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keit und Verbannung aus dem bürgerlichen Verkehr geführt haben, ohne daß jedoch der richterliche Blick die Natur und das ganze Treiben des Scharfrichterwesens genauer gewürdigt hätte, da doch die Scharfrichter gerade mit der Zauberei, um derentwillen sie täglich unschuldige Opfer zu martern hatten, am meisten und ungestraft das Volk betrogen und dessen Aberglauben ausbeuteten. Die verwirrte unstete Classification und Stellung der Scharfrichter, welche je nach ihrer einzelnen Thätigkeit unterschieden und benannt wurden 1), ist ein Zeichen der richterlichen Kurzsichtigkeit und Schwäche,

1) Allerdings scheinen die Unterschiede schärfer gezogen und die Benennungen nach den einzelnen Thätigkeiten bestimmter gegeben worden zu sein, als Grimm, „Deutsche Rechtsalterthümer“, S. 882, 883, anführt, wie das schon die Etymologie von scarjo, wizinari, wiziscalh, schärphere, hâher, und später Henker, Stöcker, meister Hemmerlin, Peinlein, Angstmann u. s. w. andeutet. Grimm scheint sogar in der Etymologie nicht ganz sicher gewesen zu sein, indem er schärphäre von schürfen, cudere, ignem excudere (den Holzhaufen beim Verbrennen anstecken), ableitet. Freilich kommt bei Notker, Psalm 28 a. E., vor: „Ignem excudit Achates“, „,daz flur schurste steinunch“ (Wackernagel, a. a. D., S. 127, und Wörterbuch, CCCCLXVIII). Doch scheint deshalb die Ableitung von scarp oder scarph oder scharpf, was auch schon im Liede von Hildebrand und Hadebrand mit scurim, Donnerwetter, verbun den wird (scarpen scurim, Wackernagel, S. 67, 3), näher zu liegen und sogar mit dem hebräischen 1, saraph, in Verbindung zu stehen, welches nicht allein vom Verbrennen der Städte, Häuser, Altäre, sondern auch, wie Jerem. 34, 5 zeigt, der Leichname gebraucht wird. In der braunschweiger Fem - Ordnung 1314 (Rethmaier, „Chron. Brunsv. Luneb.", S. 627) kommt übrigens schon vor: „Dat Ordell schölen sproeken de Büdel offte de Scarprichter.“ Eine eigenthümliche Benennung der Scharfrichterknechte oder Schinder findet man in Lübeck, nämlich Schoband, für welche die „Schobandsordnung“ von 1509 nach und neben andern „Ordonantien der Vörel-Meister und Knechte“ u. s. w. eristirt. Eine in Dreyer's „Einleitung in die allgem. Lüb. Verordnungen“ 1769 wiedergegebene abgeschmackte Ableitung (S. 438) beruht auf der Erzählung, daß zur Zeit des Schwarzen Todes zu Lübeck (1350) ein reicher Mann, Bandsche, einen großen Wagen zum Transport der vielen Leichen durch die Schinderkrechte, Nacker, habe machen lassen, und daß dem Bandscho zu Ehren die Schinderknechte seitdem Schoband genannt worden seien. Doch ist das Wort Schoband wahrscheinlich mit Bezug auf die specielle Thätigkeit des Büttels vom ahd. schoup, Strohfranz, Strohwisch, aufgestellter Besen (vgl. Wackernagel, a. a. D., CCCCLXV und die Nachweise daselbst), abzuleiten und schoup wel verwandt mit dem lateinischen scopa (vgl. scabo ́und oxántw), Besen, welches bei

welche bei der statuirten Verbannung und Isolirung den Scharfrichtern volle Gelegenheit bot, ohne Aufsicht und ungestraft mit dem Gaunerthum sich zu verbünden und mit dessen Künften auf das verderblichste in das Volk hineinzuwirken. Im Dreißigjährigen Kriege sollte die durch die Scharfrichter vielfach vermittelte Verbindung des Gaunerthums mit dem räuberischen Soldatenthum einen entscheidenden Sieg feiern mittels eines schmählichen Betrugs, wie wol schwerlich jemals ein Betrug so ungeheuere weitgreifende Folgen gehabt hat, durch die sogenannte Passauer Kunst. Als nämlich Kaiser Matthias 1611 in der Gegend von Passau ein Heer sammelte, um seinem Bruder Rudolf II. Böhmen abzugewinnen, fiel der Henker zu Passau, Kaspar Neithardt von Hersbruck, auf den Gedanken, Vortheil davon zu ziehen. Er Gicero, Horaz und Plautus im schimpflichen Sinn für einen verworfenen Menschen gebraucht wird. Gleicher Abstammung ist Schuppel, Schübel, Schimpfwert für Personen, Grindschüppel, Lügenschüppel; die Schüppel, leichtsinnige, liederliche Dirne (Schmeller, III, 377; Schmid, S. 481); Schub bjack, schweiz. Schobiack, niederd. Schobbejack, Schufjack und Schob, Grind, Schabe (Schwenck, S. 594), sowie Schuft. Vgl. Schwenck; Heinsius, IV, 374; Adelung, III, 1632 das angels. sceof, scypen; engl. shop; franz. échope; poln. szopa. (Adelung zieht nicht mit Unrecht die Bedeutung bedecken, beschüßen vom veralteten ahd. hierher und führt das wendische schowam, gr. ozémem, dazu auf, wie das mittellat. eschopa, Haus, Schuppen.) Wichtig für die Beurtheilung der Stellung, welche die Schinderknechte im Mittelalter einnahmen, ist der Umstand, daß in der lübecker „Kleider-, Hochzeit-, Kindtaufund Begräbniß - Ordnung vom heil. •Thomas-Tage 1492′′ den Schinderknechten die exclusive Befugniß zugesichert wird,,, die Gräber auf den Kirchhöfen und in den Klöstern zu machen und mit Steinen zuzudämmen“, weshalb sie denn auch kulengräber (Kule, Kuhle, Hrube, Grab) genannt wurden. Erst spåter scheinen die Schobande ehrlos geworden zu sein. Denn erst 1534 bat die Bürgerschaft und 1578 die Geistlichkeit bei dem Senat, den Schobanden diese Begräbnißbefugniß zu nehmen, wogegen die leßtern am 17. Januar 1579 und 9. Februar 1580 demüthige Bitten um Schuß im Besiß einlegten. Doch noch 1586 eiferte der verdiente Superintendent Pouchenius von der Kanzel herab: Wenn sich einer die Zeit seines Lebens wohl gehalten hat, so muß ihm noch von dem Schoband Dienst geleistet werden; der muß ihn verscharren.“ Dagegen aber findet sich, daß der Magistrat zu Worms schon 1517 beim Papst einen Indult für den Henker auswirkte, daß derselbe einmal des Jahres zum Abendmahl zugelassen wurde. Vgl. Pisterius,,,Amoenitates jurid.", VIII,

druckte mit einem eigens geschnittenen Stempel allerlei kabbalistische Figuren auf Stückchen Papier ab und verkaufte diese Zettelchen gegen gute Zahlung an Soldaten, denen der rechte Kriegsmuth fehlte, indem er behauptete, daß ein solcher verschluckter Zettel 1) gegen Schuß, Hieb und Stich festmache. Rudolf's demoralisirte Soldaten leisteten wenig Widerstand, und so kam es, daß die Soldaten des Kaisers Matthias mit ihren passauer Zetteln im Magen ohne Verwundungen davonkamen. Dieser Erfolg machte die Passauer Kunst berühmt und brachte dem passauer Henker großen Reichthum ein. Im folgenden Dreißigjährigen Kriege machten sich die meisten Soldaten fest mit der Passauer Kunst. 2) So

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1) B. Beffer,,,Bezauberte Welt", Buch 4, Hauptst. 18, §. 13, führt über die Zubereitung der Zettel an, daß solche zur Weihnachtszeit um Mitternacht, in einem Klumpen Weizenteig eingeschlossen, heimlich unter den Altar gesteckt, dann zu verschiedenen Zeiten drei Messen darüber gelesen wurden und daß darauf diese Klumpen frühmorgens mit gewissen Gebeten verschluckt werden mußten. Einen Irrthum begeht G. Freitag in seinen ganz vortrefflichen, dem Volizeimaun zum ernstlichen Studium nicht genug zu empfehlenden „Bildern aus der deutschen Vergangenheit", wenn er II, 67, sagt: „Ja sogar der Name Passauer Kunst, welcher seit jener Zeit gewöhnlich wird, mag auf einem Misverständniß des Volkes beruhen, denn im 16. Jahrhundert hießen alle, welche einen Zaubersegen bei sich trugen, um unverwundbar zu sein, bei den gelehrten (?) Soldaten Passulanten oder Charakteristiker, und wer die Kunst verstand, solchen Zauber zu lösen, ein Solvant. Es ist möglich, daß die erste Bezeichnung vom Volk in «Passauer» verwandelt worden ist.“ Vielleicht mag das bei Freitag ange: führte gothaische Manuscript von Zimmermann irregeführt haben. Passauer Kunst und Passulanten (der viel frühere Ausdruck des 16. Jahrhunderts) haben in sprachlicher Hinsicht nichts miteinander gemein, und am wenigsten kanu wegen der vermeinten Verstümmelung eines Wortes eine historische Thatsache negirt werden. Passulant kommt aus dem Judendeutschen. Pessel, CD, Bl. proD, psillim, vom hebr. 7, passal, schnigen, in Stein hauen, bedeutet ein Gößenbild, heidnisches, christliches, überhaupt nichtjüdisches Amulet. Davon ist die weitere Bedeutung DD, possul, unheilig, gemein, unerlaubt, zu gebrauchen; pafflen und mephaffel-fein, erklären, daß etwas unerlaubt ist. Ohne Zweifel ist Passulant von Pessel abzuleiten, wie überhaupt eine Unzahl Wörter im deutschen Volksmunde existirt, von deren jüdischdeutscher Abstammung das Volk kaum eine Ahnung hat.

2) Amulete auf Pergament oder Papier geschrieben und am bloßen Körper getragen mit der Inschrift: + Bans+transiens + permedium + itarumi

gar die Geistlichen zweifelten nicht an der Wirksamkeit der Passauer Kunst, schrieben dieselbe aber dem Teufel zu und predigten und schrieben auf das eifrigste gegen die Teufelskunst. Gerade aber dadurch wurde die Wirksamkeit der Passauer Kunst in den Augen des Volkes noch mehr gehoben, wenn auch ihr Wesen von der Geistlichkeit auf das heftigste verdammt wurde. Von dieser Zeit. an tritt die offene Verbrüderung der Schinder mit den Soldaten und ihr gemeinsames freches, räuberisches Treiben hell hervor. Die furchtbarsten Räuber, Mörder und Ungeheuer noch des vorigen Jahrhunderts, ja sogar viele Mitglieder der niederländischen und neuwieder Bande waren Schinder, nicht des Johannes Bückler zu gedenken, welchem sein Schindergewerbe den Namen Schinderhannes erwarb. Sogar bis in die neueste Zeit hinein findet sich, daß die verhärtesten Räuber und Mörder gerade Schinderknechte gewesen waren oder doch mit solchen in genauer Verbindung gestanden hatten. Nur dem Zwange der vorhandenen, jedoch immer noch lange nicht ausreichenden 1) Verordnungen und scharfer Con

bit+, oder: +est+est+adey+elion+to tiagam nuton (soll wahrscheinlich Leißen tetragrammaton) +plenum haben sich noch bis in die neueste Zeit

als Mittel zum Festmachen erhalten. Vgl. das sehr flache und unbedeutende Buch vom Thierarzt Lur:,,Der Scharfrichter nach allen seinen Beziehungen“ (Leipzig 1814). Aehnliche Amulete habe ich auch bei Selbstmörderinnen, einmal sogar bei einem sehr jungen Mädchen auf die Brust gelegt gefunden, jedoch niemals bei männlichen Selbstmördern.

1) Wie ernst sind die Aufgaben der Sanitätspolizei! Wie weit ist diese noch von ihrem Ziele entfernt, wenn sie nicht mit verdoppelter Schärfe auf den Betrug achtet, durch welchen die Bevölkerung großer Städte vergiftet wird. Man blaucht nicht erst nach Paris zu gehen, um den ungeheuern Vorrath von Wildpret aller Art zu untersuchen, welches den Restaurants aus den — Scharfichtereien geliefert wird; auch außerhalb Paris und Frankreich kommen solche Associationen zwischen Wirth und Schinder vor. Die leßtern halten große Schweinemastereien, in denen die Schweine mit dem Fleisch gefallener Thiere gemastet, an die Schlächter geliefert und von diesen in die Haushaltungen verkauft werden. Auch die übeln Hundefuhrwerker sind Hauptkunden für die Schinder und werden allein schon durch den Handel mit Futterfleisch für die Hunde in eine ohnehin sehr bedenkliche Verbindung mit den Schindern gebracht. Seit einer Reihe von Jahren Hagen die Polizeibehörden über das beständige Vorfemmen von Hundekrankheiten, welche einen epizootischen Charakter annehmen.

trole ist es zu danken, daß die verderbliche Propaganda des alten Uebels mindestens nicht äußerlich weiter um sich gefreffen hat, wie es noch zu Anfang dieses Jahrhunderts möglich war und wovon man noch heutzutage im Nachlaß verstorbener alter Scharfrichter ganz staunenswerthe Belege finden kann.

So tritt denn das Schinderwesen als eine je geheimer, desto unversehener und üppiger heraufgewucherte Macht im Gaunerthum hervor, und diese Gewalt und innige Verbindung mit lezterm macht sowol die eigenthümlichen Erscheinungen in der Individualität wie in der Gesammtheit erklärlich, in welcher die Individualitäten nicht etwa als zufällige Aphorismen hervortreten, sondern als historisch herangebildete und stets unter sich eng verbundene Gruppe im socialpolitischen Leben eristirt, und wenn auch mit harter Verachtung angesehen, doch der nothwendigen Beachtung dieser kurzsichtigen Isolirung entbehrt und dafür eine schwere Rache gegen das socialpolitische Leben heraufbeschworen haben.

Neununddreißightes Kapitel.

a) Die Sprache der Freudenmädchen.

Wie die Prostitution in ihrem ganzen Wesen und Treiben mit dem Gaunerthum so fest verwebt ist, daß eins ohne das andere gar nicht gedacht werden kann, so ist auch die Sprache der Dappelschicksen ein durchaus integrirender Theil der Gaunersprache selbst, welcher in seinen Einzelheiten durch Uebermuth und Frechheit liederlicher Dirnen und ihrer lasterhaften Genossen geschaffen und mit gemeinem Behagen in die Gaunersprache aufgenommen

Das Fleisch gefallener Thiere ist auch Hunden nicht zuträglich. Die unter unmittelbarer Aufsicht von Polizeibeamten vorgenommene Verscharrung der er= krankten gefallenen Thiere hilft nicht, wenn nicht auch die heimliche Ausgrabung verhindert wird durch sofortige Zuthat chemischer Substanzen, welche den Genuß des Fleisches unmöglich machen und überhaupt die schädlichen Ausdünstungen des faulenden Fleisches paralyfiren.

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