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vollmächtigte des Archidiaconus und Groß-Propsten die Kirchenrechnungen aufgenommen zu haben, dann nimmt seit 1530 der Amtmann daran Theil. Die Kirchenrechnung zu Gettorf im Dänischen Wohld ist auch noch 1527 von dem Commissarius des GroßPropsten abgehört. Bei den Kirchen, wo adlige Gutsbesizer das Patronat hatten, kam es immer darauf an, in wieferne diese der Reformation zugethan waren oder nicht. Unter den Holsteinischen adligen Kirchen scheinen Westensee und Bovenau schon ziemlich früh evangelische Pastoren gehabt zu haben. An der erstgenannten Kirche stand nämlich von 1529 bis 1539 Johann von Wehrden, welcher vorher Informator der Kinder Friederichs I. gewesen war, und 1539 nach Bovenau kam als Nachfolger des M. Johannes Jüngling, der vorher Hofprediger auf Gottorf gewesen war. Zu Kellinghusen trat der erste lutherische Pastor Hinrich Fischer 1529 an. In Süderau hat Johann Bockholt schon 1522 die evangelische Lehre gepredigt. Sonst sind von den Holsteinischen Landkirchen aus der Reformationszeit wenige Nachrichten vorhanden; daß in Wagrien die Reformation sich noch etwas verzögerte, ist bereits erwähnt. Das Pinnebergische Gebiet stand noch unter den Schauenburgischen Grafen; Dithmarschen war noch ein Freistaat. Der Gang, den die Refor= mation in diesem merkwürdigen Lande nahm, verdient eine besondere Darstellung, die wir geben wollen, wenn wir erst gesehen haben, wie die Kirchenverbesserung in Schleswig und Holstein sich vollzog.

III.

Melchior Hoffmann und das Colloquium zu Flensburg.

Melchior Hoffmann, der 1527 nach Kiel kam, zeigt sich hier zu Lande als der Repräsentant derjenigen Richtung, die bald nachdem die Reformation begonnen hatte, fast allenthalben hervortrat und insgemein unter dem Namen der wiedertäuferischen befaßt zu werden pflegt. Wie verschiedenartig auch im Einzelnen die Ansichten Derjenigen waren, welche dieser Richtung huldigten, so läßt sich dieselbe doch im Allgemeinen als eine solche bezeichnen, die über die Gränze, welche die Reformatoren sich selbst durch die unbedingte

Unterwerfung unter die Schrift steckten, weit hinausschweifte, mit Hintansetzung des geschriebenen Worts auf ein Walten des Geistes sich berief, in Folge davon alle bisherigen äußerlichen Ordnungen, selbst die Sacramente, geringschätzte, und einen Zustand anstrebte, in welchem nach Beseitigung alles dessen, was als äußeres Hemmniß betrachtet wurde, eine Darstellung des Gottesreiches in einem Kreise besonders Erleuchteter verwirklicht werden sollte. Es waren die Männer, welche jene Richtung vertraten und derselben folgten, auf dem damaligen kirchlichen Gebiete etwa solche, die man in unsern Zeiten Radicale nennen würde, und es darf nicht befremden, wenn von der Partei der Conservativen sie sehr häufig mit dem Namen der Schwärm - Geister belegt wurden. Die Keime jener Richtung lagen aber bereits in früheren Zuständen, und es bedurfte nur einer Gährung, wie die Reformationszeit sie mit sich brachte, um jene Keime ans Tageslicht hervortreten zu lassen, und ihr Wachsthum sehr zu fördern. Eine große Gefahr für den Fortgang des Reformationswerks lag in dieser Richtung, und die Erfahrung zeigte, daß wo derselben nicht mit Entschiedenheit entgegengetreten wurde, sie in Bahnen einlenkte, welche zu heilloser Auflösung und revolutionärem Umsturz hinführten, wie dies namentlich in Münster, wo diese Richtung eine Zeitlang zur Herrschaft gelangte, bekanntlich der Fall gewesen ist.

Etwas von jener Richtung zeigte sich hier schon bei dem vorhin erwähnten Mönche Friederich, der in Schleswig auftrat, doch am meisten, wie bemerkt, bei Melchior Hoffmann.(1) Von Geburt war er ein Schwabe, seines Handwerks ein Kürschner, Pelzer, oder wie man hier zu Lande sagt, Bunifutter, jedenfalls ein offener Kopf und nach seiner Art nicht ohne Kenntnisse. Er war von einer großen natürlichen Beredtsamkeit, von Charakter unerschrocken und von sittlichem Lebenswandel, aber dem Fanatismus stark zugeneigt,

(1) Ueber Melchior Hoffmann und die durch ihn erregten Unruhen findet sich hin und wieder Vieles in einheimischen, wie in auswärtigen Schriften, fleißig citirt von Carstens in dem Abschnitte die Hoffmannsche Controverse betreffend in seiner Abhandlung: „Die evangelisch - lutherische Reformation in Schleswig-Holstein" in den Nordalbingischen Studien II, 134–140. In Kraffts zweifachem 200jährigen Jubelgedächtniß S. 105-116 findet sich auch eine Zusammenstellung der Hauptsachen, sowie in den Beilagen mehrere auf diese Streitigkeit bezügliche Documente mitgetheilt sind, namentlich Nr. VIII, S. 440 ff. Hoffmanns Vorrede zum 1. Capitel des Evangelisten Matthäus, Nr. IX, X und XI, S. 446—448, Luthers Briefwechsel in dieser Angelegenheit.

so wie apokalyptischen Phantasien und Träumereien hingegeben. (2) Wie zu jener Zeit Manche aus dem Handwerkerstande sich bei der Reformation thätig bewiesen und Prediger abgaben, so hatte auch er in Liefland in evangelischem Sinne gepredigt, war, nachdem man ihn dort wegen eines zu Dorpat erregten Tumults vertrieben hatte, nach Stockholm geflüchtet, wo er bei der deutschen Gemeinde predigte; von da aber war er 1525 nach Wittenberg gegangen. Hier hatte er Luthers und Bugenhagens Bekanntschaft gemacht, die anfänglich ihn als einen Verkündiger der reinen Lehre ansahen. Im folgenden Jahre 1526 ließ er aber eine Auslegung des zwölften Capitels des Propheten Daniel und des Evangeliums am zweiten Adventssonntage in Druck ausgehen, worin er Meinungen über die letzten Dinge äußerte, welche ihm viele Widersacher zuzogen. Nicol. Amsdorf in Magdeburg, der auch wider ihn schrieb, bewirkte sogar, daß er eine Zeitlang ins Gefängniß kam. Dann wandte er sich über Hamburg nach Kiel, wo er von Friederich I. als Prediger angestellt wurde 1527. Er nannte sich daher in einer Schrift, die in der von ihm selbst zu Kiel eingerichteten Druckerei 1528 herauskam: „Melchior Hoffmann, Könnicklicker Majestät tho Dennemarcken gesette Prediger". Eben daselbst ging von ihm eine Schrift gegen Amsdorf aus, so grob wie er angegriffen worden war: „Daß N. A., der Magdeburger Pastor, ein lügenhafter falscher Nasengeist sei, öffentlich bewiesen durch M. H." Sein heftiger Charakter läßt sich schon aus diesem Titel erkennen, und überhaupt legte er einen leidenschaftlichen Ungestüm an den Tag, sowohl in Schriften als Reden, der ihm freilich wohl manche Anhänger erwarb, aber auch viele Widersacher erweckte. Mit Marquard Schuldorp, einem gebornen Kieler, der von Wittenberg heimgekehrt und Pastor zu Schleswig geworden war, gerieth er gleichfalls in Streit und gab heraus: „Beweis, daß Marquard Schuldorp in seinem Inhalt vom Sacrament und Testament Christi kezerisch und verführerisch geschrieben. 1528". Er machte es Marquard Schuldorp auch zum Vorwurf, daß derselbe seine eigene Schwestertochter zur Ehe genommen, worüber indessen Luther Schuldorp beruhigte. Hoffmanns Treiben in Kiel veranlaßte den dortigen Kirchherrn Wilhelm Prawest, an Luther zu schreiben, (3) um eine

(2)_Wir verweisen auf die ausführlichere Erörterung in Lau's Reformationsgesch. S. 156 ff.

(3) Das Schreiben findet sich bei Krafft, Husumsche Kirchengesch. p. 446. Michelsen, Kirchengeschichte Schleswig-Holsteins. III.

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Autorität zu gewinnen, gegen Hoffmann zu wirken. Prawest stellte in diesem Briefe, der aufbehalten ist, sich als dem Evangelium ergeben dar, nannte sich Luthers Mitbruder in Christo, machte ihn darauf aufmerksam, daß ihm die Schuld für mancherlei Irrlehren aufgebürdet würde, die sich erhoben hätten, und wies besonders auf Hoffmann hin, erbat sich auch Luthers Anweisung für sein VerHalten Hoffmann gegenüber. Luther gab den Rath, es möge bei der Obrigkeit dahin gewirkt werden, daß dem Schwärmer das Predigen verboten würde. Das war es, was Wilhelm Prawest gewünscht hatte, und nun ließ er die Maske fallen. Er machte verlegende Verse gegen Luther, dem nun auch die Augen aufgingen, und der, wie er 1528 Sonnabend nach Jubilate dem Bürger Conrad Wulff zu Kiel meldet, einen harten Brief an Wilhelm Prawest schrieb:,,Ick hebbe juwen Parrhern ehnen hardenn Breff gescrevenn, vmme syner Lögenn wöllen, dar myt he my bedragenn hefft." Luther meint, er werde diesen zweiten Brief nicht so umhertragen, wie den ersten. Auch an den Bürgermeister Paul Heugen schrieb er selbigen Tages:,,also de yok van dem Parrher schentlich be= dragenn nicht anderß gewetenn hebbe, denn alßo were he de beste vnße Fründt". Ueber Melchior Hoffmann urtheilt Luther in diesem Briefe, er verfahre zu unbesonnen, obgleich er es wohl gut gemeint haben möge.(*) Wilhelm Prawest zog sich nach Bordesholm zurück; Melchior Hoffmann blieb noch in Kiel, ging aber in seinen abweichenden Ansichten und Behauptungen immer weiter. Es war besonders die Abendmahlslehre, hinsichtlich welcher er sich schroff ausließ. Eberhard von Weidensee verfaßte, dazu vom Prinzen Christian aufgefordert, eine Gegenschrift: „Een Underricht na der hilligen Schrift. Melchior Hoffmann's Sendbref, darin he shrivt, dat he nich bekennen kunne dat en Stück livelyken Brodes syn Gott sh, belangende. Hadersleben. 1529". Er wollte blos von einer geistlichen Genießung wissen, und soll selbst beim König darum angehalten haben, daß er wegen seiner Lehre vom Abendmahl möchte gehört werden. So kam es denn zu einem Colloquium, welches in der That von der öffentlichen Meinung gefordert wurde, und 1529 im Franciscaner - Kloster zu Flensburg angestellt ward. Es war

(*) Die Briefe Luthers an den Bürgermeister und an den Bürger Wulff bei Krafft a. a. . p. 447 und 448. Den lezten Brief an Prawest bei Muhlius, Diss. Hist. theol., p. 149 und 150.

Carlstadt, wegen Heterodoxie hinsichtlich des Abendmahls bekannt, nach Holstein zu gehen im Begriff, wie es scheint, um Hoffmann bei dem Streithandel beizustehen. Prinz Christian lud Bugenhagen, der damals in Hamburg war, dagegen ein, zur Vertheidigung der rechten Lehre zum Colloquium nach Flensburg zu kommen. Carlstadt blieb deshalb aus. Prinz Christian selbst führte den Vorsit, an Räthen hatte er mitgebracht den Kanzler Detlev Reventlow, Johann Ranzau und Detlev Pogwisch. An Theologen waren zu dieser Besprechung gefordert vor allen Dr. Bugenhagen als Obmann, damals gerade mit Einrichtung des Hamburger Kirchenwesens beschäftigt, aus Hamburg Johannes Arpinus, Stephanus Kempe und Magister Theophilus, Rector des Johanneums daselbst; von Husum Hermann Tast, und aus Dithmarschen der Pastor Nicolaus Boje von Weslingburen. Es wurden sechs Notarien erwählt, die sich verpflichten mußten, die Disputation getreulich, wie sie gehalten worden, niederzuschreiben, namentlich Franciscus Strienius, des Königs Capellan, Diederich Becker (Theodoricus Pistorius) von Husum, Hermann Tasts College, Joachim Francke aus Wilster, Johann Slavus oder Wend, Lector zu Hadersleben, Tesmarus Halebeck und Johann Benekendorf aus Kiel. Die Disputation ward bei offenen Thüren gehalten, und der Zuhörer waren viele. Solche öffentliche Disputationen waren bekanntlich in jenen Zeiten an der Tagesordnung und verfehlten auch gewöhnlich ihres Endzweckes nicht, auf die allgemeine Meinung einzuwirken. Es war am Donnerstage nach Quasimodogeniti 1529, als dieses Colloquium von Dr. Bugenhagen mit einer Vermahnung eröffnet wurde, die also lautete: Hochgeborner Fürst, Gestrenge edle Herren, liebe Herrn und in Christo Brüder! Weil diese Sache Gottes und nicht unser ist, vermahne ich euch, daß ihr mit Ernst wollet anrufen den Vater aller Barmherzigkeit, durch Jesum Christum unsern Herrn, daß er uns, weil sein Evangelium am Tage ist, nicht wieder lasse fallen von seinem Wort in Irrthum. Zwar, wann wir uns recht wollten erkennen, so hätten wir an diesem Ort wohl einen gräulichen Irrthum oder sonst eine schwere Strafe um Gott verdienet, darum daß viele das liebe heilige Evangelium lästern, viel Mißbräuche seyn, darzu bleibt viel Sünde, Schande, ja Mord ungestrafet. Doch wir wollen um unsrer Unwürdigkeit nicht zweifeln an Gottes Barmherzigkeit und Zusage, sondern bitten, daß er uns gnädig sey, und in dieser Sache

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