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1504.

Isabella's Tod.

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gelingen. Um gegen Frankreichs drohende Uebermacht in dem Bunde des spanischen mit dem habsburgisch-burgundischen Hause ein Bollwerk zu schaffen, sollte nach dem Vertrage von 1495 der Thronfolger Johann mit Margaretha, der Tochter Kaiser Maximilian's I. und Maria's von Burgund, Johanna aber mit Margaretha's Bruder Philipp (dem Schönen) vermählt werden, während ein zweiter Vertrag von 1496 Katharina dem englischen Thronfolger Arthur bestimmte. Wirklich wurden jene Vermählungen, die den Grund zur spanisch-habsburgischen Weltmonarchie gelegt haben, mit höchster Pracht vollzogen, die eine in Lille, die andere im Beisein des Königspaares zu Burgos (1497). Das Glück des Herrscherhauses schien auf dem Gipfel angelangt, als nun auch noch kurz darauf die verwittwete Isabella, den Werbungen König Emanuel's endlich nachgebend, den portugiesischen Thron bestieg.

Doch in fast demselben Augenblicke traf ein erster furchtbarer Schlag das Königshaus und das Land. Am 4. September 1497 verschied nach kurzer Krankheit der Thronfolger Johann zu Salamanca. „Die Hoffnung ganz Spaniens sank dahin“, das Land hüllte sich in tiefe Trauer 40 Tage lang. Nun erkannten zwar die kastilischen Stände Isabella von Portugal als Erbin des Reiches an 1498, die aragonischen aber weigerten sich dessen, da nach ihrem Grundgeseß eine Frau nicht regierungsfähig sei. Der Tod übernahm die Lösung. Die Geburt ihres Sohnes Michael (Miguel) am 23. August 1498 kostete Isabella das Leben. Gegen Miguel ließen die Aragonesen ihren Widerspruch fallen, und abermals schien die Verbindung aller drei Reiche für die Zukunft gesichert zu sein. Schon im Jahre darauf wurde sie zum zweiten Male durch den Tod des Kindes zerstört, und die Nachfolge in den spanischen Reichen ging über an Johanna, die schon damals Spuren der beginnenden Schwermuth zeigte. Unter diesen Schlägen brach die Kraft Isabella's zusammen. Schon seit dem Tode ihres Lieblings Isabella kränkelte sie, ein verzehrendes Fieber trat hinzu. Mit Ruhe und Fassung ordnete sie die letzten Geschäfte, vor Allem die Regentschaft ihres Gemahls, falls Johanna verhindert sei. So starb sie am 26. Novbr. 1504 in Medina del Campo bei Valladolid. Ihre Gebeine wurden nach ihrem Willen mit einfacher Feierlichkeit im Franziskanerkloster der Alhambra beigeseßt. Hier ruhten sie, bis sie nach dem Tode Ferdinand's an dessen Seite in das prachtvolle Grabmal der Stiftskirche von Granada übergeführt wurden. (Vergl. Prescott, Geschichte Ferdinand's und Isabella's.)

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Ferdinand vermählte sich zum zweiten Male 1506 mit der Prinzessin Germaine de Foix, einer Schwestertochter Ludwig's XII. von Frankreich und Enkelin Leonoren's von Navarra, von der bereits die Rede gewesen ist.

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Philipp der Schöne und Johanna die Wahnsinnige.

Ferdinand hoffte noch auf einen männlichen Nachkommen aus Abneigung gegen seinen Schwiegersohn, den Erzherzog Philipp, dem er die Erbfolge in den aragonesischen Ländern nicht gönnte. Aber diese seine Hoffnung, die sich zu erfüllen schien, ging durch den schnellen Tod des neugeborenen Prinzen verloren, und so ließ sich die beabsichtigte Lostrennung Aragoniens von Kastilien, die den Geschicken der Halbinsel eine ganz andere Wendung gegeben und alle Bemühungen Isabella's wieder vereitelt haben würde, glücklicherweise nicht ermöglichen.

Von Ferdinand's Kriegen in Italien, wo sein großer Feldherr Gonsalvo Lorbern errang, und von der Eroberung und Erwerbung Obernavarra's (1512) ist bereits bei der Geschichte der betreffenden Länder erzählt worden.

Troy Ferdinand's Widerstand war sein Schwiegersohn Philipp von Oesterreich und Burgund als König von Kastilien anerkannt worden, während Ferdinand sich nach Aragonien zurückzog. Aber Philipp starb bereits im September zu Burgos, erst 28 Jahre alt. Die unglückliche Johanna war inzwischen einem unheilbaren Wahnsinn verfallen. Die Eifersucht gegen ihren unbeständigen Gemahl scheint ihre angeborene Reizbarkeit zur Krankheit gesteigert zu haben. Philipp war mit ihr Anfang 1502 nach Spanien gekommen, hatte sie aber dort zurückgelassen und war allein nach den Niederlanden heimgekehrt. Als ihm Johanna dorthin im März 1504 folgte, fand sie den Gemahl in einem offenkundigen Liebesverhältnisse zu ciner schönen Hofdame. Tief gekränkt dadurch, ergriff sie eines Tages ihre Nebenbuhlerin im Palaste und ließ ihr die zierlichen Locken abschneiden, welche die Bewunderung Philipp's am meisten erregt hatten. Durch diesen seiner Dame angethanen Schimpf gerieth aber Philipp seinerseits wieder in solche Wuth, daß er seine Gemahlin öffentlich mit den rücksichtslosesten Ausdrücken beleidigte und jeden ferneren Verkehr mit ihr verweigerte. Ja, als sie nach dem Tode der Mutter auf Seite ihres Vaters zu treten und dessen Regentschaft über Kastilien zuzustimmen schien, ließ er sie in strengen Gewahrsam bringen. Dadurch wurde der Zustand der unglücklichen Königin bedeutend verschlimmert. Troßdem wich sie nachher nicht vom Lager ihres Gatten, als er im folgenden Jahre erkrankte und am 25. September 1506 starb. Aber weder damals, noch nach seinem Tode hat man sie eine Thräne vergießen sehen. Sie blieb in einem Zustande gedankenloser Unempfindlichkeit, in einem verfinsterten Zimmer sizend, den Kopf in die Hand gestüßt und mit geschlossenen Lippen, stumm und unbeweglich wie eine Bildsäule. Wenn man sich wegen eines Erlasses oder irgend eines dringenden Amtsgeschäftes, das ihre Unterschrift erforderte, an sie wendete, erwiderte sie: „Mein Vater wird für alles dies sorgen, er ist mit den Geschäften vertrauter als ich; ich habe jezt keine andere Pflicht, als für die Seele meines dahingeschiedenen Gemahls zu beten“. Die einzigen Befehle, welche sie unterzeichnet hat, waren die zur Gehaltzahlung an ihre flamländischen Musiker. Denn bei ihrem niedergeschlagenen Zustande fand sie einigen Trost in der Musik, die sie von Kindheit an leidenschaftlich geliebt hatte. Die wenigen Bemerkungen, welche sie äußerte, waren bescheiden und verständig, und bildeten einen sonderbaren Widerspruch gegen die durchgängige Ungereimtheit ihrer Handlungen, die sich bisweilen bis zur Tollheit steigerte. So beschloß sie plößlich im kalten Dezemberwetter, die Ueberreste ihres Gemahles von Burgos nach dem in Aussicht genommenen leßten Ruheplaße zu Granada zu bringen. Sie bestand darauf, dieselben vor der Abreise noch einmal selbst zu sehen. Alle Vorstellungen dagegen erwiesen sich als fruchtlos und steigerten nur ihren Eigensinn. Der Leichnam mußte aus dem Gewölbe geholt, die beiden Särge von Blei und Holz geöffnet werden, und sie betrachtete nicht blos die modernden Reste, die, obgleich sie einbalsamirt waren, kaum ein menschliches Ansehen mehr zeigten, sondern sie berührte sie auch mit ihren Händen, aber ohne eine Thräne zu vergießen oder die mindeste Rührung zu zeigen. Die Leiche wurde hierauf auf einen prachtvollen, mit vier Pferden bespannten Leichenwagen gesezt. Dieser ward von einem zahlreichen Gefolge von Geistlichen und Edelleuten begleitet, welche mit der

1555.

Philipp der Schöne und Jahanna die Wahnsinnige.

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Königin in der Nacht des 18. Dezember die Stadt verließen. Sie reiste nur bei Nacht, indem sie sagte, daß eine Wittwe, welche die Sonne ihrer Seele verloren habe, sich nie dem Tageslichte aussehen dürfte". Wo sie Halt machte, wurde der Leichnam in einer Kirche oder einem Kloster niedergeseßt, wo jedesmal wieder eine Leichenfeier abgehalten werden mußte, als wenn ihr Gemahl erst gestorben wäre. Ein Haufen Bewaffneter hielt stets Wache, besonders, wie es schien, um zu verhindern, daß ein weibliches Wesen den Ort durch seine Gegenwart entweihe, denn Johanna empfand noch immer die Eifersucht ihres Geschlechts. Als sie eines Tages den Leichnam auf den Kirchhof eines Klosters hatte bringen lassen, das sie von Mönchen bewohnt glaubte, wurde sie von heftigem Schrecken ergriffen, als sie hörte, daß es ein Nonnenkloster wäre, und sie ließ den Leichnam sogleich ins offene Feld bringen.

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Johanna von Kastilien an der Leiche ihres Gemahls. Zeichnung von Sachße.

Hier lagerte sie sich mit ihrem ganzen Gefolge mitten in der Nacht, jedoch erst, nachdem sie die Särge hatte entsiegeln lassen, um sich zu überzeugen, daß die Ueberreste ihres Gemahles auch noch unversehrt seien. Im heftigen Sturme erloschen Feuer und Fackeln, und die Gesellschaft verbrachte die ganze Nacht in Kälte und Finsterniß.

In einem lichteren Augenblicke hat sie noch die alten Räthe ihres Vaters entlassen und die Anhänger desselben durch den Widerruf aller von der Krone seit ihrer Mutter Isabella Tode gemachten Schenkungen in die größte Bestürzung gesezt. Indeß erhielt Ximenez durch Klugheit und Ernst die öffentliche Ordnung aufrecht, und der älteste ihrer beiden Söhne, der nachmalige Kaiser Karl V., damals noch ein Knabe, wurde als König von Kastilien anerkannt. An seiner Stelle übernahm Ferdinand zunächst die Regentschaft (Juli 1507). Johanna schleppte ihr kummervolles Dasein (seit 1509 in Tordesillas am Duero) in fortschreitender Verdüsterung ihres Geistes noch Jahrzehnte lang über den Tod ihres Gemahles hinaus; sie starb erst am 12. April 1555 und hinterließ als Stammmutter ihres Hauses den Nachkommen jenen Hang zum Trübsinn, der dem ganzen Geschlechte für Jahrhunderte verhängnißvoll geworden ist.

Portugal.

Zur Zeit Ferdinands und Isabella's hat das nahe Portugal einen ganz ähnlichen Entwicklungsgang durchgemacht. Auch dieser Staat war eine Anhäufung von königlichen, adeligen, geistlichen und städtischen Gebieten, lose zusammengehalten durch eine schwache Krone und die Stände (Cortes). Die großen Grundherren (Donatarios) waren längst gewöhnt, ihre Lehne als Erbgüter zu betrachten; sie übten auf ihnen über die Unterthanen die volle Gerichtsbarkeit und Polizeigewalt aus und verfügten über eine Menge fester Schlösser. Alfons V. (1438-1481) hatte durch leichtsinnige Freigebigkeit die Güter und Rechte der Krone noch mehr verschleudert. So besaß der Herzog von Braganza, Ferdinand, mit dem König verschwägert und der erste Edelmann des Königreichs, fünfzig Städte, Flecken und Dörfer und vermochte 3000 Reiter mit 10,000 Mann Fußvolk aufzustellen. Solchen Herren gegenüber war der König nicht Gebieter, sondern nur Genosse in der Macht.

Johann II. und Emanuel der Große.

Johann II. (1481–1495) griff mit fester Hand ein. Schon auf dem HuldigungsLandtage zu Evora nahm er aus den Klagen der städtischen Abgeordneten über die mangelhafte Rechtspflege der großen Vasallen die Veranlassung zur Einseßung einer ständischen Kommission, welche auf Grund eines von Johann I. erlassenen Lehngefeßes, wonach ein Lehen der Krone nur an den Erstgebornen des Inhabers gelangen sollte, alle angeblichen Schenkungen der Krone zu prüfen hatte. Es war eine Domänenreunion, wie sie Isabella gleichzeitig in Kastilien begann. Um die Widerseßlichkeit der Kronvasallen, an deren Spiße der Herzog von Braganza stand, niederzudrücken, ließ der König denselben im Mai 1483 zu Evora verhaften, des Hochverrathes anklagen und das Todesurtheil eines Ausnahmegerichtshofes unnachsichtlich vollstrecken (20. Juni). Als dann der Schwager des Gerichteten, der Herzog von Viseu, sich an die Spiße einer Verschwörung gegen das Leben des Königs stellte, um sich selbst auf den Thron zu schwingen, lockte ihn Johann in seinen Palast zu Setuval und stieß ihm hier den Dolch ins Herz (22. August 1484). Die übrigen Verschwörer traf Tod oder Kerkerhaft.

So brach Johann II. die Selbständigkeit des hohen Adels durch blutige Strenge. Eine Menge Krongüter entriß er ihm, und wenn er einige wenige davon vergab, so behielt er doch stets die Gerichtshoheit der Krone vor. Gewaltthätig, wo es die Herstellung seines Ansehens galt, erschien er sonst gerecht und unbedingt zuverlässig, ein Vater seiner Unterthanen. Auch der Kirche gegenüber war die Krongewalt sehr bedeutend. Die drei Erzbischöfe und zehn Bischöfe wurden vom Papste nur auf königlichen Vorschlag ernannt; das Hochmeisteramt der drei geistlichen Ritterorden (Christus, St. Jago, Avis) war in den Händen des Königs; die Veröffentlichung aller päpstlichen Verfügungen hing von der königlichen Genehmigung (Placet) ab. Dies leßtere Recht hat allerdings König Johann aufgegeben, um von Rom eine Kreuzzugsbulle für einen Maurenkrieg in Nordafrika zu erwirken.

Emanuel, sein Nachfolger (1495-1521), der Bruder des Herzogs von Viseu, den Johann zum Erben eingeseßt, führte des Vorgängers Werk energisch weiter. Die Statuten der Städte wurden revidirt und das Unzeitgemäße aus ihnen beseitigt, die Leistungen der Unterthanen neu geordnet, die Rechtspflege auf allen Stufen durchweg königlichen Beamten übergeben, die städtische und adelige Gerichtsbarkeit abgeschafft, selbst die der drei geistlichen Ritterorden den königlichen Appellationsgerichten unterstellt. Ein allgemeines Gesetzbuch auf Grund des von König Alfons V. herrührenden schloß 1521 die ganze Neugestaltung ab.

Wie der Hof für das politische Leben mehr und mehr die Bahnen vorschrieb, so brach er sie auch für die aufblühende neue Bildung. Beide Fürsten schenkten ihr eingehende Pflege. Johann stand mit italienischen Humanisten in Briefwechsel; unter ihm lehrte der große Hellenist Arias Barbosa (s. oben S. 12), entstand die erste Buchdruckerei in Lissabon, und wie hoch er die wunderbare neue Kunst schäßte, bewies er durch den Erlaß, der den Buchdruckern den Rang von Edelleuten des königlichen Hauses verlieh.

1495.

Johann II. und Emanuel der Große von Portugal.

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Im schroffsten Widerspruch mit diesem Aufblühen einer neuen Zeit steht die Thatsache, daß in Portugal wie in Spanien der finsterste Religionshaß seine Opfer forderte. Auch bei den Portugiesen verhärteten sich Glaubenseifer und Nationalstolz, durch die Jahrhunderte lang geführten und in Nordafrika immer noch andauernden Maurenkriege ge= nährt, zu harter Ausschließlichkeit. So nahm zwar Johann II. die im Jahre 1492 aus Spanien ausgewiesenen Juden zunächst auf, dann aber verfügte er ihre Austreibung binnen acht Monaten und ließ die Unglücklichen, welche zur Reise die Mittel nicht besaßen, erbarmungslos in die Sklaverei verkaufen. Sein Nachfolger Emanuel verfügte dann im Dezember 1496 die Ausweisung sämmtlicher portugiesischen Mauren und Juden. Viele freilich traten äußerlich zum Christenthume über; gegen diese „Neuchristen" erhob sich aber Ostern 1506 in Lissabon eine blutige Verfolgung, welche Tausenden das Leben kostete.

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Abfahrt eines Kauffahrers im Mittelalter. Nach dem Reisebericht des Seigneur Béthencourt.

Die Seewege nach Indien.

Trotz der verabscheuungswürdigen Auswüchse, welche der fanatische, durch hierarchische Antriebe gesteigerte Glaubenshaß jener Tage zeitigte, war es jedoch im Grunde derselbe Geist, welcher Portugiesen und Spanier zu den Entdeckungsfahrten trieb, den kühnsten und folgenreichsten, welche die Weltgeschichte kennt.

Um die Leistungen der Entdecker in ihrer vollen Bedeutung würdigen zu können, muß man vor Allem die Fragen beantworten: was suchten sie, und welche Gründe trieben sie zu diesen Unternehmungen?

Sie wollten keineswegs einen neuen Erdtheil auffinden, sie wollten vielmehr auf neuen, direkten Wegen zu längst bekannten Zielen gelangen. Mit anderen Worten: sie suchten Indien, China und Japan zur See zu erreichen ohne die Vermittlung der orientalischen Völker.

Juustrirte Weltgeschichte. V.

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