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Rücksichtslosigkeit gegen alle Grammatik, daß sogar das Hülfszeitwort sein im Präteritum mit haben conjugirt wird, z. B.: von, rimma, betrügen (, rama, hinabwerfen), ist 1¬и, meramme sein, betrügen; danach heißt es ohne Umstände: Du hast mich meramme gewesen (richtiger: du bist mir meramme - ein Betrügender — gewesen), du hast mich betrogen. Vielfach werden dabei in der rohen grammatischen Verwilderung der Sprache Präpositionen angewandt, z. B.: du hast meramme gewesen auf mir (oder auf mich), über mir (oder über mich), und wie man sonst dergleichen Sprachunfug in Schrift und Mund des Volkes findet. Bei relativen Zeitwörtern wird in dieser Weise das Pronomen selbstverständlich ebenso behandelt, z. B.: ich bin mir mefarnes (E), ich ernähre mich. Ebenso werden auch Participia mit den deutschen Zeitwörtern haben, werden, machen u. s. w. verbunden, z. B. von 7, zorech, Bedürfniß (chald. 77, zarach, bedürfen, arm sein), 7, nigrach (auch n, hußrach) sein, nöthig haben, aber auch nißrach haben, hugrach haben, oder

, migurach (oder auch 13, zorach) haben, arm sein, bedürfen. Von, jada, wiffen, 2, jodeen, wissen, 127, jodea sein, wissen, 17921 279, jodea werden, ersehen, kennen lernen. [rи vи, mischtabbesch machen, verwirren, Verwirrung anrichten; и m2, wajibrach machen, davongehen, sich aus dem Staube machen 1).

Dreiundachtzigstes Kapitel.

5. Die Conjunctionen, Adverbien und Interjectionen.

In der jüdischdeutschen Sprache findet man alle deutschen Conjunctionen, Adverbien und Interjectionen im vollständigsten

1) Vgl. 1. Mos. 31, 21, das Anfangswort: „Und er (Jakob) floh“ (von dem Laban). In gewöhnlicher Rede heißt es: wajifrach oder wifrach machen, sich davonmachen. „Du kannst dich wisrach machen“, du kannst dich davonmachen. Vgl. Tendlau, Nr. 390.

Gebrauch. Zu bemerken ist, daß die copulative Conjunction, und, selten voll, sondern gewöhnlich defectiv mit dem Abbreviaturzeichen geschrieben und im Volksmunde auch immer wie un' gesprochen wird, wie das besonders im Niederdeutschen der Fall ist. Ebenso findet man die copulative Conjunction auch, welche Tu geschrieben werden sollte, stets π, âch (ahd. auh, ouh, augere?), nd. of 1), geschrieben (vgl. Vocalismus das r). Sowol die relative Conjunction als wird synkopirt e, as 2), geschrieben. und gesprochen, wie das causale also stets ir, aso, geschrieben wird. Von hebräischen Conjunctionen findet man am häufigsten

, ascher, und -, ki, für daß, weil, denn; ir, al, daß nicht; pr, im, wenn u. f. w. im jüdischdeutschen Sprachgebrauch.

Von Adverbien drängen sich im Jüdischdeutschen stark vor die deutschen hervor die hebräischen Adverbien: rj, lo, lau (auch lamedaleph ausgesprochen), nicht; |ɔ, ken, ja; p, scham, daselbst;

, bimod, sehr; rin, mole, voll;, jachad, und, keachad, zusammen; и, meod, sehr; pur, jomam, am Tage; prz, hajom, heute 3); 3, tmol, und i, esmol, gestern; pri m tmol schilschom, vorgestern; tan, hocho, D, po, pau, ¡rɔ, kan,, bekan,, se, hier, allhier; mwen, rischono, ¡uvor (vorzüglich im Anfang von Briefen); m, schenis, zweitens (ebenfalls in Briefen), zum zweiten mal; m, jehudis, jüdisch, in jüdischer Weise, Sprache.

1) Ueberhaupt findet große Aehnlichkeit zwischen den jüdischdeutschen und niederdeutschen Conjunctionen statt, z. B.: Tr it, as āch, nd, as ok, wenn of, wenn auch; 07 pif, um daß, nd. üm dat, damit; CF11, was, nd. wat, ob; 372, abers, nd. äwers, äwerst, aber, wofür übrigens das Jüdischdeutsche den eigenthümlichen (von Tendlau, a. a. D., Nr. 811, aus dem ahd. neware hergeleiteten) Ausdruck 279, neiert, aber, yur, besißt.

2) Will man das zť. nicht als jüdischdeutsche Synkope gelten lassen für das deutsche als, so könnte man es vielleicht in Beziehung bringen wit dem hebr. ș, damals, von her, seit (depuis). Im Jüdischdeutschen wird zt auch noch für die Conjunction daß gebraucht, z. B.: Ich bin jodea, as er ihm esmol hat bes adumim sohof menadder gewesen, ich weiß, daß er ihm gestern zwei Dukaten geschenkt hat.

3) Auch mit dem besondern jüdischdeutschen Ausdruck , heint, heute.

Ebenso drängen sich die hebräischen Interjectionen vor: 5, oi, aui (15), au), Schmerzenslaut o, au! ♫, ach, ad)! ..., ahah, ach!, he,, heoch,, hen,, hinne, sieh, siehe da!

, haba und 12, habu, wohlan!, bi, bitte, höre mich! , na, auf, nun, wohlan! r, hinne na, sieh doch, sieh einmal!

Vierundachtzigstes Kapitel.

. Kabbalistische Formen.

Das Verständniß mancher jüdischdeutscher Wörter ist nicht zu erreichen, wenn man nicht einen Blick auf die jüdische Kabbala wirft, welche eine ganz eigenthümliche Behandlung und Auslegung bebräischer Buchstaben und Wörter lehrt. Es kann begreiflich hier nicht die Rede sein von jener auf den transscendentalen Ueberlieferungen des Alterthums und der magischen Weisheit älterer Lehren begründeten und der unmittelbaren subjectiven Inspiration sich hingebenden mystischen Philosophie des Judenthums 1), an welcher ebenfalls der allgemeine finstere Aberglaube des Mittelalters sich offenbarte und welche seit etwa der Mitte des 12. Jahrhunderts die eigenste philosophische Epoche der Kabbala begründete. Es handelt sich hier nur um die rein sprachliche Ausbeute, welche die Kabbala aus der Eigenthümlichkeit der hebräischen Sprache zu gewinnen wußte. Sobald die kabbalistische Philosophie aufgekommen war, mühte sich die christliche Gelehrsamkeit ab, eine flare Anschauung für sich und andere daraus zu gewinnen, ohne jedoch selbst nur irgendeine Klarheit zu erwerben, geschweige denn weiter verbreiten zu können. Neben dem Grauen, welches den Forscher bei dem Ueberblick der durch das gänzliche Misverständ

,kabal ,קְבָל

1) Der Name Kabbala, 7 (kabalah), Tradition, von er hat empfangen, paßt daher nicht zu dieser subjectiv inspirirten Philosophie. Ursprünglich wurden alle nichtmosaischen biblischen Bücher unter dem Namen Kabalah begriffen. Vgl. Zunz, a. a. D., S. 44, 353, 402 fg.

niß der jüdischen Kabbala furchtbar verderblich gewordenen christlichen Zaubermystik erfüllt, ist es geradezu widerlich, wenn noch Schudt, Jüdische Merkwürdigkeiten", Buch VI, Kap. 31 und an andern Stellen, troß mancher vorhergegangenen klaren Darstellung, wie z. B. Pfeiffer in seiner,,Critica sacra" (1688) eine solche, wenn auch nur sehr kurz (S. 202-206) gegeben hatte, nicht blos zu einer so kahlen und wüsten Behandlung der Frankfurter und anderer Juden cabbalistischer Händel" sich herbeiläßt, sondern auch in nahezu knabenhafter Eitelkeit die von seinem Zeitgenossen Riderer in Nürnberg auf ihn selbst componirten kabbalistischen Trigonal Paragramme" abdruckt, bei denen man wirklich zweifelhaft werden muß, ob Schudt damit gefeiert oder sarkastisch aufgezogen werden sollte. Ein Beispiel davon später. Hier möge zur kurzen Erörterung der jüdischen Kabbala aus P. Beer's Ges schichte der, Kabbalah" 1) folgende Darstellung Plaz finden.

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Die Kabbala wird eingetheilt in die symbolische und reale. So wie die Aegyptier ihre Religionsgeheimnisse hinter Symbole, Embleme und Bilder versteckten und die Gegenstände durch Hieroglyphen bezeichneten, so entstand bei den kabbalistischen Juden, denen die Bilder verboten waren, die Malerei durch Worte, d. h. sie glaubten, daß in den Buchstaben, Wörtern und Accenten der Heiligen Schrift eine Kraft liege, vermöge deren, wenn der Mensch diese Worte ausspricht oder auch nur ernst in Gedanken faßt, sich diese in dem Buchstabenbilde liegende Kraft entwickelt, zur Thätigkeit gelangt und auf den mit ihm correspondirenden himmlischen Geist einwirkt. Sie nehmen daher an, Gott habe dem Moses auf dem Berge Sinai die Heilige Schrift (Thora, 1995), worunter sie bald den Pentateuch allein und bald den ganzen Kanon verstehen, mit allen grammatischen Regeln, Punkten, Accenten und überhaupt mit der ganzen Masorah übergeben, ihm zugleich die in jedem Abschnitte, Verse, Worte, Buchstaben

1) „Geschichte, Lehren und Meinungen aller bestandenen und noch bestehenden religiösen Sekten der Juden und der Geheimlehre oder Kabbalah“ (Brünn 1823), II, 44.

und Punkte verborgen liegenden Geheimnisse mitgetheilt und ihn belehrt, wie man durch Verseßung der Buchstaben in der Heiligen Schrift, welche durchaus aus den unzähligen verschiedenen göttlichen Namen zusammengesezt ist, wenn man seine Gedanken darauf richtet (welches 3, kavanoth, heißt), in den himmlischen Regionen verschiedene Wirkungen und Veränderungen nach Willfür hervorzubringen im Stande ist.

In Bezug auf diese Vorausseßung lehrt die symbolische Kabbala, wie man den von Gott in diese Schriften gelegten geheimen Sinn entziffern kann. Das geschieht entweder durch Gematria, oder Notarikon, P, oder Themurah, 7127. 1) Den Beweis hierzu liefern die Kabbalisten aus dem Hohen Liede, woselbst Salomon (Kap. 6, V. 17) sagt: Zum Nußgarten stieg ich binab (1777) MAN MN). Hiermit wollte er andeuten, daß er in den Luftgarten (7) der Kabbala eingedrungen ist, indem das Wort Garten im Hebräischen ginath, heißt und dieses Wort die Anfangsbuchstaben von Gematria, Notarikon und Themurah enthält.

Die Gematria 2) ist entweder arithmetisch oder figurativ. Die arithmetische Gematria besteht darin, daß man die Buchstaben eines Worts als Zahlen annimmt und dafür zur Erklärung des Tertes ein anderes Wort von gleichem Zahleninhalt substituirt. So ist z. B. das Wort A, Messias, gleichzählig (nämlich) 358) mit dem Worte w nachasch, Schlange, worunter der Satan verstanden wird, der unter dem Bilde der Schlange die Eva zur Sünde gereizt und den Tod in die Welt gebracht hat. 3) Die Gleichzähligkeit dieser beiden Wörter entdeckt das Geheimniß, daß der Messias dieser Schlange bei seiner Ankunft den Kopf zertreten und daher die Sünde mit ihrer Felge, nämlich dem Tod, ver

1) Auch der Talmud bedient sich oft dieser Erklärungsart, besonders in den Hagadoth. Vgl. Talmud, Tract. Makoth, und an mehrern Stellen.

2) Eigentlich Geometrie. Die Talmudisten und Kabbalisten verstehen unter diesem Ausdruck die Zahlenlehre überhaupt nach allen ihren Modalitäten. 3) Vgl. auch unten in den Proben jüdischdeutscher Literatur Nr. 8: Rabbi Eliefar, der Raufeach von Worms.

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