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diger, als eine stattliche Visitation und jährliche Besuchung der Kirche. Wie die Personen, die Kirchenämter tragen, ungleich seien, werden sie auch bald eine Ungleichheit der Lehre und Ceremonien anrichten, wo sie nun durch die Visitation in Gleichheit gehalten werden. Die Apostel haben nicht weniger Fleiß und Arbeit auf Erhaltung der angerichteten Kirchen durch Visitation, als auf Gründung neuer verwendet; auch die ältesten Bischöfe seien hierin den Aposteln gefolgt. Durch Verachtung solcher Visitation sei der christlichen Kirche der größte Schaden erwachsen. Daher soll der Herzog hierin bei männiglich der Stände des Reichs ein gut Vorbild fürtragen und jährlich eine stattliche Visitation durch Etliche von der Ritterschaft und Gelehrten in allen Vogteien anrichten. Diese Visitatoren sollen erforschen: von welcher Herrschaft die Pfarre zu Lehen gehe, was sie jährlich ertrage, wie viele Filiale sie habe, wie fern diese von einander, welche Evangelien und Bücher der heiligen Schrift der Pfarrer lehre, ob er die Sakramente,' den Katechismus halte, die Kranken besuche, was er für ein Leben führe. Sie sollen weiter erfunden, wie die Behausung des Pfarrers sei, wer sie im Bau zu erhalten habe, welche Gefälle und Ertrag die Kirche habe, wie es mit Kirchenkleinodien, Meßgewändern, Gestühl, Altar, Bildern, Kelchen, Monstranzen stehe? ob die Stiftungen vorhanden seien: Ampel, Kerzen, Glocken, Almosen, Jahrtage? Sodann von den Schulen: wer der Schulmeister, welches sein Einkommen, was er lehre, was er für ein Leben führe, ob er Helfer in der Schule habe? Von den Amtleuten: ob sie die öffentlichen Laster strafen, ob uneheliche Personen zusammenwohnen u. dergl. Den reichen Pfarrern mit überflüssigem Ertrag soll ein ziemlich Einkommen verordnet, das Uebrige dem Diakonat, der Schule und dem Almosen zugewendet, den zu geringen Pfarren soll eine leidliche Competenz von Zehenten, überflüssigen Caplaneien oder andern Stiftungen geschaffen werden. Kleine Filialien oder Dörfer, so nahe beisammen, sollen in eine gelegene Pfarre incorporirt werden. Den Pfarrern soll die neue Kirchenordnung mit dem Befehl, fie festzuhalten, übergeben werden, in Lehre und Sakrament haben fie sich daran zu halten, in Katechisationen und Wochenpredigten pünktlich sein, die Kranken heim suchen und ihnen auf Verlangen das Sakrament reichen. Bei merklichem Widerwillen gegen die Geistlichen, aus andern Ursachen, als ärgerlichen Lebens wegen, sollen diese versezt werden; bei ärgerlichem Leben sollen sie erst ermahnt, fruchte das nicht, ganz entlassen werden. Die Pfarrhöfe sollen in baulichem Stand erhalten, „die Kirche dürfe nicht wie ein Saustall gehalten werden"; mit den Kleinoden soll nach Umständen gehandelt, von den Stiftungen den Pfarren, Schulen, Almosen geholfen, dem Schulmeister ein ziemlicher Unterhalt verschafft, wenn er eines Helfers bedürfe, dieser gebührlich belohnt, auch befohlen werden, daß in der Schule die elementa grammaticae fleißig gelehrt werden. Den Amtleuten sei Bestrafung der öffentlichen Laster zu empfehlen, auch daß sie keine uneheliche

Person (d. h. Zusammenwohnen von Unverehelichten) dulden. In jeder Vogtei soll ein Superattendent, wie bisher ein Dekan, verordnet und ihm die Aufsicht über die Pfarrer des Bezirks gegen besondere Belohnung aus den Gefällen derCapitel, so bisher die Priesterschaft unnüßlich gehalten, übertragen werden.

Diese von Brenz verfaßte Visitationsordnung blieb, wie es scheint, als geschriebene Instruction, von 1535 bis 1547, wo eine neue Visitationsordnung erschien, in Kraft.

Auch an der am Ende des Jahres 1534 entworfenen, durch das ganze Jahr 1535 noch berathenen, wohl erst Ende 1536 erschienenen Eheordnung hatte Brenz, als Rathgeber Schnepf's, wesentlichen Antheil. Blaurer wirft Lezterem vor, er hänge ganz von Brenz ab, der ihm auch in diesem Geschäft bedeutend vorgreife. Brenz traf auch hier die richtige Mitte zwischen gefährlicher Larheit und allzugroßer Strenge. Die Eheordnung scheint jedoch unter Ulrich als förmliches Landesgeseß nicht publicirt worden zu sein, sondern nur den Eherichtern als Norm gedient zu haben*). Sie besteht aus 7 kurzen Artikeln über Eheverlöbnisse, Verwandtschaftsverbote, Wiederverheirathung Geschiedener, Beischlaf zwischen Verlobten, Gerichtskosten. Wir bemerken daraus, daß Deserirten die eigenmächtige Wiederverheirathung verboten ist und sie dießfalls an das Ehegericht verwiesen werden, ohne dessen Bescheid nicht proklamirt und getraut werden darf. Im Punkt der Verlöbnisse wurde gegenüber dem so häufigen Unfug der heimlichen Verlöbnisse auf den elterlichen Consens und Verlobung vor Zeugen gedrungen. Ueber Scheidung und Scheidungsgründe finden sich keine nähern Bestimmungen; es gelang wohl in diesem Stück Blaurern, die strengeren Ansichten von Brenz fern zu halten und die Entscheidung der einzelnen Fälle dem Ehegericht zu überlassen.

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Weniger direkten Antheil hatte wohl Brenz an der „Ordnung eines gemeinen Kasten für die Armen, 1536," der als Vorbild unstreitig die hessische Kastenordnung von 1533 diente, obwohl die nähere Begründung an Brenz erinnert. Dieweil all göttliche Gesetz und Gebot," so wird sie eingeleitet,,,in zweien fürnehmlichen Stücken begriffen sein, nämlich Gott den Allmächtigen von ganzem Herzen, Seel und Kräften lieben und den Näch sten als sich selbst, daher denn auch Christus mit Lehr und Exempel auf brüderliche Liebe so trefflich allenthalben getrieben hat, und dann je wahr, daß dem Allmächtigen, der unsre Hilf gar nichts bedarf, von uns nichts Gefälligeres noch Angenehmeres beschehen mag, dann was wir um seines Namens willen unsern Nächsten mit Werken der Barmherzigkeit und milder Hand bezeigen, die er nit minder als die höchste Gutthat anzunehmen und zu begnaden versprochen hat, wollen wir nun den Namen Christi nit vergeblich tragen, müssen wir uns des Willens Gottes gegen unsren Nächsten

*) von Hauber, Recht und Brauch der evang.-luther. Kirche Württembergs, 1856. II. S. 6-9.

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in Hungers- auch andrer Noth auf das höchst befleissen. Dieweil dann eine große und merkliche Anzahl armer Leute hin und wieder in unsrem Fürstenthum befunden werden, will die Nothdurft erfordern, derselbigen mit höchstem Fleiß fürzustehen, Maß und Ordnung zu geben, damit das heilige Almosen desto nüßlicher angelegt und denen so deß nothdürftig sein, damit deß stattlicher geholfen werde."

Wir werden später, als unter Herzog Christoph die Kastenordnung einer ́ Durchficht und Vervollständigung unterworfen wurde, auf ihren Inhalt zurückkommen.

Im folgenden Jahr, 1537, eröffnete sich für Brenz ein neuer Schauplay der Thätigkeit, als es sich um Durchführung der Reformation der Universität Tübingen handelte.

Dreizehnter Abschnitt.

Brenz und die Wittenbergische Abendmahlsconcordie. Der Bundestag zu Schmalkalden. Reform der Universität Tübingen. 1535-1537.

Das Jahr 1535 hatte den ersehnten Frieden im Nachtmahlsstreit noch) nicht gebracht. Die Vergleichsverhandlungen dauerten auch im folgenden Jahr, als Brenz wieder ununterbrochen in Hall thätig war, fort.

Im Mai 1536 reisten Bucer und Capito mit einer in Basel zwischen ihnen und den Schweizern verabredeten Friedensformel nach Wittenberg, wo sofort aus Oberdeutschland noch mehrere andere Theologen, die Reutlinger Aulber und Schradin, Otther aus Eßlingen, Frecht aus Ulm, Martin Germanus aus Fürfeld und Andere sich einfanden. Man vereinigte sich zur Annahme von Luthers Saß: daß der wahre Leib Christi im Abendmahl nicht nur von den Würdigen, zur Seligkeit, sondern auch von den Unwürdigen, zur Verdammniß, empfangen werde.

Brenz, der ungeachtet wiederholter Aufforderung nicht selbst nach Wittenberg fam, erhielt von den Verhandlungen Nachricht durch mehrere Freunde von beiden Seiten. Andreas Osiander, Justus Menius, der in des franken Luther Auftrag ihm durch Otther einen actenmäßigen Bericht übersandte, und Capito, waren in ihren Briefen einstimmig über das Gelingen des Friedenswerks. Auch Luther schrieb in einem vorläufigen kurzen Brief, welchen Brenz an den Markgrafen Georg von Brandenburg nach Ansbach besorgen sollte:,,Die oberländischen Prediger haben sich besser finden lassen, weder ich verhofft und haben unser Confession und Apologie frey angenommen und verheisen zu lernen und zu treyben; mehr hab ich nicht wissen zu fordern oder dringen.“

So schien nun das Ziel erreicht, dem die Freunde der Union seit einer Reihe von Jahren unablässig zugesteuert waren. Nur einer schwieg beharrlich über die ganze Sache — unser Brenz, und konnte auch nach seinem früheren Antheil an dem Streit den Frieden nur als einen äußerlichen, ohne die vollkommene Zustimmung des Gegentheils geschlossenen betrachten. Daß die Schweizer, trop Capito's Versicherung in jenem Brief aus Wittenberg, sie seien einverstanden, keinen thätigen Antheil genommen, mochte ihm als Beweis erscheinen, daß eine bleibende innere Verständigung noch lange nicht erreicht sei.

Brenz war nicht zu der Concordienverhandlung gereist: von Stuttgart rief ihn wieder der Beruf in seiner Gemeinde und in der weitern Umgegend, wo sein Rath Alles galt, zu verstärkter Thätigkeit nach Hause.

Indessen erkannte Herzog Ulrich auf's Neue das Bedürfniß, Brenz's organisatorisches Talent für Württemberg in Anspruch zu nehmen. Sollte die durch Brenz mitbegründete neue Ordnung der kirchlichen Dinge den nöthigen Bestand und die wünschenswerthe Einheit erhalten, so mußte vor Allem für eine sorgfältige Bildung der Geistlichen nach den Grundsägen der neuen Lehre gesorgt werden. Die mannigfache Störung, welche dadurch bedingt war, daß Ausländer, welche zudem sehr verschiedenen geistlichen Richtungen folgten, Schnepf und Blaurer - Württembergs erste Reformatoren waren, lenkte des Herzogs Aufmerksamkeit bald auf die Universität, deren Wichtigkeit für das Gedeihen der Reformation er aus dem Beispiel von Basel, Wittenberg und Marburg flar erkannte.

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Noch herrschte damals in Tübingen wesentlich das mittelalterliche, scholastisch - hierarchische Wesen, unter dessen Einfluß die Universität 1477 gestiftet worden war. Noch stritten hier, während in Wittenberg, das zugleich die Mutter und die Tochter der neuen Aera ist, das Alte vergangen und Alles neu geworden war, die beiden Formen scholastischer Weisheit, Nominalismus und Realismus unter Lehrern und Studirenden um den Primat. Noch war das Studium der alten Sprachen und ihrer Hilfswissenschaften bei den Scholaftifern so verpönt, daß zur Zeit, da Melanchthon die Universität Tübingen bezog (er inscribirte hier am 1. September 1512, wurde den 11. Dezember Baccalaureus und am 25. Januar 1514 Magister), der große Humanist Heinrich Bebel mit seiner Thätigkeit für classische Latinität und schöne Wissenschaften heftigen Widerspruch fand und für die griechische Sprache bis 1522 kein öffentlicher Lehrstuhl bestand. Inzwischen fing auf diesem Felde durch die Wirksamkeit junger von Reuchlin angeregter Docenten, wie namentlich Melanchthon's und Defolampad's, bereits ein neuer Geist zu wehen an. Und auch in der Theologie zeigt die Mehrzahl der damaligen Tübinger Schule, ein Conrad Summenhard, Gabriel Biel, Wendel Steinbach, Peter Braun, Paul Scriptoris, jene interessante Mischung der Uebergangszeiten, zugleich das gegebene scholastische System anzubauen und durch Trieb zur biblischen

Wahrheit systematisch zu unterhöhlen." (Keim, schwäbische Reformationsgeschichte.) Nur Mart. Plantsch und Jakob Lempp repräsentirten in Dogmatik und Kirchenrecht die ganze Starrheit und Lächerlichkeit einer versteinerten Theologie, so zwar, daß Lempp z. B. die Spiße der leßteren, die Transsubstantiationslehre, seinen Zuhörern durch eine Zeichnung zu verdeutlichen unternahm, wobei er nur, wie Melanchthon in seinen Denkwürdigkeiten bemerkt, „vergaß, die Eselsohren dazu zu malen." Was solche Lehrer und deren Schüler dem armen Volke auf der Kanzel boten, läßt sich errathen. Von Christus hörte man, nach Melanchthons Versicherung, kein Wort; in Stuttgart erfrechte sich ein Prediger aus dieser Schule, seine Zuhörer zu versichern, daß, wenn auch die heilige Schrift verloren ginge, fie durch Aristoteles' Ethif vollkommen ersetzt würde. Ein Tübinger Diaconus schmückte seinen KanzelVortrag mit etlichen 40 Stellen aus dem Corpus juris aus.

Das war denn freilich selbst der österreichischen Regierung, die damals das Land inne hatte, zu viel, und es gebührt dem Erzherzog Ferdinand, der über ein Jahr lang selbst in Tübingen verweilte, der Ruhm, bessere Zustände wenigstens ernstlich angestrebt zu haben. In dem neuen UniversitätsStatut, das von ihm herrührt, glaubt man zum Theil sogar den refor matorischen Geist der Zeit reden zu hören, wenn z. B. jedem einzelnen der theologischen Professoren Vorlesungen über Bücher des alten und neuen Testaments aufgetragen und jene über die Sentenzen des Petrus Lombardus, des Scholastifers im 12. Jahrhundert, beträchtlich verkürzt werden,,, weil durch den Glauben wir Gottes Kinder werden, nicht durch leere spißfindige Fragen."

Dem Herzog konnte jedoch, als er in sein Land zurückkehrte, der bloße Anfang nicht genügen: die Universität sollte durchaus neu organifirt wer den. Es galt nur, den rechten Mann zu finden. Andreas Osiander in Nürnberg erschien zu heftig; Melanchthon erhielt von seinem Kurfürsten feinen Urlaub; endlich kam (im December 1534) Simon Grynaeus aus Basel auf ein Jahr. Gemeinschaftlich mit Blaurer entwarf er eine Universitätsordnung, welche die zwei philosophischen Contubernien (das nominalistische und realistische) zu einem vereinigte, in welchem die Philosophie rein und lauter vorgetragen werden sollte, ein Pädagogium zur Vorbereitung auf die Universität errichtete, Vorlesungen über das alte Testament mit Rücksicht auf hebräische, und über das neue mit Berücksichtigung der griechischen Sprachlehre anordnete, endlich bei der Anstellung der Lehrer aller Facultäten den reinen evangelischen Glauben als Bedingung forderte. Das war für Viele begreiflicherweise zu viel. Magißer und Studenten verließen, aus Abscheu vor der lutherischen Keßerei, in Masse die Universität und begaben sich meist nach Freiburg. Der einzige, Käuffelin, blieb von den alten Theologen und ihm trat als einziger College Dr. Phrygio aus Basel zur Seite. Dagegen arhielt die Reformation auch in der juristischen und der medicinischen Facultät,

Hartmann, Brenz.

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