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Vergleicht man mit dieser freien, fast kecken Handschrift die gedruckten Currentlettern, so begreift man bald, daß allerdings Aufmerksamkeit und Mühe erforderlich ist, um einige Routine im Lesen jüdischer Correspondenzen zu erhalten. Doch ist gerade auch der feste Schnitt der Currentdrucklettern immer das sichere Gerüst, welches einen zuverlässigen Anhalt gewährt.

Sechsund sechzigstes Kapitel.

e) Die Interpunktion.

Die Interpunktion im Jüdischdeutschen ist, namentlich im Vergleich mit dem großen Reichthum der hebräischen accentischen Zeichen, besonders in ältern Schriften sehr kümmerlich. Bei dem dichten Druck der wie in der ältern Schriftsprache der Griechen und Römer aufeinander geschobenen, häufig gar nicht einmal gehörig durch Zwischenräume getrennten Wörter erschwert der Mangel der Interpunktion das Lesen und Verständniß nicht wenig. Die ältern Schriften haben niemals ein anderes Interpunktionszeichen als zu Ende eines Sages einen Punkt, welcher wie der hinter jedes Wort gesezte Punkt im Samaritanischen erhöht und oft auch, dem Syrischen ähnlich, sternförmig (*) erscheint. Dieser Punkt ist in ältern jüdischdeutschen Schriften das einzige Kennzeichen einer Unterscheidung der logischen Saßform. Häufig wird er in Gedichten, ganz wie bei den ältesten deutschen Dichtern 1), zu Ende jedes Verses, auch Halbverses gesezt, wobei am Ende des leßten Verses, sowie in Profa beim Schluß einer längern Periode, eines Perek oder Kapitels ein Doppelpunkt steht, wie 3. B. im Anfang des Vinzliedes 2):

1) Vgl. die bei Becker,,,Grammatik“, III, 66, angeführte Stelle aus Otfried's Evangelienharmonie (9. Jahrhundert), wo die Interpunktion jedenfalls richtiger scheint als die bei Hahn, „Althochdeutsche Grammatik“, S. 75, und Wackernagel,,,Althochdeutsches Lesebuch", S. 73 fg.

2) d. h. Vincenzlied, auf den Lebkuchenbäcker Vincenz Fettmilch, wel

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Ich will derzählen Gottes Stärk,
Seine Wunder und Zeichen, die großen,
Sein Kraft un' ach seine Werk,
Wie er uns nie hat verlossen
An alle Fahrt un' in alle Land,
Will ich auf ihn bezeigen.

Sein Namen will ich thun befannt

Mit der Wahrheit, und will nit leigen. 1)

Je karger aber die ältern jüdischdeutschen Schriften mit Interpunktionen bedacht sind, desto verschwenderischer findet man sie in spätern Schriften, ja in einzelnen, wie z. B. in der Geschichte der Schildbürger, auf völlig sinnlose Weise angebracht, wovon späterhin eine Probe gegeben wird. Doch finden sich schon zu Anfang des vorigen Jahrhunderts, besonders bei Calvör, die übrigen in die deutsche Sprache kurz vor Luther 2) eingeführten Inter

cher der Rädelsführer bei dem 1614 zu Frankfurt a. M. besonders auch gegen tie Juden gerichteten Aufruhr war. Das Vinzlied mit der Geschichte des Auftuhrs findet man bei Wagenseil, „, Belehrung“, S. 112-148, und auch in Schudt's Jüdischen Merkwürdigkeiten“, Th. III, Nr. 2, G. 9.

1) Im Abdruck bei Schudt ist hinter jedem Verse nur ein einfacher viereckiger Punkt (.) Hinter 7 steht ein Semikolon; zu berücksichtigen ist, daß die Verse bei Wagenseil und bei Schudt nicht abgesezt sind, sondern daß dies überhaupt nur der Fall ist bei jeder Strophe von je acht Versen. Dennoch geht in jüdischdeutschen Gedichten die Interpunktion mit dem Punkte am Schluß jedes Verses durch, selbst auch beim Druck mit abgeseßten Verszeilen, wie man das bei dem Räthsel sieht, welches bei Schudt, a. a. D., Th. IV, Forts. III, S. 108 und 109, abgedruckt ist.

2) Bei Luther findet man übrigens nur die drei Lesezeichen: Punkt, Komma und Fragezeichen. Schottelius, a. a. D., S. 670 und 671, führt dazu noch

punktionen in Anwendung gebracht, wodurch das Lesen und Verständniß jüdischdeutscher Schriften sehr erleichtert wird. So vollständig nun alle diese Lesezeichen nach den Regeln der deutschen Grammatik gebraucht werden, so erscheinen sie doch in deutschrabbinischen Drucken bei ihrer von rechts nach links liegenden Richtung un passend und unschön, weshalb man typographischerseits auf Aushülfe bedacht sein sollte.

Als eine Eigenthümlichkeit der jüdischdeutschen Interpunktion ist zu bemerken, daß auch jezt noch der einfache samaritanische Punkt am Schluß einer Periode oder eines Verses beibehalten wird, ungeachtet außerdem das leßte Wort mit einem Punkt auf der Druckflinie versehen ist, wie sich das besonders bei den londoner Missionsdrucken findet, z. B. am Schluß des ersten Kapitels im Matthäus:

מונד היעס זיינען גמwען יטוע. *

Und hieß seinen Namen Jesu.

Bei Ueberschriften pflegt der samaritanische Doppelpunkt beibehalten zu werden, z. B.:

*

לווייטעס קאפיטען #

Zweites Kapitel.

Das Theilungszeichen (-) auf dem Grunde der Drucklinie findet so wenig im Jüdischdeutschen statt wie im Hebräischen, weil am Ende einer Zeile niemals ein Wort silbenweise abgebrochen wird. Erst in neuester Zeit, nach vollständiger Einführung der deutschen Orthographie und Interpunktion, wird auch im Jüdischdeutschen mit dem Abbrechen von Silben das Theilungszeichen angewandt.

Kein deutschrabbinischer Buchstabe ist dilatabel. 1) Im Druck wird darauf gesehen, daß die Randlinien genau innegehalten wer

das „Verwunderungszeichen“ (Ausrufungszeichen) und das „Strichpünktlein “ (Semikolon) und Kolon an. Das Semikolon ist aber, wie Becker, a. a. D., III, 66, bemerkt, dem Schottelius noch gar nicht geläufig und scheint das am spätesten eingeführte Lesezeichen zu sein.

1) Im Hebräischen werden Wörter durchaus nicht gebrochen. Zur Vermeidung der Trennung eines Worts durch Nebertragung in eine folgende Zeile wer

den, weshalb oft mitten in den Zeilen beträchtliche Lücken entstehen, welche unangenehm ins Auge fallen und Lesen und Verständniß nicht selten erschweren. Doch bietet hier die dem Jüdischdeutschen eigenthümliche Trennung componirter deutscher Wörter, welche im Deutschen dicht zusammengedruckt werden, einige Aushülfe, z. B.: anfangen, 165 16; einmal, iи p; Danksagung, pits pɔn. In der Currentschrift sind die Züge viel freier, weshalb das Ende einer Zeile geschickt mit Verlängerung des leßten Buchstaben ausgefüllt werden kann. Bei allen diesen Beschränkungen findet man in den ältern deutschrabbinischen Drucken ebenso seltsame Druckspielereien, Säulen-, Pyramiden-, Eier-, Becher- und andere Formen, wie man solche auch in deutschen Drucken, namentlich des 16. und 17. Jahrhunderts, häufig trifft und von denen Schottelius, a. a. D., S. 951 fg., und Tabourot,,,Bigarrures", I, 134, Beis spiele geben. Vielfach schließt die Vorrede oder auch das lezte Kapitel eines Buchs in Form einer auf die Spiße gestellten und mit ur endenden Pyramide, wie im Keter malchut (1674) und Lef tof (1734). Spielereien der allerseltsamsten Art sind in Schudt's Jüdischen Merkwürdigkeiten“ zahlreich gesammelt.

Siebenund sechzigstes Kapitel.

f) Die Abbreviaturen.

Schon auf hebräischen Münzen finden sich zur Bezeichnung Der Kürzung einzelner Wörter Buchstaben mit einem oben links angebrachten kurzen Strich, z. B. für , Jahr. Auch in ältern Handschriften kommen solche Abbreviaturen vor. Diese wurden von den jüdischen Gelehrten in solcher Menge und Fülle eingeführt, daß das Verständniß der Abbreviaturen, ♬ n, rosche

den die dazu geeigneten Buchstaben ons in der graphischen Darstellung gedehnt, weshalb fie auch dilatabiles genannt werden. So findet man besonders das □ ost in durchaus unschöner Ausdehnung, wie überhaupt die gedehnte Schreibung unschön ist, z. B. ̄‚——— N.

tewos, Wortköpfe, Wortanfänge, in der That ein eigenes Studium. erfordert. Ursprünglich wurden nur solche Wörter abbrevirt, welche Gegenstände des religiösen und täglichen Lebens betrafen, mithin so allgemein kenntlich waren, daß es nur einer flüchtigen Andeutung des Anfangsbuchstabens bedurfte, um sogleich die volle richtige Erkenntniß des abbrevirten Worts herbeizuführen. Doch arteten die Abbreviaturen zulegt in leere Willkür aus und gediehen zu einer wirklichen Künstelei, zu deren Verständniß genaue Sprachkenntniß und Scharffinn gehört, welcher noch dazu häufig genug sich auf ein kühnes Rathen legen muß, besonders da eine und dieselbe Abbreviatur oft sehr viele ganz verschiedene Bedeutungen hat. Es gibt im Hebräischen weit über 7000 solcher Abbreviaturen, von denen nicht nur die Mehrzahl in die jüdischdeutsche Sprache mit übergegangen ist, sondern zu denen sich auch noch gemischte deutsche und hebräische Abbreviaturen in der buntesten, faum zu enträthselnden Weise gesellt haben. So bedeutet z. B. die Abbreviatur geränderte (unbeschnittene) Dukaten, nämlich pw¬h, Dukaten, und 197274, gerändert. Andere Abbreviaturen beschränken sich lediglich auf deutsche Wörter, z. B. 'D, polnischer Groschen; ; 2, böhmischer Groschen; ↳ 17, Reichs-Thaler, wobei der häufige Gebrauch diese Abbreviaturen nicht selten zu selbständigen, phonetisch belebten Wörtern ausgebildet hat. So wird (oder =) auch ohne Abbreviationszeichen geschrieben, wie wenn es oder D (oder 2, a), Pag, Pach (Bag, Bach) wäre, und hat überhaupt die Bedeutung Groschen. Ebenso

oder 17, 67, Reichsthaler, Thaler. Vielfach wird auch der Laut des bloßen Anfangsbuchstaben nach seiner hebräischen Benennung zum deutschen Begriffswort erhoben, z. B.: ~, Schin, Schließer; 2, Schindollet, Schandarm (Gensdarm). Dazu entstehen die wunderlichsten Composita, z. B.: vv, Schinaggel, vom deutschen Schub und dem hebräischen 7, agoloh, Wagen, Karren, also Schubkarren; davon schienaggeln, auf der Festung als Sträfling karren. Dabei muß man sich aber auch in anderer Hinsicht oft hüten, mehrere Buchstaben hintereinander, deren Composition unklar scheint, für Abbreviaturen anzusehen.

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