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Auszug eines Fähnleins Landsknechte. Zeichnung von H. Vogel,

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Deutschland unter Marimilian I.

Das Reich und seine Glieder.

m die Wende des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts bot Deutschland das Schauspiel eines Volkes, das an Reichthum hinter wenigen zurückblieb, an Wehrhaftigkeit alle übertraf, auf jedem Gebiete des geistigen Lebens täglich Fortschritte machte, während doch seine gemeinsamen politischen Institutionen in völliger Auflösung sich begriffen zeigten, eine steigende Verstimmung alle Stände erfaßt hatte, die Kirche aber troß alles äußeren Pompes in Kultus und Festen, troß tiefgreifenden weltlichen Einflusses und umfassenden weltlichen Besizes, troß frommer Devotion der Laien doch alle Merkmale fast hoffnungsloser Verderbniß offenbarte. Die Reichsstände. Das Reich, breit hingelagert durch ganz Mitteleuropa, mit seinen Grenzgebieten tief eingreifend in die romanische und slavische Welt, behauptete immer noch an Ausdehnung den ersten Rang unter den civilisirten Staaten des Erdtheils; immer noch war sein König als der geborene Träger der römischen Kaiserkrone der anerkannt erste Herrscher der Christenheit, und noch galt der Grundsaß, daß jedes Recht in seinen weiten Grenzen auf der Verleihung des Kaisers beruhe; doch thatsächlich war es nur noch eine lose Anhäufung einiger Hundert fürstlicher, städtischer und adliger Gebiete der verschie= densten Größe und Beschaffenheit.

Den ersten Rang wenigstens, wenn auch nicht immer an Umfang und Macht, so doch in der Geltung innerhalb der stolzen Aristokratie deutscher Fürsten, nahmen die kurfürstlichen Territorien ein, das Königreich Böhmen, die Pfalzgrafschaft bei Rhein, das Herzogthum Sachsen-Wittenberg, das Markgrafenthum Brandenburg sammt den reichen Landen der Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln. Die letzteren bildeten zugleich die bedeutendsten Glieder in der langen Kette geistlicher Fürstenthümer, welche dem Rheinstrome den Namen der Pfaffengasse des heiligen römischen Reiches" verschaffte, wie Basel, Straßburg, Worms, Speier, Utrecht. Geistliche Gebiete beherrschten weiterhin einen großen Theil Westfalens (Bisthum Münster); im Osten lagerten die großen Erzstifter Bremen, Magdeburg, Salzburg, an der oberen Donau Eichstädt, Regensburg,

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Passau, während die Stiftslande östlich der Saale und Elbe, wie Zeiß, Naumburg, Merseburg, Meißen, Brandenburg, Havelberg u. a., niemals zur Reichsunmittelbarkeit gelangt waren. Dazu gesellten sich noch beträchtliche Besizungen des Deutschen und des Johanniterordens im Süden, so daß mindestens der dritte Theil des Reichsbodens unter der Hoheit geistlicher Fürsten stand. Unter den weltlichen Territorien, die nicht den Kurfürsten gehorchten, ragten im Südosten die österreichischen Lande und Bayern, im Südwesten das Herzogthum Württemberg, im Nordwesten die weitgestreckten Besiyungen der Herzöge von Kleve und die reichen burgundischen Landschaften in den Niederlanden hervor. Aber überall im Süden und Westen, wenig oder gar nicht im Norden und Often, wurden diese fürstlichen Gebiete durch die Besizungen reichsunmittelbarer Grafen und Ritter wie durch die zum Theil weit ausgedehnten Territorien der Reichsstädte durchbrochen. Unter ihnen behaupteten damals Nürnberg, Ulm, Augsburg, Frankfurt a. M., Straßburg, Mez im Süden, Bremen, Hamburg, Lübeck im Norden den unbestrittenen Vorrang vor den viel zahlreicheren kleineren Genossinnen, die nirgends dichter neben einander lagen als in Schwaben, während östlich des Elbstromes, von Lübeck abgesehen, keine einzige Reichsstadt sich entwickelt hat. So ist die Gebietsvertheilung in den einzelnen Landschaften des Reiches eine äußerst verschiedene. Große geschlossene Fürstenthümer gab es nur im Osten; hier erscheinen weder reichsunmittelbare Städte noch Grafen und Ritter; der Süden und Westen bietet ein Bild verworrenster Gebietsverhältnisse, ein Durcheinander kleinerer und größerer Trümmer aus dem einst stolzen Ganzen des Reiches.

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Grenzen des Reiches. Wer aber damals versucht hätte, die Grenzen des Reiches bestimmt zu ziehen, der würde außer etwa da, wo das Meer sie darstellte, dazu kaum im Stande gewesen sein. Unzweifelhaft war Böhmen mit seinen Nebenlanden, mit Mähren, Schlesien und den Lausißen, ein Glied des Reiches, sein König der erste weltliche Kurfürst, aber es trug nichts zu den Reichslasten bei; die Vorherrschaft der tschechischen Nationalität im Kernlande in Verbindung mit der hussitischen Landeskirche, endlich das fremde Fürstenhaus der polnischen Jagellonen entfremdeten es völlig dem deutschen Leben und verbanden es näher mit Polen und Ungarn. Unbestritten gehörte sodann das Ordensland Preußen nicht zum Reiche, denn Ostpreußen mit Königsberg war seit 1466 polnisches Lehen, Westpreußen mit Danzig ebenso lange polnischer Besiß; aber die Bevölkerung war ganz überwiegend deutsch, der Hochmeister ein deutscher Fürst und im engsten Zusammenhange mit dem Ordensmeister in Mergentheim, sein Verhältniß also zur Nation ein ungleich engeres als das Böhmens. Weiter zählte zwar Holstein zu den Reichslanden, aber sein Schwesterland Schleswig nicht, und beide waren wiederum seit 1459 durch das Herrscherhaus mit Dänemark verbunden. Vollends an der Westgrenze, wo französische Lehnsansprüche tief in die nun habsburgischen Niederlande reichten, während wiederum das Herzogthum Lothringen und die Freigrafschaft Burgund zwar deutsches Lehen, aber ihrer Bevölkerung nach großentheils französisches Land waren; und im Süden, wo die Schweizer Eidgenossen seit 1499 sich von ihren Pflichten gegen das Reich befreit hatten, Savoyen, Mailand, Genua aber noch immer als Reichstehen galten, da waren deutsche und fremde Beziehungen und Ansprüche so unentwirrbar mit einander verflochten, daß es fast unmöglich zu sagen war, wo die Rechte des Reiches anfingen und wo sie aufhörten. Eben diese Zustände bargen eine Menge Gefahren, mußten das Reich in unaufhörliche Kämpfe verwickeln. In diesem bunten Gewirr waren am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts zwei Mächte im Aufstreben begriffen: in politischer Beziehung die Fürstenthümer, in wirthschaftlicher Hinsicht die Städte.

Das Steigen der fürstlichen Gewalt. Freilich war ein fürstliches Territorium jener Zeit noch weit entfernt davon, ein modernes Staatswesen zu sein.

Allerorten betrachtete das fürstliche Haus das Ganze seiner Güter und Rechte als sein Privateigenthum und behandelte es danach von rein dynastischem Gesichtspunkte aus, ohne

Deutschland unter Maximilian I. Die Reichsfürsten.

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jede Rücksicht auf das Wohl des Ganzen, ja gelegentlich selbst ohne Rücksicht auf das wirkliche Interesse des eigenen Hauses. Verpfändungen und Verkäufe einzelner Landestheile, Erbtheilungen des ganzen Territoriums an die hinterbliebenen Söhne waren an der Tagesordnung, das Vorrecht des Erstgeborenen fast nirgends anerkannt. Noch bildeten auch die Haupteinnahmequellen des fürstlichen Hauses nicht die regelmäßigen Steuern der Unterthanen, sondern die ausgedehnten Domänen und die möglichst gesteigerten nußbaren Hoheitsrechte (Regalien), wie Zölle,

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Münzrecht,Bergwerksregal. Noch waren demgemäß die Aufgaben der fürstlichen Landesverwaltung sehr beschränkte, gar nicht zu vergleichen mit der allumfassen= den Wirksamkeit des modernen Staates, wesentlich gerichtet auf die Administration der fürstlichen Einfünfte, auf die oberste Gerichtsbarkeit und die Handhabung des Landfriedens. Dem entsprach die geringe Zahl der fürstlichen Beamten. Am Hofe der Kanzler als der eigentliche Leiter des Ganzen, in den einzelnen Bezirken die Rentmeister und Landvögte oder Hauptleute, das war so ziemlich Alles; ganz zu geschweigen davon, daß alle Sorge für die geistige Bildung lediglich Sache der Stadtgemeinden oder der Kirche blieb.

Ausstellung am Pranger. Nach Ludwig Burger.

Unter solchen Umstän=den mußte ein großer Theil der Aufgaben, welche heute die Landesregierung übernommen hat, den lokalen Gewalten innerhalb des Territoriums zufallen, den Edelleuten, den geistlichen Stiftern, den Städten. Sie alle übten auf ihren Gebieten über ihre Unterthanen die Polizeigewalt und die niedere, ja so weit die Städte in Betracht fommen, häufig auch die höhere Gerichtsbarkeit aus. Die Stadtgemeinden genossen auch in allen übrigen Dingen fast überall einer wenig beschränkten Selbstverwaltung, die sie mehr zu Verbündeten, als zu Untergebenen ihres Landesherrn machte. Und nun traten wiederum diese Stände dem Fürsten als geschlossene Körperschaft, als Landstände, gegen= über. Meist in drei, seltener in vier oder in zwei Stände, in Geistlichkeit, Edelleute und Städte gegliedert, fanden sie sich eigenmächtig oder auf den Ruf des Landesherrn zu Landtagen ein. Nur in Friesland und Tirol hatten auch die Bauern das Recht der Vertretung behauptet, sonst galt überall der Sat, sie seien durch ihre Grundherren repräsentirt.

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