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Dieser habe ihn zu der Brüdergemeinde hinüberziehen wollen, Struensee habe aber alles abgelehnt. Wie es scheint, ist diese Anführung nicht ohne eine gewisse Absicht gemacht worden: wenigstens wurde nachher angenommen, daß durch die Verwendung Struensee's die Brüdergemeinde 1771 die Erlaubniß erhalten habe zu ihrer Niederlassung auf Tyrstruphof bei Hadersleben.

Einstweilen aber bestanden scharfe Verordnungen wider die Herrnhuter. Am 7. December 1744 war verfügt worden, daß niemand zu geistlichen Bedienungen befördert werden sollte, der in den Seminarien oder Gemeindeorten der Mährischen Brüder sich dauernd aufgehalten oder studirt habe. Unterm 8. Januar 1745 wurde verordnet, daß diejenigen, welche das Land verlassen würden, um zu den Mährischen Brüdern zu gehen, ihrer zurückgelassenen Besizungen verlustig sein sollten. Dergleichen Fälle waren vorgekommen. Conradi hatte im Sommer 1744 seinen jüngsten Sohn nebst dessen Informator nach Marienborn in der Wetterau gehen lassen, wo damals bis 1750 ein Hauptsig der Brüdergemeinde war, und wo Zinzendorf sich häufig aufzuhalten pflegte.

Diese strengen Verordnungen galten bis 1771, da sie den 20. December aufgehoben wurden, bald nachdem und in Folge davon, daß am 9. December 1771 den Mährischen Brüdern die Niederlassung bewilligt war. Die Brüdergemeinde erwarb nun das Domanialgut Tyrstruphof und erhielt sehr ausgedehnte Vorrechte, jedoch nur derjenige Theil der Unität, der sich nach dem Lutherischen Tropus zur Augsburgischen Confession hielte. Die Gemeinde sollte keiner anderen geistlichen Inspection als der ihrer eigenen Bischöfe unterworfen sein, sonst unmittelbar unter dem Könige und dem Cabinets-Ministerium stehen. Es sollte Jedem erlaubt sein, sich zur Brüdergemeinde zu wenden. Die Prediger der Gemeinde sollten mit denen des Landes gleiche Gerechtsame haben, nur nicht befugt sein, außerhalb des Gemeindeorts Amtshandlungen vorzunehmen. Der Gemeindeort wurde völlig von dem Kirchspiele Tyrstrup ausgeschieden. Dazu kamen noch besondere Vergünstigungen und Bes freiungen: Zollfreiheit, Freijahre für die Anbauer, Militärfreiheit u. a. Unterm 25. August 1772 wurde freilich eine Verfügung an die Kirchenvisitatoren und die Prediger erlassen, ein wachsames Auge darauf zu haben, daß die ertheilten Vorrechte nicht gemißbraucht

würden, und daß, wenn etwas Bedenkliches sich ereigne, dies höheren Ortes anzumelden sei. Diese Verfügung that aber den Vorrechten selbst keinen Abbruch. (9)

Der nunmehr auf dem Vorwerke Tyrstruphof (10) erbaute Gemeindeort erhielt den Namen Christiansfeld. Der Anbau begann 1772, und am 13. November 1773 fand die Einweihung des geräumigen Betsaals der Gemeinde statt, wobei eine deutsche und eine dänische Predigt gehalten ward, gleichwie auch nachher beide Sprachen im Gottesdienste üblich geblieben sind. Der Gemeindeort gehört zu der allgemeinen unitas fratrum, und hat die regelmäßige Verfassung derselben. Die Gemeinde hat durch ihre Religiosität einen bedeutenden Einfluß auf die ganze Umgegend gehabt, was ganz bekannt ist, gleichwie dieselbe ebenfalls auf das Missionswesen in den dänischen Colonien, welches der Gemeinde zu Christiansfeld übertragen ward, bedeutsam eingewirkt hat.

Nach der Angabe von Rhode lag die eigentliche und nächste Veranlassung zur Gründung dieses Gemeindeorts darin, daß ein gewisser Herr in Kopenhagen, welcher früher auf Reisen in Schlesien die Brüdergemeinde und ihre Einrichtungen näher kennen gelernt hatte, den Vorschlag und Plan zu einer solchen Niederlassung hier zu Lande gegeben habe. Er bezeichnet diesen Herrn als ein Mitglied der Rentekammer Justizrath S. Diese Bezeichnung paßt aber nach den Staatskalendern auf niemand anders als auf den Committirten in der Rentekammer Justizrath Christian Schiönning. Es ist nicht in Abrede zu stellen, daß bei der Regierung die Rücksicht auf Förderung des Fabrikwesens allerdings von Einfluß gewesen sein mag auf die Bewilligung eines Etablissements der Brüder= gemeinde. Aus den Eingangsworten der ertheilten Concession geht hervor, daß eine Vorverhandlung mit der Brüder-Unität stattgefunden

(") Die Conceffion der Brüdergemeinde ist vollständig abgedruckt in Matthiä, Kirchenverfassung der Herzogthümer Schleswig und Holstein. Bd. I, S. 346 big 353.

(10) Tyrstruphof, anderthalb Meilen nördlich von Hadersleben, etwa auf dem halben Wege nach Kolding gelegen, war ein alter Edelhof, vormals im Besitze der adligen Familie Emmitsen, später der Ranzauen. 1617 veräußerte der Statthalter Gerd Ranzau das Gut tauschweise an den König Christian IV. Darauf pflegte der Hof verpachtet zu werden, bis er in sieben Parcellen zerlegt zum Verkaufe ausgestellt, der Verkauf aber nicht approbirt ward. Sieben Jahre später wurde dieses Vorwerk an die Brüdergemeinde verkauft.

hat. Der bevollmächtigte Deputirte von Herrnhut Johannes Praetorius, der die Verhandlungen wegen der Niederlassung geführt hatte, wurde als der erste ordentliche Prediger der Gemeinde bestellt.

Der Gemeindeort, in welchem am 1. April 1773 der Grundstein zu dem ersten Hause gelegt ward, und der ungefähr 700 Einwohner zählt, hat auf die Geschichte der Gewerksamkeit in dem nördlichen Theile des Herzogthums Schleswig einen förderlichen Einfluß ausgeübt. Die Brüdergemeinde hat in einem weiteren Umkreise, besonders an der Ostküste des Herzogthums, nicht wenige stille Anhänger. Dieselbe ist aber auch, was uns hier zunächst angeht, kirchengeschichtlich sowohl auf ihrem weiten Missionsfelde, als auch in ihren Erziehungsanstalten für Knaben und für Mädchen und in der geistigen Pflege einzelner Seelen in der Zerstreuung unter anderen Confessionen durch Diasporaprediger“ (11) wirksam gewesen.

Noch ehe die Niederlassung der Brüdergemeinde in Christiansfeld zu Stande kam, erhielt dieselbe ein Bethaus in Altona. Damit hatte es folgenden Zusammenhang. (12) Eine Abtheilung der Menoniten, die sogenannten Untertaucher, Immergenten oder Dompelaers, hatte im Jahre 1708 meist auf Kosten ihres Predigers Jacob Denner dort ein Bethaus erbaut. Nachdem die Gemeinde zu bestehen aufgehört hatte, predigte Denner vor allerlei Zuhörern noch bis Ausgang des Jahres 1745. Als er im folgenden Jahre starb, räumten die Denner'schen Erben ihr Kirchgebäude verschiedenen separatistischen Predigern ein, und zwar so, daß die Zinsen des Capitals und die Reparaturkosten von den freiwilligen Gaben der Zuhörer bestritten wurden, welche man am Eingange der Kirche sammelte, ähnlich wie dies wohl in Nordamerika noch der Fall ist. Die Einnahmen waren aber allmälig nur gering geworden. Da wandten sich 1763 mehrere Freunde der Brüdergemeinde in Hamburg an die Denner'schen Erben unter dem Anerbieten, ihnen einen geeigneten Mann für ihre Kirche zu verschaffen, der dieselbe wieder in Aufnahme bringen könnte. Darauf ward eingegangen. Von Herrnhut wurde Georg Jacob Engelbach berufen, der vierzehn Jahre Prediger in Kron-Weißenburg, darauf Hofprediger gewesen war und

(11) Kahnis, Der innere Gang des deutschen Protestantismus, I. Ausg. 3. Leipzig 1874. S. 237-247.

(12) Bolten, Kirchennachr. v. Altona, I, S. 322 ff.

sich dann nach Herrnhut gewendet hatte. Er trat im September 1763 die Stelle zu Altona an. Der Propst Reichenbach daselbst mußte deshalb, indem die strengen Verordnungen wider die Herrnhuter noch bestanden, an die Staatsregierung Bericht erstatten. Darauf erfolgte unter dem 7. Januar 1765 eine Genehmigung der Regierung. Die dabei gewählte Form war die: die Immergenten wären tolerirt und hätten die Freiheit, einen Prediger zu berufen. Da sie aber dieses Patronatrecht auf die Denner'sche Familie übertragen hätten, so könne nichts dawider einzuwenden sein, wenn dieselbe den Prediger Engelbach berufe, obgleich dieser erkläre, daß er kein Menonit sei, sondern der Augsburgischen Confession beipflichte. Einer Bestätigung für ihn bedürfe es nicht. Die Verwendung der gesammelten milden Beiträge stehe der Gemeinde frei. Engelbach ging nach fünf Jahren zurück nach Herrnhut, wo er 1768 starb. Er hat aber zu Altona Nachfolger im Predigtamte gehabt, welche von der Brüdergemeinde dahin gesandt worden sind.

VII.

Veränderungen im Kirchenwesen und in den Amts -
verhältnissen der Geißtlichen.

Der Zeitraum, welchen wir behandeln, brachte zwar nicht viele, aber doch einige wichtige Veränderungen in dem Kirchenwesen der Herzogthümer. Dieselben wurden herbeigeführt durch Landesherrliche Verordnungen und Verfügungen. Denn die Lage der Dinge hatte sich so gestaltet, wie es schon der vorige Zeitraum anbahnte, daß es immer für die Kirche hauptsächlich darauf ankam, was die Landesherren zu verordnen und zu verfügen für heilsam befanden; wobei es nicht zu leugnen ist, daß in dieser Periode verschiedene Landesherren regiert haben, denen das Wohl der Kirche persönlich am Herzen lag. Dabei war freilich ihre nächste Umgebung sehr von Einfluß. Zu Anfang dieses Zeitraumes bemerkt man vorzugsweise den Einfluß der Hofprediger, am Schlusse den des Ministers Struensee in Kopenhagen, denn von Kopenhagen war und ward

immer mehr auch in kirchlichen Beziehungen das Schleswig-Holsteinische Land abhängig. Das Herzogthum Schleswig wurde nunmehr ungetheilt, mit Ausnahme des kleinen Glücksburgischen Lehnsdistrikts, von der Königlichen Linie beherrscht. Dieser Linie war auch der ihr zuständige Antheil von Holstein unterworfen, während für den Gottorfischen Antheil des Herzogthums Holstein der Schwerpunkt in Kiel lag, zumal während der Regierung des Herzogs Carl Friederich. Aber auch noch später war es so, als die Regenten dieses Landestheils in Rußland waren, weil Kiel der Siß der Regierungsbehörden blieb, also hier die Verwaltung des Gemeinwesens in kirchlicher wie in weltlicher Beziehung ihr Centrum hatte. Das kleine Plönische Fürstenthum ging seinen eigenen Weg, bis dasselbe noch vor Ablauf unserer Periode zu bestehen aufhörte.

Die Ordnung des Gottesdienstes blieb im Allgemeinen während dieses Zeitraumes die althergebrachte. Es blieben namentlich die alten Festtage, bis 1771, also zu Ende unserer Periode, eine bedeutende Verminderung derselben verordnet ward, und zwar nicht nur im Königlichen Landestheile, sondern gleichzeitig auch in dem Großfürstlichen Antheil, dessen Vereinigung mit dem übrigen Lande damals bereits eingeleitet war und in naher Aussicht stand. Da gingen neun Festtage jährlich ein, nämlich der bisher gefeierte dritte Tag der drei hohen Feste, ferner die Festtage der Heiligen drei Könige, Mariä Reinigung, Johannis des Täufers, Mariä Heimsuchung, Michaelis und Allerheiligen. Die zulegt genannten sechs Tage sind indessen, wenn auch ihre kirchliche Feier schon seit einem Jahrhundert abgestellt ist, noch im täglichen Leben, als eine für manche Beziehungen nicht unwichtige Bezeichnung von Zeitabschnitten, ausgezeichnetere Kalendertage geblieben. Man sieht daraus, daß die alte Kirche, wie vorhin an seinem Orte (1) bemerkt worden, es wohl verstanden hatte, sich ihre Tage zu wählen, welche bequeme Ruhepunkte abgeben konnten. Es war freilich die religiöse Bedeutsamkeit dieser Tage schon vorlängst mehr in den Hintergrund getreten. Das Fest der Verkündigung Mariä wurde auf den Sonntag Judica verlegt, und dabei verfügt, daß dessen Texte an diesem Sonntage zu Grunde zu legen wären, was jedoch wenig Beachtung ge funden hat. Das Reformationsfest, sonst auf Allerheiligen gefeiert,

(1) Siche Bd. II, S. 286.

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