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In Sachsen werde ja auch die allgemeine Absolution geduldet. Brenz stimmte in seinem Gutachten vom 12. April Ofiandern bei und bemerkte : allgemeine Absolution, d. h. Verzeihung der Sünden enthalte ja schon die Predigt; lasse man solche auf die Predigt wiederum folgen, so entstehe der Wahn, die Predigt sei nicht der rechte Schlüssel des Himmelreichs und so verachte man sie. Nun begreifen aber die Schlüssel des Himmelreichs auch die Vorhaltung der Sünden; die könne man auf diese Art aber auch ganz allgemein aussprechen: euch die ihr nicht glaubt, behalte ich die Sünden, wodurch Personen, die im Gewissen besonders beschwert sind, nicht genugsam zufrieden gestellt werden, wie denn Nichts zarter sei, denn ein Gewissen. Man werfe ja auch nicht eine Hand voll Brod unter das Volk oder gieße einen Kübel Wassers über einen Haufen zumal aus (bei der Taufe), also sei `es auch nicht füglich, das Sakrament der Buße, welches ist die Absolution, in die Gemeinde, von der man weder Glauben, noch Bekenntniß und Buße hörte, auszuwerfen. Sei es im Papstthum möglich, zweimal im Jahr innerhalb sechs Wochen privatim zu beichten, wie soll es unter dem Evangelium nicht auch möglich sein? Man soll eben so viel Kirchendiener bestellen, daß die Privatabsolution möglich und den beschwerten Gewissen ihr Trost nicht entzogen werde. Mit solcher mühseligen Arbeit werden sie nur mehr Knechte denn Herren. Sollte übrigens im Kurfürstenthum Sachsen die allge-· meine Absolution im Gang sein, so unterwerfe er sich gern mit seiner Ansicht seinen lieben Herrn und Lehrern, den Theologen zu Wittenberg.

Weiteres ist uns nicht bekannt. Oftander mußte wohl mit seiner Ansicht zurückstehen, wie denn auch Brenz bald von seiner Meinung, die Absolution sei ein Sakrament, zurückkam und auch in Württemberg, wo er in Bälde für die Herstellung der kirchlichen Ordnung wirken sollte, die öffentliche und allgemeine Absolution von Anfang an in Gebrauch kam. Um die vor dem Abendmahlsgenuß ausgesprochene Absolution von der in jeder christlichen Predigt vorkommenden zu unterscheiden und ihr eine besondere Beziehung zum Sakrament zu geben, wurden auf Brenz's Rath besondere Vorbereitungspredigten eingeführt, in welchen der Sünder zur Reue aufgefordert und ihm unter dieser Bedingung die Entbindung gewährt wurde.

Vom folgenden Jahr 1534 wird uns als das Merkwürdigste von Hall erzählt, daß endlich die Messe auch in den zwei Kirchen, wo man sie einzelnen altgläubigen Patriciern zulieb noch geduldet, in der Johannis- und Stuppachkirche aufhörte. Der Rath ließ beide schließen. Einer der genannten Papisten, der sich von der täglichen Messe nicht trennen konnte, zog nach Comburg, wo sein Andenken noch in seiner Grabschrift fortlebt:

,,Vest hielt er sich zu christlichem Gebot,

Emfig zu beten war er gegen Gott.“

Zwölfter Abschnitt.

Brenz's Mitwirkung zur Einführung der Reformation in Württem berg. Die erste württembergische Kirchenordnung.

1534-1536.

Es war ein schweres Verhängniß, das über Württemberg waltete, daß gerade in der Zeit, wo der neu erwachte Geist der evangelischen Wahrheit und Freiheit die Länder durchzog und auch hier die Gemüther nicht wenig aufregte, ein Regiment, das dem Reformationswerk auf's Erbittertste widerstrebte, mit eiserner Gewalt auf dem Lande lastete. Herzog Ulrich hatte, in Folge einer vernachlässigten Erziehung hingerissen durch sein heftiges Temperament, unter dem Einfluß schädlicher Rathgeber sich schwere Vergehungen zu Schulden kommen lassen und nicht blos den schwäbischen Bund, sondern den Kaiser selbst zu kräftigem Widerstand, zu empfindlichem Strafvollzug herausgefordert. Die Strafe aber, welche Desterreich über ihn, über seine Familie und sein schönes Land verhängte, stand in keinem Verhältniß zu der Schuld. Es war unerhört, um der Uebereilungen und selbst Gesezwidrigkeiten eines Fürsten willen sein ganzes Haus, seine erbberechtigten Nachkommen des ihnen von Gottes und Rechtswegen zugehörigen Erbes zu berauben. Das Gefühl dieser Rechtsverlegung sprach sich denn auch allenthalben, im Lande selbst aber um so bitterer aus, je empfindlicher die Folgen des Wechsels in den Personen der Regierenden waren und je günstiger die Kunde von Außen über den vertriebenen Fürsten lautete. Die Verbannung hatte seinen Troy gebrochen und sein Herz der evangelischen Wahrheit geöffnet. In Basel lernte Ulrich durch den gleichfalls verbannten Hartmuth von Kronberg Luthers Schriften kennen, war mit Dekolampad, Farel und Zwingli in Verkehr getreten und hatte in der Person des von der österreichischen Regierung aus Württemberg vertriebenen Johann Gayling, eines Schülers von Luther, selbst einen evangelischen Hof- und Reiseprediger angenommen. Von besonderer Wichtigkeit aber war es, daß er im Landgrafen Philipp von Hessen einen Freund und Beschüßer fand, der nicht blos die wohlmeinendsten persönlichen Wünsche für ihn hegte, sondern Ulrichs Herstellung zugleich seiner ganzen kirchlichen und staatlichen Politik höchst angemessen fand. Auf Veranlassung des Landgrafen wohnte Ulrich dem Marburger Gespräche bei, wo er Luthern und Brenz zuerst persönlich kennen lernte. Im folgenden Jahr 1530, auf dem Reichstag zu Augsburg nahmen als stille aufmerksame Zeugen an den Verhandlungen Ulrichs Bruder, Graf Georg, sowie sein Sohn, Prinz Christoph Theil. Beide mußten hier sehen, wie troß des Widerspruchs der evangelischen Fürsten Karl V. seinen Bruder Ferdinand mit dem Erbe ihrer Väter auf die unverantwortlichste Weise be

lehnte und die Fahnen von Württemberg und Teck in die erzherzoglichen Hände übergeben wurden.

Als jedoch drei Jahre nachher, so sehr es Karl und Ferdinand zu verhindern suchten, der schwäbische Bund sich auflöste, Frankreich vom Landgrafen für seinen Plan gewonnen und von Baiern, weil es sich um die Rechte Christophs, eines Sohns von Sabina, Herzogin von Baiern, handelte, Nichts zu fürchten war, wagte es Philipp, troz aller Gegenvorstellungen des ängstlichen Kurfürsten von Sachsen, mit einem trefflichen Heer von 20,000 Mann zu Fuß und 4000 zu Pferd, angeführt von evangelisch gesinnten Rittmeistern und Hauptleuten, den kühnen Zug zu thun, der nicht minder einer großen religiösen Angelegenheit als einem wichtigen politischen Zweck galt. Durch die siegreiche Schlacht bei Laufen am Neckar, 13. u. 14. Mai 1534, wurde Württemberg,,wieder württembergisch" und ward eben damit dem evangelischen Bekenntniß ein Gebiet eröffnet, dessen Wichtigkeit für die Sache der Reformation und der schmalkaldischen Bundesgenossen der kühne und glaubensstarke Landgraf auf's Richtigste durchschaute.

Der Einführung der Reformation war troß aller Gegenmaßregeln der österreichischen Regierung vielfach vorgearbeitet. Seit anderthalb Jahrzehnten hatten Luthers Schriften Eingang und freudige Aufnahme in Württemberg gefunden. Die tüchtigsten Schüler von Wittenberg hatten im Land als Prediger gewirkt, wie Konrad Sam in Brackenheim, Johann Gayling in Ilsfeld, Ehrhard Schnepf in Weinsberg, Johann Mantel in Stuttgart. Aus den angrenzenden Reichsstädten drang das neuverkündigte Evangelium von allen Seiten herein: von Reutlingen, wo Matthäus Aulber, von Eßlingen, wo Michael Stiefel, von Hall, wo seit zwölf Jahren unser Brenz in gesegneter Wirksamkeit stand. Die österreichische Regierung in Stuttgart erließ zwar 1522 das drohendste Mandat gegen Luthers Schriften und Anhänger, vertrieb theils die evangelischen Prediger aus Württemberg, wie auch in dem benachbarten Weil Billikan, in Eßlingen Stiefel weichen mußte, theils warf fie dieselben in's Gefängniß, wie Mantel. Die der Wiedertäuferei Verdächtigen wurden auf's Grausamste hingerichtet. Allein der Landtag selbst stellte 1525 der Regierung vor: der Gehorsam der Unterthanen, der nicht aus der Liebe des Herzens fließe, habe keinen Bestand, die Liebe aber entspringe aus dem Glauben, der Glaube aber aus dem Wort Gottes. Wo das nicht gepflegt werde, da mögen die Früchte des Glaubens, Friede, Einigkeit, Liebe, Gehorsam nimmermehr erlangt werden. Dieweil nun das Wort Gottes in dieser Zeit allenthalben lauter und klar hervorbreche und der gemeine Mann sich mit menschlichem Tand, so eigner Nuß und menschlicher Fürwiz ohne Zeugniß der heiligen Schrift erfunden, nit mehr woll sättigen lassen, so erwachse daraus Nichts als Unrath, weshalb ihr Gutbedünken und Bitt sei, gnädiglich zu verhelfen, daß das lautere Gotteswort dem Volk fürderhin durch fromme, gottesfürchtige und ver

ständige Prediger rein und lauter gelehrt werde. Indessen hatte das Land noch neun schwere Jahre der Prüfung von da an durchzumachen. Um so größer war der Jubel, mit dem der wiedergekehrte Herzog Ulrich im Lande aufgenommen ward, um so herzlicher die Freude über den Eifer, mit welchem er dem Verlangen nach dem Wort Gottes, nach Abschaffung der Mißbräuche des Ablasses, der Heiligenanrufung, der Messe, der erzwungenen Ehelofig= keit der Geistlichen, der Kelchentziehung im Abendmahl nachkam.

Am ersten Sonntag nach seinem Einzug in Stuttgart, den 17. Mai, ließ der Herzog zwei evangelische Predigten in der Hauptstadt halten: Matthäus Aulber von Reutlingen predigte im Lager vor der Stadt, Konrad Oetinger, der hessische Hofprediger, nun in Ulrichs Dienste getreten, in der Stadt. Nachdem sich das evangelische Bedürfniß so lange nur heimlich und daher nicht immer auf ganz geordnete Weise hatte befriedigen können, sollte nun ein offenes Bekenntniß, eine geregelte Unterweisung und Erbauung folgen. Aber eben der Umstand, daß das Land bisher den Zufälligkeiten des Hereindringens der neuen Lehre bald von dieser, bald von jener Seite preisgegeben war, daß vom Norden her, aus den Reichsstädten Hall, Heilbronn, vom Kraichgau und Hohenlohe'schen das lutherische, vom Süden, der Schweiz und den oberschwäbischen Städten das zwinglische Bekenntniß Fuß gefaßt, zwischen beiden durch den Einfluß von Ulm, Eßlingen, Straßburg sich ein Gemisch der Lehre eingedrängt hatte, machte in Verbindung mit Ulrichs eigner Stellung die Entscheidung der Frage: welchem Bekenntniß der Vorzug zu geben sei, eben so schwierig, als in ihren Folgen wichtig.

Ulrich hatte entschiedene persönliche und politische Rücksichten, die es ihm erschwerten, eine bestimmte Wahl zu treffen. Die Schweiz, lange seine schüßende Burg und sogar die Wiege seines neuen Glaubens, konnte immer noch von großem politischen Werth für ihn sein, wenn nicht schon die Dankbarkeit sein Herz dahin zog. Ebenso stand er in freundschaftlichem Verkehr mit den der Schweiz zugewandten oberländischen Städten, unter denen Straßburg obenan stand. Sogar der Gedanke, an die Spize eines südwestdeutschen Staatenbundes zu treten, hatte nichts Unnatürliches für einen Herzog von Württemberg *). Man wußte, daß er für seine Person, wie sein Freund Philipp von Hessen, eher zwinglisch als lutherisch gesinnt war. Kein Wunder, daß bereits das Gerücht ging, der Herzog wolle das Land zwinglisch machen. Auf der andern Seite hatte der Augsburger Reichstag die Differenz der Parteien offen herausgestellt, der Nürnberger Religionsfriede gar die,,Sacramentirer" feierlich der öffentlichen Duldung im deutschen Reich für unwürdig erklärt.

Ein ausgleichender Weg schien das Rathsamste und zu diesem riethen

*) Heyd in der Tübinger Zeitschrift für Theologie 1838, deffen Ulrich, III. C. 40.

auch nach dem Sieg bei Laufen in ihrem Glückwunschschreiben vom 18. Mai die Straßburger Gottesgelehrten, indem sie auf zwei Männer von weniger ausgesprochner Parteistellung, die auch Melanchthons Vertrauen haben sollten, hinwiesen. Das waren Simon Grynäus von Basel und Ambrosius Blaurer von Constanz, jener tauglich für die Reformation der Universität (Tübingen), dieser für die der Kirche. Dagegen konnte es nicht fehlen, daß auch von lutherischer Seite her sich gewichtige Einflüsse geltend machten. Joh. Gayling, der Ulrichs Hofprediger in Mömpelgard und auf Hohentwiel gewesen war, lenkte seine Aufmerksamkeit auf Brenz. Dieser aber war als offener Gegner der Zwinglianer, zumal vom Nachtmahlsstreit her, einem Bucer, Blaurer 2c. begreiflicherweise sehr unbequem. Und da der Herzog unter seinem Adel und Volk viele mit den Eßlingern, Ulmern und den andern oberländischen Reichsstädtern Gleichgesinnte wußte, auch zunächst nur aus diesen Städten und der nahen Schweiz Prediger für das Land hernehmen konnte: so war ihm selbst äußerste Vorsicht geboten.

Er wählte daher einen wahrscheinlich schon längst mit dem Landgrafen besprochenen Mittelweg und berief von der einen Seite den frommen, milden Freund Bucers, Ambrosius Blaurer von Constanz, vordem Prior im Kloster Alpirsbach, das er mit dem Zeugniß verlassen mußte: daß er sich wohl und fromm gehalten, nur daß er die lutherische Lehre angenommen, sie gegen den Willen des Abts gelehrt und Etliche des Convents damit angesteckt habe (1522). Seitdem hatte er sich als Prediger ausgezeichnet und hatte Ulm und Eßlingen reformirt. Von der andern Seite ward als Prediger der Professor zu Marburg Erhard Schnepf berufen, der, ein ge= borner Schwabe (aus Heilbronn), mit Brenz in Heidelberg studirt, nach seiner Vertreibung aus Weinsberg bei den Gemmingen, in Gutenberg am Neckar und später in Wimpfen Aufnahme gefunden hatte, bis er auch hier nicht mehr sicher, sich inʼs Nassau’sche begab und 1527 die Professur der Theologie in Marburg übertragen erhielt. Schnepf war, seit er das Syngramma unterschrieben, dem eigentlichen Abendmahlsstreit mehr fern geblieben, obwohl an seiner lutherischen Ansicht über das Dogma nicht zu zweifeln war. Vereinigten sich diese beiden, zumal in der Abendmahlslehre, so konnte das Reformationswerk im Lande auf der Grundlage einer wahren Union beginnen und gedeihen.

Wirklich kam dieser erste Versuch einer Union, einer offen ausgesprochenen und sofort in einer ganzen deutschevangelischen Landeskirche durchgeführten Einigung beider Parteien, welche anderwärts in der Folge so viele Kämpfe kostete, in Württemberg rasch zu Stande. Blaurer erklärte, nach längerer Weigerung wegen des Punktes vom Genusse des wirklichen Leibs und Bluts auch durch Unwürdige, endlich seine Zustimmung zu einer auch von Luther gebilligten Formel. In dieser wird einfach, mit Umgehung jenes Punktes, gelehrt, daß in Brot und Wein der Leib und das Blut Christi

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