Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

1485.

Ermordung des Kezerrichters Arbues.

11

betrieben seine Nachfolger das grausame Henkeramt mit demselben Eifer. Nach Atten, welche in Madrid aufgefunden und erst kürzlich veröffentlicht worden sind, starben von 1481-1808 nicht weniger als 31,912 Personen auf dem Scheiterhaufen, 291,456 waren anderweitig, namentlich mit Kerker, Galeere, Gütereinziehung und Infamie der ganzen Familie, bestraft worden.

Um die Inquisition auch in Aragonien einzuführen, ernannte Torquemada 1484 den Domherrn Peter Arbues de Epila (geb. 1441) zum Keßerrichter von Saragossa. Diese Ernennung stieß jedoch auf heftigen Widerstand, die Stände beriefen sich beim Könige und Papste auf ihre Freiheiten, und als ihre Beschwerden kein Gehör fanden, bildete sich eine Verschwörung zur Ermordung des verhaßten Kezerrichters, der in Saragossa unbeirrt zahlreiche Autos da Fé (d. h. Glaubensalte) mit allen dabei üblichen Greueln vollziehen ließ.

[graphic][merged small]

Die Verschworenen zeichneten eine Summe von 10,000 Realen zur Ausführung ihres Unternehmens, aber diese war nicht leicht, denn Arbues wußte recht gut, wie verhaßt er war, und war auf seiner Hut. Er trug unter seiner Mönchskutte einen Panzer und einen Helm unter seiner Kapuze; der Zugang zu seinem Schlafzimmer war sorgfältig versperrt. Endlich bot sich den Verschworenen eine Gelegenheit, als Arbues um Mitternacht am Hochaltar der Stiftskirche betete. Sie drangen in dieselbe ein und stießen dem Betenden einen Dolch ins Genick. Arbues lebte noch zwei Tage und dankte wiederholt dem Herrn, der ihm gestattet habe, die heilige Glaubenssache mit seinem Blute zu besiegeln (1485). Gegen die Verschworenen, deren Spuren die Bluthunde des Keßergerichtes bald ausgewittert hatten, wurde aufs Rücksichtsloseste und Grausamste vorgegangen. Gegen 200 Personen kamen an den Galgen, eine noch größere Anzahl starb im Kerker der Inquisition. Es gab kaum eine adelige Familie in Aragonien, von der nicht ein Mitglied oder mehrere zu erniedrigender Buße bei den Autos da Fé verurtheilt worden wären. Arbues selbst wurde als Märtyrer hoch verehrt und am Hochaltar, wo er verwundet worden war, begraben. Ein prachtvolles

Grabmal wurde zu seinem Gedächtniß errichtet, der Papst Alexander VII. sprach ihn 1661 „selig“, und als nach 200 Jahren die erforderliche Anzahl von Wundern, die an seinem Grabe geschehen sein sollten, beisammen war, bereicherte Pius IX. 1867 den Kalender durch Arbues' Namen um einen neuen Heiligen.

Dennoch konnte in Aragonien die Inquisition niemals zu der Alles beherrschenden Wirksamkeit gelangen wie in Kastilien. Dagegen wurde sie troß des Widerstandes der Bevölkerung nachmals auf den Balearen, auf Sardinien und Sizilien eingeführt.

Der Humanismus in Spanien. Unmöglich durfte es nun bei der Erneuernng kirchlicher Gesinnung und äußerer kirchlichen Zucht sein Bewenden haben. Eine wahrhafte Erneuerung war nur möglich, wenn sie sich auch eine wissenschaftliche Grundlage schuf. Wahrhaft frei konnte diese Wissenschaft zwar niemals sein, aber was in den vorgeschriebenen Grenzen überhaupt möglich war, das hat Spanien damals geleistet, indem es früher beinahe als jedes andere Land, wenn man von Deutschland absieht, die neue humanistische Bildung, welche in Italien aufgeblüht war, in sich aufnahm und vor Allem kirchlichen Zwecken dienstbar machte.

Die Buchdruckerkunst hat sich auch in Spanien diesen Zwecken überaus förderlich erwiesen. Deutsche waren es, die die schwarze Kunst zuerst dorthin brachten und lange Zeit auch fast allein ausübten, wobei Isabella sie durch Vorrechte mancher Art und große Aufträge un= mittelbar förderte. Die erste nachweisbare Druckerei erscheint zu Valencia schon 1474. In Granada siedelten sich sofort nach der Eroberung (1492) drei deutsche Buchdrucker an, und im Jahre 1500 betrug die Zahl der spanischen Buchdruckereien etwa dreißig. „Waffenschmiede der Bildung" nennt sie bezeichnend Lope de Vega.

Sie dienten vor Allem der humanistischen und theologischen Wissenschaft. Wie überall waren es zunächst einzelne italienische Gelehrte, welche die neuen Studien erweckten, von Anfang an vom Hofe entschieden begünstigt. So begründete Petrus Martyr, den ein Graf von Tendilla mit herübergebracht, eine Erziehungsanstalt für vornehme Jünglinge, die eifrig besucht wurde. Lucio Marino, seit 1486 in Spanien, bekleidete erst eine Professur in Salamanca, wurde dann an den Hof gezogen und erklärte dort die Klassiker. Der erste bedeutende spanische Humanist, der seine Bildung in Bologna sich gewann (1463–73), war Antonio de Lebrija (Nebrissensis), später Professor in Sevilla, Salamanca und Alcala; der bedeutendste Kenner des Griechischen Arias Barbosa aus Portugal, seit 1489 in Salamanca. Nach dem Vorbilde des Hofes schenkte der spanische Adel diesen Studien seine lebhafteste Theilnahme; Angehörige edler Geschlechter, so z. B. Don Gutiero de Toledo, ein Vetter des Königs, traten als ausübende Universitätslehrer auf, und vornehme Damen studirten ebenso wie in Italien eifrig Griechisch und Latein, wie Maria Pacheco aus dem stolzen Hause der Mendoza, Lucia de Madrano, welche in Salamanca über lateinische Klassiker, und Francisca de Lebrija, die in Alcala über Rhetorik las.

Das Hervorragendste, was dem spanischen Humanismus dieser Zeit gelungen ist, hat er auf theologischem Gebiete geleistet. Das ist die auf Ximenez' Veranlassung in Alcala unternommene sogenannte Complutensische Polyglotte, ein großartiges Bibelwerk, welches den Text der Heiligen Schrift für das Alte Testament in Hebräisch, Chaldäisch, Griechisch und Latein, für das Neue Testament im Griechischen enthielt und ihm Wörterbuch und Grammatik für das Hebräische und Chaldäische hinzufügte (vollendet 1517, herausgegeben mit päpstlicher Erlaubniß 1522).

Auch die wissenschaftliche Bearbeitung der katholischen Glaubenslehre begann zuerst in Spanien. Sie schloß sich freilich aufs engste nicht an die Heilige Schrift, sondern an das scholastische System des Thomas von Aquino an, das seit Jahrhunderten die Kirche beherrschte. Auf dieser Grundlage arbeiteten Männer wie Franz Vittoria, Thomas de Villanueva, Alfons Viruns; ihre Schüler haben später die dogmatischen Festseßungen des Tridentiner Konzils ganz besonders bestimmt.

[ocr errors][ocr errors]

1492.

Der Humanismus in Spanien.

13

Alle diese Bestrebungen erfreuten sich großartiger Fürsorge der höchsten staatlichen und kirchlichen Gewalten. Isabella gründete die beiden großen Bibliotheken, die jezt noch Toledo und den Escorial zieren. Zu der altberühmten Universität von Salamanca, die ihren Ruf siegreich behauptete als die Mutter der freien Künste und alter Tugenden", als „das neue Athen", und bis zu 7000 Studenten und Professoren für alle Wissenschaften zählte, trat später eine ganze Reihe neuer: 1508 Alcala, 1509 Sevilla, 1520 Toledo, 1531 Granada. Keine der jüngeren freilich erreichte die Bedeutung Salamanca's und Alcala's, namentlich für theologische Studien. In keiner Beziehung stand also damals Spanien in den Wissenschaften hinter dem übrigen Abendlande zurück; ja der erste Humanist der Zeit, Desiderius Erasmus, fand, es könne als ein Vorbild für Europa dienen.

[graphic]

Aber indem die Regierung auf der einen Seite die wissenschaftliche Blüte förderte, auf der andern durch die Inquisition jede geistige Freiheit niederhielt, 1502 sogar die Büchercensur einführte, verwickelte sie ihr Volk in einen unlösbaren Widerspruch. Zu offenem Kampfe hat er nicht geführt, denn Krone und Kirche waren start genug, um jede Gegenbewegung niederzuhalten, zu ersticken. Unter diesem Druck ist allmählich das geistige Leben Spaniens verfümmert, nur in der bildenden Kunst und noch mehr in der dramatischen Dichtung hat es noch herrliche Blüten getrieben.

Ein ernsterer Kampf zwischen Geistesfreiheit und Geistesdruck war auch schon um deswillen unmöglich, weil das kastilische Volk in seiner

Bardinal Ximenez.

großen Masse mit Regierung und Kirche durchaus einverstanden war, in der „Reinheit des Glaubens" feinen größten nationalen Stolz, im Kampfe für ihn seine höchste Aufgabe erkannte. Diese Gesinnung ist durch nichts so sehr genährt worden als durch den Maurenfrieg (1482-1492) und die darauf folgenden Kämpfe; und als die leßte mohammedanische Herrschaft auf spanischem Boden vernichtet war, da schöpfte sie aus den Entdeckungs- und Eroberungsfahrten jenseits des Weltmeeres immer neue Anregung.

Die alte Glaubenswuth, die Thatenlust des kastilischen Adels, die in inneren Fehden sich nicht mehr austoben durfte, den frisch hervorbrechenden nationalen Haß: Alles dies wußte Isabella geschickt zu vereinigen und in unwiderstehlichem Anprall zuerst auf das Reich von Granada zu werfen.

Eroberung Granada's.

Einen dauernden friedlichen Verkehr der Christen mit den Mauren verhinderten die Unterschiede in Religion, Sprache und Sitten. Zudem hatte die Lage Granada's zwischen den langgestreckten Länderflügeln des Spanischen Reiches stets etwas Bedrohliches, und seine Häfen gestatteten zu jeder Zeit neue Zuzüge und Einfälle der Mauren von Afrika aus. Freilich war der Krieg gegen Granada mit außerordentlichen Schwierigkeiten verknüpft, und die Vernichtung des gefährlichen Nachbars gelang troß der ernstesten Anstrengungen erst nach verlustreichen und wechselvollen Kämpfen, die ohne Zweifel noch länger gedauert haben würden, wenn nicht die maurische Dynastie selbst durch blutige Bürgerkriege ihre Macht zersplittert hätte. Das maurische Gebiet von Granada enthielt in einem Umkreise von ungefähr 180 Leguas (1000 Kilometer) alle natürlichen Hülfsquellen eines großen Reiches. „Seine breiten Thäler waren von Bergen durchschnitten, welche großen Metallreichthum besaßen. Seine Weiden wurden durch zahlreiche Quellen und Bäche befruchtet, und seine Küsten waren mit bequemen Häfen versehen, welche die Hauptmärkte des Mittelländischen Meeres bildeten. In der Mitte erhob sich, das Ganze wie mit einer Krone schmückend, die schöne Hauptstadt Granada. Ihre Einwohnerzahl überstieg 200,000 Seelen. Sie wurde von einer starken Mauer geschüßt, welche von 1030 Thürmen bestrichen wurde und sieben Thore hatte."

Die Alhambra. Zwei Kilometer von der Stadt entfernt und von ihr durch das üppige Darrothal geschieden, stand auf einem bewaldeten, felsigen Hügel das herrlichste Denkmal maurischer Baukunst in Europa, das königliche Schloß Alhambra (d. h. das rothe Haus oder der rothe Thurm), die Citadelle von Granada, die innerhalb ihrer Mauern 40,000 Mann aufnehmen konnte. Sie war mit röthlichen Festungsmauern umgeben und besaß auf ihrem ausgedehnten Terrain, das kaum in 3/4 Stunden umschritten werden konnte, dreißig Festungsthürme, zahlreiche Moscheen, Paläste, Hallen, Feengärten mit Wasserkünsten. Auf einem steilen Pfade erstieg man den Berg, gelangte an das äußere Burgthor, durch dieses in einen großartigen Park mit drei breiten Alleen, sodann zwischen hohen Ziegelsteinthürmen hindurch, die vielleicht noch von den Karthagern herrührten, immer noch steigend, an einen kolossalen Thurm, unter welchem ein gewölbtes Thor, das Thor der Gerechtigkeit, hindurchführte. Aus ihm trat man in den Hof der Cisternen, auf dem sich zahllose in den Fels gehauene Wasserbehälter und ein tiefer, bis zur Thalsohle hinab reichender Brunnen befanden, der frisches Quellwasser lieferte. Die eine Front dieses Hofes bildete die eigent= liche Burg mit einem hohen Thorthurme, die andere das Schloß oder der große Palast Alhambra. In seinem großen Vorhofe war ein weites, rings von Blumen und Ziersträuchern umsäumtes Wasserbassin, in welchem sich die um den Hof herumlaufenden, von schlanken Säulen getragenen Bogenhallen spiegelten. Darauf folgte der berühmte Löwen= hof. In seiner Mitte plätscherte ein viel besungener Springbrunnen, dessen Schalen von zwölf Löwen getragen wurden, und seine Seiten waren von Arkaden mit durchbrochenem Gitterwerk und schlanken Säulen aus weißem Marmor gebildet. Nach der einen Seite führte ein reich verziertes Portal in eine hohe, mit weißem und gelbem Marmor mosaikartig ausgelegte Halle, die ihr dämmerndes Licht durch eine Kuppel von oben empfing und deren Wände mit Porzellanplatten getäfelt waren, in welchen die Wappen der Könige kunstvoll mit Schmelzfarben eingebrannt waren. Die Decke umzogen wunderliche phantastische Arabeskenstuckaturen, durchmengt mit Koransprüchen und poetischen Citaten in Goldschrift auf lasurblauem Grunde. An ihn stießen die Gemächer der Frauen. Auf der anderen Seite des Löwenhofes führte ein zweites Portal in die Halle, in welcher ein Theil der berühmten Abencerragenfamilie ermordet worden war. Hieran schlossen sich noch weitere Reihen von Zimmern und Höfen in gleicher Weise mit herrlichen Verzierungen in Schnißwerk, Stuckatur, Malerei und Mosaik. — Am Fuße dieses Prachtbaues lag die üppige Vega oder Ebene von Granada, deren reiche Schönheit und Pracht nach Berichten von Augenzeugen kaum in

1492.

Die Alhambra bei Granada.

15

den blühendsten Liedern der arabischen Sänger übertrieben werden konnte, deren Boden aber auch seit zwei Jahrhunderten getränkt war mit dem Blute der maurischen und christlichen Ritterschaft, der sie als Kampsplaß hatte dienen müssen. Die Araber verwendeten auf sie alle Kraft und allen Fleiß der Bearbeitung. Sie vertheilten das Wasser des hindurchströmenden Xenil in tausend Leitungen zu einer vollkommeneren Bewässerung. Dafür folgten aber auch das ganze Jahr hindurch Obst-, Gemüse- und Getreideernten auf einander.

[graphic][subsumed][subsumed][merged small]

Die Erzeugnisse der entgegengesettesten Breitegrade wurden mit Erfolg dorthin verpflanzt, der Hanf des Nordens wuchs üppig unter dem Schatten des Weins und der Olive. Seide war der Hauptgegenstand des Handels, der vermittels der Häfen von Almeria und Malaga ge= trieben wurde. Die Einnahmen des Königs beliefen sich auf 1,200,000 Dukaten. Diesem Reichthum entsprach auch die Kriegsmacht. Die gedrängte Bevölkerung des Landes konnte 100,000 Streiter stellen. Viele davon lieferten die Gegenden der Alpujarras oder Gebirgsthäler, deren rauhe Bewohner nicht durch die Weichlichkeit der Ebenen verdorben waren. Dazu kamen noch Hülfstruppen von den wilden und kriegerischen Stämmen Afrika's.

« ZurückWeiter »