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Ganz dasselbe tritt uns auch in den zwischen Lasky und Brenz noch in Stuttgart gewechselten Briefen entgegen: ein rührendes Verlangen des edlen Polen, endlich einmal öffentliche Anerkennung seiner „Unschuld“, feiner Uebereinstimmung mit der Augsburgischen Confession zu finden, das aufrichtige Vertrauen, daß Brenz nicht selbst noch den armen um Christi willen verbannten Gemeinden ihr Kreuz verdoppeln wolle"; und dagegen auf der andern Seite eine gewisse Härte auch dieses mildesten aller damaligen Lutheraner gegen die armen Exulanten, eine Zähigkeit, welche nur aus der Erstlingszeit einer noch nicht consolidirten Sache überhaupt, und bei Brenz noch daraus zu erklären sein dürfte, daß er nachgerade durch die unzähligen Verlegenheiten, in die ihn seine Vermittlungsversuche, wie namentlich gerade damals in den Osianderschen Streitigkeiten, verwickelt hatten, alles und jedes Vermitteln recht satt haben mochte.

Und doch war es ihm nicht vergönnt, sich schon jeder Berührung gerade mit dem Nachtmahlsstreit, den er lange genug hatte mit durchfechten müssen, zu entschlagen. Denn jedes Jahrzehnt brachte auf diesem Felde neue Fehden. Waren es 1544 die Mömpelgarder (f. v.), welche durch ihren Streit über den Genuß der Unwürdigen Brenz's Friedensruf weckten: so gab 1554 Calvin's Vertheidigungsschrift gegen Joachim Westfal in Hamburg das Signal zu ernsten Kämpfen, welche in Norddeutschland mit Heftigkeit geführt auch die Federn der schwäbischen Theologen in Bewegung sezten. Brenz gab 1556 seine,,Drei Predigten über 1. Corinth. 11." heraus, in welchen er die luth. Abendmahlslehre mit offenbarer Berücksichtigung der Calvin'schen Einwürfe vertheidigte. Im folgenden Jahre erschien, mit ähnlicher Tendenz, von Jakob Andreä die von Brenz bevorwortete Schrift: „Kurzer und einfältiger Bericht von des Herrn Nachtmahl, und wie sich ein einfältiger Christ in die langwierige Zwietracht, so sich darüber erhoben, schicken soll“ Tübingen 1557. Brenz schreibt im Vorwort: er habe die Herausgabe der Schrift gerne gesehen: „denn wer ihm helfen lassen will, dem wird in diesem Büchlein treulich die Hand geboten. Es wäre, nachdem so viele Jahre her darüber gepredigt, geschrieen, gehadert, geschändet und geschmäht, hohe Zeit, das einmal zurechtzuseßen. Wollte man ja keinem der jezt Lebenden ein Urtheil vertrauen, so sollte man doch das bittere und giftige Schänden und Schmähen aufheben und das Urtheil Christo und unsern Nachkommen überlassen. Die Feinde leben noch und werden je länger, je muthiger die alte Finsterniß wieder herfürzubringen. Inzwischen fallen wir so in einander, daß die Feinde in die Faust lachen. Wollten wir ja durch freundliche, holdselige Liebe nicht unsrem Herrn Christo dienen, seiner auserwählten Kirche und unser selbst nicht verschonen, so sollten wir doch unsern öffentlichen Feinden nicht so viel zu lieb thun, das wir ihnen durch unsere eigene Uneinigkeit zu ihrer giftigen Freude und zum Jubiliren Ursach geben. Doch weil Christus sage: es müsse Aergerniß kommen, und

er so gut sei, daß er nichts Arges gestattet, wo er nicht etwas Gutes dadurch ausrichtet, so werden die, so an der Aergernis Hauptsächer sind und sich nicht bessern, ihren Lohn empfangen und werden hinzwischen die rechte christliche Lehre und Kirche wider aller Menschen Wig und Gewalt durch Gottes Gnade dennoch erhalten und durch den heiligen Geist zubereitet. Dessen wollen wir uns trösten und dabei unsern Dienst, so wir Christo schuldig, mit allem Fleiß durch göttliche Hilfe verrichten.“

Andreä hatte seine Schrift Calvin zugesandt und erhielt ein freundliches Antwortschreiben, Lausanne 1. August 1557. Calvin erkennt hier die Unparteilichkeit des Gegners rühmend an, bedauert aber nur um so schmerzlicher die tiefe Kluft, welche er jezt größer finde, als er erwartet. Doch bittet er, der sich noch in einem Brief an Andreä vom September 1556 scharf über die „Ubiquisten" in Schwaben ausgesprochen hatte, Brenz herzlich zu grüßen.

Um dieselbe Zeit beschäftigte die Theologen unter Anderem die in Ansbach wieder aufgerührte altscholastische Frage: ob der im heiligen Abendmahl genossene Leib Christi auch in den Magen komme, verdaut werde und auf dem natürlichen Wege wieder, gleich anderen Speisen, abgehe? Markgraf Georg Friedrich ließ die Sache an die gerade zu Worms (August 1557) versammelten Theologen, Melanchthon, Brenz, Andreä, Jakob Runge aus Greifswalde und Joh. Pistorius aus Nidda gelangen und erhielt von ihnen den Entscheid, daß die Lehre von einer Verwandelung der Substanz des Brotes zu verwerfen und daher zu behaupten sei, das Brot, das nach dem Genuß in den Magen komme und verarbeitet werde, sei eine rein körperliche Speise, die den Charakter des Sacraments nicht mehr habe, weshalb man die abgeschmackte Redensart vermeiden sollte: Der Leib Christi oder Christus selbst komme in den Magen.

Indeß fand Brenz bald auch Veranlassung, sich in seinem eigenen Vaterlande von Amtswegen über die Abendmahlslehre bestimmter auszusprechen, zugleich die Quelle eines Zerwürfnisses mit so manchem alten Freunde, wie namentlich mit Melanchthon.

Ein württembergischer Prediger in der Nähe von Nürtingen, Bartholomäus Hagen, stand mit Calvin in Correspondenz und zog hauptsächlich durch seinen freundschaftlichen Verkehr mit der Mutter des Herzogs Christoph, der Herzogin Sabine, welche in Nürtingen ihren Wittwensig hatte, die Aufmerksamkeit der Behörde auf sich. Er wurde 1559 zur Einsendung seines Glaubensbekenntnisses aufgefordert und des Calvinismus verdächtig erklärt. Eine Disputation mit Andreä auf einer Synode zu Stuttgart trieb ihn in die Enge und brachte, da er hiebei auf Brenz's Erklärung von Joh. 6. sich berief, den anwesenden Brenz so heftig gegen ihn auf, daß er Abbitte thun und der Lehre der württembergischen Kirche beitreten mußte.

Dies veranlaßte den Herzog, die Synode mit Abfaffung eines feier

lichen Bekenntnisses vom Abendmahl zu beauftragen. Ein solches wurde denn auch bereits am 19. Dezember 1559 von sämmtlichen anwesenden Theologen unterschrieben und als verpflichtende Norm für die Theologen und Kirchendiener im Fürstenthum herausgegeben. Dieses ,,Bekanntnus -

von der wahrhaftigen Gegenwärtigkeit des Leibes und Blutes Jesu Christi im heiligen Nachtmahl“ ist wesentlich Brenz's Arbeit, der getreue Ausdruck seiner Ueberzeugung von dem Hauptpunkt des ganzen Streites. Mit Vermeidung des Wortes Ubiquität wird hier wesentlich die Ubiquitätslehre vorgetragen, indem die reale und objective Gemeinschaft des Genießenden mit dem sich im Sacrament Darreichenden ganz auf die Theilnahme der menschlichen Natur Christi an der göttlichen Eigenschaft der Allgegenwart gegründet ist.

Eben hatte, nicht ohne Melanchthons Einfluß auf den Kurfürsten in der benachbarten Pfalz der Calvinismus den Sieg erlangt; eben bekämpfte Melanchthon die in Sachsen gegen den geächteten Calvinismus mit Gewalt eingeführte Formel vom Abendmahl: wie hätte Philippus sich nun nicht auch gegen die ultralutherische Ubiquitätslehre des württembergischen Bekenntnisses aussprechen sollen? Er schickte zunächst dem Herzog Christoph ein Exemplar des Auszugs seiner Vorlesungen über den Colosserbrief, worin er schon vor mehreren Jahren die Ubiquitätslehre verworfen. Der Herzog forderte ihn zu einer genaueren Erklärung auf und beantragte bei dem Kurfürsten von Sachsen eine Zusammenkunft der Fürsten des Augsburgischen Bekenntnisses zur Erhaltung der Einheit der Lehre. Auch Melanchthon rieth zu einer allgemeinen Synode. Allein Brenz hielt dem Lieblingsplan seines Fürsten einfach die Frage entgegen: „Aber wer unter den Fürsten wollte Constantinus sein, wer unter den Theologen Lutherus ?“ und die Sache unterblieb.

Dagegen rächte sich Melanchthon an der württembergischen Bekenntnißschrift durch die Aeußerung gegen einen Freund: er könne sie nicht beffer bezeichnen, als wenn er sage, es sei „Hechinger Latein“*). Dem Kurfürsten schrieb er darüber: mit der alten reinen Kirchenlehre streiten diese württembergischen Artikel, so gut, wie die der Papisten, eines Westfal u. f. f.

Wenige Wochen nachher ward Melanchthon der „Streitwuth (rabies) der Theologen," die ihm seine lezten Lebenstage nicht wenig verbittert hatte, durch einen sanften Tod entnommen. Bei dem freundlichen Verhältniß, in welchem er und Brenz ein volles Menschenalter hindurch zu einander gestanden, müßte es wehe thun, zu sehen, wie sie gerade in der legten Zeit durch den leidigen Abendmahlsstreit noch getrennt wurden. Inzwischen beweisen

*) Trifft übrigens den Styl der Confession gerade nicht, wie dieser Scherz überhaupt nur von der breiten schwäbischen Aussprache des Lateinischen hergenommen war.

die Briefe aus dem Jahr 1559, daß Melanchthon persönlich seinen alten Freund Brenz und dessen Freunde von einem Westfal, Heßhus und Genoffen nach wie vor wohl zu unterscheiden wußte. Die leßten Briefe sind nicht nur Reverendo viro, eruditione et virtute praestanti D. Joanni Brentio, gubernanti ecclesiam Dei in regione Wirtembergensi, fratri suo carissimo überschrieben, sondern athmen auch ganz den alten Geist der auf inniger Verehrung und Liebe ruhenden Zuneigung beider Männer.

Sechster Abschnitt.

Brenz's Theilnahme an den späteren Abendmahlsftreitigkeiten, insbefondere gegenüber dem Calvinismus in der Pfalz. 1560-1566.

Als Luther gestorben war und Melanchthon mehr und mehr in den Ruf starker Hinneigung zum Calvinismus kam, galt Brenz allmälig bei einem großen Theil der lutherischen Fürsten und Gelehrten als das Haupt, an das in Sachen der Lehre immer wieder appellirt wurde. Wie Herzog Albrecht von Preußen im Osianderschen Streit (s. o.), so wandten sich in der Folge die Kurfürsten von der Pfalz und von Sachsen wiederholt an Brenz als Rathgeber in den Streitigkeiten über die Abendmahlslehre, sowie in den adiaphoristischen und synergistischen Händeln. Wir schildern zuvörderst in Kürze die lezte Phase des großen deutschen und schweizerischen Nachtmahlsstreits, der in das Leben und Wirken unseres Reformators von Anfang an so tief eingegriffen.

Die gemeinschaftliche heftige Opposition der durch den Zürcher Consensus vereinigten Schweizer, unter Calvin, Beza und Bullinger, und der seit Melanchthons Tod (1560) offenkundig auf Calvins Seite stehenden Wittenberger gegen den streng lutherischen Lehrbegriff rief auch den im Lutherthum ergrauten Brenz wieder in die Schranken. Er schrieb, noch che Bullingers erste Streitschrift, die Auslegung der Worte Joh. 14, 2. erschien, seine lateinische Schrift „Von der persönlichen Vereinigung zweier Naturen in Christo, von seiner Himmelfahrt und Sißen zur Rechten des Vaters“ mit directer Beziehung auf die Bekämpfung besonders der Ubiquitätslehre von Seiten der Schweizer. Die Tübinger theologische Facultät, sowie die zu demselben Zweck in Stuttgart versammelten Theologen, welchen der Herzog die Schrift vor dem Druck zur Begutachtung vorlegte, billigten sie, riethen aber, um des Friedens willen, sie vor der Hand ungedruckt zu lassen. Nur Dr. Matthäus Aulber griff einige Säße der Schrift selbst an, bis auch er durch besondere Verhandlungen sich eines Beffern belehren ließ. Auch Brenz selbst hielt es bei der gegenwärtigen Aufregung“ für

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gerathen, eigentliche Streitschriften einstweilen zurückzuhalten. So blieb er den Jenaer Theologen die Antwort auf ihre Angriffe gegen seine Apologie der württembergischen Confession noch immer schuldig. Erst als die Prälaten und übrigen verordneten Theologen es für nüßlich erklärten, daß seine Schrift über die persönliche Vereinigung der beiden Naturen in Christo gedruckt werde, auf daß dadurch „Vieler Glaube gestärkt und Gewissen erbaut werden,“ gab Brenz das Manuscript in den Druck. Das Mißverständniß, bemerkt er im Eingang, als ob er in seiner Apologie der württembergischen Confession behauptet habe: der Leib Christi breite sich auf crasse leibliche Weise wie Leder nach allen Orten hinaus, und das Verlangen seiner Freunde nach einer deutlicheren Erklärung dieses Punktes habe die Abfassung der Schrift hervorgerufen. In dieser selbst wird der Reihe nach die Möglichkeit, daß der Leib Christi au verschiedenen Orten sei, die Uebereinstimmung dieser Lehre mit dem Bekenntniß der Kirche: Christus ist aufgefahren gen Himmel und fizet zur Rechten Gottes, endlich die Nothwendigkeit, daß der Genuß des Leibes Christi auch durch die Unwürdigen stattfinde, nachzuweisen versucht. Im Anhang folgen Auszüge aus den Schriften Luthers, welche die Uebereinstimmung des Verfassers mit diesem Vater der Kirche darthun follen.

Nun trat Bullinger mit seiner ersten Streitschrift hervor. Bullinger, der Nachfolger Zwingli's in Zürich, früher bei Herzog Ulrich und namentlich bei dem Grafen Georg in Mömpelgard wohlgelitten, hatte vergeblich durch Zuschriften, Büchersendungen und dergl. auch mit Herzog Christoph eine nähere Verbindung anzuknüpfen gesucht. Möglich, daß die Zurückweisung oder Nichtbeachtung *) seiner Anträge sein polemisches Auftreten gegen den vertrautesten, einflußreichsten Rathgeber des Herzogs, gegen Brenz mit bestimmte. Er begann die Polemik 1561 mit einer „,Erklärung der Worte des Herrn Joh. 14, 2." (In meines Vaters Hause find viele Wohnungen), einer nunmehr lateinisch herausgegebenen Sonntagspredigt. Der Himmel, in den Christus erhöht worden, wird als ein bestimmter Ort in der Höhe erklärt, die Möglichkeit, daß der erhöhte Christus an verschiedenen Orten zumal sein könne, bestritten und geradezu behauptet, daß durch diese lutherische Lehre die Grundwahrheiten des christlichen Glaubens, Auferstehung der Todten u. s. w. aufgehoben werden. Brenz antwortete noch in demselben Jahre, auf Veranlassung seines Herzogs, mit der Sententia de libello D. H. Bullingeri. Es sei, wird hier ausgeführt, eine beschränkte, craßsinnliche, weltliche Vorstellung, Christus mit den Heiligen in abgetheilten Wohnorten sich aufhalten, spazieren gehen, fißen, liegen zu laffen; die heilige Schrift schildere das

*) Ein Schreiben von 1556, in welchem Bullinger ausdrücklich seine Dienste anbietet, zeigt den eigenhändigen Beisaz Christophs: Darff theiner Antwurt.

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