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in Guadalajara. Einer frühen Zeit gehören auch das Colleg Santa Cruz in Valladolid und das gleichnamige Hospital in Toledo an, lezteres besonders ausgezeichnet durch seine herrliche Treppenanlage und den Säulenhof, beide Werke des Enrique de Egas. Dessen Schwiegersohn Alonso de Covarrubias erbaute dann im Auftrage Karl's V. vielleicht das glänzendste Werk dieser Zeit, die „Grabkapelle der neuen Könige" in Toledo, in welcher er die phantastisch-reiche Ornamentik des Plateresco mit den strengeren Bauformen der Renaissance wirkungsvoll verband (1531). In ähnlichem Geschmacke entstand etwas später der herrliche Klosterhof von Lupiana. Andere Bauten dieser Art, kirchliche wie weltliche, bieten Sevilla, Salamanca, Burgos, Barcelona u. a.

Allmählich gewann jedoch gegenüber diesem eigenthümlich spanischen Stile die strengere Nachahmung antiker Formen (Klassizismus), wie sie von Italien herüberkam, die Oberhand, so in den Kathedralen von Granada, Malaga und Jaen, dann in dem Palaste Karl's V. auf der Alhambra, „dessen trockener Ernst zu der spielenden Pracht des maurischen Königsschlosses einen charakteristischen Gegensaß bildet“, vor Allem im Escorial (eigentlich: Palacio monasterio de San Lorenzo el Real de la Victoria beim Flecken Escorial), dem Werke des Juan de Toledo (gest. 1567) und seines Schülers Juan de Herrera, 1563 begonnen als Lösung eines königlichen Gelübdes wegen des Sieges von St. Quentin (s. S. 381 f.), zugleich Kloster, Königspalast und Königsgrab, die steinerne Verkörperung des Geistes, welcher seinen fürstlichen Erbauer beseelte. Da liegt sie, die riesenhafte Masse aus grauem Granit, inmitten eines weiten grünen Wiesenthales, vor sich die ungeheure, fast baumlose, grauröthliche Fläche der Mancha, aus der im Mittelgrunde das Häusermeer von Madrid auftaucht, hinter sich die lange hohe Kette der Sierra de Guadarrama mit ihren runden Kuppenbergen, ihren Schneefeldern, saftigen Weiden und dunklen Waldungen, in einer Landschaft, die nichts hat von südlicher Anmuth, aber durch ihren ernsten, fast nordischen Charakter ganz dem des Riesenbaues entspricht. Das Ganze stellt ein Rechteck von 580 Tiefe zu 644' Breite dar, im Innern durch Gebäudelinien in sechzehn Höfe getheilt denn die Form des Rostes, auf dem der heilige Laurentius gemartert wurde, ist zu Grunde gelegt im südlichen Drittel das Kloster, im nördlichen der Palast, in der Mitte die Kuppelkirche mit ihrem Vorhof. Ganz schmucklos sind die Façaden aus polirtem grauen Granit, belebt nur durch höhere Portalbauten und Eckthürme. Wenn die Erbauer in dem Palaste alle ersinnliche Pracht entfalteten, um das Auge zu blenden, so vereinigten sie in der Kirche Alles, um den mächtigsten Eindruck auf das Gemüth hervorzubringen. Zu staunenerregender Höhe erheben sich, aus grauem, geschliffenem Granit gebildet, die riesigen Tonnengewölbe auf ihren dorischen Pfeilern, die das Ganze in drei Schiffe gliedern, und die Fresken, welche sie schmücken, scheinen in goldenen Wolken über dem Beschauer zu schweben. Genau unter der Kuppel befindet sich die Königsgruft, in welcher seit Karl V. alle regierenden Monarchen Spaniens mit ihren Gemahlinnen beigesetzt worden sind. In ähnlicher Weise baute Herrera auch die Kathedrale von Valladolid, den Palast von Aranjuez und Anderes. Bis gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts hatte überhaupt die neue antikisirende Bauweise den Sieg über den einheimischen Plateresco davon= getragen, ja, sie begann da schon in den Barockstil überzugehen.

Bildnerei und Malerei. In der Bildnerei sind die mächtigen Altäre mit Schranken und Bilderschreinen, reichem Schmuck von Gemälden, Statuen und Reliefs in Stein und farbiger Holzschnißerei, welche die Formen der Gothik und Renaissance vielfach verbinden, die sogenannten Respaldi del coro, das Eigenthümlichste. Sonst bethätigt sich die Plastik fast nur in Grabmälern nach italienischem Muster.

Die Malerei erlebte ihre Blüte erst im siebzehnten Jahrhundert. Während des sechzehnten kämpfte lange Zeit eine einheimische, der flandrisch-deutschen nahestehende Richtung mit der italienischen, welche durch zahlreiche spanische Künstler, die bei Leonardo da Vinci, Raffael, Michel Angelo oder später auch den Venetianern ihre Studien gemacht hatten, immer nachdrücklicher vertreten wurde. Am bedeutendsten erscheint die Schule von Sevilla mit Campaña (1503 bis 1580), am selbständigsten die Kunst des Porträts.

Spanische Wissenschaft, Kunst und Dichtung.

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Dichtkunst (Epos und Lyrik). Der italienische Einfluß, welcher in der bildenden Kunst allmählich zur Herrschaft gelangte, beschränkte sich in der Dichtung mehr auf Aeußerlichkeiten, verdrängte nicht den spanischen Geist. Diesem verdankten zunächst die zahlreichen poetischen Akademien ihre Entstehung, bei deren ältester Fernando Cortez, der Eroberer Mexiko's, den Ehrenvorsitz führte; eine sehr bedeutende entstand zu Madrid im Jahre 1586, andere in Valencia und sonst. In Zusammenseßung und Zweck gleichen sie den italienischen (f. S. 64), aber besonders groß scheint ihr Einfluß überhaupt nicht gewesen zu sein.

Wenigstens gewann das romantische Kunstepos, wie es die Italiener mit so großem Erfolge pflegten (f. S. 66), in Spanien keinen rechten Boden, wiewol es an Werken dieser Art durchaus nicht gefehlt hat. Lope de Vega allein hat neben seinen zahllosen Dramas sechs größere Epen geschrieben, von denen La Jerusalem conquistada Tasso unmittelbar nachahmt (s. S. 66), La Dragontea, eine Schilderung der Fahrten des Franz Drake, durch den grimmigen Haß gegen England bemerkenswerth ist und La Corona tragica Maria Stuart's Schicksal verherrlicht. Wirklich volksthüm

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lich wurde keines von diesen Erzeugnissen,

denn Spanien hatte das Glück, zwar kein abgerundetes Volksepos, wol aber einen außerordentlichen Reichthum an kleineren epischen Gedichten, an Romanzen, zu besigen, welche, noch überall gesungen, die Helden der Vorzeit und ihre Thaten dem Volke beständig vergegenwärtigten.

Glänzender entfaltete sich die kunstmäßige Lyrik, der Italien seine klangvollen Formen lieh (Canzonen, Sonette, Dttaven). Juan Boscan Alomgavar aus Barcelona ahmte sie zuerst nach, dann dichteten in ihnen Garcilaso de la Vega (1503 bis 1536), Fernando de Acuña (gest. 1580), Diego de Mendoza, welcher auch durch treffliche poetische Briefe nach Horazischem Muster lebhaften Beifall gewann, Fernando de Herrera (gest. 1589), gefeiert besonders wegen seiner Ode auf den Sieg von Lepanto. Unter italienischem Einfluß gedieh auch in Spanien die lyrisch-epische Schäferpoesie, wie sie Miranda und Montemayor pflegten. Der religiösen Lyrik wandte die Kirche besondere Sorgfalt zu, indem sie durch poetische Wettkämpfe die zahlreichen Dichter anregte und begeisterte. Eine ganz vereinzelte Verirrung blieb dabei zum Glück der sogenannte "gebildete Stil" (Estilo culto) des Luis de Gongora (geb. 1561), welcher sein Wesen in neuen Wortbildungen, lateinischen Wendungen, spißfindigen Gegensäßen und weithergeholten Bildern suchte, aber an seiner eigenen Schwülstigkeit allmählich erstickte.

Camoens.

A NEUMANN X.A.

Portugiesische Dichtung; Camoens. Mit dieser spanischen Lyrik und Epik ist aufs Engste die portugiesische verbunden, ja, die Kastilianer betrachteten die Sprache des Nachbarlandes fast nur als eine weichere Mundart der ihrigen, und nicht wenige Dichter haben in beiden Sprachen geschrieben. So unterlag auch die portugiesische Literatur denselben Einflüssen wie die spanische. Im Munde des Volkes erhielt sich die alte Liederdichtung, welche allmählich in Liederbüchern (Cancioneiros) gesammelt und der Nachwelt aufbewahrt wurde; die Gebildeten fanden überwiegend Geschmack an den Formen der italienischen und römischen Kunstpoesie. Neben der Lyrik blühte so vor Allem das Hirtengedicht und das Kunstepos. In jenen Gattungen erwarben sich Gil Vincente, Sa Miranda (1495-1558), Antonio Ferreira

(1528-1569) einen Namen; doch in dieser schuf Luis de Camoens (1525-1576) das Größte, was dem portugiesischen Geiste überhaupt gelungen ist, und damit zugleich das einzig dauernde Denkmal der kurzen Blütezeit des kleinen Volkes.

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Camoens' Leben ist dem so vieler Portugiesen seiner Zeit ähnlich. Als der Sohn eines Seemanns, der in Goa starb, erwarb er sich in Coimbra eine gute klassische Bildung, verscherzte sich aber seine Stellung am Hofe durch ein Liebesverhältniß zu Katharina de Ataide. Er nahm dann Kriegsdienste auf der Flotte, kämpfte in Nordafrika, verlor dabei das rechte Auge und ging im Jahre 1553 nach Indien, wo er troß eines furchtbaren Sturmes, der drei Schiffe versenkte, doch glücklich anlangte. Hier machte er im Dienste des Vizekönigs von Indien, Alfonso Noranha, einen Feldzug mit und kam 1555 wieder nach Goa zurück, erregte jedoch durch eine Satire den Zorn des neuen Vizekönigs Franz Barreto derart, daß er nach dem chinesischen Macao verwiesen wurde. Hier vollendete er sein Hauptwerk, die Lusiaden, und noch zeigt man die Grotte des Camoens", wo er zu dichten pflegte. Erst 1561 kehrte er nach Goa zurück. Auf der Fahrt dahin litt er an der Küste von Kambodscha Schiffbruch und rettete mühsam mit dem Leben auch sein kostbarstes Besißthum, die Handschrift seines Epos. In Goa mit Mühe aus unverschuldeter Haft befreit kehrte er in die Heimat zurück und kam endlich im Jahre 1569 nach sechzehnjähriger Abwesenheit wieder in Lissabon an. Drei Jahre später veröffentlichte er sein Epos, das unter der Sonne der Tropen gereift war. So groß aber auch die allgemeine Bewunderung war, so gering der äußere Lohn. Der Jesuitenzögling König Sebastian hatte für Camoens nur den elenden Jahresgehalt von 15 spanischen Thalern übrig, und der größte Dichter Portugals wäre buchstäblich Hungers gestorben, wenn nicht sein treuer javanischer Diener Antonio für ihn gebettelt hätte. Nur die Dominikaner nahmen sich seiner an. Unter dem Eindrucke der furchtbaren Niederlage von Alkassar (August 1578) ist Camoens im Hospitale gestorben (1579).

Sein Hauptwerk schildert in zehn Gesängen die erste Reise des Helden und Eroberers Vasco da Gama freilich nicht in realistischer Weise, vielmehr werden die Schicksale der portugiesischen Helden durch feindliche und günstige Götter gelenkt wie die des Aeneas oder des Odysseus, und nach der phantastischen Anschauung dieser ganzen romanischen Poesie retten sich die kühnen Seefahrer auf Wunderinseln, wo ihnen Zauberwesen begegnen. In martigen Zügen führt an anderen Stellen der Dichter den Verlauf der portugiesischen Geschichte vor.

Seine ganze poetische Kraft aber entfaltet er da, wo er das Meer in Sonnenlicht oder Sturmgewittern und den Kampf des Menschen mit seinen Schrecknissen schildert. Gegen die rein epische Stimmung verstößt freilich das starke Hervortreten der Persönlichkeit des Dichters, und erschütternd klingt am Schlusse des Ganzen seine Klage über das undankbare und doch so heißgeliebte Vaterland. Das Leßte, was ihm zu erleben noch übrig gewesen wäre, den Fall Portugals unter spanische Herrschaft, ersparte ihm der Tod.

Vorbedingungen des spanischen Dramas. Wenn in Portugal durch Camoens das Höchste im Kunstepos geschaffen wurde, so liegt die eigentlich weltgeschichtliche Bedeutung der spanischen Literatur auf einem andern Gebiete. Spanien wurde neben seiner großen Gegnerin England das einzige Volk, in welchem ein volksthümliches, durch die Kunst geläutertes Drama sich entfaltete, und beide sind darin einzig geblieben. Das ist nicht zufällig, nicht eine Gunst des Glücks, sondern hängt mit den tiefsten Wurzeln des nationalen Lebens zusammen. Es gab kein Land Europa's, in welchem so wie in Spanien das lebendige Interesse an Poesie, Gesang und Tanz alle Schichten des Volkes durchdrungen hätte. Kein Fest, keine Lustbarkeit war ohne sie denkbar. Noch waren die Romanzen lebendig, daneben verbreiteten Volksbücher die fremden Sagenstoffe des Mittelalters, wurden die Ritterromane, zumal das Urbild derselben, Amadis von Gallien, mit ihrer Fülle phantastischer Abenteuer bis gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts eifrig gelesen. Neuen Stoff brachte die antike Poesie hinzu. Auch regte der katholische Gottesdienst mit seinem prunkvollen, halb dramatischen Charakter, seiner reichen musikalischen Entfaltung und dem Bilderschmuck seiner Kirchen, seinen pomphasten Umzügen, die zumal am Frohnleichnamsfest die Gestalten der heiligen Geschichte und Legende in plastischer und

Luis de Camoens. Das spanische Drama.

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malerischer Nachahmung vorführten, den poetischen Sinn. Noch war auch in Spanien, wo namentlich die lange Dauer der Maurenkriege mächtig einwirkte, mehr Brauch und Sitte des Ritterthums lebendig als irgendwo anderwärts. Noch bestanden hier die geistlichen Ritterorden, noch liebte es die adelige Jugend, im maurischen Ringelrennen ihre Kraft und Gewandtheit zu zeigen, und so barbarisch dem Nichtspanier auch die Stiergefechte erscheinen, daß diese aufregenden Schauspiele malerische Scenen in Fülle auszuweisen hatten und bei den Kämpfern oft die höchste Anspannung von Stärke und Muth erforderten, läßt sich doch nicht leugnen. Einen wüthenden Stier gefällt zu haben, galt auch dem Edelmann als ehrenvoll. Und schienen nicht alle Abenteuer und Heldenthaten der grauen Vorzeit noch weit übertroffen zu sein durch die Eroberer (Conquistadoren) von Amerika, durch die verwegenen Ritter des Weltmeeres?" Das Alles zusammengenommen erfüllte die Phantasie des Spaniers beständig mit ritterlichen Idealen, gewöhnte ihn, selbst an das Wunderbarste zu glauben, ließ das unmittelbare Eingreifen höherer Mächte in das Leben des Menschen als etwas ganz Natürliches erscheinen. Indeß hätte dies noch nicht zu einem volksthümlichen Drama geführt, hätte nicht alle Stände des Volkes eine einheitliche, sittliche Weltanschauung durchdrungen, deren der dramatische Dichter nothwendig bedarf, um einer durchschlagenden Wirkung sicher zu sein. Sie setzte sich zusammen aus einem ganz durchgebildeten Ehrbegriff, dessen ungeschriebene Sazungen so unverbrüchlich gehalten wurden, wie nur jemals die eines Rechtsbuches, unbedingter Ergebenheit gegenüber dem König und die von ihm vertretene nationale Größe, endlich einer strengen Kirchlichkeit, der jede Abweichung von der Kirchenlehre als ehrlos und verbrecherisch galt. Konnte eine so einheitliche Weltansicht nur auf dem Boden einer geeinten, stolzen Nation erwachsen, so war sie eben deshalb auch ganz spanisch und katholisch und konnte außerhalb des Volkes und des Zeitalters, denen sie angehörte, nicht auf unbedingte Geltung rechnen. Denn sie betrachtete alle die höchsten sittlichen und philosophischen Fragen, welche die Menschheit immer beschäftigt haben und stets beschäftigen werden, als schon gelöst durch die Lehre der Kirche, hielt sie demnach der Erörterung nicht für bedürftig, sie machte das Thun und Handeln des Menschen abhängig von den Vorschriften der geistlichen Gewalt, nicht von dem Gewissen des Einzelnen, sie hielt selbst ein Verbrechen für erlaubt, wenn es die Ehre oder die Kirche gebot. Deshalb ist das spanische Drama dem des protestantisch-germanischen England in seinem innersten Wesen entgegengesezt und hat nicht diejenige klassische Geltung erlangen können, welche diesem unzweifelhaft gebührt.

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Grotte des Camoens.

Entwicklung des spanischen Dramas bis 1587. Sonst weist die Entwicklung beider, äußerlich betrachtet, außerordentlich viel Aehnlichkeit auf. Sie entstehen beide auf nationalem Boden, nehmen von den Alten höchstens manche Aeußerlichkeiten auf und bilden sich aus, wie das Bedürfniß des Volfes es verlangt, nicht nach fremdem Vorbilde. Der erste Ursprung liegt auch in Spanien, wie überall in den geistlichen Spielen (Mysterien), die zu Weihnachten, zu Ostern und am Frohnleichnamsfest von Geistlichen und Laien in und außer den Kirchen zur Erhöhung der Andacht aufgeführt wurden. Dazu gesellten sich gleichzeitig lustige Schwänke, von fahrenden Leuten zur Ergözung des Volkes dargestellt. Die erste weltliche Komödie trat in der Form eines Schäferspieles, also antiker (vergilischer) und italienischer Anregung folgend, 1492 gleichzeitig mit der Entdeckung Amerika's durch Juan del Encina ans Licht; noch einflußreicher wurde die „Celestina", eine Tragikomödie, d. i. ein dialogisirter Roman in 21 Akten. Jalustrirte Weltgeschichte. V.

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Die Regel und den Ton für das spanische Drama fand jedoch zuerst Torres Naharro, ein Geistlicher, dessen Schauspiele unter dem Titel „Propaladia“ in Rom 1517 erschienen. Er verlangte in den beigegebenen theoretischen Erörterungen eine sinnreiche Verwicklung anziehender Begebenheiten, welche durch fünf Akte oder „Tagereisen" (jornadas) zum Ziele geführt werden, wandte auch neben mannichfachen Liederstrophen den flotten vierfüßigen Trochäus an, welcher seitdem der herrschende dramatische Vers in Spanien geblieben ist, wie er vorher in der Romanze herrschend gewesen war. Seine acht Lustspiele enthalten nun mehr Situationsmalerei und Sittenschilderung als wirklich dramatische Verwicklungen, erlaubten sich dabei übrigens so scharfen Tadel über kirchliche Mißbräuche, daß die Inquisition sie verbot und ihre Wirksamfeit in Spanien damit hemmte.

Es ist nun bezeichnend für die ungebrochene Macht der spanischen Kirche, daß das alte geistliche Schauspiel (auto) nicht, wie es in England und Frankreich geschah, verschwand oder in das weltliche überging, vielmehr sich neben und mit demselben weiter entwickelte, wie auch der volksthümliche Schwank fortgebildet wurde, ja daß kirchliche Anstalten selber zum Theil die Aufführung weltlicher Stücke in die Hand nahmen. So vertritt der erste bedeutende Dramatiker des sechzehnten Jahrhunderts, der Halbportugiese Gil Vincente (gest. 1557) alle diese verschiedenen Richtungen neben einander. Das Beste gelang ihm in seinen Schwänken (Farça), lustigen Scenen aus dem Volksleben heraus, nicht selten mit satirischer Färbung, und oft abwechselnd portugiesisch und spanisch geschrieben, wie es dem Charakter der auftretenden Personen entsprach. Vicente's jüngerer Zeitgenosse Lope de Rueda (gest. vor 1567), seines Zeichens ein Handwerker, leistete Vorzügliches in derselben Gattung und führte seine Stücke auch selber mit unendlich bescheidenen Mitteln auf, wobei seine eigene große komische Begabung Effekt machte. In Sevilla fanden später La Cueva (1550-1607), in Valencia Rey de Artieda und Christoval de Virues für ihre oft mit Ereignissen überladenen und an Greueln überreichen Stücke ein dankbares Publikum. Dem gegenüber bedeutete der Versuch, dem antiken (lateinischen) Vorbilde Geltung zu verschaffen, nicht eben viel.

Bühnenwesen. Je beliebter nun diese dramatischen Dichtungen wurden, desto mehr ent= wickelte sich auch das Bühnenwesen. Die fahrenden Leute, welche das Volk mit ihren Schwänken ergößten, wie Rueda, führten ihre ganze Garderobe in einem Sacke mit sich, ihre Bühne bestand aus einigen Bretern, die sie über Bänke oder Tonnen legten, zur Eröffnung sangen ein paar Leute irgend eine Romanze hinter einer aufgehängten Bettdecke. Die ersten stehenden Theater wurden in Madrid von den Brüderschaften zweier Hospitäler (de la Cruz und del Principe) in den Jahren 1579 und 1582 zum Besten ihrer Anstalten gegründet. Bald aber gab es feste Bühnen auch in Sevilla und Valencia; und eine gewisse rechtliche Grundlage erhielt das ganze Bühnenwesen durch einen königlichen Erlaß von 1587, der darüber bestimmte Vorschriften gab, beiläufig das Einzige, was Philipp II. für das nationale Theater gethan hat. Seitdem vermehrten sich nun auch die Schauspielertruppen so schnell, daß zwischen 1590 und 1600 allein in Madrid ihrer dreizehn gezählt wurden. Dieser Entwicklung trat nun zwar das Verbot aller weltlichen Komödien, welches wegen mancher Ungebührlichkeiten die Geistlichkeit im Mai 1598 erlangte, hindernd entgegen; indeß gestattete schon im Anfang des Jahres 1600 Philipp III. diese Darstellungen unter einigen einschränkenden Bedingungen, namentlich einer vorhergehenden Censur der Stücke, wenigstens vier Gesellschaften wieder, und bald fielen in der Wirklichkeit selbst diese Beschränkungen hinweg. Bald darauf gab es zwölf königliche, d. h. konzessionirte Truppen, im Ganzen gegen 40 mit etwa 1000 Mitgliedern. Jede bedeutendere Stadt besaß ein stehendes Theater, in dem die verschiedenen Gesellschaften fast das ganze Jahr hindurch abwechselnd spielten, und wo es solche nicht gab, und vielleicht auch keine Schauspieler aufzutreiben waren, da steckten sich kunstbegabte Laien wol selbst ins Kostüm oder man behalf sich mit Puppentheatern. Die bedeutendsten Häuser blieben immer die beiden Madrider, die auf Rechnung der Hospitäler und der Schauspieler betrieben wurden und jenen allein gegen Ende des Jahrhunderts 14,000 Dukaten jährlich abwarfen. Ihre Einrichtung war deshalb maßgebend für Alle, der englischen ganz ähnlich. Die Zuschauer niederen Ranges, die berühmten

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