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3) Eine Silb, so von einem selblauter anfähet und ein oder mehr Mitlauter bei sich hat, die wird also zweymahl ausgesprochen, daß im ersten Ausspruch nur der Selblauter, und dann der p vor die volle Silbe gefeßet werde. Als: ich, ipich; all, apall; ast, apast; ohn, opohn; ein, epein; uhr, upuhr.

4) Eine Silb so in einem oder zweyen felblauteren bestehet, wird ganz ausgesprochen, und dan zum anderen mahl das p davorgeseßet. Als: ei, eipei; eh, ehpeh; au, aupau.

Wan man nun saget: Ein guht Wort find eine gute Stelle, heisset es nach diesem Rohtwelschen: Eipein gupuht Woport fipindepet eipenepe guputepe stepellepe. Diese ganze Sprache bestehet nur in vorgefeßten vier Regulen, ist leicht zu faffen, und scheint eines albernen klangs. Ich habe es aber selbst einmahl erfahren bei vornehmer Gesellschaft, woselbst Leute vorhanden so Französisch, Italienisch, Spanisch, Lateinisch und sonst andere Sprache, der eine mehr oder weniger als der ander verstanden, und also nicht sicher war, etwas vertrauliches, so niemand als zu dem geredt wurde, verstehen solte, anzubringen, und gleichwol etwas sonderliches, daran nicht wenig gelegen war, einem guten Freunde gegenüber zu eröfnen vorfiel, derselbe dieses Rohtwelsche fertig reden und auch einen fertigen Ausreder verstehen kunte, da habe ich ihm mit diesem Rohtwelschen alles entdekken auch die Antwort vernehmen können. Die nebensisende hörten zu, wusten aus dieser sprache nichts zu machen, und kunten kein Wort daraus verstehen. Solches bestehet guten theils aber darin, daß man fertig fönne die Wörter anf einander her sagen, als wen man geschwinde sagte: Deipein wipideperwepertipigeper laupaurepet aupauf nipichtepes guputepes, mapachepe dipich aupaus depem Staupaubepe. Solches wird niemand der dieses dinges unberichtet ist, leichtlich vernehmen, aber der dieser vermengten Ausrede erfahren, kan wol vernehmen den Inhalt: Dein widerwertiger lauret auf nichts gutes, mache dich aus dem Staube. Ich weiß auch ein Erempel, daß einer vom Adel, so ein wenig hiervon wuste, einen andern in solcher Sprache anreden und scherßen wolte, der es aber anderst verstund, weil er nicht wuste,

was die selzam klingende Ausrede bedeutete, und es auf einen Duel fast auslief.

Die dritte Art des Rohtwelschen bestehet in zween Regulen.

1) Eine jede Silb so von einem Mitlauter anfängt, wirft solchen Mitlauter hinten an die Silbe und sezet dabey den Buchstab e. Als: gib, ibge; dar, arde; wor, orwe; dicht, ichtde; haus, aushe.

2) Wenn eine Silbe nicht von einem Mitlauter, sondern von einem Selblauter sich anhebet, und also kein consonans zuhinten stehen und das e zu sich nehmen kan, alsdan spricht man dieselbe Silbe, wie sie lautet nur aus, und hanget das e nebst dem Buchstabe w hinten an. Dan der Buchstab w allezeit des sonst ermangelnden Mitlauters stelle vertritt, und das e zu sich nimt, weil alle Silben in dieser Rohtwelschen Art müssen auf e ausgehen. Als ich, ichwe; als, alswe; um, umwe; ist, istwe. Wan viele Worte zusammen kommen und geschwinde dieses Rohtwelsche geredet wird, kan es nicht leichtlich jemand verstehen, und weiß nicht ob er verrahten oder verkauffet sey. Wan man gerades lautes fagete: iese iedschmeenwe einwe unweukgle iweerde ichde, ich glaube nicht, daß es einer, der nicht Rohtwelsch fertig kan, folte begreiffen, und was also geredt wird, verstehen können: Da doch ein ander, der dieser Rotwelscherey kundig und darin geübt so fort vernimt, daß durch das angeführte Erempel dieses gesagt worden: Sie schmieden ein Unglük wieder dich. ` Es find dieser Rotwelsch Redarten noch mehr und wunderlich verdrehet, worzu unsere Teutsche Wörter artlich und geschickt, halte es unnötig, solche alle zu erzehlen.“

Sowie man hier in allen Regeln des Schottelius auf den ersten Blick die steganographische Methode des Tritheim durchblicken sieht, welche besonders nur für die geheime Schreibweise bestimmt war und in ihrer würgenden, ungeheuerlichen Lautconstruction allen Sprach- und Gehörorganen Troß und Hohn bietet, so begreift man wol sehr leicht, daß eine so sinnlose, schwerfällige Weise am allerwenigsten der behenden, schlüpfenden Gaunersprache zusagen konnte. Thiele scheint auch S. 198, wo er sagt: „Diese

Art Rothwelsch war auch vor mehreren Jahren unter der berliner Jugend sehr an der Tagesordnung", den Gedanken gehabt zu haben, daß Schottelius als einer der Erzväter der deutschen Schulgrammatik diesen für die lernbegierige Jugend auf den harten Schulbänken zwiefach interessanten, kurzweiligen Theil deutscher Grammatik auch auf die späteste deutsche Jugend, obschon nur in mündlicher Tradition, vererben würde, wie sich denn nun wirklich nicht allein die Jugend in Berlin, sondern auch die in Lübeck und allerorten, wo es Jugend, Schule, Grammatik und Streben nach Beseitigung der Langeweile gibt, mit dieser sehr beliebten Fischsprache 1) oder Erbsensprache eifrig beschäftigt, ohne dadurch so jung in die gaunerische Sprachsphäre zu gerathen. Auch die französische Jugend kennt diese grammatische Etude, wie Barbieur 2) anführt: J'aipai épétépé chépé luipi für: j'ai été chez lui.

Eine andere steganographische Methode hat Moscherosch (,,Wunderliche Warhafftige Gesichte, Th. II, sechstes Gesicht, Soldatenleben, S. 601) durchgeführt. Danach werden nur einzelne Vocale und Consonanten miteinander verwechselt. Der Schlüssel ist:

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Danach liest sich der S. 601 angeführte Gaunerbrief:

„Riobo hollom: oß wild abol nelgom flaoha oim Schiff nit aiorom wuhlom, glefsol buhlschufft amd raottom aem himmon much Tliel gohom, duß feommont sio urros hubom; zal sicholhoit hub ich ihmom noimom sehm zan pfumdt goschickt"

mit Behendigkeit so:

1) Auch Fissensprache genannt, verdorben für Fiselsprache; vgl. Kap. 35. 2),,Antibarbarus der französischen Sprache“ (Frankfurt a. M. 1853),

,,Liebe Herren, es wird übermorgen frühe ein Schiff mit vielen Wahren, großer Bahrschafft und Leutten von hinnen nach Trier gehen, daß können sie alles haben; zur Sicherheit hab ich ihnen meinen Sohn zum Pfand geschickt."

Moscherosch ist überhaupt der erste Schriftsteller des 17. Jahrhunderts, welcher sich über die eitle Satisfaction erhebt, bloße pikante Anekdoten von Gaunern zu geben, und welcher in der Schilderung des fittlichen Elends seiner Zeit ernst bleibt. Er zeigt überhaupt eine tiefere Kenntniß des Gaunerthums und seiner Sprache, wie er denn das Vocabular der Rotwelschen Grammatik durchweg correct wiedergibt und sogar als Doppellerikon bearbeitet hat. Seine sehr discrete Benußung der steganographischen Methode zeigt gerade auch, wie sehr er erkannt hat, daß die Gaunersprache jede schwerfällige Methode von sich weift und, getreu der mündlichen Tradition des regsamen Volkslebens folgend, sich nur an den behenden Wortlaut hält und damit flüchtig in alle Verstecke des Verkehrslebens schlüpft. Jedenfalls ist aber der in dieser Weise nur dies eine mal in der Gaunerliteratur vorkommende Gaunerbrief von Moscherosch selbst componirt 1), wenn es auch nicht unmöglich ist, daß eine ähnliche leichte Methode unter irgendeiner Gaunergruppe verabredet und im Schwange gewesen sein mag.

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Der ärgfte Galimatias und das entschiedenste Hohnsprechen aller Gaunerlinguistik ist aber die in von Train's „Chochemer Loschen", S. 256, so unbegreiflich eigenmächtig wie unwissend als ,, unter den Gaunern faft allgemein herrschende Schrift“ bezeichnete, höchstens nur als specifisch steganographisch denkbare Methode nach dem Schlüssel ma, le, fi, so, hu, wonach also gesezt wird:

"

m für a,

a = m,

1) Im Originalabdruck verstößt Moscherosch selbst mehrfach gegen seine Regel; so schreibt er Trier, welches nach der gewählten Methode, wie auch oben verbessert ist, Tliel geschrieben werden muß; so auch and statt amd für und u. s. w., zum Beweise, daß er in dieser Methode selbst nicht geübt war und überhaupt wol nicht viel Briefe derart ihm vorgekommen sein konnten.

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Danach löst sich nun der Anfang des S. 258 überseßten Briefes eines Baldowers an eine Diebsbande:

"

Unser Vorhaben gegen die rüdlanger Juden kann dießmal nicht ausgeführt werden. Es kommen 6 oder 8 Gendarmen auf den Jahrmarkt" u. f. w.

in das (S. 256 abgedruckte) ungeheuerlich wüste Buchstabengeschiebe auf:

„Hnolr vfrumbln glgln dfl rhldemnglr fhdln kmnn dflooame nfcut mhog lihlurt wirdln. lo ksaaln weh sdlr klein glndmraln mhi dlu fmuramrkt“ u. s. w.

Von einer Lautsprache kann hier natürlich nicht die Nede sein. So schreibt aber auch kein Gauner. Troß seiner Versicherung in der Vorrede (S. XIV) hat von Train diesen Brief in der angegebenen Form keineswegs aus Criminalacten als authentisches Gaunerstück schöpfen können. Er hat den Brief selbst componirt, wenn er nicht selbst auf das ärgste mystificirt worden ist. Wie könnte auch der Gauner, welcher nach von Train's Methode schriebe, so arg aus der Rolle fallen, daß er weh anstatt wlu und klein anstatt fefn in voller Klarschrift schriebe, um die Ziffer 6 oder 8 nach von Train's völlig unerhörter Zahlenmethode zu bezeichnen, die man bei ihm S. 257 findet und welche wirklich ins Fabelhafte geht. Die Zahlen sollen nach von Train nicht mit Ziffern, sondern mit einfilbigen Wörtern bezeichnet werden. Nämlich:

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