oder zum allerwenigsten zu schweigen, im Interesse des Evangeliums und des Symbols, das ein Symbol der Liebe sei. Aber Brenz zeigt in seiner Antwort vom 3. October *) so wenig Geneigtheit zu solch passivem Verhalten, daß er selbst Dekolampad gegenüber, „der, wenn er je von irgend einem Menschen abhängig sein könnte, vor allen anderen ihn ganz für sich in Anspruch nehmen dürfte, dem er nie genug danken, den er als seinen Lehrer wie als trefflichen Bischof der Kirche so hoch halte", das Recht der Gegenwehr und ein freies theilweise derbes - Urtheil in Anspruch nimmt. Dies Recht sollte jezt eben auch öffentlich ausgeübt werden. Denn wenige Tage vor dem Datum jenes Briefs an Bucer (3. October) hatte Brenz mit einigen Geistlichen der weiteren Umgegend in Hall, wo sie ohne sein Zuthun sich versammelt, auf ihre Bitte eine Berathung über Dekolampads Schrift geleitet. Zwar war diese keinem der schwäbischen Prediger unmittelbar vom Verfasser zugeschickt worden; aber alle sahen in ihr eine Aufforderung, sich zu sammeln zum gemeinsamen offenen Bekenntniß. Daher bei aller Hochachtung gegen den Verfasser einstimmige Verwerfung feiner Lehre, einmüthiges Verlangen, ihn schriftlich zu widerlegen. Mit Widerstreben unterzog sich Brenz dieser Aufgabe; rasch löste er sie in der Abfaffung des „sch wäbi. schen Syngramma“, das er wol nur aus Bescheidenheit, wenn nicht, Aengstlichkeit als Dictat jener Versammlung angesehn wiffen wollte. Am 21. October war die Schrift von vierzehn und mehr Theologen unterzeichnet, worauf sie unmittelbar an Dekolampad befördert wurde. Die Unterzeichneten waren: Johann Lachmann in Heilbronn, Erhard Schnepf in Wimpfen, Bernhard Griebler in Gemmingen, Johann Geyling von Ilsfeld, Hofprediger zu Heidelberg, Martin Germanus in Fürfeld, Johann Gall in Sulzfeld, Ulrich Schweiger in Weissach, Johann Waldensis (von oder in Waldau bei Gmünd oder Waldbach bei Weinsberg?), Wolfgang Taurus in Orendelfall, Johann Herold in Reinsberg, Johann Rudolphi von Dehringen, Johann J senmann, Michael Gräter und Johann Brenz in Hall und noch etliche Ungenannte. Sie erklären im Eingang ihrer Schrift, daß eben ihr Glaube an Christus, bei welchem Dekolampad sie beschworen, keinen Zwiespalt in der Kirche zu erregen, sie antreibe, sich gegen ihn zu erklären; jedoch glauben sie es ihrer Achtung gegen ihn, den sie wie einen Vater verehren, schuldig zu sein, daß sie, während Dekolampad mit seiner streitigen Ansicht sogleich öffentlich aufgetreten sei, ihm zuerst privatim ihre Schrift mittheilen **). Ihr sehnlicher Wunsch sei dabei baldige Ver

*) Bei Pfaff p. 198 sqq.

**) Das Syngramma kam indeß ohne Zuthun, ja wider Willen der Urheber noch im Jahre 1525 in Augsburg in Druck und wurde sofort 1526 mehrfach, auch in Ueberseßungen aufgelegt. Abdruck bei Pfaff 1. c. p. 153 -197. Luther schrieb eine Vorrede zu den deutschen Ueberseßungen, f. u.

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