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Schon im Dreißigjährigen Kriege findet man die edle Jägersprache zu der Plattheit herabgekommen, in welcher sie seitdem nur noch immer weiter herabgesunken ist. In dieser Form hat sie dem ganzen Jägerthum auch ihrerseits eine Zuthat zu jener Eigenthümlichkeit gegeben, in welcher die aus der vollen Frische des freien Lebens und Streifens in der Natur gekräftigte offene Männlichkeit mit dem traditionellen und durch Belauschung eigenthümlicher Naturereignisse genährten und verstärkten Aberglauben in einem ganz seltsamen Gemisch), fast wie in einem dualistischen Kampfe hervortritt. Diese Erscheinung ist charakteristisch jägerisch und prägt sich in der frischen Kühnheit des sogenannten Jägerlatein aus, in welchem namentlich von alten Forsteremplaren Ungeheuerliches geleistet wird und völlig unglaubliche und unmögliche Dinge mit der vollkommenen Sicherheit abgeschlossener innerer Ueberzeugung und mit dem empfindlichsten Anspruch auf Glaubwürdigkeit dargestellt werden.

Erst der bedeutsame wissenschaftliche Aufschwung, den das Jagd und Forstwesen der neuern Zeit genommen, hat auch dem Jägerthum und seiner sich mehr und mehr wieder veredelnden Sprache eine würdige Stellung angewiesen. Seit dem Dreißigjährigen Kriege gibt es jedoch nächst dem Soldatenstand wol kaum irgendeinen, der zum Räuber und Gaunerthum ein größeres Contingent geliefert hätte als der Jägerstand. Das Reisen als Jäger gab dem Räuber auch den Sicherheitsbehörden gegenüber eine unverdächtige Gelegenheit, in voller Bewaffnung einherzutreten. Die meisten und schlimmsten Räuber seit dem Dreißigjährigen Kriege fingen mit Wilddieberei an, und diese Wilddiebe waren, wenn nicht förmlich gelernte, doch trefflich geübte Jäger, welche der in Deutschland ungeheuer angeschwollenen Gefeßgebung gegen Wilddieberei

tonung der schlechten Takttheile etwas ungemein Ansprechendes und Romantisches, das sogar dem Elegischen sich nähert. Man vgl. z. B. bei aus dem Windfell, I. 286, die Wasserfanfare Nr. 7 und das Hallali Nr. 8. Ein älteres, wenn auch lange nicht vollständiges, doch aber noch immer brauchbares Jagdsprachwörterbuch findet man im vierten Anhange zu 3. Chr. Nehring's „Historischpolitisch juristischem Leriken" (Gotha 1717).

offen Hohn sprachen. 1) So kam es denn, daß eine nicht geringe Menge Jagdausdrücke in die Gaunersprache aufgenommen wurden. und daß durch die Berührung mit dem Gaunerthum sogar die scheue jüdischdeutsche Sprache Jägerausdrücke enthielt, welche man für fahle Einschwärzungen halten möchte, wenn nicht auch bei der sprachlichen Forschung beständig der Blick auf die historische Entwickelung des ganzen Gaunerthums gehalten werden müßte, damit man sich überall klar orientiren kann.

Die Jagdsprache ist zu bekannt und beliebt, als daß es hier der Anführung einzelner Beispiele bedürfte. Die vom Gaunerthum recipirten Ausdrücke finden sich im Wörterbuch.

Neunundzwanzigstes Kapitel.

8. Die Schiffersprache.

Will man die alte deutsche Urkräftigkeit und Urfrische in ihrer ganzen wunderbaren Fülle und Freiheit kennen lernen, so muß man das Matrosenleben, vorzüglich des deutschen Nordens, beobachten und studiren. Es ist schwer, die prächtige Matrosennatur zu schildern, an welcher die Cultur des 19. Jahrhunderts nur fleckweise, wie ein entstellender Anflug an glänzendem Stahl, haftet, und welche je mehr und mehr ihren Glanz verliert, je schärfer sie von der Cultur beleckt und mit Rost übersezt wird. Nirgends drückt sich das deutsche Kraftwesen voller und üppiger aus, nirgends erscheint auf irgendeiner Folie die moderne Cultur mehr als Uncultur, nirgends wird diese Cultur in so natürlicher Weise und mit so ungesuchter Fronie mehr verhöhnt und rücksichtsloser bloßgestellt als im Matrosenleben. Das Matrosenleben ist unsere

1) Vgl. V. Franck von Steigerwald,,,Res furciferorum. Diebshändel“, wo Th. I (,,Von den Greyßtägen und Schlüßen“), „Kap. 12, S. 72—164 aus: führlich von ‚ Wildbret - Schüßen oder Dieben“ abgehandelt wird. Vgl. die Literatur Th. I, S. 231, wie auch das Leben des sehr merkwürdigen Bayerischen Hiesel (Matthias Klostermayer), dessen Th. I, S. 243 gedacht ist.

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moderne vollste Volkspoesie, in welcher der Matrose ohne objectives poetisches Bewußtsein in vollkommener natürlicher Fülle und Freiheir lebt. Kein Stand lebt mehr und eigenster als der Matrosenstand. Die harte Arbeit, das beständige Ringen mit der stets spielend beseitigten Gefahr, die frische Seeluft stählen Körper und Sinn. Der Matrose ist voller Sinnesmensch und daher tief religiös, gemüthlich und abergläubisch, voll Sinneslust und Genußsucht, aber enthaltsam, nüchtern und ekel, sobald er zur Ruhe kommt. Der freie, unbefangene Eintritt in das volle Leben der entferntesten, verschiedensten Zonen weckt seine Beobachtung und nährt seinen Scharfsinn, und wiederum führt ihn die lange starre Bannung an das einsam auf langer Fahrt dahinstreichende Schiff zu subjectiven Betrachtungen, in denen er sich leicht mit allen Scrupeln abfindet und mit der hellsten Unbefangenheit die wunderlichsten Philosopheme construirt. Kein Mensch lügt mehr, aber auch arg= loser als der Matrose, weil er alle seine, selbst die ungeheuerlichsten Lügen durchaus selbst glaubt; und doch ist er redlich bis zum vollsten Verlaß. Alle Matrosen sind sich gleich, und doch ist jeder ein Criginal, aber kein einziger eine Caricatur.

Bei dieser vollkommenen Originalität des Wesens und der Erscheinung bildete sich in entsprechender Eigenthümlichkeit die norddeutsche Schiffersprache aus, deren unvertilgbare Basis, zum Hohn aller Versuche, die hochdeutsche Mundart einzuführen, das köstliche, kräftige Niederdeutsche 1) ist und welche höchstens nur

1) Eine der ergößlichsten Obliegenheiten, welche ich amtlich zu erfüllen habe, ist die mir anvertraute Leitung der Revierschifferprüfungen. Die dabei verkommenden Fragen und Antworten weiß ich reichlich auswendig, sodaß ich beinahe selbst ein theoretisches Gramen zu bestehen mich unterfangen könnte, Tech sind die Fragen und Antworten immer verschieden und originell. Der amtliche Anstand verlangt die dem Examinanden ungeläufige, lästige hochdeutsche Sprache, in welcher ich die Fragen nach Personalien, Unterricht, Fahrzeit u. s. w. beginne. Dann folgen die eigentlichen Fachfragen der Eraminatoren, erfahrener Schiffer. Es ist ebenso wunderlich wie unabweislich, daß, sobald die leichtern Fragen in hochdeutscher Sprache beseitigt sind und die schwierigern beginnen, jedesmal der geplagte Candidat unwillkürlich in das Niederdeutsche sich flüchtet und die Graminatoren mit in dies salzige Fahrwasser zieht, welches be

durch den affectirten Zuschlag einzelner gesuchter Ausdrücke aus dem verwandten Englischen verseßt, jedoch niemals in ihrem originellen Wesen verändert und umgestaltet werden konnte.

Ein wunderlicher, origineller und charakteristischer Zug des Matrosenwesens ist es, daß der Matrose sein Schiff wie ein lebendiges Wesen betrachtet, dessen Osteologie und Anatomie er genau kennt und studirt und häufig in meistens sehr schön gearbeiteten Modellen darstellt. Jeder Theil des Schiffs, jedes Kabel, jedes Segel ist ein integrirender Theil des ganzen Körpers, und alles wird correct, sauber und gefällig unterhalten und gepflegt, damit das Schiff bei guter Gesundheit und Laune bleibe. 1) Ja selbst die Bewegung des Schiffs hält der Matrose für eine selbständig

kanntlich schwere Lasten viel leichter trägt und durch seinen kräftigen Wellenschlag alle eitle Convenienz wegspült. Am Hafenkai bekommt der hochdeutsch Fragende gewiß keine andere Antwort als ein verächtliches Stillschweigen und Abwenden, während das Niederdeutsche unausbleiblich eine gefällige Antwort erhält.

1) Auf Schiffen hat manches eine tiefere Bedeutung, als der erste Anblick zeigt. Der Matrose, dessen Kleidung und Hände von Theer und Pech starren, erhält sein Schiff auch ungeheißen pedantisch sauber und denkt bei dieser sanitätspolizeilichen Sonderbarkeit ernstlicher an die Gesundheit des Schiffs als an seine eigene. Der Vorwurf der Unreinlichkeit ist auf Schiffen die unerhörteste Beleidigung und das Werfen mit einem Kehrbesen eine tödliche Beschimpfung. Vor einigen Jahren mußte ich eine Untersuchung gegen einen Schiffskapitän führen, welcher im heftigsten Zorn mit der Flinte nach einem Matrosen eines ihm auf dem Revier begegnenden Schiffs scharf geschoffen hatte, weil dieser ihm von seinem Backbord einen Besen zum Zeichen der Verhöhnung gegen das Steuerbord geworfen hatte. Niemals fährt ein Fregattschiff, Barke, Brigg, Schooner oder Galleas ohne Schiffszimmermann, der als eigenster Leibarzt eine wichtige Nolle am Bord spielt und zunftzwangsmäßig gehalten ist, eine Zeit lang zur See zu fahren, um seiner praktischen Arbeit auf der Werfte auch noch die Erfahrung der eigensten Seefahrt, wie die einer ambulanten Klinik, hinzuzufügen. Diese Schiffsgelehrsamkeit macht gerade aus den Schiffszimmerleuten die wunderlichsten Gremplare, welche man am Bord schon aus den steten Zänkereien mit den ganz anders gebildeten Steuerleuten herauserkennt. Fremplare, wie Marryat sie in dem Schiffszimmermann Muddle in „Peter Simpel“ darstellt, sind keineswegs gemachte Erscheinungen Es gibt viele solcher Schiffsphilosophen, welche man auf der Kauffahrermarine freilich nur durch specielle Bekanntschaften entdecken kann.

belebte. Er betrachtet die Segel wie Lungen, durch, welche das Schiff athmet, um mit rüstiger Kraft durch das Wasser zu streichen. Nichts ist dem Matrosen verhaßter als Windstille, die ihm als ein höchst bedenklicher Zustand des Schiffs, als ein Marasmus desselben erscheint und ihn selbst in tiefe, trübe Mitleidenschaft verjest, während er im Sturm mit Lebensgefahr die Segel refft oder einzieht, um das in Leidenschaft gefeßte Schiff sich nicht übermäßig anstrengen und Schaden leiden zu lassen.

In dieser eigenthümlichen Anschauung und Weise hat sich denn auch die Schiffer- und Matrosensprache in höchst origineller Weise ausgebildet. Wenn sie auch eine nicht geringe Menge zum Theil fremder specifischer Kunstausdrücke sich angeeignet hat, so verläßt sie doch durchaus nicht den Boden des Niederdeutschen. Sie überträgt aus dieser Mundart eine Menge Begriffsausdrücke auf das specielle Wesen, Leben und Treiben des Schiffs, deren metaphorische Transposition erst dann recht farbig hervortritt, wenn sie in dieser sprachlichen Weise und Bedeutung durch den Mund des Matrosen wieder in das bürgerliche Verkehrsleben zurückgeführt und auf die verschiedensten Gegenstände und Begriffe dieses Lebens angewandt wird. 1) Die Sprache erhält somit eine zwiefache Bedeutsamkeit und ein erhöhtes Leben. Sie verdient

1) So nennt der Matrose alles, was tüchtig, gut oder stark ist, steif, von gut gestrafftem Tauwerk; stif Eten, steifes, d. h. gutes Essen; stifen Brannwin, starker Branntwein; ftifen Körl, kräftiger Mensch. Koi (Koje) if Quartier, Stube, Haus; stoppen, anhalten, warten; sweideln (schwe= ben), taumeln; een an Backbord, eine Ohrfeige (Backbord ist die linke Seite des Schiffs), weil gewöhnlich mit der rechten Hand nach der linken Wange des Gegners geschlagen wird; Bökspreet, Nase; Batterie, Mund; Vörsteven, Brun; Spieren, Flossen, Arme und Beine; Stērn, Achtersteven, Gatt, Achtergatt, Sißtheil; die schlanke Taille seines Mädchens ist scharpe Snitt, schlank scharp sneeden, Kuß Prüntje (ein Stück Kautaback), fügen prüntjen; falfatern coire, auch prügeln, besonders mit der Faust u i w. Ueber die technische Terminologie der Seemannssprache gibt sehr umfängliche Nachweise J. H. Röding, Allgemeines Wörterbuch der Marine in allen europäischen Seesprachen, nebst vollständiger Erklärung (4 Bde., Hamburg und Hull, o, J.).

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