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sprache das Judendeutsche als schon geläufige deutsche Judenvolkssprache gefunden und für sich ausgebeutet hat. Denn es gibt in der That keine deutsche Gaunersprache ohne jüdischdeutsche Wörter, mögen leztere auch durch die ärgsten, bis zur Unkenntlichkeit getriebenen Verunstaltungen den Schein einer gaunerischen Gerund das weist manisirung gewonnen haben. Wol aber steht die ganze reiche jüdischdeutsche Literatur nach — die jüdischdeutsche Sprache unabhängig von der deutschen Gaunersprache da. Die jüdischdeutsche Sprache mit ihren wunderlichen Zusammensegungen und Verschiebungen ist in sich reich, geheim und äußerlich unfenntlich genug, um sich zu einer absoluten, vollkommen ausreichenden, specifisch jüdischen Gaunersprache gestalten zu lassen, und ist auch wirklich dazu von specifisch jüdischen Gaunergruppen gebraucht worden. Nur besteht neben diesem zur Gaunersprache benusten Judendeutsch durchaus kein specifisch jüdisches Gaunerthum. Das Gaunerthum hat seine bestimmte gemeinsame Kunst und durch die jüdischdeutsche Sprache nur einen bloßen sprachlichen Zusatz, so reich und behend dieser Zusag auch ist und so großen Einfluß das zähe Festhalten der jüdischen Eigenthümlichkeit von alters her auf Sitte und Haltung des Gaunerthums geübt hat. Das frühzeitige Zusammenfinden der schmuzigen chriftlichen und jüdischen Volkselemente hat jedoch in dem gemeinsamen Zusammenleben und im gemeinsamen Betriebe der Gaunerkunst den gesammten Wertvorrath beider specifischen Sprachweisen bunt durcheinander geworfen, wobei noch, je nach der überwiegenden Vertretung der Personen in einer Gaunergruppe, bald das jüdischdeutsche, bald das deutsche Sprachelement und in leßterm wiederum das provinzielle oder dialektische mit stärkerer Färbung hervortritt, und wobei überall das Zigeunerische, wenn es nicht in einer Zigeunergruppe ganz als zigeunerische Volkssprache geredet wird, sehr stark zurücktritt und in seiner leicht kenntlichen Form immer als ein zwar sehr auffälliger, doch durchgehends vereinzelter Aphorismus sich darstellt.

Erscheint nun die jüdischdeutsche Sprache als eine in sich abgeschlossene eigenthümliche Sprachweise der Juden auf deutschem

Sprachboden, und hat das deutsche Gaunerthum das Judendeutsch sehr stark zu seiner geheimen Kunstsprache ausgebeutet, so ist das volle Verständniß des deutschen Gaunerthums und seiner Sprache ohne Kenntniß des Judendeutschen durchaus nicht zu erreichen. Das Judendeutsch als ein Hauptsurrogat der deutschen Gaunersprache bedarf daher einer nähern Beachtung. Schwerlich mag die Darstellung der seltsamen Wortbildungen und Sprachformungen, denen jede innere sprachgeistige Nothwendigkeit durchaus fehlt und welche im wesentlichen nur eine verkümmerte, dürre, zusammengezwungene Agglutination der einzelnen semitischen und indogermanischen Sprachbestandtheile ist, den Namen einer Grammatik verdienen. Doch hat diese Agglutination jedenfalls ihre ganz besondere Eigenthümlichkeit, und von jeher ist selbst die kläglichste Erläuterung der jüdischdeutschen Sprache als Grammatik bezeichnet worden, wenn auch alle diese sehr kümmerlichen, flachen und geistlosen „Grammatiken“ ohne Ausnahme bislang nicht einmal eine vollständige und klare Darstellung der nothwendigsten Leseregeln gaben. Im Nachstehenden soll zum ersten male der Versuch einer jüdischdeutschen Gram-, matik gemacht werden. Es ist dabei zunächst nur auf die Darstellung des specifischen Judendeutsch, ohne besondern Bezug auf die Gaunersprache, abgesehen, um vor allem die Eigenthümlichkeit seines Wesens und seiner Zusammenseßung wie seinen außerordents lich großen Reichthum an Literatur einigermaßen aufzuklären und in dieser Spracherscheinung den ergiebigen Boden erkennen zu lassen, auf welchem das Gaunerthum eine so reiche Ausbeute für seine Sprache gemacht hat.

Dreiundvierzightes Kapitel.

M. Jüdischdeutsche Grammatik.

1) Begriff der jüdischdeutschen Sprache.

Nach der bereits gegebenen Erläuterung und Etymologie des Judendeutsch oder Iwriteutsch ist dasselbe als die von den deutschen

Juden gesprochene, mit hebräischen, chaldäischen und rabbinischen Wörtern und Redensarten durchmischte deutsche Volkssprache zu bezeichnen, deren hebräische, chaldäische und rabbinische Wörter entweder in reiner Ursprünglichkeit und Flexion als stehende Typen eingeschoben oder auch mit deutschen Wörtern verbunden und in der Weise germanisirt sind, daß der mit deutschen Endungen versehene hebräische, chaldäische und rabbinische Stamm durchaus deutsch flectirt wird. Die übrigen fremdsprachlichen Zuthaten im Judendeutsch sind mit geringen Ausnahmen nicht specifisch jüdische, sondern aus und mit der deutschen Volkssprache hinzugekommene Beiträge.

Die jüdischdeutschen Grammatiker geben überall feine deutliche und unbefangene Erklärung des Judendeutsch, was wol dem Mangel an klarer Anschauung vorzüglich der deutschen Volkssprache zuzuschreiben ist. Nur Chrysander gibt S. 4 seines bereits angeführten Unterrichts vom Nugen der jüdischdeutschen Sprache“ eine kurze und verständliche Definition:

„Juden - Leutsch oder Ibri-Teutsch bestehet größtenteils aus Teutschen (wiewol in der Aussprache oft veränderten) Wörtern und Redensarten; Unter welche teils reine Hebräische auch Chaldäische Ausdrücke, teils Hebräische Wörter, die eine Teutsche Endung und Anfang bekommen, teils einige blos von den Juden willkührlich angenommene Worte gemenget werden. Es wird mit etwas verzogenen Hebräischen Buchstaben von der Rechten zur Linken geschrieben. Die Juden bedienen sich desselben im Schreiben und Reden unter einander in ganz Teutschland, in Böhmen, in Mähren, in Ungarn, in Pohlen, zu Petersburg, in der grossen und kleinen Ukraine, zu Avignon in Frankreich, in Lothringen und im Elsas, auch größtenteils in Holland, ob sie gleich die Landessprachen auch können."

Ungenügend ist dagegen wieder G. Selig,,,Lehrbuch zur gründlichen Erlernung der jüdischdeutschen Sprache" (Leipzig 1792), wo es S. 27 heißt:

Die jüdischdeutsche Sprache verdient nicht eine eigene und besondere Sprache genannt zu werden. Sie bestehet größtentheils

aus deutschen Worten, die aber schlecht und verdorben pronunciret oder ausgesprochen werden, und nach eines jeden Juden Lebensart und Fähigkeit mit ebräischen, rabbinischen, lateinischen, französischen und pohlnischen Wörtern vermengt ist.“

In dem überaus schwülstigen „Fürtrag“ (den Chrysander, a. a. D., S. 3, gewiß nicht ohne Ironie den Vortrab“ nennt) zu Wagenfeil's,,Belehrung der Jüdischdeutschen Red- und Schreibart" (Königsberg 1699) kann man troß der erstaunlichen Breite durchaus keinen klaren Begriff von der jüdischdeutschen Sprache gewinnen.

Viel deutlicher ist J. H. Callenberg in seiner,,Kurzen Anleitung zur Jüdischteutschen Sprache" (Halle 1733), §. I—III:

,,I. Die Jüdischteutsche Sprache ist eine vermischte Sprache, die zwar größtentheils aus teutschen, doch aber auch ziemlichen theils aus hebräischen Wörtern bestehet.

II. Es ist hier die Rede von einer mercklichen Vermischung. Eine geringe Vermischung macht keine eigene Sprache.

III. Die teutschen Wörter, deren sich die Juden bedienen, sind aus unterschiedlichen Dialecten der teutschen Sprache genommen: z. E. aus dem hochteutschen, plattteutschen, holländischen. Einige Wörter sind veraltet und auffer Gebrauch."

Burtorf, Pfeiffer und Calvör lassen sich auf keine Definition des Judendeutsch ein. Die Meschummodim nennen es gewöhnlich „Hebräisch“ oder auch „Judensprache“ schlechthin.

Eine recht flare Anschauung vom Wesen des Judendeutsch gewinnt man aus der concisen und prägnanten Zusammenstellung des wackern Zunz. 1) Sie muß nothwendig hier vollständig Plag finden:

,,In den frühern Jahrhunderten", so leitet Zunz S. 438 ein,,,hatten die Juden in Deutschland keine andere Sprache als die ihrer christlichen Landsleute geredet, welche durch die zahlreichen Auswanderungen nach Polen, vornehmlich seit dem 14. Săculum, auch in diesem Lande unter den Juden heimisch wurde, die daselbst

1) „Die gottesdienstlichen Vorträge der Juden“ (Berlin 1832), S. 439.

- bis auf ein

den deut

noch vor 300 Jahren ziemlich richtiges Deutsch sprachen.1) Allen bis gegen den Schluß des Mittelalters verfaßten Documenten zufolge standen die deutschen Juden in der Sprache zelne Redeweisen und hier und da die Aussprache schen Chriften gleich. 2) Aber schon im 16. und noch stärker in den beiden folgenden Jahrhunderten bildete sich der Dialekt der Juden zu einem eigenen sogenannten Jüdisch - Deutschen aus, in welchem hebräische, eigene jüdische und veraltete deutsche Ausdrücke in gleicher Menge vorhanden waren. Da alle Gemeinschaft im Leben und in der Wissenschaft abgebrochen und aus der frühern Zeit keine Cultur vererbt war: so artete die Sprache der deutschen und mehr noch der polnischen Juden zu einem das Fehlende theils aus dem Hebräischen, theils aus nach eigener - bald hebräischer, bald nur verderbter und veralteter - Flerionsweise gebildeten Worten ergänzenden Dialekte aus, der durch Bücher und schlecht redende Aeltern und Lehrer verewigt und durch die allmähliche Vermischung mit fremdartigen, z. B. polnischen, französischen und holländischen Worten nicht selten ein unfenntliches Deutsch wurde. So wurden vier Elemente Bestandtheile der bei den Juden üblichen deutschen Sprache:

1) Das Hebräische, und zwar für Gegenstände aus dem Kreise des Judenthums 3) und des jüdischen Lebens 4), bei Begriffsformen,

1) Vgl. Actenstücke aus Wilna vom Jahre 1556 bei R. Salomo Luria, Rechtsgutachten, Nr. 4 und 20; sogar die Dativendung en bei Eigennamen wurde beobachtet.

2) Vgl. die deutschen Worte bei Naschi, R. Elieser Ben Nathan, dem Commentar der Chronik, dem Commentator des Alfafi (z. B. Erubin c. 10, ed. Sklow, f. 125 a: 12, Mörser), R. Meir Nothenburg, dem ältern ¡M33 (S. 41, 53, 74, 82 u. s. w.), dem Buche D, den Rechtsgutachten von R. Jakob Levi, R. Jakob Weil, N. Moses Minz, N. Isaak Stein (zu X′′20, f. 292 c:,,unter den Achseln"). Schon im 14. Jahrhundert wurden hebräisch-deutsche Wörterbücher angelegt (vgl. Cod. Vatic., 417, und 17779 in Oppenheim's,,Katalog", E. 688). Bemerkenswerth find: 17278 (Erdbeeren, f. Piske Tosafoth Berachoth, Nr. 136), (gelb, R. Meir Rothenburg, Rechtsgutachten, Nr. 631).

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