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1574.

Das Osmanische Reich im Sinken.

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zunächst etwas gewußt hätte. Wirklich eroberte im September 1573 Juan von Goletta aus mit leichter Mühe Tunis und Bizerta, aber seine Bitte, ihn zum König von Tunis zu machen, schlug der spanische Staatsrath rundweg ab, er befahl ihm vielmehr, die Festungswerke der Stadt sammt Goletta zu schleifen, da ihre Behauptung ganz unverhältnißmäßige Kosten verursachen werde und doch nicht wahrscheinlich sei. Der Erfolg gab der spanischen Regierung Recht. Denn während Juan mit Beilegung von Parteiunruhen beschäftigt in der Nähe von Genua weilte, erschienen im Juli 1574 die Türken mit großer Macht, nahmen Tunis selbst ohne Widerstand, Goletta nach tapferer Vertheidigung. Die von Don Juan angeordnete Hülfesendung blieb fruchtlos. Die Spanier erwarteten den Angriff auf ihre Küsten, indeß wie sie selbst immer mehr von dem niederländischen Kriege in Anspruch genommen wurden, so die Osmanen durch den persischen, und so endete im Jahre 1574 thatsächlich der große Kampf im Mittelmeer.

Das Osmanische Reich im Sinken.

Persische Kriege. Der oben erwähnte Perserkrieg, welcher nach Selim's II. jähem Tode (am 12. Dezember 1574) von seinem Nachfolger Murad III. (1574—1595) begonnen wurde, erschöpfte sechzehn Jahre hindurch nußlos die Kräfte des Osmanischen Reiches. Denn so unkriegerisch Murad persönlich war, so eroberungssüchtig zeigte er sich doch; es reizte ihn eben den Kampf zu unternehmen, den seine Feldherren ihm als den schwersten bezeichnet hatten. Die Gelegenheit schien günstig, denn nach des Schah Tamasp Tode (1576) bestieg über die Leichen seiner zehn Brüder hinweg der schwache Mohammed Chodabend den persischen Thron. Wirklich unterwarfen nun die Osmanen nach dem Siege von Tschildir (nördlich von Kars) Georgien und legten die Festungen Kars, Erivan u. a. als starke Grenzhut an; im Jahre 1583 drang auch Osman Pascha durch den Paß von Derbent in Daghestan am Kaspischen Meere ein, siegte in der nächtlichen „Fackelschlacht" am 9. Mai 1583 und erreichte auf einem neuen Feldzuge unter den härtesten Entbehrungen Täbris (1585), aber dann wich das Glück von seinen Fahnen; er selber starb, und in Persien trat Mohammed zu Gunsten seines Sohnes Abbas zurück (1587), der nachmals den Namen des Großen erhielt, ein Mann, leutselig und fröhlich im Gemüth, tapfer im Felde und siegreich. Zwar erfocht noch einmal im Juni 1587 Ferhad Pascha bei Bagdad einen blutigen Sieg, aber die Opfer des Krieges standen in keinem Verhältniß zu seinem Gewinn. In diesen Wüsten und Gebirgseinöden gab es keine reiche Beute, oft genug blieb der Feind unangreifbar oder unerreichbar, die Behauptung des Eroberten höchst unsicher. So bequemten sich die Osmanen im Frühjahr 1590 zu einem Frieden, der ihnen Täbris und Georgien beließ, aber die Macht des persischen Reiches keineswegs brach. An ihr fanden die Türken im Osten dieselbe unübersteigliche Schranke, wie im Westen bisher an Deutschland und an den Mittelmeermächten, welche im Jahre 1571 durch den Sieg von Lepanto den Zauber türkischer Unbesiegbarkeit zur See zerstört hatten.

Innerer Verfall. Dies mußte auch auf die inneren Verhältnisse des Reiches zurückwirken. Dieser Kriegerstaat konnte nur gedeihen, wenn er die militärische Uebung, den religiösen Fanatismus und die Beutegier seiner wilden Scharen lebendig erhielt. Dazu gehörte zweierlei: fortgesette Eroberungskriege und kriegerische Sultane; im Frieden mußten die Osmanen verkommen. Beides begann jezt zu fehlen. Jene fanden ihre Schranken, die sich nicht niederwerfen ließen, diese waren mit Soliman's Tode zu Ende. Ja, dieser größte türkische Herrscher hat den Anstoß gegeben zu dem innern Verfall. Zu seinem Thronfolger hatte er ursprünglich seinen ältesten Sohn Mustapha bestimmt, der ein Mann war, wie sein Vater, kriegerisch und thatkräftig, edel und hochherzig. Aber die Ränke und Einflüsterungen seiner Lieblingsgemahlin, der Russin Roxolane, die ihrem eigenen Sohne Selim (II.) den Weg zum Throne bahnen wollte und dabei von dem Großvezier Rustem unterstüßt wurde, erfüllten Soliman mit steigendem Argwohn gegen Mustapha, und endlich ließ er ihn während des persischen Feldzugs von 1553 in seinem Zelte vor seinen Augen erdrosseln. Die Janitscharen, bei denen der Gemordete sehr beliebt gewesen, tobten und erzwangen die Abseßung Rustem's,

aber Selim's Thronfolge wurde festgestellt. Bald folgte dieser ersten Familientragödie eine zweite. Rustem, der wieder zu Gnaden angenommen worden, verheßte Selim mit seinem zweiten Bruder Bajesid, um sich bei dem künftigen Herrscher in Gunst zu sehen. Endlich brach der Zwist in offenen Bruderkrieg aus. In der Schlacht von Koniah (Iconium) geschlagen, flüchtete Bajesid nach Persien, doch statt des gehofften Schußes fand er den Tod: aus Furcht vor Selim's und Soliman's Rache ließ der Schah ihn sammt seinen vier Söhnen ermorden (1564). Zwei Jahre danach bestieg Selim II. (1566–1574) den Thron. Mit ihm beginnt jene lange Reihe der unkriegerischen Sultane, die statt, ihrem Heere ein leuchtendes Beispiel, gegen die „Ungläubigen“ zu Felde zu ziehen, sich den Lüsten und Spielereien des Serails hingaben. Trunksucht und Trägheit charakterisirten Selim; ein verdorbener portugiesischer Jude war sein Zechgenosse, sein Werk der Krieg gegen Cypern, dem die furchtbare Niederlage von Lepanto folgte. Ein Fieberanfall, den er sich durch unmäßigen Weingenuß zugezogen, machte seinem unrühmlichen Leben ein rasches Ende.

Sein Sohn Murad III. (1574–1595) begann seine Regierung mit der Ermordung seiner fünf jüngeren Brüder; den Perserkrieg überließ er seinen Feldherren, er selbst ergab sich im Harem und in den Gärten des Serails einem trägen Genußleben im Kreise von Verschnittenen, Zwergen und Gauklern; nur im Aufsammeln von Schäßen zeigte er eine gewisse unfruchtbare Thätigkeit.

Je mehr nun in diesem despotisch regierten Staate das Oberhaupt bedeutete, desto hemmender mußte die plößliche Lähmung jeder Regententhätigkeit der Sultane wirken. Die Folgen wären noch viel rascher hervorgetreten, wenn nicht die Tüchtigkeit des Großveziers Mohammed Sokoli, eines geborenen Bosniers, unter Selim II. und späterhin unter Murad III. den Mangel gedeckt hätte. Ein schöner, stattlicher Mann mit einer an Majestät grenzenden Würde war er unermüdlich thätig, in seiner Entscheidung rasch und unwiderruflich. Aber nach seinem Tode im Jahre 1579 wurde das Vezierat der Spielball höfischer Ränke, der Sultans- und Weiberlaunen; die Inhaber wechselten rasch, jede Sicherheit in der Staatsleitung verschwand; Verschnittene und Haremsfrauen leiteten den rauhen Kriegerstaat der Osmanen.

So versiegte die Kraft in der Regierung. Im Heere sah es nicht besser aus. Schon Soliman hatte den Janitscharen die Ehe gestattet und somit die alte harte Zucht dieser Kerntruppen erschüttert. Von Selim II. erzwangen sie die Aufnahme ihrer Kinder in ihre Reihen, die nicht mehr der alten strengen Disciplin unterworfen wurden. Die Aufnahme von geborenen Türken vollends zerrüttete das ganze System. Aus dem unbesiegten Fußvolle, das sie gewesen, wurde eine verwöhnte, unkriegerische Garde, die kaum noch die Waffen zu handhaben wußte, in der Schlacht häufig zuerst davonlief und den Sultanen durch ihre Ansprüche ge= fährlicher wurde als den Feinden durch ihre Tapferkeit. Auch die Reiterei der Sipahis verlor viel von ihrer Tüchtigkeit, da oft untaugliche Leute mit den Lehen bedacht wurden. Immerhin blieb das Osmanische Reich bei seinen ungeheuren Machtmitteln und der natürlichen kriegerischen Anlage der Türken noch eine Macht ersten Ranges, gefürchtet bis tief ins siebzehnte Jahrhundert hinein, aber die Grundlagen seiner Macht begannen zu zerfallen und mit dem Sinken ihres kriegerischen Uebergewichts verloren die Osmanen den einzigen Rechtstitel zu ihrer Herrschaft über die christlichen Völker der Balkanhalbinsel und Kleinasiens.

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PIETRO METASTASIO

Junftrirte Weltgeschichte V.

Dichter- und Geistesfürsten Italiens.

Zeichnung von Ludwig Burger.

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in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts.

Die Theilnahme an dem großen Kriege gegen die Türken, welcher deren Uebergewicht im Mittelmeere brach, ist die lezte große That der italienischen Staaten gewesen. Seitdem versanken die meisten von ihnen in eine Art politischen Stillebens; an den großen Entscheidungskämpfen dieser Perioden haben sie einen bestimmenden Antheil nicht genommen. Nur als spanische Provinzen, also ohne jede Selbständigkeit, konnten Sizilien, Neapel, Sardinien, Mailand überhaupt irgend einen Einfluß ausüben; andere, wie Florenz, Genua, Savoyen waren zu schwach, um ein bedeutendes Gewicht in die Wagschale zu werfen, und bedeuteten nur etwas, insofern sie sich einer Großmacht anschlossen. Mit einer gewissen Selbständigkeit konnten nur zwei Mächte auftreten: Venedig als Handels- und Kolonialstaat und Rom, insofern es der geistlichen Gewalt des Papstthums eine weltliche Stüße gab. So verschwand Italien aus der Reihe der die Weltgeschichte bestimmenden Mächte; es hat keine langwierigen Religionskriege durchgefochten wie Frankreich, Deutschland und England, dafür aber auch etwas Großes nicht mehr hervorgebracht. Denn auch das einst so rege politische Leben im Innern der Staaten erstarb unter dem unumschränkten Fürstenthume, die geistige Bildung verfümmerte unter dem. Drucke kirchlicher Reaktion, und wenn Italien auch noch Jahrzehnte lang das bewunderte Vorbild blieb für schöne Literatur, Kunst und seine gesellige Bildung, so konnte dies allein eine welthistorische Bedeutung nicht begründen. Wir fassen jezt die einzelnen Staaten der Halbinsel kurz ins Auge.

Toscana. Florenz war von Karl V. an die im J. 1527 zum zweiten Male verjagten Medici zurückgegeben, sie selbst waren mit dem Herzogstitel geschmückt worden (1530, s. S. 237). Der erste Mediceerherzog Alexander, ein tyrannischer Wüstling, fiel bereits im Januar 1537

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