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Gegenstand große Streitigkeiten sich erheben werden." Inzwischen stand es bis zu Servets Verurtheilung noch 21 Jahre an.

Mehrmals ist in diesen Briefen von Erscheinungen in der Luft, astronomischen Conjuncturen, Kometen u. dergl. die Rede. So schreibt Brenz einmal von einem großen und langen Kriegerzug in den Wolken, den man bei Baden-Baden wahrgenommen habe. Melanchthon bittet um die Prophezeiungen eines Haller Astrologen auf das Jahr 1532. Beide theilen mit ihrer Zeit den Glauben an ein unmittelbares Eingreifen Gottes in den Naturlauf und die sichtbaren Vorzeichen gewaltiger Katastrophen in den Gestirnen, Kometen namentlich, wie in irdischen Elementarereignissen. Vielfach blickt aus jenen Briefen die Besorgniß eines bald ausbrechenden Kriegs hervor, und so kann es uns nicht wundern, wenn die Häupter der evangelischen Kirche auf die Zeichen der Zeit auf's Genaueste achten. Sie theilen sich politische Nachrichten, Aeußerungen des Königs von Frankreich, des Papsts und Anderen pünktlich mit.

Im September 1531 schrieb Melanchthon auf Brenz's Ansuchen auch an seinen Freund Isenmann; obwohl persönlich noch unbekannt, bewerbe er sich um seine Freundschaft, da er durch Brenz seinen rühmlichen Eifer kennen gelernt habe. Er wünsche beiden Glück, daß sie Jeder im Andern einen so bewährten Collegen gefunden, hievon hänge das Heil der Kirche öffentlich ab u. s. w.

Kurze Zeit nachher, Decbr. 1531, bat der Rath von Heilbronn den Rath der Stadt Hall, er möchte ihm für kurze Zeit seine Prädikanten abgeben, da es sich zur Durchführung des längst begonnenen Reformationswerks noch um eine Disputation mit den Mönchen handle, welche für diesen Zweck ihre tüchtigsten Leute mitbringen werden. Da die Prediger von Hall hochgelehrt seien und aus ihrer Erfahrung und Lehre die Gegner wohl widerlegen und ihren Predigern beistehen können, so möchten sie ihnen hierin behülflich sein. Brenz, dem das Gesuch mitgetheilt ward, erklärt, so gern er dem Rath zu Heilbronn dienen würde, so könne der fragliche Handel nicht durch eine Disputation erledigt werden. Wolle man mit Erfolg disputiren, so müßte man einen Richter oder Obmann haben, den beide Parteien anerkennen; die Mönche aber mit ihrem Anhang werden den Rath und die Gemeinde von Heilbronn nicht als solchen ansehen. Dazu, bemerkte er treffend, wisse er keine Disputation, so in der evangelischen Sache geschehen, daraus sonderlicher Nugen erwachsen sei. Durch das bei solchen öffentlichen Dispu= tationen unvermeidliche Zanken verliere man mehr die Wahrheit, als man sie finde. Dazu habe er gehört, daß sie noch weitere Prediger und zwar etliche Zwinglianer beschrieben haben. Diesen wolle er sich nicht auch noch anschließen. Er fürchte sich zwar nicht vor einem Streit mit ihnen, so wenig als mit den Päpstlern; aber es wäre ungereimt, sich mit jenen gegen diese zu verbinden. Und wenn nun nicht blos über das Saframent, sondern über manche andre

Stücke sich ein Zwiespalt zwischen ihnen und den Zwingli'schen erhöbe, würde das nicht dem gemeinsamen Gegner zum Spott und zu großer Freude ge= reichen? Heilbronn habe ja auch die Augsburgische Confession unterschrieben; ein solcher Vergleich mit den Zwinglianern müßte der Stadt und ihm selbst nachtheilig werden. Das göttliche Gesez spreche: man soll nicht ackern mit einem Ochsen und einem Esel; die Juden haben auch nicht sammt den Samaritern den Tempel aufbauen wollen. Noch viel weniger wolle es ihm gebühren, daß er sich zu den Zwinglianern, bei welchen Gott nicht sei, begebe und mit ihrer Hülfe wider die Feinde streite oder die Kirche aufbauen helfe. Versichere man dagegen, daß kein Zwinglianer erscheine und beurlaube ihn sein Nath, so sei er geneigt, sich seines Befehls zu erzeigen.

Die Disputation fand hierauf nicht statt, da auch die Stadt Eßlingen ihr Versprechen, Ambrosius Blaurer (dies war der Zwinglianer, mit dem Brenz nicht zusammen zu treffen wünschte!) zu senden, zurücknahm, weil Blaurer den Constanzern gehöre und ihnen nur für einige Zeit gegeben sei, auch Blaurer um seiner vielen Feinde willen nicht wohl sicher die Reise unternehmen könnte. Wenige Jahre nachher sollten Brenz und Blaurer aus Anlaß des Reformationswerks im Herzogthum Würtemberg in mehrfache Berührung kommen; allein auch nachdem durch die Wittenberger Concordie dem Abendmahlsstreit die Spize abgebrochen, wenigstens die Spaltung verhüllt war, wollte sich doch zwischen beiden in ihren dogmatischen Anschauungen allzu verschiedenen Männern kein näheres, freundliches Verhältniß gestalten. Der lebhafte Verkehr, in welchem Brenz eben damals mit den Wittenbergern stand, mußte zur Bestärkung seiner von Anfang an lutherischen Ansichten wesentlich beitragen. Bei einer Zusammenkunft mit Lachmann, Frenicus, Bernhard Wurzelmann, Wolfgang Taurus und Martin Germanus in Heilbronn (August 1532), wo es sich um ein freundliches Verhältniß zu den Zwinglianern handelte, erklärte Brenz: sie können sie nur dann als Brüder annehmen, wenn sie ihre bisherige Lehre widerrufen und die Augsburgische Confession und die Apologie anerkennen, namentlich in der Abendmahlslehre dem Sag beipflichten, daß der Leib Christi im Brod sei und daß auch die Ungläubigen ihn wirklich genießen.

Blicken wir auf Brenz's literarische Thätigkeit während der ersten zwölf Jahre seines Wirkens in Hall, so zerfällt dieselbe in eine praktische, vornehmlich homiletisch- ascetische, und wissenschaftliche, besonders exegetische. Der ersteren gehören seine frühesten Druckschriften an: Sermonen über die Heiligen, über die Kirche, 1523, die Prüfung der Artikel der Bauern, 1524, Predigt vom Gehorsam der Unterthanen, 1525, die beiden Katechismen, 1527-28, „, etlich Traktetli": wie das Holz des Kreuzes zu behauen; aus was Ursach Glück und Unglück entstehe; wie man sich in mittelmäßigen Stücken halten soll; von Kreuz und Anfechtung, wie es scheint im Anhang zum größeren Katechismus „für die Gewachsenen und Alten zu lehren verfasset,“

um über die Gnade in Christo, die Aneignung der Erlösung, Verhältniß des äußeren Gottesdienstes zu dem in Liebe thätigen Glauben noch weitere, im Verhältniß zu der Bildungsstufe der Gemeinde wohl höchst nothwendige Belehrungen zu ertheilen. An sie schließen sich an die etwas später erschienenen ,, drei Sermone, wie man sich christlich zum Sterben bereiten soll; daß man Gott rechtschaffen dienen soll; wie das übel Nachreden für eine schwere Sünde zu achten sei,“ 1529. Sodann 1531: Wie sich Prediger und Laien halten sollen, so die Türken Deutschland überfallen, und in demselben Jahr: Wie in Ehesachen nach göttlichem billigen Recht chriftlich zu handeln; die Homiliae XXII. sub incursionem Turcarum, 1532; in demselben Jahr deutsch, von Seb. Coccius; Predigt von Erhaltung gemeines Friedens, 1535. Zu den wissenschaftlichen Schriften gehören: Syngramma suevicum, 1525. Annotationes in Job, 1527; De administranda pie republica, an Graf Sigismund von Hohenlohe; Exegesis in Joannis evangelium, beide 1527. 154 Homilien über das Evangelium Johannis. In Hoseam commentarius. Erklärung des Prediger Salomo, 1528; das Tedeum laudamus verteutscht durch J. B. Der 46. Psalm, verteutscht. (Ersterer Lobgesang mit den Musiknoten, 5 Blatt. Straßburg.) Erklärung des Buchs Josua. Ecclesiastes Salomonis, 1529. In prophetam Amos expositio, 1530. Tractatus casuum quorundam metrimonialium. Annotat. in Deuteronomium, 1532. Explicatio libri Geneseos. In Acta apost. homiliaę 122, 1534. Die meisten dieser theils in Hall, theils in Wittenberg, Hagenau und Nürnberg erschienenen Schriften erlebten schon in den ersten Jahren neue Auflagen. Abgesehen von ihrem bei aller Schlichtheit ge= diegenen Inhalt find sie uns zum großen Theil wegen der sie begleitenden Vorreden und Widmungsschriften von Werthe. So ist der Commentar zum Hiob, 1527, dem Edlen Dietrich von Gemmingen, dem thätigen Beförderer der Reformation im Kraichgau, gewidmet. Brenz nennt das Buch eine Tragödie; wie in dieser bedeutende Personen, große Leidenschaften, Furcht, Trauer, Verbannung, Mord vorkommen, so im Hiob große Männer, Könige, Weise, die Schrecken der Unterwelt, die Greuel der Gotteslästerung. Der Ausgang freilich sei, entgegengesezt den Tragödien der Heiden, hocherfreulich. Parallelen aus griechischen und römischen Classikern, Stellen aus Origenes und anderen Vätern werden zur Erklärung beigebracht und nicht blos die wichtigsten ethischen und dogmatischen Wahrheiten in's Licht gesezt, sondern namentlich das Verhältniß der christlichen Heilslehre zur alttestamentlichen Anschauung nachgewiesen. In dem Vorwort zur Erklärung des Evangeliums Johannis hebt er hevor, wie Johannes in doppelter Hinsicht die Verehrung verdiene, die ihm die Kirche erzeige, erstlich, weil er dem Herrn am nächsten gestanden: man könne ihn recht eigentlich den pilingovs, Jesusfreund, nennen, wie Petrus den piloxocotos, Christusfreund; und dann, weil er besonders die Reden Jesu mit einer Lieblichkeit aufgezeichnet habe, die jeden

Hartmann, Brenz.

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Erbauung Suchenden zur innigsten Liebe Christi begeistern müsse. Wie ruhmvoll sich Luther über den Commentar zum Amos erklärt (1529), sahen wir bereits. Die Homilien zur Apostelgeschichte widmet Brenz dem Abt des Cisterzienserklosters Heilsbronn im Ansbach'schen, Dr. Johann Schopper. Er bezeichnet es als einen der Hauptvorzüge der Apostelgeschichte, daß in ihr der Werth des evangelischen Predigtamts so stark hervortrete und gedenket der Verdienste des Abts um Verbesserung des Klosters, das er nach Abschaffung des alten Aberglaubens in eine Bildungsanstalt talentvoller Jünglinge für den geistlichen Stand umgewandelt.

was

Als der unbestreitbare Vorzug der Brenz'schen Predigten wird mit Recht ihre edle Einfalt und Objektivität bezeichnet *). Sie bestehen wesentlich in Auslegung des Schriftworts und unmittelbarer Anwendung auf die Bedürfnisse des Zuhörers.,,Brenz zwingt das Schriftwort nicht, Etwas zu sagen, es nicht sagen will; er läßt sich selber von ihm zwingen, und so wird seine Erklärung eine wahrhaft kirchliche." Wie die Predigt der Reformationszeit überhaupt sich die nächste Aufgabe zu stellen hatte, evangelische Erkenntniß zu pflanzen, so galt es Brenz, vor Allem in den Text hineinzuführen und aus demselben, unter Zuziehung und reicher Benuzung biblischer Beispiele (auch heidnische verschmäht er nicht), das christliche Leben in seinen Hauptbeziehungen und Aeußerungen abzuleiten. Seine Predigten sind, zumal in der früheren Periode, reine Homilien, obwohl im Eingang häufig ein Hauptsay, ein Bibelspruch, ein Gebot, eine Lebensregel vorangestellt ist, die als leitender Faden mehr oder weniger durch das Ganze sich hindurchzieht. Brenz schrieb sie weit aus zum größten Theil lateinisch; die deutschen verdanken wir der Ueber segung seines Collegen und Schwagers Gräter. Bei all ihrer Einfachheit und Schmucklosigkeit bieten sie dem aufmerksamen Hörer und Leser doch manche Schönheiten, wohlausgeführte Bilder, selbst überraschende Redewendungen. In den früheren Predigten finden wir, wie bei Luther, nicht eben selten von einer gewissen allegorischen Erklärungsweise Gebrauch gemacht, wobei Brenz jedoch nie über die Regel hinausgeht, die biblische Thatsache, die als solche unangetastet bleibt, oder einzelne Züge derselben zugleich in Beziehung zu dem geistlichen Leben des Einzelnen, wie der Gemeinde zu seßen; so, wenn er den Esel, den Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem besteigt, von den fleischlichen Begierden des Menschen deutet, die Christus bezwungen habe, das Streuen der Kleider auf die Verpflichtung der Gläubigen bezieht, die Sünde auszuziehen und Christo unter die Füße zu legen u. dergl. Wir werden später, wenn es sich um die Würdigung seiner Evangelien- und Epistelpredigten für das ganze Kirchenjahr handelt, auf seine Predigtweise noch genauer einzugehen Veranlassung finden.

*) Grünwald, im Vorbericht der,,Kurzen Auslegung der Sonn- und Fefttagsepisteln von J. Brenz, nach Jak. Gretters Uebersehung," Stuttg. 1855.

Die oben genannten kleinen Traktate von Brenz aus seiner ersten Amtszeit dürften es werth sein, daß wir sie hier als Proben seiner gesunden ascetischen Schriftauslegung ihrem wesentlichen Inhalt nach einreihen. Der erste derselben: wie das Holz des Kreuzes behauen und am weichsten angegriffen werden soll, beginnt mit der Forderung, daß ein Christ wie ein Bauherr oder ein König, der verreisen will, vorher die Kosten überschlage (Luc. 14.); auch er nimmt sich einen großen Bau, eine gewaltige Reise vor, die in's ewige Leben, und hat den gewaltigsten Feind zu bekämpfen, den Teufel. Der Kosten solchen Baus und solcher Reise ist Vater und Mutter, Weib und Kind, Gut und Leben, wie Christus sagt: wer nicht absagt allen dem, der kann nicht mein Jünger sein. Nicht daß man sie verlasse, zeitliche Güter in Neckar werfe, dieweil wir Vater und Mutter ehren, zeitlich Gut wohl brauchen sollen; sondern sie brauchen, so lang Gott will und lassen, wann Gott will, das schmeckt dem Adam nit. Wohlan, das Urtheil ist ge fällt: wer Christo will nachfolgen, muß das Kreuz tragen. Darum soll ein Christ nicht suchen, wie er des Kreuzes sich entledige, sondern suche, wie er am leichtesten tragen möge. Das Holz nun zum heiligen Kreuz ist ganz knorrig und ungehobelt, das müßte ihm Beulen drücken, daher soll er's behobeln. Seit aber Christus an dasselbe gehängt ward und der leidende Mensch sieht ihn zur Zeit des Charfreitags am Kreuz hängen und darnach ins Grab legen, so kann der Gottselige wohl ermessen, daß Ostern und Auferstehung nicht fern sei, wie denn auch Christus am dritten Tag auferstanden und von allen Schmerzen des Todes erlöst worden ist. Demnach wird uns das Kreuz glatt und behobelt, so wir an Chrifto die Erlösung und künftige Auferstehung sehen. Nun ist Freud in Leid, Leben in Tod, Herrlichkeit in Schmach, in labore requies. Auf daß aber eigentlich vermerkt werde, wie der Sohn Gottes also das Kreuz glatt mache, so muß der heiligen Schrift Exempel und Vorbild wohl verstanden werden, denn die Schrift, wie Paulus sagt, ist uns zur Lehre, Zucht und Ermahnung gegeben, Röm. 15. Wohlan, das Wort Gottes ist der Sohn Gottes, Joh. 8., welches auch unserthalb Mensch worden ist, Joh. 1. Wer nun in seinem Kreuz sieht das gnädig Wort Gottes, der sieht auch den Sohn Gottes. Alsdann bedarf es nit viel Keuchens mehr, dieweil der Sohn Gottes am Kreuz ersehen wird, so kommt die Auferstehung und Erlösung bald.

Adam und Eva, alsbald sie Abertreten das Geseß Gottes, legt ihnen Gott ein schweres Kreuz auf, nämlich Schweiß, Schmerzen und Tod, Genes. 3. Dieß knorricht, ungehobelt Kreuz hätte ohne Zweifel ihnen beiden die Achsel eingedrückt und zu Grund gestoßen, wenn sie an dem Kreuz nit hätten gesehen den Sohn Gottes hängen. Der ist das Wort, das lautet: der Same des Weibes soll der Schlange den Kopf zertreten. Alsbald sie dieß Wort im Glauben am Kreuz sahen, bedurfte es keiner Noth mehr, der Ostertag war nicht ferne. So sah Abraham, als er aus seinem Vaterland und seiner

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