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vom Bösen und thue Gutes, suche Frieden und jage ihm nach. Nun weiß ich, meine lieben Kindlein, daß ihr gerne gute Tage hättet, und gern feine Leute würdet, darum sollt ihr dem Propheten David folgen, und mit allem Fleiß, weil ihr noch jung seid, die Furcht des Herrn lernen, denn was man in der Jugend nicht lernt, das lernt man im Alter noch schwerer. Darum spricht auch David: kommt her, ihr Kindlein, daß die Kinder geschickter sein zum Lernen, denn die Alten. So lernt nun mit allem Fleiß die Furcht des Herrn, so werdet ihr feine Leute werden und gute Tage überkommen, denn gute Tage kommen nicht von Gewalt oder Reichthum, sondern von der Furcht des Herrn. Wer aber den Herrn fürchtet, als einen allmächtigen Gott und Herrn, der den Frommen alles Gute thut, und die Bösen ernstlich straft, der wird sich gewißlich mit allem Fleiß halten, daß er nichts wider seinen göttlichen Willen thue, sondern wird fromm sein, und die Gebote Gottes fleißig halten, so viel ihm immer möglich ist, das werden dann seine geschickte Leute, die andern Leuten auch nüßlich sind und viel Gutes thun können, wie David spricht: Der Anfang aller Weisheit ist die Furcht des Herrn. Wenn ihr nun Gott fürchtet, und wollt gern fromm sein, und thun, was ihm wohlgefället, so lernt die heiligen zehn Gebote, die Gott der Herr selbst durch Mosen vom Himmel herab hat geben, und uns darin gelehrt, was ihm wohl oder übel gefall, so habt ihr wahrlich den Anfang aller Weisheit. Denn gedenkt doch mit Fleiß, ob nicht das eine große Weisheit sei, wenn die jungen Kindlein fein wissen was recht oder unrecht ist, was man thun oder laffen kann? Es ist ja eine große Weisheit, welche wohl auch viele alte Leute nicht wissen. Nun lernt man aber solche iu den zehen Geboten, und ist demnach nur der Anfang der Weisheit, denn im heiligen christlichen Glauben lernt man noch höhere und größere Weisheit, welche kein Ungläubiger nie gefunden oder begriffen hat, sondern Gott giebt's allein vom Himmel herab denen, die ihn fürchten und seinem heiligen Wort glauben.“

Wie trefflich es Brenz verstand, zum kindlichen Verständniß herabzusteigen, mögen einige Beispiele zeigen. Bei'm dritten Gebot sagt er: „Die Juden haben den Samstag gefeiert, damit man aber sähe, daß wir Christen nicht an den Unterschied der Zeit gebunden sind, feiern wir den Sonntag und etliche andre Tage. Zweck der Sabbathfeier ist: feiern und heiligen. Seht aber, lieben Kinder, ist das nicht ein freundlicher, wunderbarlicher Herr, der seinen Knechten, die ihm dienen wollen, keine andre Arbeit fürgiebt, denn daß fie feiern sollen? Freilich will er haben, wir sollen am Feiertage auch dem Nächsten dienen, wir dienen ihm aber doch nur um des Herrn willen, wollen wir ihm selbst dienen, so dürfen wir kein äußerlich Werk thun, sondern nur einen Feiertag halten. Warum? weil er selbst ein so reicher, mäch tiger Gott ist, daß er unserer Dienste nicht bedarf, und ist dazu so freundlich und gnädig, daß er Jedermann selbst gern Gutes thut. Darum wer ihm dienen will, der feire und halte still, und laß ihm unsern Herrgott Gutes

thun, und sag ihm Dank darum. Gott dienet uns aber am Feiertag mit der Predigt und den Sakramenten, und mit der Ruhe, denn durch die Ruhe zeigt er an, wenn wir schon nicht immer so hart arbeiten, daß er uns dennoch ernähren und genug geben wolle, wenn wir uns nur seines Willens, fleißen und nach dem Himmelreich fragen. Die ihn entheiligen, straft er mit Armuth, daß sie ihn vor Armuth nicht feiern können, denn sie sind keines Feiertags werth. Wir feiern ihn aber auch mit dem Herzen, wenn wir allen eigenen Willen und alle böse Lüste hinlegen.“

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Das vierte Gebot betrifft die fürnehmsten Leute. Es gefällt Gott wohl, wenn wir die Eltern ehren und ihnen gehorchen, darum gefallen ihm auch alle unsere Werke wohl, die uns Vater und Mutter heißen, und wenn es gleich wäre nur Stuben kehren oder Wasser holen, das ist ein großer und freudenreicher Trost, daß wir gewiß sein, daß solche schlechte Werke Gott gefallen, allein darum, daß wir Vater und Mutter gehorchen, dagegen gefallen ihm die Werke nicht, die man ohne seinen Befehl thut, wenn sie gleich ein großes Ansehn haben, denn der Befehl Gottes macht unsere Werke gut, und sonst nichts. Wir sollen aber auch den Eltern Gutes thun, aber nicht gedenken, daß wir einen großen Dank verdient haben, sondern demüthigen uns, und bitten, sie wollens für gut nehmen, wir wollten gern besseres thun wenn wir könnten. Und warum? Sie sind Gottes Werkzeuge, sie sollen mit uns reden, uns lehren, gleichwie ein Schulmeister, wenn er aus der Schule geht, so befiehlt er einem Andern, dieweil auf die Kindlein zu sehen, dem soll man denn auch gehorsam sein, als dem Schulmeister selbst, und welches Kindlein das nicht thut, das straft der Schulmeister. Gott ist auch der rechte Werkmeister. Darum, wenn Gott einen Menschen erschaffen will, so nimmt er feinen Leimbaßen, wie er das erste Mal gethan, sondern nimmt Vater und Mutter dazu, und läßt sie ein Kindlein gebähren, darnach, wenn wir geboren, will er uns ernähren, aber gibt uns nicht Speise vom Himmel herab, sondern gibt der Mutter Milch in die Brüste, daß sie ihr Kindlein säugt, und gibt dem Vater eine Nahrung, daß er sein Kind aufziehen und fleiden kann. Weil wir aber im rechten Glauben auferzogen werden sollen, so gibt er uns Christen zu Vater und Mutter, die lassen uns taufen, und und dann pflanzt uns Gott eine Liebe zum christlichen Glauben durch sie ins Herz, und wenn wir aufwachsen, so lehret uns Gott am allerersten die allerbeste und köstlichste Lehre durch Vater und Mutter, nämlich die zehn Gebote, den Glauben und das Vaterunser. Auch lehren sie uns weltliche Zucht, daß wir feine, friedliche, bürgerliche Leute werden, lernen uns ein . Handwerk und allerlei feine Kunst, von ihnen haben wir das Vaterland, Bürgerrecht, Erbe u. s. w. Die Ungehorsamen straft Gott aber auch, eins fällt ein Bein aus, das andere bricht einen Arm, eins sticht ein Aug aus, über das ander läuft ein Pferd, das fällt ins Wasser und ertrinkt, die jungen Gesellen werden auf der Gasse ob dem Spiel oder Krieg erwürgt.

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Und ungetreue Haushalter verderben hernach, daß sie von Schulden wegen in das Geleit fliehen müssen, oder kommt es dahin, daß sie lügen, stehlen, so werden sie erhangen oder müssen sie aus dem Land laufen."

Das sechste Gebot leitet er so ein: „Der Mensch hat nach seinem eigenen Leib nichts Lieberes, denn sein eigen Gemahl, wenn es anders recht und christlich zugehet. Es ist ein Unterschied zwischen dem ehelichen Leben und dem Bubenleben, dieses ist Sünde, jenes nicht, nur dem ehlichen Stand hat Gott befohlen: seid fruchtbar und mehret euch, aus dem ehlichen Stande kommen alle fromme, ehrbare, weise, gelehrte und herrliche Leute her.“

„Wenn unser Leib und Leben versichert, und der ehliche Stand verwahrt ist, so müssen wir auch zeitliche Güter haben, um Weib, Kinder und Gesind zu erhalten. So hängt das siebente Gebot mit den zwei vorhergehenden zusammen.“ Als Diebstahl erklärt Brenz, wenn die Obrigkeit den Unterthanen zu viel abfordert, die rechtmäßige Schäßung verbanketirt, verspielt, wenn sie das Gericht, Pfarr und Predigtamt nicht mit gottesfürchtigen Leuten versieht, die Bischöfe, Pfarrer und Prediger Vigilien und Seelenmessen halten, Lügen predigen, um Anderer Güter an sich zu bringen.

Es liegt aber dem Menschen nicht allein am Gut allein, sondern oft `mehr am guten Leumund, daher das achte Gebot. Selig sind die Friedfertigen; die gern Frieden halten und machen.

Aber auch wenn einer die vorigen Gebote alle gehalten hätte, so wäre er doch nicht ohne Sünde, weil keiner ohne die Lust ist, die in dem 9. und 10. Gebot verboten ist. Man sieht die Luft an den Kindern schon in der Wiege; denn, wenn ein Kindlein hart liegt, hungrig oder durstig ist, oder ist ihm zu kalt, oder zu heiß, so zappelt es, windet sich hin und her, und weint darob, oder wenn man's etwas Schönes sehen läßt, und nimmf's ihm bald wieder. Gott hat Alles erschaffen, und ist der rechte Herr darüber, darum gibt er's, wem er will. So er's nun deinem Nächsten gegeben hat, so laß ihm's und denk denn also, wenn Gott gewollt hätt, daß ich's sollt haben, oder wenn es mir nug wäre, er hätte mir's auch wohl geben. Es ist kein Nuß dabei, fich fremdes Guts lassen gelüften. Beispiele sind David, Ahab, Naboth.“

Das Verhältniß des Glaubens zu dem Gesez bestimmt er also: „Man lernt in den Geboten, die wir nicht zu vollbringen vermögen, nur die Sünde erkennen. Diese Frucht ist der Weisheit Anfang, aber die vollkommene Weisheit ist die, daß wir durch den Glauben lernen Gott erkennen, was er ist, und was er uns Gutes gethan und noch thun will, wir werden durch den Glauben seine Kinder und er gibt uns den heiligen Geist, der hilft uns die heiligen Gebote erfüllen. Wer die Gebote soll halten, der muß den heiligen Geist haben, wer aber diesen will haben, muß ihn durch den Glauben empfahen.

„Ihr seht wohl, lieben Kinder, - so leitet er das Vater Unser ein, - wie lieb ein jeder Vater hienieden seine Kindlein hat, denn die Väter ziehen

ihre Kindlein mit allem Fleiß, ernähren sie, kleiden sie, arbeiten um ihretwillen, lehren sie, bestellen ihnen Zucht- und Lehrmeister, ersparen ihnen auch Güter, und sorgen für sie, und wenn die Kindlein Unrecht thun, daß man sie strafen muß, so haben sie die Kindlein doch lieb, und ist ihnen leid für sie, und wenn sich die Kindlein nur bessern, und es nimmer thun, so freuen sich die Väter und ist ihnen schon Alles vergeben und vergessen. Wenn ihr also betet, so redet ihr mit euerm Vater im Himmel, doch im Himmel, nicht auf Erden, denn er ist der rechte, geistige und ewige Vater. Und gleichwie die Kindlein ihr Fleisch und Blut von ihrem leiblichen Vater haben und sehen ihm gemeiniglich gleich, also sollen wir auch den Geist von unserem himmlischen Vater haben und ihm nach dem Geist gleich sein, thun, was er gebeut, lassen, was er verbeut, und gesinnet sein nach seinem heiligen Willen, und wie er im Himmel ist, so werden auch wir in den Himmel kommen, und ewiglich bei ihm bleiben."

Ungern versagen wir uns, von diesen nach Inhalt und Form gleichh trefflichen Ansprachen Weiteres mitzutheilen, um so mehr, als die Herausgeber der älteren und neueren Sammlungen der Kirchenordnungen die Kate- ` chismus- oder Kinderpredigten mit abdrucken zu lassen nicht für gut gefunden haben.

Der übermüthige, gegen die Reformatoren allezeit rauflustige Dr. Eck konnte auch diesen Anlaß, das Erscheinen einer evangelischen Kirchenordnung für zwei wichtige Provinzen nicht ohne den Versuch vorübergehen lassen, an den Verfassern derselben zum Ritter zu werden; er gab gegen sie einen „christlichen Unterricht“ heraus, in dem er den „neuen Christen“ vorwirft, sie wissen nicht, was sie wollen, lassen sich durch allerlei Wind der Lehre hin und her treiben, daher ihre Getheiltheit. Etliche Gesellen dieser Neuchristen haben in Abwesenheit des Markgrafen eine Kirchenordnung entworfen und sie dem Rath zu Nürnberg fürgebildet; aus herzlichem Mitleid der durch dieses seelenmörderische Machwerk verführten Seelen, damit sie wiederum eingeleibt werden mögen der Einen christlichen Kirche, habe er sich zu einer Widerlegung bestimmen lassen. Es läßt sich denken, wie diese Widerlegung aussiel, wenn man sich erinnert, daß Eck der Haupturheber der „,Confutation" der Augsburg'schen Confession war, an der sich die Anhänger der alten Kirche selbst großentheils schämten! Was gegen die Sagungen der alten Kirche ist, nennt er Teufelslehre; wo er Säße findet, mit denen er einverstanden sein muß, erklärt er: die Ordonnanzer haben uns das gestohlen. Weiß er sich nicht zu helfen, so bricht er mit den Worten ab: „der Kürze halber will ich unterlaffen, so falsch es auch sei." Ueberdieß haben sie ihr Wissen hinter dem Ofen aus Luthers Schriften geholt; während sie so gewaltig auf Gottes Wort dringen, nehmen sie aus Luthers, Melanchthons, Brenz's, Pomeranus' Auslegungen und Glossen ihre Erklärungen und beflecken damit sich und die Schrift.

Hartmann, Brenz.

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Ect's Schmähschrift konnte nicht verhindern, daß die Nürnberg - Brandenburg'sche Kirchenordnung im Norden und Süden Deutschlands den größten Eingang fand; für das südwestliche Deutschland wurde sie allgemeine Norm. Wörtlich wiederholt ist sie in der Kirchenordnung für das Fürstenthum Mecklenburg, 1540*). Die im Jahre 1540 zu Berlin herausgegebene Kirchenordnung im Churfürstenthum Brandenburg stimmt vielfach wörtlich mit der Ansbach'schen überein und beweist nicht sowohl **), daß Jakob Stratner, Hofprediger zu Ansbach, als daß Brenz,, in beiden die Feder führte," wenigstens die Nürnberg - Ansbach'sche neben der Sächsischen Kirchenordnung die Grundlage bildete. Die Katechismuspredigten sind aus jener vollständig entlehnt. Auch in der Württemberg'schen von 1536, der Braunschweig-Lüneburg'schen, 1542, der Haller, Schweinfurter, Pfälzischen Kölner, 1543, und verschiedenen späteren ist sie vielfach benußt.

Bald nach ihrer Einführung wurde Brenz in einem Streit, der sich zwischen Osiander und dem Rath zu Nürnberg erhob, als Schiedsrichter angerufen. Wir sahen, wie die Verfasser der Kirchenordnung dem Princip der Reformation gemäß der gezwungenen Privatbeichte entgegentraten, wohl aber darauf drangen, daß der Absolution Suchende seine Anfechtung dem Geistlichen anzeige und bei ihm Trost und Ledigsprechung von seinen Sünden suche. Beide scheinen in diesen milderen Bestimmungen sich einigen Zwang angethan und mit Rücksicht auf die öffentliche Stimmung die eigentliche Privatbeichte nicht als Kirchengebot aufgestellt zu haben. Kurze Zeit jedoch, nachdem die Kirchenordnung in Uebung gekommen, glaubte Oftander mit einigen seiner Collegen an die Stelle der „gemeinen offenen Beichte“ und Verkündigung der Absolution vor dem versammelten Volk die Privatbeichte seßen zu sollen, worüber der Rath ihn zur Verantwortung zog. Ofiander, besonders erbost über diejenigen seiner Collegen, die ihn im Stich gelassen, wandte sich an Brenz und kam mit seinem Brief vom 5. April 1533 dem Schreiben des Raths an Brenz vom 8. April zuvor, ihn bittend, die Wahrheit zu schüßen, die doch gewiß verlange, daß man die Perlen nicht vor die Säue werfe und durch solche falsche Absolution die Schlüsselgewalt aufhebe. Der Rath dagegen führte für die allgemeine Absolution an, daß viele fromme christliche Personen, die nicht alle Sonntage zum Sakrament kommen und die Privatabsolution empfahen können, sich dieser allgemeinen öffentlichen Entbindung von der Kanzel und vom Altar gerne getrösten und durch deren Abschaffung in große Unruhe versezt würden. Auch sei bei der großen Bevölkerung und den wenigen Pfarreien nicht möglich, einen Jeden vor Empfahung des heiligen Abendmahls zu examiniren und ihm Absolution zu ertheilen.

*) Richter, die evangel. Kirchenordnungen, I. G. 322.

**) Marheinecke, Geschichte der deutschen Reformation, III. S. 524. Da2 gegen Richter, a. a. D. S. 323.

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