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miteinander in den ekelhaftesten Mischmasch ausschlug. So kam es, daß die also überfüßte deutsche Sprache der Bildung aufs übelste versezt und getrübt wurde, ja selbst in die Volkssprache nachtheilig hineinwirkte, und daß sogar das Gaunerthum aus dieser Sprachhefe eine ziemliche Ausbeute machte und daß im Dreißigjährigen Kriege das goldene Zeitalter der Gaunersprache begann. 1) Das von dem Gauner Andreas Hempel 1687 gegebene Verzeichniß von Wörtern aus der „Spizbubensprache oder Wahlerei und Rothwelsch", sowie das Waldheimer,,Rothwelsche Lerikon" von 1726 sind die ersten merkwürdigen lerikographischen Proben der Gaunerlinguistik des Dreißigjährigen Kriegs und emancipiren sich durchaus von dem bis dahin als einzig dastehenden Vocabular des Liber vagatorum.

Im Dreißigjährigen Kriege befand sich bei dem unermeßlichen fittlichen und materiellen Elend, welches derselbe über Deutschland brachte, auch die von erotischen Stoffen inficirte, dem Siechthum fast erliegende deutsche Sprache in einer langen Krisis, welche durch die neubegründeten Sprachkliniken des Teutschen Palmbaum" 2) und der nachfolgenden Sprachgesellschaften und Dichter

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Geschmack abgewonnen hatten, so behielten sie ihn auch noch lange Zeit nachher. Die von Martial d'Auvergne bekannt gemachten Arrêts d'amour, eine Nachahmung der alten, machten unglaubliches Glück, und es fand sich sogar ein berühmter Rechtsgelehrter, welcher sich die Mühe gab, sie durch das Ansehen der römischen Geseße, durch die Entscheidungen der Kirchenväter und durch Citate aus griechischen und lateinischen Dichtern zu bekräftigen. Die franzöfischen Schriftsteller übten sich noch während des 16. und zum Theil des 17. Jahrhunderts über ähnliche Vorwürfe um die Wette, und die bekannte Thesis des Cardinals Nichelieu über die Liebe war nichts als ein Rest von jenem Geiste erotischer Spißfindigkeiten.

1) Recht interessante Bemerkungen über die Verwilderung der deutschen Sprache zu dieser Zeit gibt nach Dionys Klein (,,Kriegsinstitution“, 1598, S. 288) der geistvolle G. Freitag,,,Bilder aus der deutschen Vergangenheit“ (Leipzig 1859), II, 78, obwol die parenthefirten Ueberseßungen der Gaunerwörter zum Theil nicht richtig sind, z. B. anstoßen ist nicht schäßen, sondern zum besten haben, hinters Licht führen, vom jüdischdeutschen Schtus, Unsinn, Narrheit, oder Schaute, Narr, wovon auch anftussen, anschtussen. Vgl. Thl. II, S. 192, vgl. mit S. 316.

2) Vgl.,,Der Teutsche Palmbaum | das ist | Lobschrift | Von der Hoch

schulen bei weitem nicht kräftig und rasch genug abgekürzt werden fonnte, obschon man dem Martin Opig von Boberfeld, dem „Gefrönten" (1597-1639), das Zeugniß nicht versagen kann, daß er, wenn ihm auch Tiefe, Phantasie und Gemüth fehlten, der deutschen Sprache wieder den Weg zur Correctheit und zum Wohlklang anbahnte. Von den acuten Fieberparorismen der deutschen Sprache jener Zeit 1) bedarf es keiner der tausendfach vorhandenen Proben. Man hat schon genug an den geistlosen Spielereien und Phrasen, wenn man z. B. nur den Anfang des selbst vom wackern Schottelius S. 1174 als Muster eines,,Klingreims" gepriesenen Gedichts von Diedrich von dem Werder auf Opig lieft:

Dich hat mit einer Kron, Gekrönter, wol bekrönet
Der Fürsten werthe Kron! Dich hat der künste Thron
Durch das Gerücht gekrönt mit einer Ehrenkron,
Die vieler Kronen wehrt. Gekrönt hastu gefrönet
Um solche Lorberkron. Nun Gott, der Kronen krönet,
Gibt dir der kronen Kron u. s. w.

In der That fällt einem da das prächtige Вpexexexét xoá zod der Frösche im Aristophanes ein, und der alte Charon mit seinem echt bootsmännischen óór л dóл ön, sowie die gemüthlichen schnarrenden niederdeutschen Froschconversationen, welche allabendlich die norddeutsche Dorfjugend den quakenden Fröschen nacherzählt. 2)

Doch gilt es hier nicht eine Literatur- oder Sprachgeschichte anzudeuten, sondern nur das Unrecht der Behauptung nachzuweisen, daß die im 17. Jahrhundert auf den höchsten Gipfel getriebene deutsche Sprachmischung eine so lange vorbildende Geschichte gehabt habe, wie Genthe nach Bouterwek a. a. D. an

löblichen | fruchtbringenden Gesellschaft | Anfang, Sagungen, Vorhaben, Namen, Sprüchen u. s. w. vom Verdrossenen“ (Nürnberg 1647). Vilmar, a. a. D., II, 12 fg.

1) Vgl. im,, Teutschen Palmbaum" die Briefe S. 125 und 131, auch das entseßliche Liebesgedicht: „Reverirte Dame" u. s. w. S. 129.

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gedeutet hat. Treffend sagt Schäfer, a. a. D., S. 56, daß der Verfall der Sprache der Abnahme der geistigen Bildung entsprochen, daß an den Höfen die Vorliebe für das Französische um sich gegriffen habe und die Gelehrten desto stolzer auf ihr scholastisches Latein gewesen seien, je mehr die classischen Studien durch die theologischen Streitigkeiten verdrängt wurden, daß die deutsche Muttersprache von ihnen vernachlässigt worden sei und selbst die Predigten die Kraft des volksmäßigen Ausdrucks verloren hätten. Gewiß ist, daß im 17. Jahrhundert die Gaunersprache aus der tiefsten Erniedrigung der Sprache der Bildung die größte Ausbeute machte und wie mitten im tiefsten materiellen Elende des Volkes, so auch im tiefsten Elende der Sprache sich verstärkte und belebte und das sprachlich Erworbene um so geflissentlicher beibehielt, je mehr die Sprache der Bildung wieder nach Reinheit zu streben und alles in der frühern Erniedrigung aufgedrungene Fremdartige und Unlautere von sich abzuwerfen aufing. Daher besonders kommen in der Gaunersprache die mancherlei italienischen, französischen, schwedischen und andere fremdsprachliche Ausdrücke, welche keineswegs moderne Zusäße sind.

Dreiundzwanzigstes Kapitel.

b) Die maccaronische Poesie.

Unter allen Sprachmischungen erscheint die maccaronische Mischung, obwol sie der jüdisch-deutschen Mischung am nächsten kommt, sowol in Rücksicht auf ihre Form als auch auf ihren Umfang und Zweck am beschränktesten. Sie hatte in keiner Weise irgendeine Vorbildung, sondern entsprang im 15. Jahrhundert plöglich aus dem Kopfe eines aus dem Kloster flüchtig gewordenen und in das Vagantenleben hineingerathenen wißigen italienischen Dichters und hielt in dem Bereiche der romanischen Sprachfamilie wie ein lustiger Fasching ihre vereinzelten Umzüge, ohne doch irgendwie volksthümlich und am allerwenigsten auf

deutschem Boden populär und heimisch werden zu können. Schon dadurch, daß sie den Wortwurzeln irgendeiner der romanischen Sprachen, über deren Kreis sie niemals anders als vereinzelt in das Deutsche hinausging, lateinische Flexionen anhängte und somit der romanischen Sprache in ihren einzelnen lateinisch flectirten Stammwörtern das Scheingepräge der lateinischen Sprache verlieh, wurde sie zu einem nur den Gelehrten verständlichen travestirten burlesken Latein, welches vor allem der Satire, für welche doch wesentlich die maccaronische Poesie geschaffen war, namentlich zur Geiselung des affectirten Einmischens fremder Wörter in die Muttersprache, einen wesentlichen Theil ihres natürlichen Rechts, das der ungebundenen öffentlichen volksmäßigen Bewegung, verkümmerte und sich nur auf eine heimliche Stubenzüchtigung der pedantischen Gelehrsamkeit beschränken mußte, bei welcher kein recht öffentliches Erempel statuirt werden konnte. Die maccaronische Poesie ist daher niemals in das Volk gedrungen. Sie erbitterte ebenso scharf, als sie rügte. Daher auch ihre sehr strenge Beurtheilung, ihre Unstetigkeit und ihr rasches Verschwinden. Ohnehin beleidigte sie den Geist beider zusammengezwungenen Sprachen und hätte sich in ihrer burlesken Nummerei niemals halten können, wenn sie sich nicht auf den Schwingen der poetischen Form zu jener Sphäre erhoben hätte, in welcher man den losen Schalk nur desto deutlicher sehen und belachen konnte.

Obschon diese Sprachfastnachtsposse, wie schon erwähnt, sich nicht aus den Kreisen der romanischen Sprachfamilie entfernte und nur vereinzelt auf den deutschen Sprachboden übertrat, so verdient sie doch besonders wegen ihrer Entstehung und ihres Uebertritts auf deutschen Boden einige Aufmerksamkeit. Die maccaronische Poesie ist in Italien entsprungen. Obwol Typhis Odarius (Tifi degli Odasj) aus Padua († 1488) der erste maccaronische Dichter ist, so hat er doch nur das eine sehr kurze Carmen maccaronicum de Patavinis quibusdam arte magica delusis gemacht, welches bei Genthe S. 207 abgedruckt ist, und dessen Verbrennung Odarius obendrein, wiewol vergeblich, da es schon zehnmal gedruckt war,

auf dem Sterbebette angeordnet hatte. Erst mit Don Teofilo Folengo oder de Folenghi, welcher überhaupt mit dem vollsten Rechte der Erfinder der Maccaronea genannt zu werden verdient und genannt wird, beginnt die maccaronische Poesie. Folengo's Leben ist so merkwürdig wie seine Erfindung. Er wurde am 8. Nov. 1491 zu Cipada, unweit Mantua, aus ansehnlicher Familie geboren, zeigte schon früh bedeutende poetische Gaben und ging bereits 1507 in ein Benedictinerkloster, woselbst er am 24. Juni 1509 Profeß ablegte. Nach etwa sieben Jahren entsprang er aus dem Kloster mit einer schönen Person, Girolama Dedia, welche er leidenschaftlich liebte, trieb ein liederliches Vagantenleben, machte alles denkbare Elend durch, wurde Soldat ind trat 1527 wieder in das Kloster zurück. Gleich im Anfang seines zehnjährigen Vagabundenlebens wandte er sich zur maccaronischen Poesie, deren Namen und Wesen er selbst erläutert: Ars ista poëtica nuncupatur ars maccaronica a maccaronibus derivata, qui maccarones sunt quoddam pulmentum, farina, caseo, butyro compaginatum, grossum, rude et rusticanum. Ideo Maccaronica nil nisi grossedinem, ruditatem et vocabulazzos debet in se continere. Sed quoniam aliud servandum est in eclogis, aliud in elegiis, aliud in heroum gestis diversimodo necessarium est canere. Fuit repertum Maccaronicon causa utique ridendi und blieb derselben auch nach der Rückkehr in das Kloster getreu, indem er seine Poesien von den sittenverderbenden Anstößigkeiten läuterte und noch später neue Dichtungen hinzufügte. Man findet seine Gedichte bei Genthe theils nach den verschiedenen Ausgaben angeführt, theils aber auch, wie z. B. die,,Phantasiae maccaronicae", S. 208—250, und die,, Moschea", S. 250-284, vollständig abgedruckt. Ebendaselbst findet man auch Proben von seinen Nachfolgern Capello, Arione Bolla und dem geistvollsten, Cesare Orsini.

In Frankreich fand die maccaronische Poesie rasche Aufnahme und glückliche Nachahmer in dem berühmten Juristen Antonius de Arena († 1544), Jean Germain, Remy Belleau, Etienne

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