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(Eisenmenger) mit offenem Laden. 1) Der Meng des Liber Vagatorum erscheint daher als der herumziehende Metallhändler und Kesselflicker, wie das am Schluß der Notabilien des Liber Vagatorum ja durch das mengen oder spenglen deutlich genug gemacht wird und der Bedeler orden durch den erläuternden Zusaß ketelbode (Bode, Bote, Haustrer) genugsam ergänzt. Das menclen, menckeln, essen, des Liber Vagatorum und des Bedeler orden hat sich noch besonders in der Bedeutung handeln, tauschen, kleine Geschäfte machen, mit dem Nebenbegriff des Heimlichen, Unerlaubten oder Verächtlichen, erhalten. Davon noch vers mänkeln, heimlich verhandeln, beiseite schaffen, also auch heimlich verzehren, wie im Niederdeutschen analog das Vermöbeln für das heimliche, leichtsinnige Beiseitebringen, Verkaufen, Verzehren, Vernichten, Beseitigen gebraucht wird. 2)

Das Weitere über Messingsprache vergleiche man im Kapitel Galimatias, sowie über die corrumpirten Ausdrücke Fissensprache, Fischsprache im Kapitel von der Fieselsprache.

Sunfzehntes Rapitel.

f) Gaunerterminologien.

Die unter den Gaunern selbst sprachgebräuchlichen Ausdrücke sind gerade am leichtesten zu erklären. Um mit den Ausdrücken, die am meis ften gäng und gäbe sind, anzufangen, so sind Koch emerloschen, Kochemerloschaun, verdorben Kaloschensprache, Kokumloschen, Kochemerkohl, Cheffenloschen, Cheffenloschaun, Chefsenkohl, die classischen Ausdrücke für den vollkommenen Begriff der Gaunersprache. Chochem, Kochom, Kochem, Kochemer, ist das hebräische □, oopóc, kundig, weise, listig, schlau, und ist schon Th. I, S. 12 erläutert als vollkommener Begriff des

1) Vgl. Frisch, S. 639; Schmidt, S. 373 unter Manghaus; Schwenck, S. 390.

2) Vgl. Frisch, S. 639; Schmeller, II, 600.

Gauners von Fach. Chess, Chefsen ist das in den Anfangsbuchstaben Cheth, Chess (1) verkürzte Chochem, Kochemer (vgl. ebend.). Loschon, Loschen, Loschaun ist das hebräische ziwię, laschon, die Zunge, Rede, Sprache, ydwooɑ, lingua. Kohl, Stimme, Sprache, wovon kohlen, xaλeïv, sprechen, ist das hebr. ip, kol, Plur. Miip, kolos, Stimme, Gerücht, im Plural auch das Donnerwetter, wovon p, kauloniss, eine belfernde, freischende Frauensperson, Xanthippe. In Kaloschensprache (es gibt sogar Galochensprache!) ist das Kaloschen eine Zusammenziehung von Kochemerloschen. In Jenischsprache, Jenischkohl erklärt sich das Jenisch nach I, 12 in gleicher Bedeutung mit Chochem aus VT, jada, wissen, und N, isch, Mann. Im Ausdruck Schurersprache leitet sich das Schurer ab aus dem zig. Tschor, Schorr, Dieb. Doch bleibt Schorr, Schurer immer ein Schimpfname unter den Gaunern und kommt im übrigen immermehr außer Gebrauch, obschon recht bestimmt schuren für handeln, Massematten handeln, stehlen, als unverfänglicher, rein technischer Ausdruck gebraucht wird, z. B. Lowenschuren, Weißkäuferei treiben, besonders Schottenfällen. Plattensprache, Plattenfehl, von platt, platte Leute, Gaunergenossen, Hehler, Cheffenspieße, von D7, palat, glatt sein, fliehen, bergen (vgl. I, 12) war der stehende Kunstausdruck in der Bande des Balthasar Krummfinger in der Mitte des vorigen Jahrhunderts (vgl. I, 234), ist jedoch jest weniger im Gebrauch als früher. Ueber Fisel und Fiselsprache wird weiter unten besonders gesprochen werden.

Als eine sprachliche Verirrung muß der von Bischoff seinem zu Neustadt 1822 erschienenen, so unkritischen wie unzuverlässigen Wörterbuche vorgefeßte Titel: „Kocheme Waldiwerei" erscheinen. Bischoff ist so unbewandert und unsicher in der Gaunersprache, daß er nicht einmal das Titelwort Waldiwerei 1) im Wörterbuch) selbst erläutert. Nur für sprechen (S. 67), sagen und reden (S. 63) hat er neben schmusen, stecken, schranzen 2) auch noch den

1) Vgl. oben Kap. 10, Note 1.

2) Stecken ist, wie im Hochdeutschen, heimlich reden, heimlich zu verAvé-kallemant, Gaunerthum. III.

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Ausdruck waldiwern, den er unmöglich von geschulten Gaunern in der Bedeutung von sprechen gehört haben kann. Das ganze Buch hat überhaupt nichts recht Kerniges, Verlässiges. Wenn Bischoff seit Einsegung des Criminalgerichts zu Weida im Herbst 1818 schon Verdacht über die Eristenz von Gaunern in der „reußischen Märtine" schöpfte und erst nach zwei Jahren durch die Geständnisse des Christtöffel (S. v), der „sehr beschränkte Begriffe hatte" (S. vi), die Nachricht erlangen konnte, daß in den fürstlich reußischen Herrschaften eine beträchtliche Anzahl von Gaunern fich herumtreibe", und nun gleich im December 1821 die Vorrede zu seiner,, Kocheme Waldiwerei" schreiben konnte: so darf man namentlich bei dem Hinblick auf die Kümmerlichkeit der vorangestellten,, Nachrichten über die Gaunerarten“, E. 6—18, nur sehr behutsamen Gebrauch von dem Wörterbuch machen, welchem ohnehin alle Kritik fehlt und welchem obendrein noch alle Pfister' schen Vocabeln ohne Sichtung einverleibt sind. Wer nicht durch jahrelanges Studium und Inquiriren nicht nur fest und sicher auf den Gauner selbst, sondern auch neben diesem vorbei in die weite Perspective des Volkslebens mit seiner Cultur, Sprache und Geschichte hineinzublicken sich geübt hat, aus welcher der Gauner vor den Verhörtisch tritt, vor dem bleibt der Gauner immer ein verschlossenes Räthsel. Der Ausdruck Waldiwerei für Sprache muß so lange für einen von Bischoff gemachten Ausdruck gelten, bis erwiesen ist, daß er, wenn auch nur in einer einzelnen Gruppe, sprachgebräuchlich gewesen ist. 777 heißt allerdings das Wort, und dibbern, diwern, dabbern, medabbern sind die gēläufigsten Gaunerausdrücke für sprechen. Auch ist sogar im Jüdischdeutschen 127v, bal dabran, der Sprachmeister, Redner. Aber auf das bestimmteste hat 777 in der Verbindung mit y zu, baldober, die ausschließliche Bedeutung, welche schon

stehen geben; schranzen, vom ahd. schranz, Spalt, Bruch, gleich schrenzen, durch einen Riß trennen; in der Gaunersprache sich davonmachen, fortgehen, aber auch, wie im Oberdeutschen und Niederdeutschen, den Mund aufthun; engl. scranch.

die foburger Designation gibt:,,Der Mann von der Sache, Anweiser, Angeber, welcher denen Dieben die Gelegenheit zum Diebstahl anweiset, und deswegen wenigstens einen Diebs - Antheil, öffter auch doppelte Portion befommt", und welche Th. II, S. 106 beim Baldowern ausführlich dargelegt ist. Niemals ist aber mit Baldowern die Bedeutung des Sprechens verbunden gewesen, und der von Bischoff so falsch gewählte Titel hat vielleicht als eine Copie des berühmten Jüdischen Baldobers gelten und gleiches Aufsehen erregen sollen, wie dieser erlangt hat. 1)

Außer den schon erwähnten Ausdrücken dabbern, dibbern, medabbern, medabber sein, dawern, diwern, sind noch die Zeitwörter schmusen, von vи, schama, er hat gehört, gehorsamt, und kohlen, von jp, kol, Stimme, die gebräuchlichsten für sprechen, sodaß für das Reden in der Gaunersprache gesagt wird: fochem schmusen, kochem dibbern u. s. w.

Ueber Loschon hakaudesch, worüber der sprachunkundige Thiele I, 206 seiner „Jüdischen Gauner" durchaus Verkehrtes vorbringt, Loschon iwri, Loschon aschkenas, Loschon tome, Loschon hanoßrim und Iwriteutsch wird im Abschnitt von der jüdischdeutschen Sprache und im Wörterbuch weiter die Rede jein.

Sechzehntes Rapitel..

2) Wesen und Stoff der Gaunersprache.

Indem die Gaunersprache als deutsche Volkssprache mit dem Zuge des Mundartigen in dessen Zusammenfluß zur deutschen Schriftsprache dieser Hauptströmung folgte, hat sie auch alle Wan

1) Auch nicht einmal das kann man zur Entschuldigung Bischoff's anführen, daß Waldiwerei für Valdowerei im richtigen Sinne des Baldowern habe genommen und daß damit das Gesammttreiben der Gauner in Reuß habe dargestellt werden sollen. Einen solchen Namen verdient jedoch die kümmerliche Darstellung auf den ersten 25 Seiten schwerlich. Auch wird S. 31 Baldower, Auskundschafter, deutlich unterschieden von dem Waldiwern, sagen

delungen derselben mit ihr durchgemacht und ist als Sprache des Verbrechens den Formen nach gerade auch Sprache der Bildung geworden. Sie unterscheidet sich aber in Wesen und Stoff von dieser dadurch, daß, während die Sprache der Bildung die Einzeltheile des mundartigen Zufluffes in sich als in dem großen Ganzen aufgehen ließ, die Gaunersprache eine Menge Mundartiges als unlösliche Partikel in der alten ersten Form festhielt und dies im Interesse des Gaunerthums um so absichtlicher bewirkte, je mehr dort das Mundartige in dem großen Ganzen aufgegangen und im Lauf der Zeit für die Sprache der Bildung in der Ursprünglichkeit verloren gegangen oder unkenntlich geworden war. So enthält die Gaunersprache eine große Menge althochdeutscher und altniederdeutscher Sprachwurzeln, daß man bei ihrer höchst interessanten Analyse überraschende Auskunft über manche Abstammungen erhält, welche sonst kaum noch erklärbar scheinen. Freilich ist der in der Gaunersprache deponirte alte und reiche Sprachschaß nicht so leicht zu heben, da im Verlauf der Zeit sehr häufig der rohe Mund der verbrecherischen Hefe entweder unabsichtlich die reine Form des Mundartigen verunstaltete oder im Streben nach Geheimniß gleich vom Anfang her absichtlich verdarb, lezteres meistens auf so verwegene, übermüthige, aber auch größtentheils so scharfsinnige Weise, daß man die Etymologie sehr oft gar nicht ohne genauen und tiefen Seitenblick in das culturhistorische Leben finden kann und daß in diesem Streben die Gaunergrammatik recht eigentlich als eine Physiologie der verworfensten Volkselemente erscheint. Noch größer wird aber die sprachliche Trübung durch die Berührung und Vermischung der deutschgaunerischen Hefe mit erotischen Elementen, welche ebenfalls ihren, wenn auch untergeordneten Beitrag zum geheimen Sprachausdruck lieferten, sodaß in dieser trüben sprachlichen Kreuzung die ungeheuerlichsten Sprachbastarde entstanden sind, wie z. B. das schon Th. II, S. 327,

(S. 63) und sprechen (S. 67), fodaß nicht zu verkennen ist, wie Bischoff durch Waldiwerei wesentlich die Sprache habe bezeichnen wollen, wobei auch noch der Verdacht entsteht, daß Bischoff sogar einen Unterschied zwischen Baldowern und Waldiwern gemacht habe. Oder hat B. an wal (S. 22) gedacht?

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