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Endlich haben wir zum Schlusse dieses Capitels noch des Begräbnisses in der Kürze liturgisch zu gedenken. Davon handelt auch in unserer Kirchenordnung eine besondere Sagung (50), worin das Geschäft des Geistlichen dabei als ein Werk der Barmherzigkeit charakterisirt wird. Allein an einzelnen Orten, wo mehrere Geistliche an der Kirche waren, bildete sich mitunter die feste Observanz, daß der Dienst bei den Beerdigungen nicht dem Hauptpastor, sondern dem Diaconus oblag. Eine durch die Reformation bewirkte Hauptänderung bestand darin, daß die Vigilien und Seelmessen wegfielen, die mit den Vorstellungen vom Fegefeuer zusammenhingen. Die Kirchenordnung erwähnt des Glockengeläuts, welches für die herkömmliche Gebühr verlangt werden könne. Auch wird gestattet, daß an den Orten mit größeren Schulen die Schüler mit Gesang vor dem Sarge hergehen könnten, und es werden dafür die lateinischen Psalmen zuerst genannt, aber auch geeignete Gesänge in der Landessprache zugelassen. Als die zu singenden Psalmen sind angegeben: Benedictus, Domine refugium, De profundis, Miserere mit der Antiphonie, Media vita. Es wird ferner der Leichenfolge der Verwandten und Nachbarn des Verstorbenen Erwähnung gethan; wobei daran zu erinnern ist, daß die Leichenfolge eine religiöse Pflicht war, nicht blos in den Artikeln der Gilden und derartigen Genossenschaften, sondern auch nicht selten in den Statuten der Bauerschaften den sämmtlichen Mitgliedern auferlegt.

XII.

Theilnahme an den theologischen Streitigkeiten.

Von den vielfachen theologischen Streitigkeiten, zum Theil wirklichen Zänkereien, von welchen die lutherische Kirche in Deutschland besonders nach Luthers Tode so sehr beunruhigt ward, wurde freilich die Geistlichkeit unserer Gegenden weniger unmittelbar berührt; doch nahm man allerdings Antheil daran (1), ganz besonders

(50) Corp. Statut. Holsat. S. 40.

(1) Lau hat in Cap. VI. und VII. seiner Reformationsgesch. umständlich gehandelt über: „Die Theilnahme der beiden Herzogthümer an den Lehrstreitig

an den sogenannten crypto - calvinistischen Streitigkeiten, als die Wittenberger oder kursächsischen Theologen, Melanchthons milderer Auffassung zugethan, von den Theologen in Jena, die strenger an Luthers Worten hingen, geheimer Hinneigung zu Calvin, besonders in der Abendmahlslehre, beschuldigt wurden. Der Pastor Westphal (2) zu Hamburg verschaffte sich, wie aus manchen Orten außerhalb unseres Landes ebenfalls auch von dem geistlichen Ministerium in Dithmarschen und zu Husum, im Jahre 1556 Bekenntnisse über die Abendmahlslehre, worin man sich, streng rechtgläubig nach der lutherischen Auffassungsweise aussprach; jedoch meint man, und wohl nicht ohne Grund, daß einzelne Mitglieder dieser Ministerien mehr der calvinischen zugeneigt gewesen, obgleich unsere Geistlichkeit im Ganzen sich zu der geltenden Orthodoxie hielt (3). In Husum war gegenüber dem Pastor Peter Bokelmann (4) (1556-1576), der ein strenger Lutheraner war, und die Wittenberger wohl gelegentlich von der Kanzel schalt und ihre Schriften verdammte, der Diaconus M. 30hann Hamer (1562-1572, dann Archidiaconus bis 1576, darauf Pastor) den Schülern des Melanchthon sehr zugeneigt, und das Verhältniß unter den Collegen war desfalls nicht immer das beste. Auch an anderen Orten kamen dergleichen Gegensäge vor. Uebrigens war man für die Reinigkeit und Einigkeit in der Lehre wenigstens im Gottorfischen Landesantheil schon 1557 durch eine Visitation und demnächstige Confession der Geistlichkeit zu sorgen bemüht. Es griff also hier die Staatsgewalt sofort in das theologische Gebiet ein. Unterm 2. August 1557 ließ Herzog Adolph ein Mandat ausgehen, worin er eine Visitation anordnete,,weil Wir befunden daß etliche verführerische Lehrer und Rotten - Geister an etlichen Ohrten unsrer Fürstenthümer einzuschleichen sich unterstanden, welchen sorglichen Unheil Wir in Zeiten fürzukommen und auch ohne das eine Christliche Visitation und Reformation in den Kirchen unsrer Fürstenthümer und Gebiethe an die Hand zu nehmen für ganz nothwendig geachtet". Zu dieser Visitation wurden bestellt Dr. Paul

keiten der Protestantischen Kirche bis zur Abfassung der Concordienformel“, S. 206-265, und über:,,Die Theilnahme der Herzogthümer an den Streitigkeiten über die Einführung der Concordienformel", S. 266-304.

(2) Vgl. Mönckeberg, Joachim Westphal und Johannes Calvin. (Hamburg 1865.)

(3) Bolten, im 4. Bande der Geschichte von Dithmarschen. S. 406 ff.
(4) Lau, S. 210.

welches die Höhere Landesschule daselbst zu errichten beauftragt war. Indem wir nunmehr dazu übergehen, es im Einzelnen zur Anschauung zu bringen, wieweit die guten Absichten der Kirchenordnung realisirt wurden, haben wir die dreitheilige Landesherrschaft ins Auge zu fassen und die Schöpfungen der drei Landesherren, denen durch die Reformation die Kirchenhoheit zugefallen war, nach einander zu betrachten. Wenn wir aber zuerst den Gottorfischen Landestheil vorführen, so geschieht dies aus dem Grunde, weil die Kirchenordnung speciell die Errichtung der Höheren Landesschule in Schleswig dem Capitel zur Aufgabe gemacht hatte. In Schleswig (13) wurde in Gemäßheit der Kirchenordnung die Domschule auf Veranstaltung und Kosten des Capitels verbessert und erweitert, so daß sie jezt fünf Classen in gesonderten Localen und sieben Lehrer erhalten sollte; jedoch ließ die völlige Durchführung dieses Plans noch viel zu wünschen übrig, weil es an den geeigneten Persönlichkeiten und einer zureichenden Dotation zu sehr mangelte. Es sollten jezt die Stellen im Capitel nicht bloße beneficia, sondern auch officia sein, und für die Schule verwendet werden, was aber den Domherren nicht zusagte. Jedoch wurde die Schule geleitet einige Jahre hindurch von dem Rector M. Hieronymus Kupferschmied (Cypräus), einem Sohn des Bürgermeisters der Stadt Schleswig, dem Conrector Conrad Hogrewe aus Husum`und mehreren Collaboratoren oder sogenannten Schulgesellen. Später berief man Michael Stanhufius von der Universität Wittenberg für das Rectorat der Domschule zu Schleswig, der im ersten Jahre seiner Amtsthätigkeit über die Schule, welche er in sehr mangelhaftem Zustande vorfand, und deren Verbesserung eine Abhandlung in lateinischer Sprache herausgab und dieselbe dem Herzoge Adolph widmete. Allein es gedieh die Domschule unter seinem Vorstande nicht, und er fand für seine Pläne kein rechtes Gehör. Besondere Schwierigkeiten lagen auch in den zu geringen Einkünften, wie in der bedrängten Lage überhaupt, in der das Capitel sich dam als befand.

Allein die Hauptsache war, daß man bei der Regierung durch die Domschule, als sogenannte schola trivialis et particularis, die in der Kirchenordnung gestellte Aufgabe nicht als erfüllt ansah.

(13) A. Sach, Die schola trivialis s. particularis und das paedagogium publicum in Schleswig während des 16. Jahrhunderts. (Schleswig 1573.)

Sowohl der regierende Herzog, der zugleich Bischof zu Schleswig geworden war, wie der Generalsuperintendent Paul von Eizen, hatten den Plan gefaßt, ein Gymnasium in höherem Styl und nicht blos für den Herzoglichen Landestheil, sondern für die Herzogthümer im Ganzen zu gründen: ein Paedagogium publicum neben der fortbestehenden Domschule. Der Generalsuperintendent richtete deshalb an die drei Landesherren, den König Friederich II. und die Herzöge Johann und Adolf, im Jahre 1563 oder 1564 (14) eine ausführliche Vorstellung (15), worin er entwickelte, daß die Intention der Kirchenordnung dahin ginge, daß in Schleswig eine wohlbestellte und wohlgeordnete Gelehrtenschule errichtet werde für die Herzogthümer im Ganzen. Dieser Plan wäre aber noch immer nicht ausgeführt zum großen Schaden für das ganze Land. Paul v. Eigen ersuchte daher die drei Landesfürsten, in Gemäßheit der Kirchenordnung in energischer Weise neben der Particularis schola ein solches Paedagogium publicum herzustellen und spricht zuversichtlich die Hoffnung aus, daß eine solche höhere Lehranstalt, welche für die Herzogthümer eine besondere Zierde wäre, einen besseren Fortgang haben werde, als die bestehende Particular-Schule. Er erörtert dabei, daß eine solche Anstalt schon deshalb großen Beifall finden werde, weil sie für unser Land den Besuch der Universitäten, nachdem die jungen Leute eine Lateinische Schule durchgemacht hätten, zu ersetzen vermöge. Es müßte daher in einem solchen Pädagogium nicht blos in den alten Sprachen, sondern auch in den freien Künsten und selbst in Facultäts-Wissenschaften Unterricht ertheilt werden, wofür gelehrte und tüchtige Lectoren berufen werden müßten. Es würde ohne Zweifel bei den Eltern große Anerkennung finden, wenn ihre Söhne in der Heimath mit geringeren Unkosten,,usque ad gradum magisterii vel studia facultatum" gefördert werden könnten. Diese Vorstellung begleitete der gelehrte und thatkräftige Mann mit einem eigenen wissenschaftlichen Bedenken über die Errichtung eines derartigen Pädagogiums, welches den beabsichtigten Lehrplan auseinandersetzt und zugleich über die Gebäude, die Bibliothek, die Wohnungen, die Freiwohnungen der Studenten, die DisciplinarVorschriften u. s. w. sich verbreitet.

(14) Sach, a. a. D. S. 5, Anm. 2.

('') Nördam, Ny kirkehistoriske Samlinger, (Kopenhagen 1868) IV, 4. p. 662.

täuferischen Bewegungen, die hier zu Lande durch Melchior Hoffmann sich zuerst gezeigt hatten, aber auf anderen Wegen wieder einzudringen suchten. Um die reine Lehre und Einigkeit festzuhalten, ward 1574 von König Friederich II. in seinem Lande, ohne Zweifel auch in seinem Antheil der Herzogthümer, den Predigern eingeschärft, den Artikel vom Abendmahl nicht anders als der Augsburgischen Confession gemäß vorzutragen. Für den Gottorfer Antheil wurde vom Generalpropsten von Eigen gleichfalls 1574 der bei der Ordination zu leistende Prediger-Eid abgefaßt, welcher auf die heilige Schrift, das apostolische Glaubensbekenntniß und die übrigen von der christlichen Kirche angenommenen Symbole, die Augsburgische Confession, deren Apologie, die Schmalkaldischen Artikel und den großen und kleinen Katechismus Lutheri als symbolische Schriften verwies, und einschärfte, die Lehre vom Abendmahl demgemäß vorzutragen, imgleichen die Kraft der Taufe und die Lehre von der Allmacht Christi und der unzertrennlichen Vereinigung der göttlichen und menschlichen Natur rein und lauter wider alle Irrgeister beizubehalten. Dieser Eid mußte z. B. von der gesammten Eiderstedter Geistlichkeit den 14. September 1574 zu Garding unterschrieben werden. Wie sehr man allerdings die reine Lehre zu be= wahren suchte, so ward eine gewisse Mäßigung darin inne gehalten, daß man auf weitere Bestimmungen, über welche damals auf deutschen Universitäten so viel Hader und Streit war, sich einzulassen eine Scheu trug. Der Ultra-Lutheraner, oder wie man sie zu nennen pflegte, der Flaccianer (weil Matth. Flaccius, Professor zu Jena, nach dieser Seite hin wohl am weitesten gegangen war, besonders durch die Behauptung, die Erbsünde sei die Substanz des Menschen) waren im Ganzen wohl die wenigsten, und eine bedeutende Anzahl huldigte entschieden den milderen Ansichten Melanchthons. Es zeigte sich dies besonders auch gegen Ende dieses Zeitraums durch den Gang, den hier die Verhandlungen in Betreff des Concordienbuches nahmen.

Das Hauptsächlichste über die Vorgänge in dieser Angelegenheit ist actenmäßig das Folgende (°): Der Tübinger Theologe Dr. Jacob Andreä (auch Schmidlin genannt), welcher sich anstrengte,

(6) Dänische Bibliothek St. IV, p. 212-365. St. V, p. 365884. St. VII, 186-192.

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