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I.

Allgemeine Uebersicht dieses Beitraumes.

Nach dem territorialen Charakter der Kirchenverfassung, welche durch die lutherische Reformation bei uns eingeführt ward, ist es zuvörderst nöthig, indem wir die Schwelle der Reformationsgeschichte betreten, einen aufmerksamen Blick auf unsere damaligen staatlichen Landesverhältnisse zu richten.

Zu der Zeit, als die ersten Reformationsbewegungen sich in unserm Lande zeigten, war dasselbe mehrfach getheilt, und diese Landestheilung (1) ist für die Gestaltung der Kirche von dem entschiedensten Einflusse gewesen.

Die Lande Schleswig, Holstein und Stormarn waren, seitdem 1490, 10. August König Johann und sein Bruder Herzog Friederich fich auseinander gesetzt hatten, in zwei Antheile zerlegt, den Segeberger (Königlichen) und Gottorfer (Herzoglichen). Zu dem erstgenannten Antheil gehörten Segeberg, Flensburg, Nordstrand, Rendsburg, wovon aber das Kirchspiel Neumünster abgetrennt war, Sonderburg mit Aerroe, Apenrade, Fehmern, Nordburg, Hanerau, Haseldorf. Der Gottorfische Antheil umfaßte Gottorf mit der Stadt Schleswig und dem Amte, mit Eiderstedt, dem Kirchspiel Kampen (2), Eckernförde, Rundtoft-Lehn (3); ferner Tondern, Hadersleben, Kiel, Trittau, Steinburg mit Izehoe, Schloß Tiele (wozu Stapelholm gehörte), Plön mit dem Kirchspiel Neumünster und

(1) Vgl. A. L. J. Michelsen, Ueber die ehemaligen Landestheilungen in Echleswig-Holstein unter dem Oldenburgischen Hause. Kiel 1839.

(2) Es ist dies die jetzige Hohner-Harde mit Inbegriff der später zum Amte Rendsburg gelegten Dörfer nordwärts von der Eider.

(3) Rundtoft-Lehn war verpfändet für 10,000 Mark Lübsch; vgl. Michelsen, Die ältere Geschichte des adeligen Gutes Rundhof in Angeln", im Archiv für Staats- und Kirchengesch. I, 1.

Michelsen, Kirchengeschichte Schleswig-Holsteins. III.

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Lütjenburg, Kuhhof und Oldenburg, endlich Neustadt. Die Klöster waren namentlich mit Rücksicht auf die Gasterei und Jagdgerechtsame so vertheilt, daß Reinfeld, Arensbök, Preez und Rukloster zum Segeberger, hingegen Bordesholm, Cismar, Reinbck, Uetersen und Lügum-Kloster zum Gottorfer Antheil gelegt waren. Bischof, Capitel, Ritterschaft waren gemeinschaftlich geblieben; die geistlichen Lehen sollten Jahr um Jahr vergeben werden, mit Ausnahme der beiden Propsteien zu Hamburg und Schleswig, bei welchen die Verleihung ein Mal ums andere festgesetzt war. Die Hoheitsrechte und Ansprüche auf Hamburg waren gleichfalls in Gemeinschaft, so auch die Wiedereinlösung der Burg Troyburg, insofern dieselbe zum Herzogthum Schleswig gehörte (*), wie denn überhaupt in manchen Landesangelegenheiten eine Gemeinschaft aufrecht erhalten war. Lübeck war als eine freie Reichsstadt schon längst aus allem Verbande mit Holstein ausgeschieden; die dortigen geistlichen Stiftungen aber wurden wegen ihrer Besitthümer auf holsteinischem Boden noch als landsässig betrachtet (5).

Völlig abgetrennt war noch der Schauenburgische Antheil von Holstein, der allmälig sich zu einem geschlossenen Gebiete gebildet hatte, welches die Aemter oder Vogteien Pinneberg, Haßburg und Barmstedt befaßte (6).

Das Land Dithmarschen, wo König Johann und Herzog Friederich bekanntlich 1500 eine große Niederlage erlitten hatten, bestand als ein Freistaat, der in sehr beschränktem Maaße die Oberhoheit des Erzbischofs von Bremen anerkannte(), bis 1559 das Land erobert ward.

In Dänemark war seit 1513 dem Könige Johann sein Sohn Christian II. gefolgt. Sein Kampf gegen die Uebermacht des Adels und der hohen Geistlichkeit, geführt mit Ungestüm und größter Leidenschaftlichkeit, bewirkte seinen Sturz. Der Gehorsam ward ihm aufgekündigt, er verließ das Reich, und die Krone wurde dem Herzog Friederich angetragen, der dieselbe annahm und am 26. März 1523 zu Wiburg die Huldigung empfing. Auch der bisher Königliche An

(*) Vgl. Jensen, Kirchl. Stat. d. Herzogth. Schleswig, II, S. 1568-69. (5) Falck, Handb. d. S.-H. Privatr., II, S. 45, 58 ff.

(6) Falck, I, S 65, 295. II, S. 95.

() Michelsen, Das alte Dithmarschen in seinem Verhältnisse zum Bremischen Erzstift". Schleswig 1829.

theil der Herzogthümer fiel ihm jezt zu. Es erfolgte 1524, Freitags nach Himmelfahrt (6. Mai), eine Bestätigung und Vermehrung der Privilegien des Landes, besonders derjenigen der Prälaten und Ritterschaft. Während Friederich, persönlich der Reformation der Kirche geneigt, für Dänemark in den Bestrebungen dafür zurückhaltender zu sein Ursache hatte, gewarnt durch das Schicksal seines Vorgängers Christians II., dem besonders seine Hinneigung zu der „lutherischen Keßerei“ zum Vorwurf gemacht war: machte die. Reformation zuerst in den Herzogthümern raschere Fortschritte. Dieselben wurden dadurch sehr begünstigt, daß Friederich seinen Sohn Christian 1525 zum Statthalter der Herzogthümer einseßte. Dieser nahm seinen Siz zu Hadersleben. Innerhalb weniger Jahre ordnete sich dort und verbreitete sich von daher ein neuer kirchlicher Zustand. Daß in Hamburg 1528, in Lübeck 1530 die Reformation zu Stande kam, war von nicht geringem Einfluß auf Holstein, und nach dem Vorgange dieser beiden Städte richtete sich nun Vieles (8). In dem noch selbstständigen Dithmarschen drang die Reformation 1532 durch, selbst im Bisthum Lübeck 1535, in dem Schauenburgischen Antheil von Holstein kam sie erst etwas später zu Stande. Inzwischen aber hatte auch im Königreiche die neue Lehre nicht unbedeutende Fortschritte gemacht und manchen Sieg errungen.

Da starb Friederich I. 1533, 10. April zu Gottorf. Christian III. folgte als Herzog von Schleswig und Holstein, aber in Dänemark schwankte die Königswahl, und es trat ein Interregnum ein, während dessen jede Partei möglichste Vortheile zu erreichen und zu bewahren bemüht war. Die Lübecker waren auf ihre Handelsvortheile bedacht, und begannen Krieg, unter dem Vorgeben, Christian II. wieder auf den Thron zu sehen (9). Graf Christoph von Oldenburg führte ihr Heer an. Es entstand die nach ihm benannte Grafenfehde. Herzog Christian, der für sich und seine unmündigen Brüder Johann, Adolph und Friederich 1533, Freitags nach Andreä, die Union der

(8) Ueber die durch die Reformation begründete städtische Verfassung von Hamburg ist zu vgl. Lappenbergs gelehrtes Programm zur Feier des dreihundertjährigen Jubiläums der bürgerschaftlichen Verfassung von Hamburg 1829. Krabbe, Hist. eccl. Hamburg. rest., Hamb. 1829. In Rücksicht auf die politische Geschichte jener Epoche verweisen wir unsere Leser auf das gehaltreiche Werk von G. Wait über Lübeck unter Jürgen Wullenweber und die Europäische Politik. 3 Bde. (Berlin 1855). Für die Kirchengeschichte von Lübeck: Starck, Lübeck. Kirchenhistorie. Lübeck 1724, in 4.

(9) Wait a. a. D.

Herzogthümer mit Dänemark abgeschlossen hatte, ward von den Lübeckern angegriffen, und so in den Krieg verwickelt, der jedoch bald endete. Nun aber trug man von Dänemark aus in der immer größer werdenden Bedrängniß ihm die Krone an, so ungern auch wegen seiner erklärten Liebe für das Lutherthum die Bischöfe (die lieber seinen Bruder Johann, den sie noch für die Römische Kirche zu erziehen hofften, gehabt hätten) sich dazu bequemten. Der Bischof Ove Bilde von Aarhuus unterzeichnete die Wahlyrkunde mit Thränen in den Augen; er fühlte, es ist das Todesurtheil der alten Kirche. Und in der That, nachdem Christian die entscheidende Schlacht am Ochsenberge bei Assens gewonnen (1535), nachdem endlich Kopenhagen sich (1536, 29. Juli) ergeben hatte, dauerte es nur noch wenige Wochen, bis die Hierarchie mit Einem Schlage vernichtet ward. Es war am 20. August 1536, als sämmtliche Bischöfe des Reiches verhaftet wurden. Erst gegen den Revers, abzutreten und die Reformation nicht zu hindern, erhielten sie ihre Freiheit wieder.

Christian III. regierte darauf in Frieden über Dänemark, Norwegen und die Herzogthümer. Von der Theilnahme an dem Schmalkaldenschen Kriege blieb er frei, obgleich er 1538 dem Bunde beigetreten war. Die Ruhe wurde benutzt, um die kirchlichen Angelegenheiten, denen Christian seine Bemühungen sehr gern zu= wandte, zu ordnen. Für die Herzogthümer regelte sich Alles durch Annahme der Kirchen-Ordnung auf dem Landtage zu Rendsburg 1542. Was aber dadurch über das Kirchen-Regiment bestimmt war, erlitt keine geringe Abänderung durch die Landestheilung 1544. Es zerfielen nun abermals Schleswig, Holstein und Stormarn in drei durcheinander gemischte Landestheile, die nach den Hauptschlössern als der Sonderburgische, Gottorfische und Haderslebensche Antheil bezeichnet wurden. König Christian bekam den ersteren, Herzog Adolph den zweiten, Herzog Johann der Aeltere den dritten Antheil. Auch die Klöster, die nach und nach säcularisirt wurden, kamen zur Auftheilung. Rukloster, Reinfeld, Arensbök und Segeberg fielen in den Königlichen Antheil; Morkirchen, Reinbek, Cismar in den Gottorfischen; Lügumkloster und Bordesholm in den Haderslebenschen. Die Jungfrauenklöster zu Preez, Izehoe, Uetersen und St. Johannis auf dem Holm vor Schleswig blieben bei Bestand, und dienten zur Versorgung ritterschaftlicher Fräulein. Nicht minder wurden in den

Städten manche Klostergebäude fortan Versorgungsanstalten für Bürgertöchter. Die Vorsteher der adeligen Stifter erscheinen fortwährend unter dem Namen der Prälaten, welchen auch das Domcapitel zu Schleswig beigezählt ward. Prälaten und Ritterschaft aber blieben unter gemeinschaftlicher Hoheit und Regierung. Der vierte Bruder, Friederich, empfing keinen Landesantheil. Er ward mit geistlichen Pfründen versorgt. Der gefangene Christian II. entsagte allen Ansprüchen, erlangte 1549 eine mildere Haft, indem er von Sonderburg nach Kallundburg gebracht ward, und ist 1559 wenige Tage nach Christian III. mit Tode abgegangen.

Es war aber am Neujahrstage 1559, als Christian III. zu Kolding ein wahrhaft erbauliches Ende nahm, würdig des Lebens, in welchem er mit besonderer Liebe sich der Religion und dem Kirchlichen zugewandt hatte. Sein für Dänemark schon 1536 als Nachfolger angenommener ältester Sohn Friederich bestieg nun als der zweite dieses Namens den Dänischen Thron, und folgte auch im Königlichen Antheil der Herzogthümer seinem Vater als Herzog, unter Vorbehalt der Ansprüche seines jüngsten Bruders Johann, indem der mittlere, Magnus, mit den Stiftern Desel und Kurland abge= funden ward. Die erste wichtige That Friederichs II. war aber in Verbindung mit seinen Vaterbrüdern Adolph und Johann der Eroberungszug nach Dithmarschen, der in demselben Jahre so vollständig gelang, daß jeder der drei Herren einen Theil dieses Landes seinen Besitzungen hinzufügen konnte, indem man das Land durch Dreitheilung zerriß. Der König erhielt den südlichen, Johann den mittleren, Adolph den nördlichen Theil. Mittlerweile aber erreichte der jüngste Bruder des Königs, Johann, seine Mündigkeit, und ihm wurde 1564 der dritte Theil des Königlichen Antheils der Herzogthümer eingeräumt, bestehend aus Sonderburg und Nordburg mit Alsen, Sundewit, Aerroe, und in Holstein Plön sammt dem ehemaligen Kloster Arensbök. Zu einer Huldigung der Stände konnte aber Herzog Johann, der nun zum Unterschiede von seinem älteren gleichnamigen Vaterbruder, welcher zu Hadersleben residirte, den Zunamen der Jüngere erhielt, es nicht bringen, und ward also als mitregierender Landesherr von den Ständen nicht anerkannt, besaß aber seine Besitzungen mit Landeshoheit und als Bestandtheil derselben auch Kirchenhoheit. Die Stände wollten auf die Huldigung nicht eingehen, obgleich der König sie von ihnen für seinen

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