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schon aus dem Anfang solcher,, Cantiuncula", daß von einer Sprachvermischung nicht die Rede ist, z. B.:

Pertransibat clericus,

Durch einen grünen Waldt,

Videbat ibi stantem, stantem, stantem

Ein Mägdelein wohlgestalt.

Salva sis puellula,

Godt grüß dich Mägdelein fein,

Dico: ibi vere, vere, vere,

Du solst mein Beischlaf sein.

Non sic, non sic, mi Domine,

Ihr treibet mit mir spott,

Si vultis me supponere, supponere, supponere,
So macht nicht viel der Wordt.

Ceciderunt ambo

Wol in das grüne gras u. f. w.

Dabei drängt sich überall die Wahrnehmung auf, wie in den Land- und Stadtrechten, z. B. in dem zuerst lateinisch), dann niederdeutsch und endlich hochdeutsch bearbeiteten Sachsenspiegel, im Schwabenspiegel und in Rechtsurkunden, z. B. der augsburger Schenkungsurkunde von 1070, sich die deutsche Sprache geltend macht, während das von dem Klerus und Lehnrecht getragene Latein, dem classisch-römischen Sprachgeist zum Hohn, seinen ursprünglichen Charakter verliert und mit starker deutscher Verfärbung in das barbarische Mittel- und Mönchslatein übergeht, von welchem unzählige Proben vorliegen und welches namentlich von dem sprudelnden Humor und der schneidenden Satire der,,Epistolae obscurorum virorum" (1516) bis zur Vernichtung gegeiselt und für alle Zeit zur Posse der lateinischen Sprache gestempelt wurde. Aber schon gegen das Ende des 12. Jahrhunderts findet man, daß die Poesie aus den Händen der Geistlichkeit in die der Laien überging, und daß in der erzählenden Dichtung, welche sowol einheimische wie fremde Sagenstoffe behandelte, wie in dem später sich bildenden Meistergesang, wenn auch romanische Einflüsse sichtbar sind, doch auch die nationale Eigenthümlichkeit sich entwickelte

und die deutsche Sprache, namentlich in der Volkspoesie, einen festern sprachlichen Rechtsboden gewann. 1)

Zweiundzwanzigstes Rapitel.

a) Die Sprache des Ritterthums und der Courtoisie.

Erst mit dem Anschluß des Meistergesangs an die Bildung der Ritter und Fürsten zeigt sich deutlich die Verunstaltung der deutschen Sprache durch Einmischung fremder Wörter, welche Jahrhunderte hindurch die deutsche Sprache verunzieren sollten. Das Ritterthum, welches sich seit dem Schlusse des 11. Jahrhunderts kräftig entwickelt hatte, gewann im Waffendienste, im Aufsuchen von Abenteuern und Gefahren seinen höchsten Glanz und in den Kreuzzügen seine höchste Poesie. Das Ritterthum war ein einziger großer europäischer Staat, welcher in ritterlich-religiöser Begeisterung die europäischen Länder wie seine Provinzen in sich vereinigte. Seine Poesie bildete sich, wie im Gegensaß zur alten Volkspoesie, zur Kunstpoesie aus, welche in Geist und Form nach einer höhern, dem Glanze des Ritterthums und Fürstenthums scheinbar mehr entsprechenden Stufe strebte. 2) Die erzählende

1) Vgl. J. W. Schäfer, „Grundriß der Geschichte der deutschen Literatur” (Bremen 1858), S. 15, und Vilmar, „Geschichte der deutschen Nationalliteratur" (Marburg 1860), S. 144 fg.

2) Von großer Wichtigkeit für die Kenntniß und Geschichte der alten französischen Poesie ist das von Le Grand d'Aussy herausgegebene Werk: „Fabliaux ou Contes du XII et XIII siècle, traduits et extraits d'après divers manuscrits du temps; avec des notes historiques et critiques, et les imitations qui ont été faites de ces contes depuis leur origine jusqu'à nos jours" (3 Thle., Paris 1779), welches, wenn es auch schon unter dem Titel: „Erzählungen aus dem 12. und 13. Jahrhundert mit historischen und kritischen Anmerkungen“ (5 Bde., Halle und Leipzig 1795-98), in das Deutsche übersezt und von dem (unbekannten) tüchtigen Uebersezer mit sehr bedeutenden gründlichen Anmerkungen bereichert wurde, dennoch weniger Beachtung gefunden hat, als doch das sehr tüchtige und anziehende Werk in hohem Grade, auch in Bezug auf unsere deutsche Nationalliteratur, verdient.

Dichtung entwickelte sich vorzüglich im nördlichen Frankreich, wo britische, normannische und fränkische Sagen zusammenflossen, und verbreitete sich von da nach England. Die lyrische Kunstpoesie hatte ihren Sitz in der Provence und ward an den Höfen der Fürsten und auf den Burgen der Ritter gepflegt, welche Sammelpläge der kunstreichen Sänger (troubadours) waren. Von hier verbreitete sich provenzalische Poesie über das nördliche Spanien und Italien und wirkte auch auf das nördliche Frankreich (die trouvères) und auf das benachbarte Deutschland ein.

In dieser Poesie des Ritterthums bildete sich eine Sprache aus, welche, wie die heutige deutsche Sprache der Bildung alle Dialekte in sich vereinigt, so aus allen Ländern des Ritterthums Wörter und Redeweisen wie analoge Dialekte des Ritterthums in sich aufnahm, ohne jedoch die specifische Eigenthümlichkeit der Sprachbeiträge in ein fließendes nationales Ganzes vereinigen zu können. Mit den französischen Sagenstoffen, wie z. B. dem Rolandslied des Pfaffen Konrad (1173—77), dem Alerander des Pfaffen Lamprecht (1175), welche nach französischen Originalen gedichtet sind 1), konnte sich um so leichter auch die Sprache der ritterlichen Minne und höfifchen Sitte mit denjenigen Sprachen versehen, welche den Stoff zur Dichtung selbst lieferten. So mischt denn nun auch der Tanhuser, wie Genthe E. 15 richtig bemerkt,,,in seinem Streben nach zu großer Galanterie in der Sprache, in der Schaulegung seiner Studien und Belesenheit, aus affectirter Urbanität und Courtoisie" in seine deutschen Verse französische Wörter und Redensarten ein und spricht unter andern von dem Riviere, der Planure und dem Dulzamys, daß er habe parliren müssen, als die Nachtigall angefangen habe zu toubiren; seine Dame sei gesessen bei der Fontane; ihre Berson sei schmal und ein lügel grande; da habe er erhoben. sein Parolle u. f. w. Diese widerlich füße unreine Sprache eines der frischesten Dichter des 13. Jahrhunderts, welche sogar auch den Stoff verunreinigte, wurde aber durchaus Ton, obschon sich

1) Schäfer, S. 21 und 22. Vilmar, I, 151.

im 14. und 15. Jahrhundert auch das Niederdeutsche vordrängte, und ungeachtet schon zu Ende des 15. Jahrhunderts die aus hoch und niederdeutschen Formen gemischte obersächsische Mundart in der Kanzleisprache der Höfe und Reichsstädte sowie in der prosaischen Literatur sich geltend macht und neben der spätern Luther'schen Bibelsprache zur Grundlage der neuhochdeutschen Sprache ward. Gerade diese Sprache schien die Folie sein zu sollen, auf welcher mit dem Verfall des kräftigen Ritterthums, einfacher Sitte an den Höfen der Fürsten und Edeln, sowie im Bereich der von ihnen geförderten oder mit ihnen in Berührung stehenden Intelligenz, troß der Tabulaturen der Meistersänger, eine Sprache als Sprache der höhern Bildung, Galanterie, höfischen Geistes und diplomatischen Verkehrs sich zu jenem albernen, widerlichen, unnatürlichen Sprachgeckenthum ausbilden konnte, welches durch . das Vordringen des Calvinismus und durch die Aufnahme der großen Menge flüchtiger Hugenotten in Deutschland besonders mit französischen Brocken sich übersättigte 1) und im Dreißigjährigen

1) Schon lange hatte im französischen Ritterthume und dessen Sprache, zum großen Nachtheile beider, eins der seltsamsten Institute, worauf je der menschliche Geist verfallen ist, bestanden, die Cours d'amour, welche auch weit und tief in Deutschland hineinwirkten. Man vgl. im zweiten Theil der schon angeführten, Fabliaux" von Le Grand d'Aufsy die Erzählung Huéline et Eglantine mit den Bemerkungen dazu. Die Nußlosigkeit der Cours d'amour an sich und die große Wichtigkeit, die man ihnen beilegte, machen sie zwiefach lächerlich. Und dennoch finden sich wenig Stiftungen, welche mit so viel Ehrfurcht aufgenommen, mit geringern Mitteln unterhalten und von so entschiedener Einwirkung auf die Sitten gewesen sind. Da die Streitigkeiten in Veranlassung von Fragen aus der Casuistik der Liebe, die von den alten Liederdichtern in ihren Jeux-parties aufgeworfen wurden, kein Ende nahmen, so kam man, um sie in einer leßten Instanz zu entscheiden, auf den Gedanken, eine eigene Art von souveränem Tribunal oder Gerichtshof zu errichten, welchen man aus diesem Grunde Cour d'amour nannte. Die Glieder desselben wurden aus Edelleuten, Frauen von Stande und Dichtern gewählt, welche sich durch Weltkenntniß und lange Erfahrung für Dinge der Art die nöthige Geschicklichkeit erworben hatten. Die Frauen unterließen nicht, für das Ansehen von Tribunalen, wo alle Ehre auf sie bezogen ward, eifrigst besorgt zu sein; die Zahl derselben wuchs auch erstaunlich, besonders in den füdlichen Provinzen, wo man fast keine andere Poesie kannte als Chansons, und wo

Kriege vorzüglich durch die unmittelbare Berührung Deutscher, Franzosen, Italiener, Spanier, Niederländer, Ungarn, Böhmen u. s. w.

folglich diese wichtigen Streitigkeiten sehr getrieben wurden. In den nördlichen Provinzen, wo man sie gleichfalls einführte, nahmen die Sigungen im Mai ihren Anfang und zwar auf freiem Felde unter einer Ulme, weshalb fie auch Gieux (jeux) sous l'ormel genannt wurden. Die Gerichtsbarkeit der Liebeshöfe erweiterte sich sehr schnell. Sie erkannten über alle Zänkereien der Liebenden, über alles was die Galanterie betraf. Sie beraumten dem Angeklagten den Tag seiner Erscheinung vor Gericht, und diese wilden Krieger, welche fast alle ihre Streitigkeiten nur im Felde mit dem Degen in der Faust auszumachen gewohnt waren, fanden sich daselbst ein und unterwarfen sich ehne Murren dem Urtheil der Richter, von denen sie nichts zu fürchten hatten. Diese erwogen das Vergehen, erkannten eine angemessene Strafe, entschieden den Bruch oder schrieben die Form der Vergleichung vor; und ihre Aussprüche, Arrêts d'amour, welche geraume Zeit in Frankreich ein Gefeßbuch ausmachten, wurden so hoch gehalten, daß niemand gewagt hätte, davon zu appelliren. Man erhält endlich ein vollständiges Bild von der Ehrfurcht, welche die Hochachtung für Frauen gegen diese lächerlichen Tribunale einflößte, wenn man sieht, daß Prinzen und Souveräne, z. B. Alfons, König von Aragonien, Richard Löwenherz, sich es zur Ehre anrechneten, den Vorsiß dabei zu führen, und daß selbst Kaiser Friedrich Barbarossa einen Liebeshof nach dem französischen Muster in deutschen Landen anordnete. Unter der Regierung des unglücklichen Königs Karl VI. von Frankreich ward ein Cour d'amour bei Hofe angestellt, dem man alle Officien beilegte, welche bei souveränen Gerichtshöfen stattfanden, als Präsidenten, Räthe, Supplifenmeister, Beisiger, Ehrenritter, Geheimschreiber, Generaladvocaten u. s. w. Diese Officien wurden mit Prinzen von Geblüt, mit den vornehmsten Reichsherren, den höchsten Magistratsversonen, selbst mit Domherren und den respectabelsten Kirchendienern beseßt, eins von den Erzeugnissen des durch die ärgerliche Königin Isabella verbreiteten Geistes der Frivolität. Eine andere, am wenigsten zu vermuthende Ursache, der Aufenthalt der Päpste in Avignon, brachte die Liebeshöfe besonders in dem mittäglichen Frankreich in Flor, durch den schnellen Glanz, welchen diese Brovinzen dadurch erhielten, daß sie der Vereinigungspunkt aller Annehmlichkeiten des Lebens und die Schaßkammer der Steuern der Christenheit wurden. Die Nachfolger St.-Peter's waren selbst Beschüßer der Liebeshöfe. Innocenz VI. fell den Grafen von Ventimille und von Tende bei ihrem Besuche eine dieser Sigungen zum besten gegeben haben, worüber sie, heißt es, höchlich verwunbert waren (,,Discours sur les arcs triomphaux dressés en la ville d'Aix“, S. 26). Aber bald verschwand das glänzende Meteor. Die Rückkehr der Päpste nach Rom und das endlose Ungemach des Staates brachten die Cours d'amour erst in Verfall und endlich für immer vom Schauplage. Da indessen die Franzosen einmal diesen subtilen Untersuchungen der galanten Jurisprudenz

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