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behaupteten die Pfälzer, die jüngeren Schwestern gingen den Töchtern der ältesten voran, während die preußischen und brandenburgischen Bewerber - seit 1592 war der Kurprinz Johann Sigismund mit Maria Eleonore's Tochter Maria Anna verheirathet (s. S. 685), zwar keineswegs das nicht beweisbare alleinige Anrecht der Nachkommenschaft der ältesten Schwester, wol aber das gleichmäßige Erbrecht aller Schwestern und ihrer Nachkommenschaft eifrig verfochten, ohne zunächst den Grundsaß der Untheilbarkeit der fraglichen Gebiete anzutasten. Infolge der Geisteskrankheit Herzog Wilhelm's verband sich bald mit der Erbfrage die Frage nach der Einsetzung einer Regentschaft. Die herzoglichen Räthe, in deren Händen die Regierung vorerst lag, an ihrer Spize der adelsstolze Wilhelm von Waldenburg, genannt Schenkern, Marschall von Berg, wollten jedoch von einer Regentschaft der Bewerber nichts wissen und seßten es in der That, gestützt auf Spanien und Desterreich, durch, daß, als die im Sommer 1591 versammelten Stände sich nicht zu einigen vermochten, der Kaiser die Einrichtung einer provisorischen Landesregierung unter seiner sehr weit gehenden Oberleitung einfach befahl (im Dezember 1591).

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Belagerung von Jülich 1610. Nach Gottfried's Historischer Chronik.

Die Versuche der Erbberechtigten, ihrerseits die Regentschaft in die Hände zu nehmen, scheiterten vollständig, vielmehr behauptete auch nach Wilhelm's I. Tode und der Thronbesteigung seines gleichfalls geistesschwachen Sohnes Johann Wilhelm (1592-1609), dessen erste Gemahlin Jakobäa wie auch die zweite, Antoinette von Lothringen (seit 1600), den Besiß der Gewalt. und immer deutlicher traten der kaiserliche Plan, bei günstiger Gelegenheit die Lande als erledigte Lehen einzuziehen, und die spanischen Absichten, so viel wie möglich davon sich zu sichern. hervor. Vollends verworren gestaltete sich nun die Lage, als seit 1604 auch das Gesammt= haus Sachsen seine Erbansprüche anmeldete, da im Jahre 1483 die Albertiner auf JülichBerg, 1544 die Ernestiner auf das ganze Gebiet eine Anwartschaft erhalten hatten, und der kaiserliche Hof begünstigte scheinbar eben Sachsen, um die beiden norddeutschen evangelischen Kurfürsten um so eher mit einander zu verfeinden und das Haus Sachsen um so fester an Habsburg zu fesseln. Endlich brachte eine Annäherung Brandenburgs und der Pfalz die Sache einen Schritt vorwärts. Nach dem Vertrage vom 17. Februar 1605 sollte Georg Wilhelm, der Sohn Johann Sigismund's, sich mit der geistvollen Tochter Friedrich's IV., Elisabeth

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1611.

Der Jülich-Kleve'sche Erbfolgestreit.

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Charlotte, vermählen, beide Häuser aber sich zu gemeinsamer Verfolgung ihrer Rechte in Jülich-Berg vereinigen und mit den Niederlanden gegen Zusicherung wechselseitigen Beistandes in Bündniß treten, was im April 1605 wirklich geschah.

Begreiflicherweise hat das Bestreben der Kurpfalz, sich für ihre niederrheinischen Pläne einen festen Rückhalt zu schaffen, an den Bemühungen um die Gründung der evangelischen Union erheblichen Antheil gehabt. Nicht ein volles Jahr, nachdem sie ins Leben getreten war, eröffnete der Tod Johann Wilhelm's (25. März 1609) die jülich-bergische Erbschaft. Rasch entschlossen verständigten sich Brandenburg und Pfalz in Dortmund zu gemeinsamer Besißergreifung (31. Mai) und ließen ihre Truppen einrücken. Andererseits beauftragte Kaiser Rudolf seinen Vetter Leopold, Bischof von Passau, mit der Besetzung des Landes, um es als erledigtes Reichslehn einzuziehen, aber er konnte allerdings nur die Festung Jülich gewinnen.

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Später erneuerte er die Belehnung für Sachsen (Juli 1610). Nun aber seßten sich auch die Union und die fremden Mächte in Bewegung. Zu Schwäbisch-Hall traten der Union damals (11. Februar 1610) Brandenburg, Kassel, Straßburg, Ulm, Nürnberg bei; Heinrich IV. schloß mit ihr ein förmliches Bündniß und rüstete sich, damit den Kampf gegen das Haus Habsburg auf allen Punkten zu eröffnen, als das Messer Ravaillac's ihn traf (14. Mai 1610).

Wol war damit die Verwandlung der niederrheinischen Fehde in einen europäischen Krieg verhindert, doch sandte die Regentin Maria Medici die versprochene Hülfe, und vereinigt zwangen französische, holländische und unirte Truppen unter Christian von Anhalt nach längerer Belagerung Jülich zur Uebergabe. Der Krieg wurde damit zunächst beendet, denn Liga und Union schlossen Waffenstillstand (Oktober 1610), und damit auch die schweren Befürchtungen, welche die katholischen Reichsstände am Rhein vor protestantischen Eroberungsplänen hegen zu müssen glaubten, vorläufig wenigstens als grundlos erwiesen, Befürchtungen, denen wahrscheinlich mehr das tiese gegenseitige Mißtrauen als wirkliche Veranlassung zu Grunde lagen. Inzwischen erlangte Johann Sigismund vom Kaiser die Belehnung wenigstens mit Kleve und

erkannte im Vertrage zu Jüterbogk Sachsen als dritten Bewerber an (im März 1611), damit aber verschob sich die Erledigung der Frage wieder ins Unabsehbare, denn natürlich war der pfalz neuburgische Mitbewerber dagegen, und schließlich kam es auch noch bei den Verhandlungen über die Vermählung Wolfgang Wilhelm's von Neuburg mit einer brandenburgischen Prinzessin zum offenen Bruch.

An der Verständigung mit Brandenburg verzweifelnd, suchte und fand der Pfalzgraf Halt bei der katholischen Liga, indem er sich mit Magdalena von Bayern, Maximilian's I. Schwester, vermählte und zum Katholizismus übertrat (November 1613). Jm nächsten Jahre besezte er Düsseldorf und Spinola führte spanische Truppen zu seiner Unterstüßung heran.

Eine ähnliche Ueberraschung bereitete der Welt kurz nach ihm Sigismund von Brandenburg: er erklärte sich mit seiner ganzen Familie und den meisten seiner Räthe für den Calvinismus (18. Dezember 1613), ein Entschluß, an dem der Widerwille gegen die Unduldsamkeit der Lutheraner eben so großen Antheil hatte wie der Wunsch, sich dadurch die Unterstüßung der Glaubensverwandten in den Niederlanden zu sichern. Doch blieb die evangelisch-lutherische Landeskirche in Brandenburg vollkommen unangetastet, so leidenschaftlich auch die Entrüstung über den Bekenntnißwechsel im Lande, namentlich in aufrührerischen Bewegungen zu Berlin und anderen Orten, sich äußerte.

In je nähere Verbindung nun Brandenburg dadurch zu den Calvinisten trat, desto erbitterter schien der Streit der Religionsparteien und der großen Mächte am Niederrhein entbrennen zu müssen. Es geschah nicht, weil innere Zerrüttung Frankreich, finanzielle Erschöpfung Spanien, natürliche Schwäche die Union lähmte. Denn in der That ging eine große Politik über die beschränkten Kräfte dieser Staaten weit hinaus. Beispielsweise hatte die Kurpfalz von 1608-1611 allein an Bundesbeiträgen und Vorschüssen für andere Unionsmitglieder etwa 700,000 Gulden aufgebracht, und das bei einer Jahreseinnahme von nur etwa 250,000 Gulden. Kein Wunder deshalb, daß die Union, besonders auf das Andringen der Städte, schon im Jahre 1611 zur Neutralität sich entschloß. So gelang auch eine vorläufige Verständigung zwischen Brandenburg und Pfalz-Neuburg. Im Vertrage zu Xanten (14. Nov. 1614) übernahm jenes Kleve, Mark und Ravensberg, dieses Jülich und Berg. Doch war damit nichts endgiltig entschieden worden, das arme Land blieb seitdem noch lange ein Zantapfel großer und kleiner Mächte.

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Kirchliche und ständische Kämpfe in Oesterreich und Ungarn unter Rudolf II.

Die gewaltige Ländermasse, welche das Haus Habsburg unter seinem Scepter vereinigt hielt, befand sich schon seit Kaiser Ferdinand's I. Tode (1564) nicht mehr in einer Hand. Sein ältester Sohn Maximilian II. hatte Desterreich mit den böhmischen und ungarischen Ländern erhalten, der jüngste Erzherzog. Karl (geb. 1540), Innerösterreich, d. i. Steiermark, Kärnten und Krain, Erzherzog Ferdinand (gest. 1594) verwaltete als Statthalter des Gesammthauses Tirol. Diese Theilung blieb auch nach Maximilian's II. Tode bestehen, so daß Rudolf II. im Wesentlichen in die Stellung des Vaters einrückte, während seine jüngeren Brüder mit Statthalterposten abgefunden wurden, Matthias in Desterreich, Maximilian nach Erzherzog Ferdinand's Tode in Tirol, Albrecht aber nach Spanien ging.

Troß dieser Theilung zeigt die Entwicklung aller habsburgischen Lande doch im Wesent= lichen dieselben Züge. Das Herrscherhaus macht überall den Versuch, die kirchliche Neuerung zurückzudrängen, zugleich seine landesfürstliche Macht den Ständen gegenüber nachdrücklicher zur Geltung zu bringen. Beides schien, zum Unheil für den österreichischen Protestantismus, aufs Engste verknüpft. Denn eben die weitgehende Unabhängigkeit der Stände hatte das Eindringen des Protestantismus ermöglicht, wie sie wieder durch dasselbe verstärkt worden war. So sehr sie nun die kirchliche Reaktion erschwerte, so wurde diese andererseits doch dadurch erleichtert, daß die rechtlichen Grundlagen des österreichischen Protestantismus äußerst unsichere waren, nur auf persönlichen Bewilligungen Maximilian's II., nicht auf Gesezen beruhten, daß dann die katholischen Einrichtungen, vor Allem die bischöfliche Gewalt, überall noch fortbestanden, daß also die Regierung bei ihren Bestrebungen das formelle Recht für sich hatte. Weil nun kirchliche und politische Gegensäze hier mit einander verflochten waren, wurde der Kampf ein besonders heftiger. Bis 1604 ist die fürstlich katholische Gewalt im Vordringen,

Illustrirte Weltgeschichte. V.

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pon da beginnt eine rückläufige Bewegung, welche mit zunehmender Wucht alle Erfolge der Gegner zerstört, dann Rudolf II. selbst vom Throne wirft, endlich zu jenem gewaltsamen Zusammenstoße führt, der den Dreißigjährigen Krieg eröffnet.

Innerösterreich unter Karl. Am frühesten und auch am erfolgreichsten trat die Reaktion in Innerösterreich auf. Hier war Erzherzog Karl Anfangs einem kirchlichen Ausgleiche geneigt und keineswegs blind gegen den tiefen Verfall des Katholizismus in seinem Gebiete, auch widerrieth Maximilian II. jede Gewaltmaßregel, und der eigentlich nie unterbrochene Türkenkrieg an der östlichen Grenze (j. S. 693) gab den Ständen immer Gelegenheit, ihre Geldbewilligungen an die Erfüllung kirchlicher Zugeständnisse zu knüpfen. So erklärten sie im November 1569, die Zahlungen sofort einstellen zu wollen, wenn nur ein einziger evangelischer Prediger vergewaltigt würde. Seit der Vermählung des Erzherzogs mit Maria von Bayern (August 1571) war allerdings ein Anwachsen der katholischen Strömung am Hofe zu bemerken, trotzdem war Karl gezwungen, vor Allem durch den Vorgang Maximilian's II. in Oesterreich, wenigstens dem Adel, nicht den Städten und Märkten, Glaubensfreiheit zu gewähren (Februar 1572). Seitdem begann ein heftiges Ringen um Ausbeutung und Erweiterung dieser Zugeständnisse auf der einen, um Beseitigung und Beschränkung auf der andern Seite. Schon Anfang des Jahres 1571 waren die Jesuiten in Graz erschienen, zwei Jahre später wurde ihnen die Stadtschule zu St. Egidien übergeben. Dieser seßten die steirischen Stände eine treffliche Landesschule im Eggenberger Stift als einen „Samen- und Pflanzgarten der Religion" gegenüber (1574), fie forderten, allerdings vergeblich, die Ausweisung der Jesuiten, erzwangen dann aber, als ein gefährlicher Bauernaufstand in den slovenischen Strichen Steiermarks und Krains sowie im benachbarten Kroatien und Slavonien, eine Folge türkischer Beutezüge und gutsherrlicher Bedrückungen (1573-1575), die äußersten Anstrengungen nöthig machte, ein neues Zugeständniß: auf dem Brucker Landtage gab ihnen der Erzherzog eine mündliche Erklärung zu Gunsten der Glaubensfreiheit wenigstens in den größeren Städten und Märkten (Februar 1578). Die Protestanten triumphirten, doch sie konnten die engen, willkürlich gesteckten Grenzen dieser Erlaubniß eben so wenig inne halten, wie die Regierung ihnen die Ueberschreitung verzeihen wollte. Während überall der Bau protestantischer Kirchen begann, verfügte der Erzherzog die Wegnahme der protestantischen Bücher, deren an 12,000 verbrannt wurden (Herbst 1581), erzwang 1583 die Annahme des Gregorianischen Kalenders, gründete in Graz im Jahre 1585 eine Universität, deren Lehrstühle er zum großen Theil den Jesuiten übergab und deren Besuch er den studirenden Landesangehörigen zur Pflicht machte, sandte endlich Glaubenskommissionen“ zur Abstellung des protestantischen Gottesdienstes durch das Land. Aber diese stießen fast überall auf hartnäckigen Widerstand; der neu ernannte streng katholische Abt von Admont mußte vor den erbitterten Bauern flüchten, in Graz verbündeten sich 2000 Bürger zum Schuße ihres Glaubens, heftige Tumulte in der Hauptstadt bedrohten den päpstlichen Nuntius Malaspina. In großer Unruhe und Bekümmerniß über diese Auftritte starb Erzherzog Karl am 10. Juli 1590.

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Durchführung der Reaktion durch Ferdinand II. Karl hinterließ Alles in Gährung und Aufregung, von wirklichen Erfolgen der katholischen Reaktion konnte noch gar keine Rede sein, und die vormundschaftliche Regierung für seinen erst dreizehnjährigen Sohn und Nachfolger Ferdinand II., deren Leitung erst Erzherzog Ferdinand, dann (seit 1593) Maximilian von Tirol übernahm, konnte um so weniger an Gewaltmaßregeln denken, als Beide sich mit der energischen Erzherzogin-Wittwe Maria schlecht standen. So erfolgte denn auch die Huldigung der drei Lande nur gegen ausdrückliche Verbürgung der Glaubensfreiheit im März 1592, und neue Fesseln legte der im August 1593 wieder ausbrechende Türkenkrieg der Regierung an. Erst mit der Rückkehr des jungen Erzherzogs (geb. 1578) von der Jesuitenuniversität Ingolstadt, wo er mit dem Bayernherzog Maximilian, seinem Vetter, enge Freundschaft geschlossen hatte, und seiner beschleunigten Mündigkeitserklärung (Juli 1596) begann die gewaltsame Reaktion. Ferdinand faßte sie als Gewissenspflicht auf, er dachte zugleich die Macht der Stände einzudämmen. Darin standen ihm seine Mutter, ein eifrig katholisches Rathskollegium mit

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