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auch das Rot auf die besondere Kleidung der Gauner zu beziehen sein, wie das mit ziemlicher Sicherheit bei den französischen grisons und rougets zu Anfang des 17. Jahrhunderts und hundert Jahre später bei der schwarzen Garde des englischen Gauners Hollyday geschehen darf. 1) Doch kann das Schwarz auch ganz zwanglos auf die Entstellung des Gesichts und einzelner Körpertheile bezogen werden, da ja die althochdeutsche Wurzel suarz dunkel, finster, trübe, durcheinander gemischt, entstellt bedeutet (vgl. Schwenck, S. 600), was sich ja auch noch in der Farbenbezeichnung kohlschwarz, blauschwarz, sogar in Schwarzbrot, Schwarzbier, und metaphorisch anschwärzen, verleumden, schwärzen, schmuggeln, Schwärzer, Contrebandier, und in dem gaunerischen Ausdruck Schwärze, Nacht, deutlich genug ausgeprägt findet. Vgl. Schmeller, a. a. D., III, 549.

Zehntes Kapitel.

3) Wälsch.

Das wälsch, welsch in Rotwelsch ist leicht zu erklären. Es stammt vom ahd. walh, walch, wal, wall, walah, Adj. walahisc 2), und bedeutet den nicht deutsch Sprechenden von romanischer, besonders italienischer Geburt und Zunge; daher analog der Bedeutung, in welcher das lat. barbarus zu romanus steht, ausländisch, fremdländisch, in Bezug auf deutsch. Doch ist die Bedeutung latinus. romanus, italienisch, vorherrschend. Davon:

1) Vgl. Th. I, S. 50, Note 1.

2) Vgl. Graff,,,Althochdeutscher Sprachschag“, I, 841 und 842, und Maßmann, Neg. 256; Schmeller, IV, 52 und 69; Schmid, S. 525; Schwenck, S. 721 und 723; Frisch, S. 438; Wackernagel unter walch (DLXXI) und welch, wölch (DLXXXI), welhisch (DLXXXII), und die vielen citirten Belege; Adelung, „Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart. Mit Soltaus' Beiträgen und Schönberger's Berichtigungen“ (Wien 1811), IV, 1370 und 1339, unter wälsch und wahle. Vgl. unten das Wörterbuch des Gauners Andreas Hempel von 1687.

Walnuß, welsche Nuß, die vom Ausland her bekannt gewordene Nuß; welsche Hühner, von der Fremde eingeführte, indische Hühner; wälschen, schweiz. walen, waalen, undeutlich, besonders in unbekannter Sprache, durcheinander sprechen. Verwelchen, verwälschen, vermummen, verkleiden, verstellen, sich unkenntlich machen. 1)

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Der (jedenfalls aber nicht gaunerübliche) Ausdruck Rotwelsch“ bezeichnet also ziemlich glücklich sowol den Stoff und Bau der Gaunersprache als auch die Eigenthümlichkeit der Personen, welche diese Sprache geschaffen und cultivirt haben. Die später vorkommende linkische, steife lateinische Uebersegung ruber barbarismus 2), welche man vielfach bei Schriftstellern des 16. und 17. Jahrhunderts findet, gibt gerade ein Zeugniß davon, wie wenig das Wesen des Gaunerthums und seiner Sprache der deutschen Gelehrsamkeit sich erschlossen hatte, welche sich mit der bloßen Nomenclatur begnügte, im übrigen aber mit hochmüthiger gelehrter Verachtung über den quellreichen deutschen Sprachboden hinwegging und mit fast jedem schwerfälligen Tritt den Boden zusammenknetete, unter dessen unscheinbarem Wuchs ein so heimliches wie frisches, reiches Leben hervorrieselte.

Der in der That sehr „schlechte Wiz", Rotwelsch von der Stadt Rottweil abzuleiten, woselbst das kaiserliche Hofgericht

1) Schmid, a, a. D., S. 111, hat noch überdies walapauz, welches er aus welsch und bnß zusammengefeßt sein läßt und aus den longobardischen Gesezen allgemein anführt ohne Nachweis. Das walapauz habe ich dort nicht inden können; was bedeutet aber das waluurst (Herold: Vultuurfo, Lindenbrog: Wultworf, Vualuuoft) des Kap. V, Tit. VII der Lex Bajuvariorum? (Georgisch,,,Corpus juris Germanici", S. 284.) Das discriminalia deutet auf einen mit Heftnadeln befestigten Kopfpuß der Jungfrauen. Etwa welscher Kopfpus? Ferner ebendas. Kap. III, Tit. XVIII (Georgisch, S. 319) walaraupa (Herold: walaurapa), das jedenfalls ein Todtengewand sein muß. Schmeller, a. a. D., III, 119, 24, hat in der Reihe rap, rap: der Rupfen (hrop, hropwyrc), Wocken, Werch, Leinwand aus Werch, wobei er alte Belege anführt, welche alle auf groben Leinenstoff deuten. Sollte demnach walaraupa grobes welsches Leinen sein?

2) Gesner,,,Mithridates", Fol. 81.

ein ganz besonders schlechtes Deutsch cultivirt haben soll 1), wird. übrigens mit Unrecht dem Johann Christoph Gottsched aufgebürdet. Er stammt vielmehr schon von Kaspar Lehmann (,,Speiersche Chronif", Buch 7, Kap. 42) her, wie der alte Frisch, S. 438, anführt: ,,Da die Juristen zu Rottweil angefangen, so viele fremde Terminos einzumengen, daß es kein Mensch mehr verstunde."

Elftes Rapitel.

b) Kauderwelsch.

Eine gleich ungeschickte Etymologie hat der zuweilen, jedoch niemals von Gaunern, für Rotwelsch oder Gaunersprache gebrauchte Ausdruck Kauderwelsch erfahren. Sie ist bei der analogen örtlichen Beziehung ebenso lächerlich wie die Ableitung des Rotwelsch von Rottweil. Das Kauder in Kauderwelsch soll nach Frisch, a. a. D., S. 503,,,gar wahrscheinlich aus Chur entstanden sein, der Hauptstadt des Bistums dieses Namens in Graubündten, woselbst die Wälsche oder Italiänische Sprach mit großer Veränderung geredet wird, und da der gemeine Mann für Chur Caur sagt, ist es in Kaur-Welsch und Kauderwelsch verändert

1) Die vielen Misbräuche bei dem 1146 von Konrad III. errichteten, 1572 neu organisirten kaiserlichen Hofgericht, dessen Aussprüche niemals Ansehen gewonnen haben, waren es, welche schon bei den westfälischen Friedensverhandlungen und spätern Gelegenheiten seine Aufhebung zur Sprache brachten, bis Rottweil 1802 an Würtemberg kam und bald darauf das Hofgericht eingezogen wurde. Aber im,,stilus curiae", der wahren maccaronischen deutschen Proja, hatte das Hofgericht vor keinem andern Hof- oder Reichsgericht etwas voraus. Wenn auch die Volkspoeste des 15. Jahrhunderts und Luther's Sprachheldenschaft der deutschen Sprache den vollständigsten Sieg über die römische Rechtssprache erkämpft hatten, so blieben doch gerade in der deutschen Gerichtssprache unzählige lateinische Floskeln zurück, welche, wie unsere modernen Nipp- und Rococofiguren, auf allen Börtern der Archive und Gerichtsstuben in seltsamster Gruppirung aufgestellt sind und wie neckische Kobolde mit lächerlichen Fraßen überall umherspringen und die herrliche reiche deutsche Sprache verhöhnen. Wie hat sich der deutsche Jurist zu hüten, wenn er deutsch schreiben will!

worden". Abgesehen davon, daß die Wandlung Chur in Caur gar nicht zu rechtfertigen ist, so ist doch ohnehin die Verlängerung in Kauder oder Kauter (Frisch, S. 438) gar nicht zu erklären und zu begründen. Viel richtiger erscheint die weitere Vermuthung bei Frisch, S. 503, daß Kauder, Kuder oder Kauter nichts anderes ist als stupa,,,ein Bund Werch, soviel auf einmal an den Rocken gelegt wird, der grobe Abfall vom Flachs, Abwerch, den man in die Bettdecke stopft", also wieder der rohe verwirrte Abfall. Kauter bedeutete früher die Bettdecke und ist aus Kulter, Kolter, Golter, Gulter, Kolte 1) entstanden, und legtere Ausdrücke stammen wieder vom lateinischen culcita, Polster, Matraße. 2) Schwend, S. 307, stellt noch die Ableitung auf von kaudern, unvernehmlich sprechen, vom veralteten quaden, ndl. kouten (gothisch quithan, sprechen), oder auch (S. 332) von kodern, lallen, zu sprechen versuchen, von Kindern; ndl. quettern; schweiz. köderlen, ködderlen; mhd. kötten, ketten, köthen. Beide Ableitungen von Frisch und von Schwenck haben Sinn, da unter Kauderwelsch ganz allgemein jede in Worten und Ausdrücken gemengte, unreine, unverständliche Sprache verstanden wird, mit dem Nebenbegriff des Rauhen und Unangenehmen. Vgl. Heinsius, „Wörterbuch", II, 1066. Die abgeschmackte Verstümmelung des Churwelsch zu Kauderwelsch scheint erst der spätern Zeit anzugehören. Denn noch Kaspar von Stieler, welcher alle Formen, Kauder, Kaut, Kauter, für Werch, Werchbund, in seinem „Teutschen Sprachschag“ (1691) anführt, weiß so wenig von Kauderwelsch, wie auch Konrad Gesner in seinem,,Mithridat“

1) Vgl. Wirnt von Gravenberch, „Wigalois, der Ritter mit dem Nade“, V. 2762, 3332, 3477. ́

2) Vgl. Schwenck, S. 307, Kauder; Frisch, a. a. O. und S. 532 unter Kelter; Schmid, a. a. D., S. 307, woselbst noch Kauderer, Flachsschwinger, Flachshändler. Vgl. noch daselbst kaudern, verbotenen Handel treiben, und franklich, verdrießlich, mürrisch sein. Damit scheint das niederd. Füten zusammenzubangen, namentlich in der Composition kütbüten (büten, tauschen), rem versteckten Lauschhandel, namentlich der Kinder in der Schule mit allerlei tavralien aus der Tasche.

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(1555) und der spätere Herausgeber Kaspar Waser (1610), obschon in letterer Ausgabe, Fol. 72, eine Sprachprobe aus dem ,,vernaculus Rhaetorum sermo" gegeben wird,,,quem ipsi vulgo Romanum appellant (ut et suum Sabaudi) nostri Churweltsch", aus welcher man eine ganz eigenthümlich lotterige Vermengung provenzalischer und italienischer Wurzeln und Flerionen durcheinander wahrnimmt. Im,,Mithridat“, a. a. D., wird die graubündtner Sprache ein sermo Italicus omnium corruptissimus genannt und gesagt, daß bis dahin noch keine Literatur in diesem Jargon eristirt habe. Doch wird dabei des Graubündtners Jakob Bifrons erwähnt,,,qui hanc linguam scriptis illustrare et publicare incoepit et catechismum etiam sacrosanctae religionis nostrae e Germanico in hunc sermonem convertit, excusum Pusclavii anno salutis 1552". Das Buch habe ich nirgends auftreiben können, so wenig wie sonst irgendein Probestück einer spätern Literatur, welche überhaupt zu fehlen scheint, da der so unnatürlich zusammengesezte Sprachbestand nicht die innere sprachgeistige Kraft hat zur Erzeugung und Fortpflanzung seiner Gattung, namentlich da, wie Schleicher 1) treffend bemerkt, deutscher Einfluß von ziemlich spätem Datum und einheimischer Mangel an Cultur mit vereinten Kräften diesem Dialekt übel mitge spielt haben. Das Churwelsch oder Rhätoromanische zerfällt übrigens in zwei Dialekte, den rumonischen im Rheingebiet des Cantons Graubündten und den im Jungebiete gesprochenen ladinifchen. Dem Churwelsch fehlen, nach Schleicher, unter andern zwei wesentliche romanische Kennzeichen, die Bildung des Futurum durch habere und das zum historischen Tempus verwandte Perfectum. Das Futurum wird umschrieben mit venire (ad amare), wie auch das Passivum mit venire gebildet wird: venio amatus, ich werde geliebt. Vergleicht man damit das deutsche „ich werde lieben, ich werde geliebt“, so ergibt sich leicht die Quelle dieses Hülfszeitworts venire. Auch die unromanische Vermischung des

1),,Die Sprachen Europas in systematischer Yebersicht“ (Vonu 1850), S. 187.

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