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Bruder begehrte, allein dieser hatte in seinem Landestheile alle Regierungsrechte..

Mit dem Tode Herzog Johann des Aelteren aber, 1580, 2. October, schließen wir diese Periode. Dieser um das Kirchenwesen seines Landesantheils hochverdiente Fürst starb zu Hadersleben unvermählt in einem Alter von 59 Jahren, und sein Landesantheil ging darauf zur Theilung, wodurch auch die kirchlichen Verhältnisse in den Herzogthümern nicht wenig verändert wurden.

Verfloß diese Periode meistens in äußerem Frieden, so sind es dagegen große Umwälzungen im Innern, welche dieselbe bezeichnen. Die gänzliche Umwandlung des Kirchenwesens mit Allem, was davon abhängig war, steht obenan. Auf dem kirchlichen Gebiete gährte und wogte es gar gewaltig. Hatte die Reformation hier freilich im Ganzen einen ruhigeren Verlauf, als in manchen andern Ländern, und drang die lutherische Confession auch völlig durch, so blieb doch auch unser Land nicht von den Bewegungen und Erschütterungen ganz unberührt, welche durch Ausartungen des Reformationseifers herbeigeführt wurden. Mit Sorgfalt, ja mit Strenge wehrte man aber dem Eindringen schwärmerischer und wiedertäuferischer Meinungen, und die Erscheinungen solcher stehen vereinzelt da, ohne daß sie hier eigentlich festen Boden haben gewinnen können. Bei der Reformation selbst sehen wir die Volksmassen sich betheiligen, doch hauptsächlich in den Städten: das Landvolk erscheint als mehr theilnahmslos (jedoch mit Ausnahme der freien Landesgemeinden) und fügte sich den neuen Anordnungen, großentheils wohl nicht unwillig. Der Landesadel ist anfangs unter sich zwiespältig; jedoch bald gewinnendie Anhänger der neuen Lehre die Oberhand. Der Abel aber verstärkt sich in dieser Periode, zum Theil auch durch den Wegfall der bisherigen geistlichen Macht, und aus dem geistlichen Gut fiel Manches ihm zu. Dazu kommt von der Mitte des sechszehnten Jahrhunderts an ein bemerkenswerther Umschwung in den landwirthschaftlichen Verhältnissen, die gerade für unser Land von so besonderer Wichtigkeit sind. Der Adel wendet sich dem Landbetrieb zu. Die Zeiten, wo er dem Kriegshandwerk einzig oblag, gehen allmälig vorüber. Die Nothwendigkeit drängt, sich neue Erwerbsquellen zu öffnen, und die veränderten Verhältnisse des Handels verschaffen den landwirthschaftlichen Erzeugnissen Absaßwege. Da wurden nun Dörfer niedergelegt und Meierhöfe errichtet, aus welchen

in der Folge selbstständige Güter geworden sind, die zur Vertheilung unter die mehreren Söhne eines Vaters kommen konnten, nachdem diesen die Versorgung durch geistliche Stellen abgeschnitten, ihnen die kriegerische Laufbahn mehr beschränkt war, und Viele zu Hofbedienungen nicht gelangen konnten.

Herzog Johann der Jüngere ging mit seinem Beispiel voran. Unermüdlich war dieser erwerbsame und sparsame Fürst, auszutauschen und einzutauschen, um ganze Dorfsfeldmarken zu gewinnen, aus welchen er dann Höfe errichtete und dazu als hofdienstpflichtig die übrig bleibenden Bauern legte. Das ging freilich nicht ohne manche Härte ab. Aber er hatte auch dreiundzwanzig Kinder aus zwei Ehen, die versorgt sein sollten. Auf Ankauf von Gütern hat er nach einer genauen Berechnung die für die damalige Zeit ge= waltige Summe von 1,610,437 Mark und 8 Schilling verwendet. So konnte er fünfen seiner Söhne jedem ein Fürstenthum hinterlassen, das aus einer Anzahl von Herrenhöfen mit dazu dienstpflichtigen Leuten bestand, und konnte seine vielen Töchter standesmäßig aussteuern. Ein solches Beispiel mußte Nachahmung finden. Wir werden bei der folgenden Periode darauf zurückkommen. Jedenfalls aber hob sich die Cultur des Landes, wenngleich vielfältig der Zustand der Bauern, besonders der Gutsuntergehörigen sich verschlechterte. Leidlicher hatten es die Amtsunterthanen, und die Marschgegenden behaupteten ihren Wohlstand und ihre Communalfreiheit, obwohl wiederholte Fluthen nicht geringen Schaden anrichteten. Eine der höchsten, von denen man überhaupt weiß, war die in der Nacht vom ersten auf den zweiten November 1532, die sogenannte Allerheiligenfluth, die fast ganz Nordstrand überschwemmte, wo 1500, nach andern Berichten gar 1900 Menschen ertranken. In Tondern, Büsum und an andern Orten mehr stand das Wasser hoch an der Kirchenmauer, und die beiden Kirchen zu Bishorst und Asfleth an der Elbe sollen damals ganz weggespült worden sein, so wie auch die Simonsberger Kirche weiter zurückgelegt werden mußte. Das folgende Jahr brachte wieder am Montage vor Allerheiligen ein großes Sturmwetter, und die Marschen wurden wieder stark überschwemmt. 1552, vierzehn Tage vor Fastnacht, ging ein großer Theil von Eiderstedt unter Wasser; 1559, den 14. November geschah ein Gleiches auch in den Störgegenden, und es wird in diesem Jahre gewesen sein, daß eine Kirche auf Alt-Mandöe unterging,

welches sonst zum Jahre 1558 berichtet wird. 1561, 27. Juli war abermals eine Ueberschwemmung in den Marschen, wobei viele Menschen das Leben verloren. 1570 trat wiederum auf Allerheiligen eine sehr verderbliche Ueberschwemmung ein, und von Nordstrand und Eiderstedt blieb Weniges wasserfrei, so auch 1571, 1573, 1578. Manche Kirchen und Kirchenländereien an unserer Westküste litten dabei auch bedeutend. Sehr auffallend wechselnd waren übrigens, nebenher bemerkt, in diesem Zeitraum die Jahre mit Wohlfeilheit und Theuerung. 1529 stieg die Tonne Rocken, die man sonst in diesen Ländern für 8 bis 10 Schill. hatte kaufen können, auf 16 Mark, und die Theuerung hörte erst nach 9 Jahren, 1539 auf, worauf ein großer Ueberfluß an Korn, Hopfen und Mast folgte. 1540 war der Rocken wieder auf 8 Schill. die Tonne gefallen, ja er fiel bis auf 6 Schill.; eine Tonne Gerste kaufte man für 4, Hafer für 2, eine Tonne Butter für 24 Schill. 1544 war wieder Theuerung, wo der Rocken 3 Mark, Gerste 4 Mark, Buchweizen 1 Mark 4 Schill., Hafer 1 Mark 8 Schill. kostete; auch 1546, nachdem 1545 der Rocken auf 12 Schill. gesunken war. 1553: 9 Mark, aber 1555 nur 1 Mark 8 Schill. 1562, wo der Rocken 4 Mark galt, wird über Theuerung geklagt, auch 1573 bei einem Preise von 3 Mark 4 Schill., 1575 aber sind 2 Mark ziemlich wohlfeil. Es sind diese Preise besonders bemerkenswerth, weil vielfältig in der nächsten Zeit nach der Reformation Abhandlungen der kirchlichen Einkünfte Statt fanden, die ursprünglich in Kornlieferungen an die Kirchen oder die Geistlichen bestanden hatten. Ueberhaupt unterblieb es nicht, daß, als die alte Hierarchie fiel, Zustände eintraten, die anfangs sehr ungeordnet waren. Es thaten sich von mehr als Einer Seite Bestrebungen hervor, aus der Umwälzung Privatvortheile zu ziehen, und die Zeitumstände möglichst im eigenen Interesse auszubeuten. Man würde überhaupt sich irren, wenn man die Reformation sich als eine rein auf geistigem und geistlichem Gebiete vollzogene Umwälzung vorstellte; die weltlichen Interessen wirkten von verschiedenen Seiten bedeutend mit. Fürsten und EdelLeute, Bürger und Bauern suchten vielfältig, sobald es sich als unzweifelhaft herausgestellt hatte, daß die alten Zustände einer neuen Ordnung der Dinge Platz machen würden, diesen Uebergang zu ihrem besonderen Vortheil auszubeuten; und das von der höheren Geistlichkeit besessene und verwaltete Kirchengut bot einen Gegenstand

dar, welcher für nicht Wenige sehr anlockend und verführerisch wurde. Es ist bereits dies im Vorhergehenden angedeutet, und die folgende Erzählung der Hergänge im Einzelnen wird die Belege dazu geben, wie der größte Theil des Klostergutes in landesherrlichen Besiß überging. Manche Edelleute nahmen die Gelegenheit wahr, ihre Güter durch Besitzthümer, welche die Geistlichkeit zu verkaufen genöthigt war, zu vermehren und neue Güter zu gründen; wie die Städte theils von Gerechtsamen, welche die geistlichen Stiftungen innerhalb ihrer Mauern erworben, sich meist befreiten, theils die Bettelköster als nunmehr städtische Armenanstalten erhielten. Die Landgemeinden erlangten durch Wegfall des Bischofszehnten eine Erleichterung, auch wußten sie sich manchmal durch Abhandlungen mit den Kirchen und Inhabern der Pfarrstellen von alten Abgaben zu befreien, wo nicht gerade die Verhältnisse so waren, daß die Obrigkeit dafür sorgte, die früheren Normen fortdauern zu lassen. Bei allem dem soll aber nicht geläugnet werden, daß bei der Reformation die höheren geistigen Interessen doch entschieden vorwiegend waren, und dies um so mehr, da kein Menschenalter seit den Anfängen der Reformationsbestrebungen verging, ehe in einer Weise, wie man es noch nicht erlebt hatte, Kenntnisse und Einsichten sich allgemeiner verbreiteten, und ein ausgedehnteres und höheres Unterrichtswesen zu Stande kam. Es wuchs bald aus Eingebornen eine beträchtliche Anzahl Geistlicher und Lehrer heran, die eine größere Einwirkung auf das Volk haben mußten, als dies den vielen Auswärtigen, die anfangs ins Land gekommen, schon wegen der Sprachverhältnisse möglich gewesen war. Ueberhaupt ist auch in unserer Specialgeschichte für ein richtiges Verständniß derselben stets von dem Grundgedanken auszugehen, daß die Kirchenreformation des sechszehnten Jahrhunderts ein Erzeugniß höherer Geistesentwickelung gewesen ist. Dabei müssen wir bedauern, daß der urkundlichen und aktenmäßigen Nachrichten zur Geschichte (10) dieser Epoche in den

(10) Ein fleißiges und verdienstliches Werk ist die „Geschichte der Einführung und Verbreitung der Reformation in den Herzogthümern Schleswig-Holstein bis zum Ende des sechszehnten Jahrhunderts" von G. J. Th. rau, (Hauptpastor in Ottensen, gest. 1875), Hamb. 1867. Einen klaren Ueberblick über unsere Reformationsgeschichte giebt Pastor Carstens zu Tondern (jezt Propst daselbst) in seiner Abhandlung „Die evangelisch - lutherische Reformation in SchleswigHolstein" in den Nordalbingischen Studien II, 119–160.

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Herzogthümern zu wenige vorliegen, um sich ein ganz anschauliches Bild von dieser großen Veränderung und ihren tiefgreifenden Einwirkungen auf alle öffentlichen Verhältnisse unseres Landes entwerfen zu können. Gleichzeitige Historiker oder Chronisten, welche die Ereignisse jener Zeit aufgezeichnet und dargestellt hätten, sind fast nicht vorhanden. Man wird jedoch aus den Archiven noch manches Material im Einzelnen herbeischaffen können, und wir selbst haben uns im Stande gesehen, in unseren urkundlichen Beilagen verschiedene wichtige Documente mitzutheilen.

II.

Anfänge der Reformation. Fortschritte und Gegenbestrebungen.

Schon ein Jahrzehnt vor dem eigentlichen Anfange der Reformation spürt man bei uns unverkennbar in urkundlicher Landesgeschichte das Herannahen einer bevorstehenden Umgestaltung des bisherigen Kirchenwesens, und zwar im Bereiche der Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten. Die zu Ende des Mittelalters stark erweiterte Landeshoheit und ausgebildete Staatsgewalt mit der zusehends wachsenden Regierungsthätigkeit machte häufige und starke Eingriffe in die seitherigen Machtbefugnisse und die gewohnte Praxis der Kirchenoberen. Wir theilen in unsern urkundlichen Beilagen (1) archivalische Belege mit aus den Jahren 1509 bis 1512, deren Zahl leicht vermehrt werden kann. Es erhellt daraus, wie die Herzogliche Regierung oftmals willkürlich in die Verwaltung und in die Gerichtsbarkeit der Geistlichkeit eingegriffen hat. Es mußte dabei die Autorität des bestehenden Kirchenregiments natürlich Abbruch erleiden, und man mußte sich daran gewöhnen, manche Dinge, die von jeher für geistliche gegolten hatten, fortan als weltliche anzusehen. Der Zeitgeist unterstützte die Regierungspolitik, nachdem das alte Herkommen seine Wurzeln und seinen Halt in den Herzen der Menschen verloren hatte, auch die Wissenschaft gegen die mittelalterliche theologisch-dialektische Zwangsherrschaft im Reiche des

(1) Urk. Nr. 2.

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